Flucht vor Diktatur: Darf man Menschen töten?

Leben, Wirtschaft, Stasi, Sozialismus, SED, Überwachung, Diktatur, Honecker, Kommunismus, Mauer

Moderator: Barbarossa

RedScorpion

Ja, schlecht;
siehste, hab ich ma wieda zu positiv über die Schweiz gedacht. :mrgreen:

Aber so sollte es eben auch nicht sein, auch wenn sich die Schweiz erdreistete, das in der Vergangenheit anders zu machen, dass ein Verurteilter kein Bürger mehr ist (abgesehen von der Bewegungsfreiheit während der Detention).


LG
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Triton
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Stephan hat geschrieben:Insgesamt wurde der Fall Dreimal verhandelt - der Sachverhalt scheint demnach alles andere als eindeutig zu sein.
Es geht doch aber hier um den von KH dargestellten Sachverhalt als Grundlage. Niemand war bei allen Fällen dabei und mit diesem Hinweis kann man den thread dann auch schließen.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Lia

Schwierige Frage, die letztlich juristisch nur im Einzelfall entschieden werden kann.
RedScorpion hat geschrieben:Wer tatsächlich glaubt, dass man mal eben seine Mitkämpfer entwaffnen und fesseln könnte und dann immer noch lautlos und ungesehen über die Grenze kommt, hat m.E. wenig Realitätssinn.
Sehr richtig. Ich kannte die Grenze ja zur Genüge von der Westseite auf dem Priwall, Anschleichen und Entwaffnen à la Wnnetou und Old Shatterhand war da nicht- und anderswo auch nicht.
Barbarossa hat geschrieben:ch würde mich auch den Meinungen anschließen, die besagen, es gab auch andere Möglichkeiten, die systemtreuen Grenzer außer Gefecht zu setzen, wie z. B. entwaffnen und fesseln o.ä.
Als Einzelner gegen mehrere? An dieser Grenze? Siehe oben, kaum durchzuführen. Allerdings, wie groß muss der Druck bei vielen
Flüchtlingen gewesen sein, wenn sie im tiefsten Innern auch das Töten anderer in Kauf nehmen wollten? Oder sind die aufgeführten Fälle sehr persönlichkeitsspezifisch?
Als Grundsatzfrage:
Stefan hat geschrieben:Billige ich dem Häftling aber die Grundrechte zu, erwächst im daraus nicht nur ein Notwehrrecht in einem gegenwärtigen Angriff - die Rechtswidrigkeit ist nun gegeben - sondern auch das Recht jederzeit gegen den rechtswidrigen Zustand vorzugehen - das Widerstandsrecht. Und dieser Widerstand kann auch das Töten eines Menschen beinhalten, wenn das zu bekämpfende System sich dieses Mittels bedient.
Richtig, dem würde ich auch folgen, allerdings beinhaltet der Notwehrparagraf auch die Angemessenheit der Mittel, und auch das Widerstandsrecht erlaubt nicht per se eine Tötung und das ist auch richtig so.
Der Fall Weinhold ist ganz sicherlich einer, bei dem es schwierig bis fast unmöglich wird, Notwehr und Widerstandsrecht geltend zu machen. Bei den anderen bleibt ( mir) doch vieles spekulativ.
Aneri hat geschrieben:Ich komme mir vor, dass ich auf dem Mars aufgewachsen bin, wo mir eingeredet wurde, dass Leben des Menschen ist unantastbar. Wie kann man in zivilisierten Welt noch Fragen dazu stellen?!
Man muss diese Frage stellen- politisch wie auch privat.
Wurde hier schon ausgeführt, dass Widerstand gegen eine Diktatur und Flucht aus einem Staat, der seinerseits die Menschenrechte missachtet, durchaus zur Folge haben kann, dass Situationen entstehen, in denen Vertreter des Unrechtsstaates ihr Leben verlieren.
Im Falle der Flucht sehe ich letztlich aber auch, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben sollte. Schüsse aus dem Hinterhalt sind Vorsatz und nicht durch Notwehr oder Widerstandsrecht imho in nicht wirklich zu rechtfertigen.
Privat:
Philosophische General- Postulate und Antworten sind oft einfacher als das ganz reale Leben, wenn selbiges durch einen tückischen Angriff bedroht wird.
Das weiß ich nun aus eigener trüber Erfahrung. Das Leben des mich würgenden, schlagenden Kerls war mir ganz und gar nicht unantastbar. Die Rettung ergab sich anders, unerwartet, aber angemessen und angemessen schmerzhaft.
Aneri

Dann muss sich nicht wundern über die Kriege, die Mensch führt. Die erste Hürde ist damit überwunden.
Einem ist die Freiheit, für die man fremdes Leben opfert, anderem ist die (bestehende) Ordnung, die er verteidigt und ggbf. den Gegner tötet.

Mit dieser Logik müsste man eigentlich auch Revolutionen (unter denen die Oktoberrevolution) entschuldigen. Auch dort wollten einige "Aufgeklärten" ihre Freiheit realisieren. Was sind die Millionen Toten in vergleich mit heiligen Ziel?!
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:Ich denke auch, die drei Leute in den Beispielen wurden im Westen zu recht verurteilt. Eine solche Tötung wäre nur als tatsächliche Notwehr berechtigt gewesen - das war in den drei Beispielen nicht der Fall. Im Grunde haben sie ebenso unmoralisch gehandelt, als wenn sie selbst auf Flüchtlinge geschossen hätten.
Dass ein Vorbestrafter überhaupt an die Grenze kam, wundert mich sowieso. Meines Wissens kamen da nur Leute hin, bei denen eine erhöhte Zuverlässigkeit angenommen werden konnte. Bereits das Vorhandensein von "Westverwandtschaft" war ein Ausschlussgrund für den Einsatz an der Grenze. Zumindest zu meiner Zeit war das so.
Lieber Barbarossa,
ich wundere mich, dass ein Vorbestrafter mit Westverwandtschaft an die Grenze kam. Was sagen die Zehn Gebote: "Du sollst nicht töten." :wink: :roll:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Lia

Du sollst nicht töten.
Richtig. Aber- wider die biblische Anweisung, auch die andere Wange hinzuhalten, muss ich mich als Privatperson nicht angreifen und vergewaltigen lassen, sondern habe das Recht auf angemessene! Notwehr.
Das eigene Leben oder auch nur eigene Menschenwürde und das Recht auf Unversehrtheit nur um den Preis des Lebens eines Angreifers, dem ich nie etwas getan habe oder eines Vergewaltigers retten zu können, ist schlimm genug. Dafür noch bestraft, bzw. auch nur als "Böse" angesehen zu werden, wäre blanker Hohn.
Ich bin äußerst dankbar, dass ich es nicht musste, sondern 84 weiße Hundezähne die Sache schnell und nachhaltig zu meinen Gunsten klärten. Doch wie schwierig es ist, in einer Angst/Panik/Extrem-Situation noch über "angemessen" nachzudenken, weiß ich auch.
Das ist nur ein anderes Gebiet als die Thread-Frage, ob spezifisch Flüchtlingen Töten per se erlaubt ist.

Oder ob Widerstand gegen ein Regime, das tötet, Töten erlaubt, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Im Falle des Widerstandes im 3.Reich halte ich das nach wie vor für eine erlaubte Notwendigkeit. Schlug leider fehl.
Ein generelles, unbegrenztes Recht auf auch " prophylaktisches" Töten, um eine Flucht aus einer Diktatur oder einem Terror-Regime zu ermöglichen, würde ich als nicht per se gerechtfertigt betrachten.
Da muss es, meiner Meinung, bei der Einzelfall-Betrachtung bleiben, nd die ist schon schwierig genug.
Persönlich, so denke ich, wäre ich beim Nachdenken, was alles passieren könnte, auch zu der Entscheidung gekommen, nicht über Leichen zu gehen, sondern nur mein eigenes Leben zu riskieren. Aber was weiß ich schon? Ich habe eben nicht nicht in einer Diktatur gelebt und mein Temerament und einen Freiheitsdrang derart zügeln müssen.
Barbarossa hat geschrieben:Ich habe auch schon bei meiner Musterung zur NVA den Mut aufgebracht und auf die Frage, ob ich ein Problem darin sehen würde, auch an der Grenze eingesetzt zu werden, geantwortet, dass ich nicht auf Menschen schießen würde
Dass "Unzuverlässige" nicht eingesetzt wurden, war mir bekannt. Dass gefragt wurde, ob man an die Grenze wolle, auch. Und wollte man nicht, brach sicherlich kein Lobgesang aus, doch es wurde mehr oder weniger akzeptiert. Oder stand man doch gleich auf einer Liste? Wie aber reagierte man auf Deine wahrlich mutige Äußerung, generell nicht auf Menschen zu schießen? Das geht ja noch einen gewaltigen Schritt über Grenzdienst-Ablehnung hinaus, war ja schon fast Kriegsdienst- Verweigerung.
Wahrlich mutig, Respekt!
(Kriegsdienstverweigerung brachte in den ersten Jahrzehnten unserer West-Republik durchaus Nachteile, z.B. bei potenziellen Arbeitgebern.)
Aneri

Lia hat geschrieben:Du sollst nicht töten.
Richtig. Aber- wider die biblische Anweisung, auch die andere Wange hinzuhalten, muss ich mich als Privatperson nicht angreifen und vergewaltigen lassen, sondern habe das Recht auf angemessene! Notwehr.
Genau! Es tut mir leid, aber wenn ich auch mit der Lupe die Notwehr in der Karlheinz geschriebenen Beispielen suchen würde, würde ich nichts finden. Wenn du es findest, zeigt nur wie weit außeinander wir sind. Leider...
Stephan
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Aneri hat geschrieben: Genau! Es tut mir leid, aber wenn ich auch mit der Lupe die Notwehr in der Karlheinz geschriebenen Beispielen suchen würde, würde ich nichts finden. Wenn du es findest, zeigt nur wie weit außeinander wir sind. Leider...
Jeder Mensch hatte das Recht die DDR auf Grund eigener Entscheidung zu verlassen!
Jeder Versuch dies zu unterbinden war also rechtswidrig - auch wenn das geschriebene Recht der DDR anders sah!
Der Einsatz von Minen, Selbstschussanlagen oder bewaffneten Personen war an der Grenze allgegenwärtig!
Jeder Flüchtling sah sich damit beim Grenzübertritt einem lebensbedrohenden, gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff gegenüber - ein klarer Fall von Notwehr!

Die Notwehr muss verhältnismäßig sein, Verhältnismäßigkeit bedeutet nicht, dass der Angreifer den ersten Schuss oder Stich hat.
Freundliche Grüsse
Stephan
Aneri

Stephan hat geschrieben:Jeder Mensch hatte das Recht die DDR auf Grund eigener Entscheidung zu verlassen!
Nach welches Recht??? Man kann Vieles zu seinem Recht erheben. Rechtmäßiger wird dadurch nicht.
Die Notwehr muss verhältnismäßig sein, Verhältnismäßigkeit bedeutet nicht, dass der Angreifer den ersten Schuss oder Stich hat.
Aber direkte Bedrohung für eigenes Leben muss schon vorhanden sein, oder? War es aber nicht.
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Marek1964
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Aneri hat geschrieben:
Stephan hat geschrieben:Jeder Mensch hatte das Recht die DDR auf Grund eigener Entscheidung zu verlassen!
Nach welches Recht??? Man kann Vieles zu seinem Recht erheben. Rechtmäßiger wird dadurch nicht.
Gegen Dikaturen gibt es eben ein übergeordnetes, ungeschriebenes Menschenrecht. Was in der DDR und anderen kommunistischen Staaten "Republikflucht" war, die offensichtlich todeswürdig war, war nach unserer moralischen Wertordnung unser Recht.
Aneri hat geschrieben:Die Notwehr muss verhältnismäßig sein, Verhältnismäßigkeit bedeutet nicht, dass der Angreifer den ersten Schuss oder Stich hat. Aber direkte Bedrohung für eigenes Leben muss schon vorhanden sein, oder? War es aber nicht.
Naja, aber mit diesem Schiessbefehl, mit den Todesschussanlagen, den scharfen Hunden usw. an der Grenze hat dieses Regime selbst die Eskalation herbeigeführt. Wer Träger dieses Regimes war, hatte eben diese Konsequenzen zu tragen. Wie ein Soldat.

Was dann Notwehr ist oder nicht, ist schwer zu ermessen- Aber ich bin da im Zweifel bei denjenigen, die die Freiheit verteidigen - nota bene nur ihre eigene. Und der Freiheitskampf hat immer die Berechtigung, denjenigen, der auf der Seite der Unterdrückung ist, zu beseitigen. Wie Soldaten im Kampf. Oder Partisanen.
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Marek1964
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Meine beiden Eltern verliessen mistamt uns allen die Tschechslowakei 1968. Unsere Situation war insofern speziell, als dass mein Vater zuerst eine einjährige Gastprofessur in New York und dann ein Ordinariat an der Universität Basel hatte. Vor dem August 1968 war das eingetütet. Als dann die Panzer kamen, waren aber die Grenzen noch recht lange offen - wer sich dafür interessiert, schaue sich den Film oder lese das Buch von Kundera "die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" - oder frage mich.

So kamen wir zunächst na Amerika und dann in die Schweiz. Weil aber meine Eltern nicht zurückkehrten wurden sie verurteilt - mein Vater zu zwei Jahren, meine Mutter zu einem Jahr (sie hat sich dann - wir erfuhren das erst 1990 - aufgeregt, dass sei Diskriminierung, warum hat sie für die gleiche "Tat" nicht das gleiche Mass bekommen wie ihr Mann). Die Urteile wurden natürlich von Václav Havel ex tunc annuliert.
Stephan
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Re p u b l i k f l u c h t als Straftat - unglaublich zu welchen Konstrukten sich volkseigene Juristen verirren konnten!

Da war man 120 Jahre früher im kaiserlich-monarchistische Deutschland schon weiter. Am 21. Dezember 1848 beschloss das Paulskirchenparlament:
§. 6.

[1] Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.
[2] Die Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reiches.
vgl.
Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volks (27.12.1848), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/1848/ ... 8_ges.html, Stand: 18.09.2014.
Freundliche Grüsse
Stephan
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Barbarossa
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Lia hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Ich habe auch schon bei meiner Musterung zur NVA den Mut aufgebracht und auf die Frage, ob ich ein Problem darin sehen würde, auch an der Grenze eingesetzt zu werden, geantwortet, dass ich nicht auf Menschen schießen würde
Dass "Unzuverlässige" nicht eingesetzt wurden, war mir bekannt. Dass gefragt wurde, ob man an die Grenze wolle, auch. Und wollte man nicht, brach sicherlich kein Lobgesang aus, doch es wurde mehr oder weniger akzeptiert. Oder stand man doch gleich auf einer Liste? Wie aber reagierte man auf Deine wahrlich mutige Äußerung, generell nicht auf Menschen zu schießen? Das geht ja noch einen gewaltigen Schritt über Grenzdienst-Ablehnung hinaus, war ja schon fast Kriegsdienst- Verweigerung.
Wahrlich mutig, Respekt!
...
Ja, wie war das damals: Natürlich pochte mein Herz in dieser Situation wie wild und wollte am liebsten zum Hals heraushüpfen - so kam es mir vor. Dem Herrn in Uniform, der mir gegenüber saß, "entgleisten" erst einmal die Gesichtszüge und sagte dann aber in einem ruhigen Ton:
"Ach wissen sie, das mit dem Schießen, das wird nur im äußersten Notfall gemacht."
Das war der ganze Kommentar dazu und das Gespräch war dann auch gleich beendet. Sicher hatte er auch mitbekommen, wie aufgeregt ich war, aber es gab moralische Grenzen, die ich in dem Staat nie überschreiten wollte - hatte ich mir vorgenommen. Ich wollte immer selbst in den Spiegel schauen können.
Übrigens hatte das keinerlei spürbaren Nachteile. Auch eine vor etwa einem Jahr gestellte Anfrage bei der Stasiunterlagenbhörde ging negativ aus: keine Akte von mir gefunden, was mich dann doch überraschte.

Ach ja, und übrigens kam ich um die Armee tatsächlich ganz und gar herum, denn die "Wende" kam, das Zivildienstgesetz kam in dieser Zeit heraus und ich beantragte Zivildienst.
:wink:
Stephan hat geschrieben:Re p u b l i k f l u c h t als Straftat - unglaublich zu welchen Konstrukten sich volkseigene Juristen verirren konnten!

Da war man 120 Jahre früher im kaiserlich-monarchistische Deutschland schon weiter. Am 21. Dezember 1848 beschloss das Paulskirchenparlament:
§. 6.

[1] Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt; Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.
[2] Die Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reiches.
vgl.
Gesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volks (27.12.1848), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/1848/ ... 8_ges.html, Stand: 18.09.2014.
Die DDR war eben ein totalitärer Staat. Um zu erklären, wie das damals vom Regieme begründet wurde (übrigens auch in der Schule), zitiere dazu mal eine Textstelle aus meinem Buch „1989/1990 Die Friedliche Revolution in der DDR" (S.31):
Die Gründe dafür, dass Ausreisewillige als Staatsfeinde betrachtet und auch so behandelt wurden, sind in Verbindung mit der marxistisch-leninistischen Ideologie zu sehen. Das Grundgerüst dieser Ideologie war der Kollektivismus, in dem jeder Einzelne für die "sozialistische Gesellschaft" seinen Beitrag zu leisten hatte. Wer die "Vorzüge des Sozialismus genoss" (z. B. Kindergarten, Schule, Lehre, kulturelle und soziale Einrichtungen usw.) und diese vom Staat subventionierten Leistungen nutzte, der hatte nach dieser Ideologie auch eine Gegenleistung zu erbringen – die Treue und Verbundenheit zum "sozialistischen Staat". Das bedeutet, der Staat leitete aus diesen "Errungenschaften des Sozialismus", die jeder nutzen konnte, einen quasi-Besitzanspruch am Bürger ab. Damit konnte auch der Bau der "Mauer" und der "Schießbefehl" als "gerechtfertigt" dargestellt werden, weil hier dieselbe Denkweise zugrunde lag. Ausreisewillige oder gar "illegale Flüchtlinge" wurden aus diesem Gund klar als "Verräter" am "sozialistischen Staat" bzw. an der "Sache des Sozialismus" diffamiert.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
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Triton
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Die von der DDR unterschriebene Charta von Helsinki garantierte ihren Bürgern Menschenrechte, auch wenn ein Tatbestand der Republikflucht bestand, durften Flüchtlinge nicht mit Waffengewalt daran gehindert werden. Die Grenzanlagen waren deshalb offiziell gegen Angriffe von außen gerichtet (antifaschistischer Schutzwall)und natürlich um unkontrollierte Übertritte zu unterbinden. So, nehme ich an, war die offizielle Vorgabe des Regimes. Wurde ein Flüchtling mit Waffengewalt aufgehalten, dann sicher offiziell aus vorgeschobenen Gründen. Bei einem Grenzsoldaten kommt zudem Fahnenflucht in Frage, unerlaubtes Entfernen von der Truppe.

Wer hier hat schon einmal Wachdienst mit scharfer Munition geschoben? Ich habe das und ich denke, der Dienst ein paar Kilometer weiter östlich sah ganz ähnlich aus. In der Praxis hatte man die Waffe über der Schulter, kein Mensch trägt stundenlang sein Gewehr im Anschlag, da fallen einem die Arme ab. Wer also hinter seinem Kameraden geht, kann seine Waffe mühelos in Anschlag bringen und entsichern und sein Gegenüber dann in Schach halten. Das, so nehme ich an, wäre der straffreie Weg gewesen. Einfach mal den anderen abknallen, auch wenn aus nachvollziehbarem Motiv, geht nicht.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Stephan
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Registriert: 28.10.2013, 23:53

Triton hat geschrieben:Wer hier hat schon einmal Wachdienst mit scharfer Munition geschoben?
Das "Vergnügen" durfte ich auch genießen, die "Taschenkarte für Posten und Streifen im militärischen Sicherheitsbereit" habe ich immer noch. Und auch an den Spruch: "Immer zweimal schießen, das erste Mal auf den Mann, das zweite Mal in die Luft" kann ich mich noch erinnern.
Triton hat geschrieben:In der Praxis hatte man die Waffe über der Schulter, kein Mensch trägt stundenlang sein Gewehr im Anschlag, da fallen einem die Arme ab. Wer also hinter seinem Kameraden geht, kann seine Waffe mühelos in Anschlag bringen und entsichern und sein Gegenüber dann in Schach halten. Das, so nehme ich an, wäre der straffreie Weg gewesen. Einfach mal den anderen abknallen, auch wenn aus nachvollziehbarem Motiv, geht nicht.
Klingt irgendwie unvollendet. Man hält also sein Gegenüber in Schach. Und dann? Warten bis zur Ablösung oder der Öffnung der Mauer?
Freundliche Grüsse
Stephan
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