Die Freiheit der Kunst in der DDR

Leben, Wirtschaft, Stasi, Sozialismus, SED, Überwachung, Diktatur, Honecker, Kommunismus, Mauer

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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GESCHICHTE:
„In Ostberlin war ich freier als meine Westberliner Kollegen“
Ein französischer Kulturpolitiker blickt auf die DDR zurück

Dominique Paillarse war bis kurz nach der Einheit Direktor des einzigen westlichen, nämlich französischen Kulturzentrums in der DDR. Mit dem heutigen Kulturamts-Leiter der französischen Regionaldirektion Midi-Pyrénées sprach Birgit Holzer über seine Erinnerungen an die DDR und die Wende...
Interview lesen: http://g-w.square7.ch/link/midipyrnes
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segula2
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Meine Schwäche und sicher auch Stärke ist, dass ich mir fotografisch genau viele Episoden meines Lebens eingeprägt habe und deshalb auf viele Themen mit diesen vielleicht unscheinbaren, aber prägenden Episoden antworten kann.
Es war im Frühling des Jahres 1972, als wir EOS Schüler der 12. Klasse in einer Stadt im Erzgebirge uns fürs Studium auf die entsprechenden Hochschulen und Universitäten anmelden mussten. EOS Schüler = heute Gymniasiast. Nun, da die meisten von uns technische, pädagogische oder andere nichtspektakuläre Studienziele hatten,die wenig Aufsehen bewirkten, war unter uns ein Schüler, der sich als Kunstmaler an der Kunsthochschule in Leipzig bewarb. Dieser erweckte natürlich das allgemeine Interesse auch unter uns Pennälern.
Der begabte Mitschüler sollte als Aufnahmekriterium eine künstlerische Arbeit abliefern zu Thema: "Die Welt ist erkennbar"!(Ein Karl Marx Zitat)

Ich selbst hätte nicht so richtig gewusst, was man dazu malen könnte - ich bin aber auch kein Künstler!

Um so mehr staunten wir über die Arbeit des Mitschülers. Dieser hatte ein Bild gemalt, auf dem im biblischen Paradies Adam und Eva zu sehen waren, wie sie gerade von der Frucht des Baumes der Erkenntnis aßen.

Beeindruckend!

Beeindruckend, erst mal auf die Idee zu kommen und noch beeindruckender, wenn man das Bild gesehen hat. Wir bewunderten den Künstler unter uns.

Um so unverständlicher erschien es uns, als wir erfuhren, dass unser Mitschüler mit diesem Bild die Aufnahmebedingungen zum Studium nicht erfüllt hat und abgelehnt wurde.
Die Begründung lief dahinaus, dass das Thema verfehlt wurde, weil mit kirchlichen (biblischen) Argumenten gearbeitet wurde.
.... :|
MfG Heiner
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An irgendeiner anderen Stelle dieses Forums habe ich den "klammheimlichen Wunsch" geäußert, die Merkel möge genauso einen blamablen Abgang haben, wie seinerzeit das Politbüro der SED.
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Barbarossa
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Komisch: Warum wundere ich mich jetzt darüber nicht... ?

Wahrscheinlich, weil ich selbst sehr gut weiß, was damals so gelaufen ist.
:roll:
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segula2
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@ Barbarossa Diese Episode fiel mir eben so ein zum Thema Freiheit der Kunst in der DDR.

Die Freiheit der Kunst wurde in der DDR spätestens nach dem 11. Plenum des ZK der SED im Jahre 1965 beschnitten. In diesem Plenum wurden DEFA Filme als schlechtes Beispiel vorgeführt ("Denkt nur nicht, dass ich weine!" ; "Der Hase bin ich") und die vortragenden Genossen mussten ihrer Empörung darüber Ausdruck verleihen. Und sie entrüsteten sich pflichtgemäß. :evil:

Die Beatmusik - vornehmlich die westliche - verbreitet unter dem Jugendradio DT 64 wurde sehr getadelt und eingeschränkt. Hier fiel das oft zitierte Zitat Ulbrichts: "Ist es denn so, dass man jeden Dreck aus dem Westen kopieren muss? Ich finde, mit dem Yea, Yea, Yea und wie das heißt sollte man doch Schluss machen. ..."

Weiterhin wurden unbeliebte Künstler beim Namen genannt, u. a. Stefan Heym. An Heym konnte man sich aber nicht abreagieren, weil dieser die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß und trotzdem in der DDR lebte. Übrigens musste man ihn deswegen auch zähneknirschend ins kapitalistische Ausland verreisen und öffentlich auftreten lassen. :wink:

Auch Wolf Biermann wurde auf diesem 11. Plenum 1965 bereits erwähnt.
11 Jahre vor seiner Ausbürgerung!
Horst Sindermann referierte über Biermann, welcher von sich sagte, man hätte seine Seele auf der Mauer getötet und kam unter dem Gelächter der Anwesenden zu dem Schluss: "Was legt er auch seine Seele zwischen Sozialismus und Kapitalismus?"

Irgendeine Abgeordnete regte sich über einen Film zur Bodenreform auf. Darin würden "schöngeistige Gespräche geführt über die Liebe und den Sinn des Lebens", aber es wurde vergessen, den FDJ Beitrag zu kassieren. ... :cry:
Und wenn sie geahnt hätte, welch widerliche Bettszene darin vorkommt, hätte sie ihrer Tochter das Aufbleiben nach 20Uhr nicht gestattet, um den Film zu sehen. :shock:

Diese Sorgen bewegten unsere Genossen zu unserem Wohl und der Freiheit der Kunst.
Naja, Marx sagte schon:" Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit."


Übrigens off toppic: Es wäre schön, wenn man Tondokumente (wav, mp3) hier einstellen könnte. Da hätte ich Ausschnitte aus diesem 11. Plenum.
MfG Heiner!
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Balduin
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segula2 hat geschrieben: Übrigens off toppic: Es wäre schön, wenn man Tondokumente (wav, mp3) hier einstellen könnte. Da hätte ich Ausschnitte aus diesem 11. Plenum.
Guten Abend segula,
leider ist eine solche Funktion nicht vorhanden, wurde aber auf der "muss eingebaut werden" Liste vermerkt. Falls du mir die Tonspuren per E-Mail schicken möchtest, kann ich sie jedoch auf Geschichte-Wissen veröffentlichen. Etwas umständlich zwar, aber mit einem ähnlichen Ergebnis: geschichte.wissen@gmail.com

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Barbarossa
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@segula2, eine kleine Frage, da du dich bei diesem Thema eine wenig auszukennen scheinst:
Wovon haben die Rockbands und auch andere Musiker in der DDR gelebt? Jetzt in der Marktwirtschaft muß man Platten verkaufen - oder bezahlte downloads haben... :roll: - um in dem Geschäft überleben zu können. Die Musiker in der DDR wären nach meiner Einschätzung wohl verhungert, wenn das bei ihnen genau so gewesen wäre.
Also wovon haben die gelebt? Gab es vielleicht eine Art Festgehalt oder sowas?
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segula2
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Ralph hat geschrieben:
segula2 hat geschrieben: Übrigens off toppic: Es wäre schön, wenn man Tondokumente (wav, mp3) hier einstellen könnte. Da hätte ich Ausschnitte aus diesem 11. Plenum.
Guten Abend segula,
leider ist eine solche Funktion nicht vorhanden, wurde aber auf der "muss eingebaut werden" Liste vermerkt. Falls du mir die Tonspuren per E-Mail schicken möchtest, kann ich sie jedoch auf Geschichte-Wissen veröffentlichen. Etwas umständlich zwar, aber mit einem ähnlichen Ergebnis: geschichte.wissen@gmail.com

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Hallo Ralph, das ist eine sehr gute Idee! Auch wenn es umständlich ist, ich muss das ganze eh erst auf meinen Computer umschneiden, damit ich das ganze versenden kann. Dann könnten wir meinen Artikel oben noch mit Tondokumenten untermalen.
Allerdings muss ich das erst bearbeiten:
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segula2
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Barbarossa hat geschrieben:@segula2, eine kleine Frage, da du dich bei diesem Thema eine wenig auszukennen scheinst:
Wovon haben die Rockbands und auch andere Musiker in der DDR gelebt? Jetzt in der Marktwirtschaft muß man Platten verkaufen - oder bezahlte downloads haben... :roll: - um in dem Geschäft überleben zu können. Die Musiker in der DDR wären nach meiner Einschätzung wohl verhungert, wenn das bei ihnen genau so gewesen wäre.
Also wovon haben die gelebt? Gab es vielleicht eine Art Festgehalt oder sowas?
Hallo Barbarossa! Gibts eigentlich auch einen Barbarwessa ? :roll: S`war ein Witz über die Barbaren! :oops:
Ja, wovon die Musiker in der DDR gelebt haben, ist auch mir schleierhaft. Ich hatte einen Schulkameraden, der war Schlagzeuger in einer Beatgruppe - so etwa ab dem Jahr 1971. Die hatten einen Chef, der die Proben leitete und sich um die geschäftlichen Dinge kümmerte. Aber musiziert wurde "nach Feierabend" und die Gelder aus dem Eintrittsgeld waren vielleicht ein gutes Zubrot. ....
Andere Tanzkapellen verdingten sich nebenher bei Tanzstundenkursen der Erweiterten Oberschulen, wo Mittel- und Abschlussbälle ein einträgliches Geschäft waren.
Und die Berufskünstler der DDR, die oft eine exzellente akademische Ausbildung besaßen, mussten bei der Bezirks- und Gastspieldirektion ein Prüfung ablegen und bestehen, wonach sie ein Zertifikat erhielten, welches unter anderem auch die entsprechende Gage regelte. Je nach qualitativer Einschätzung.
Naturlich kettete diese Reglementierung die Künstler an die Interessen der führenden Rolle der Partei. Wer nicht mitspielte, bekam seinen Künstlerpass entzogen und verstummte. Siehe Wolf Biermann.
Ein anderer Fall: Die Gruppe Uwe Schikora - zeitweilig die Begleitband von Frank Schöbel - wurde verboten. Leider weiß ich nicht mehr den Grund. Aber sie wussten sich zu helfen, sie benannten sich um von Schikora in Arokisch, also von hinten.
Natürlich wurden viele Künstler vom Staat bezahlt. Ohne dieses wäre doch eine Gisela May verhungert.
Ach, noch eines. als zweiten Artikel in diesem Faden hatte ich von einem Mitschüler berichtet, der als Kunstmaler zum Studium nicht angenommen wurde, s.o.
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =77&t=2454
Ich habe ihn nach der Wende mal wiedergetroffen, er ist nun doch ein Maler geworden und zeigte mit einige seiner Werke. Es war nichts mehr zu erkennen vom Leben im Paradies: diese Bilder enthielten Endzeitstimmung : Taschenuhren, die wie ein Tuch über die Tischkante gefaltet waren u. ä..
"Interessante Anschauungsweise", meinte ich.
"Aber wer kauft das schon !", entgegnete er.
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Tondokumente des 11. Parlaments

Die Tondokumente von segula2 können hier gehört werden. Zur Wiedergabe wird der Flash Player benötigt, der Downloadlink ist im Beitrag mit angegeben.

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Die Beatmusik - vornehmlich die westliche - verbreitet unter dem Jugendradio DT 64 wurde sehr getadelt und eingeschränkt. Hier fiel das oft zitierte Zitat Ulbrichts: "Ist es denn so, dass man jeden Dreck aus dem Westen kopieren muss? Ich finde, mit dem Yea, Yea, Yea und wie das heißt sollte man doch Schluss machen. ..."

Weiterhin wurden unbeliebte Künstler beim Namen genannt, u. a. Stefan Heym. An Heym konnte man sich aber nicht abreagieren, weil dieser die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß und trotzdem in der DDR lebte. Übrigens musste man ihn deswegen auch zähneknirschend ins kapitalistische Ausland verreisen und öffentlich auftreten lassen. :wink: ??
GuL
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Unvergessen bleibt auch die Band Silly. Eine deutsche Rock-Band, die 1978 in Ost-Berlin gegründet und mit der Sängerin Tamara Danz populär wurde. Die Texte der Songs waren immer so konzipiert, dass sie indirekt die Freiheit der Kunst und Musik in ihren Texten behutsam einforderte. Nur man durfte dabei nicht zu weit gehen und man musste sich immer entlang einer unsichtbaren Grenze bewegen, die man nicht deutlich überschreiten durfte. Ist man einmal zu weit gegangen, dann konnte man die nachfolgende Demontierung und Hetzkampanien nicht mehr verhindern. Es bedeutete quasi das aus für die Musikgruppe.

" Der Bandname Silly stand bereits fest, wurde aber von den DDR-Behörden wegen des Anglizismus nicht zugelassen; überdies wird silly übersetzt mit „albern“, „einfältig“. So nannte sich die Band Familie Silly und erklärte Silly kurzerhand zum Bandmaskottchen – eine Katze. Die damaligen Behörden akzeptierten schließlich, dass sich die Band seit 1982 nur noch Silly nennt."

" Im Dokumentarfilm flüstern & SCHREIEN – Ein Rockreport von 1988 sagte Danz: „Wir haben ganz zu Anfang sehr viele Kompromisse gemacht, daraus haben wir gelernt, und seitdem machen wir keine mehr. […] Du kannst keine Musik machen mit Kompromissen.“ Die damaligen Songs von Silly sind meist sehr poetisch und haben versteckte Andeutungen, die sich – vorbei an der Zensur – mit den Lebensumständen in der DDR kritisch auseinandersetzen. Sängerin Tamara Danz erläuterte in der Nachwende-Zeit die Vorgehensweise beim Texten und beschrieb, dass man bewusst sogenannte Grüne Elefanten in die Songs einbaute, Textstücke also, die so übertrieben und kritisch waren, dass sie garantiert von der Zensur angegangen wurden. Neben diesen Übertreibungen konnten dann kleinere, verstecktere Andeutungen, die das bewusst hörende Publikum durchaus wahrnahm, im Text verbleiben."
http://de.wikipedia.org/wiki/Silly_%28Band%29

Eines ihrer letzen Konzerte (1988):
https://www.youtube.com/watch?v=sxwcSk43fVI

" Tamara Danz am 22. Juli 1996 im Alter von 43 Jahren an Brustkrebs."
james
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Bei all dem Negativen das es so gab, gab es aber auch eine ganz andere Seite und die wird hier ziemlich oft vergessen, daher stell ich sie gern mal vor:

a) das Einstufungssystem für Musiker garantierte den Musikern eine feste Gage (je nach Einstufung) und sorgte dafür das gerade im ländlichen Bereich viele kleine Gruppen unterwegs waren und Livemusik nicht die Ausnahme, sondern auch die Regel war. In Australien bezahlt man Livemusiker oft erst nachher und dabei reduziert man gern die Gage. Viele treten sogar kostenlos auf.
Im Westen gibt es einige Kabarette in denen die Eintrittspreise unter den Künstlern aufgeteilt werden, während der Betreiber sich über die Bar finanziert. Das sind sehr oft sehr kleine Kabaretts mit 50 Zuschauern, geteilt durch 7 Kabarettisten, da bleibt für jeden nur ein Hunni - wenn überhaupt. Und das für einen ganzen Abend Unterhaltung. Wer mag kann sich das gern mal auf einem Monatslohn umrechnen.

b) Das diese "anerkannten DDR-Künstler" auch eine gute Absicherung, ein relativ sicheres Einkommen und eine Rente hatten, wissen hier offensichtlich nur wenige. Ja das die Künstler-Verbände sogar Urlauberheime und Kinderferienheime für Künstler unterhielten. Dies wirkte sich teilweise auch auf die Qualität der Kunst aus, so waren Bücher oft hochwertiger gebunden, inhaltlich sehr viel kompakter und Fachbücher der DDR sind in einigen Bereichen heute noch haushoch überlegen, z.b. die Schülerkompendien für Physik, Mathe, Chemie usw. Ausserdem gabs tolle Märchenbücher und auch viele Jugendbücher. Heute sind viele Jugendbücher ziemlich platt und oberflächlich.

Der Druck der heute auf junge Bands wirkt ist enorm. Natürlich kommen sie heute an super Musikerequipment heran, was damals eine ständige Not war, aber das kostet auch gut. Die Wessis haben sich über die Ausrüstung der Pudhys und von Karat kaputt gelacht.
Dazu kommt aber, das sie heute in Punkto Vertrag sehr stark über den Nuckel gezogen werden, so z.b. durch Rückstellungen von CD´s und Managment-Gehältern. Da ist so manchem der Manager mit dem ganzen Geld durchgebrannt.
Momentan ist der Musikmarkt ja wieder sehr experimentell und es kommt sehr viel junges Blut und viel frischer Wind, was sehr erfreulich ist, aber es ist unheimlich schwer für die Bands von ihrer Musik zu leben. Aber frischer Wind - das gilt leider nicht für Bildhauer oder Maler oder Autoren. Um als Maler deinen Durchbruch zu haben, ist es das Beste früh zu sterben.
Nicht wenige Künstler werden auch dadurch bekannt das sie mit Drogen, Alkohol oder Pleiten glänzten, wie z.b. Matthias Reim, Günter Gabriel usw. die Millionen verdienten und dann total pleite waren. Dann gehen sie in die Dschungelcamps wo sie einen Seelenstrip hinlegen.
Eine Studie stellte schon 2008 fest das 62% aller Künstler unterhalb des Hartz IV Niveaus leben und 84% von weniger als 20.000 Euro Jahreseinkommen Butto leben. Keine Ahnung wie sie das Wunder vollbringen, aber kein Wunder das sie oft nicht mal die Beiträge zur Rente oder Krankenversicherung einzahlen. Und dazu kommt das sie vom Arbeitsamt oft auch noch netterweise zwangsweise umgeschult werden, obwohl die Künstlerverbände stark protestieren. Fast jeder Schauspieler hat sich schonmal bei Hartz IV angemeldet, die sind halt "gute Schauspieler" aber in Wahrheit oft arme Schlucker. Die Tierdokufilmer oder Reisedokus arbeiten oft 2 Jahre an einem Film und bekommen dann z.b. 30.000 Euro und man kauft den ganzen Film. Das geht nur wenn er ständig 2 Filme in der Mangel hat.
Das mag für ein Jahr ok sein aber für 2 Jahre? Nur die öffentlich-rechtlichen haben hier andere Regeln und daher sind deren Dokus oft auch besser. Da produzieren die Auslandsstudien auch jedes Jahr eine größere Reisedoku. Deshalb haben die auch so viele davon.
Spiegel produziert z.b. ihre Polit und DDR-Dokus oft nur mit "willfährigen Quotenossis" und deren westlichem Gegenspieler vor grauer Wand und untermalt mit Zusammenschnitt aus dem Defa-Archiv und O-Ton. Und dann schneiden sie diese Dokus auch noch kreuz und quer zusammen. Das ist recht billig, schnell gemacht und insgesamt recht wirksam. Man kann im O-Ton so ziemlich alles behaupten. Andere machen dokus mit "die 10 schnellsten, 10 schönsten und 10 besten xyz". Oder sie blasen Youtubevideos auf und schnippeln sie zusammen, wobei ne Blondine das ganze moderiert. Das ist Billig-TV.
Das ist ein totales Armutszeugnis für Kunst und Kultur.

Besonders schlimm geht es auch Drehbuchautoren, denn oft schreiben sie nicht mehr als ein oder zwei Filme und um die zu pitchen müssen sie gewaltige Vorleistungen bringen und bekommen nachher nur wenig raus. Die in der USA haben vor einigen Jahren gestreikt aber auch das hat ihnen nicht viele Verbesserungen gebracht. Und das Zirkussterben ist vielleicht vielen noch nicht bewusst geworden, aber auch diesen Künstlern geht es oft nicht gut.
Heute muss ein Künstler Unternehmer sein oder von einem Unternehmer gecoacht werden. Wenn sie das nicht haben, geht es ihnen sehr sehr schlecht. Kunst und Kultur wurde gerade in Deutschland in den letzten Jahren extrem zurück gefahren und sie sind nicht die einzigen. Auch vielen Wissenschaftlern geht es nicht wirklich gut und selbst berühmte Sportler fallen ebenfalls nach ihren Karrieren oft ins Bodenlose.

c) Die DDR hat den Künstlern zwar den Rahmen eingeschränkt, aber sie hat auch genügend Kunst und Kultur gefördert, zigtausende Clubs, Tanzgruppen, Orchester, Oper, 3 Zirkusse, Schauspielhäuser aber auch Bibliotheken usw. unterhalten, wovon viele Künstler leben konnten. Das sie bereits die Kunsterziehung durch Musikschulen und AGs förderten, muss man auch noch bedenken. Auch hier kamen Künstler unter.
Dazu kam das sie ab den 80igern Künstler auch massiv im Westen bzw. international auftreten ließ, wobei sie das alles über die DDR-Künstleragentur gemanagt hat. Dabei kassierte sie die Gage, wovon sie ein Teil einbehielt und den Rest an den Künstler auszahlte. Es war gewissermaßen Teil der Vereinbarung das Künstler die gut verdienen, nicht zu Millionären aufstiegen. Katharina Witt hat z.b. nur 10% ihrer eigentlichen Gage ausbezahlt bekommen, aber sie hat das nie bedauert, sondern wusste das ihre Gage in der Nachwuchsförderung ihres Sportes investiert wurde und das ihre Rente sicher ist. So traten z.b. 1985 mehr als 30.000 DDR-Künstler im Westen auf.
Andererseits hat die DDR auch öfter mal weg geschaut, wenn Leute statt zur Arbeit zu gehen als Punks in Hinterzimmern Kleider nähten und diese dann in der Szene vertickten. Und das sie Stücke wie City - am Fenster nicht verbot oder das sie die Umbenennung des Namens durchließ, zeigt ja auch das sie sich durchaus flexibel verhielt, wenn man sie nicht provokativ heraus forderte.

Für Künstler die sich also mit den Rahmenbedingungen arrangieren konnten, war die DDR ein sorgenfreies Paradies, aber wer auf Konfrontation ging, bekam die Quittung und die war dann durchaus unangenehm.

Wohlverhalten ist aber kein DDR-Phänomen, sondern auch hier lässt man Künstler fallen wenn sie sich daneben benehmen, so wurde auch Xavier Naidoo scharf attackiert weil er auf die spontane Idee kam auf einer Demo aufzutreten. Dummerweise war es eine Pegida-Demo. Und über Sido der erst mit den Integrationspreis geehrt und anschliessend besingt wie er Politiker killt, darüber hat die ganze Nation gelacht. Auch die Bands die hier über Shows promotet werden, erhalten für die Dauer der Shows und darüber hinaus noch 6 Monate ein "Gehalt", das durchaus naja, nicht gerade das ist was ich erwartet hätte. Aber wenn sie dann nicht den Durchbruch haben, lässt man sie fallen. Wenn man bedenkt was die für Schikanen über sich ergehen lassen und quasi ihr ganzes Leben sich in der Öffentlichkeit abspielt, dann ist das für die Sender echt billig produziertes Fernsehn - auf Kosten dieser Menschen. Naja für einige mag das toll laufen, für andere aber nicht, die werden sofort wieder vom Publikum vergessen.

Mal davon abgesehen das die Musik der DDR nicht wirklich mit der Westdeutschland mithalten konnte, was auch durchaus an den merkwürdigen Musikgeschmack der Genossen lag, gab es doch auch einige Lichtblicke.
Den City-Song find ich heute noch gut und silly mit ihrem "Alles Rot" mag ich auch sehr. Ich mag aber auch Nena und Sarah Connor und viele viele andere.

Man sieht im Westen nur die Topverdiener, aber es gibt auch eine gewaltige Masse Mittelmässiger die sich kaum über Wasser halten können. Es gab eben Vor- aber auch Nachteile.
Ruaidhri
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Die Wessis haben sich über die Ausrüstung der Pudhys und von Karat kaputt gelacht.
Nein, haben wir nicht, sondern deren Musik gemocht, auch weil die viel authentischer und besser war als so manches aus West- Produktion.
Was das Tingeln bei ländlichen Veranstaltungen betrifft: Studenten-Nebenjob, da hielt man den Staat gern raus. Entweder man war gut und bekam neue Auftrittsmöglichkeiten, oder man war es nicht.
Und Fachbücher der DDR sind in einigen Bereichen heute noch haushoch überlegen, z.b. die Schülerkompendien für Physik, Mathe, Chemie usw. Ausserdem gabs tolle Märchenbücher und auch viele Jugendbücher.
Aber so etwas von wahr, zumindest Mathe/ Naturwissenschaften/ Ingenieurswissenschaften betreffend, wobei gegen Ende der Republik
Ost das Fehlen der IT zur Bremse wurde.
Für Künstler die sich also mit den Rahmenbedingungen arrangieren konnten, war die DDR ein sorgenfreies Paradies, aber wer auf Konfrontation ging, bekam die Quittung und die war dann durchaus unangenehm.
Richtig, wer sich dafür entschied, Partei und Staat zum Wohlgefallen zu singen, zu malen oder zu schreiben, der hatte es relativ gut.
Ob die Produkte es dann waren, andere Sache.
Der Umgang mit kritischen Literaten wieder blieb ein Trauerspiel.
Dazu kam das sie ab den 80igern Künstler auch massiv im Westen bzw. international auftreten ließ, wobei sie das alles über die DDR-Künstleragentur gemanagt hat. Dabei kassierte sie die Gage, wovon sie ein Teil einbehielt und den Rest an den Künstler auszahlte. Es war gewissermaßen Teil der Vereinbarung das Künstler die gut verdienen, nicht zu Millionären aufstiegen. So traten z.b. 1985 mehr als 30.000 DDR-Künstler im Westen auf.
Hm, vieles, was heute in der Szene herumhängt, hat für mich weder mit Kunst noch mit Können noch mit Talent zu tun.
Die tatsächliche qualitative Vorauslese der DDR fehlt- und das ist bedauerlich.
Mal von der ganzen Pop-Musik Szene weg:
Etwa 50 % meiner Schallplattensammlung an "Klassischer Musik" stammten aus gutem Grund aus DDR-Produktionen.
Gewandhaus- Orchester, Staatskapelle Dresden, Dresdner Kreuzchor und Leipziger Thomaner waren ( und sind) eine Weltklasse für sich. Wie auch ein Peter Schreier, wahrlich ein DDR-Export-Schlager, nur sang der keine Schlager.
Die Förderung der Kunst im instrumentalen, vokalen klassischen Bereich war unbestritten von hoher Klasse, auch da wurde, wo wirklich Talent zu erkennen war, mehr gefördert als im Westen, .
Ebenso im schauspielerischen Bereich, selbst in Film-Nebenrollen erkenne ich z.B. Absolventen der Ernst-Busch-Schule. Die können nämlich tatsächlich etwas, im Gegensatz zu so manchem gehypten west- Sternchen.
Trost: Die großen DDR- Orchester und Bühnen haben überlebt, in Berlin mit anderen Schwierigkeiten als z.B. in Dresden.
Dass viele kleinere Spielstätten schließen mussten oder Sparten verloren gingen, ist Ost und West gemeinsam.
Ist übrigens sch... egal, ob es ein Wessi oder Ossi oder Ausländer sich um eine Orchester-Stelle in den ex-DDR-Ensembles bwirbt. was zählt, ist Können und auch ins Konzept passen, es mitttragen, mitspielen.
Die Musiker sind absolut nicht fixiert auf "Ossi" oder Wessi- Herkunft.
Bin nicht ganz unbewandert in der Musikszene- die Zahl 30.000 Künstler die 1985 im Westen aufgetreten sein sollen , kann so nicht stimmen.
Es sei denn, jedes Gastspiel großer Orchester/ Chöre / Ensembles einzeln gezählt. Jedes Konzert mit ca. 50er Besetzung mal 5 Auftritte- dann käme es vielleicht hin, aber nicht 30.000 einzelne Künstler.
DDR- üblicher Umgang mit Zahlen, vermutlich.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
james
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Ruaidhri hat geschrieben:
Die Wessis haben sich über die Ausrüstung der Pudhys und von Karat kaputt gelacht.
Nein, haben wir nicht, sondern deren Musik gemocht, auch weil die viel authentischer und besser war als so manches aus West- Produktion.
Naja ich meinte eher die Musiker West, die haben sich natürlich köstlich über die teilweise antiquierte Technik Ost lustig gemacht. Gegen die schicken Klimperkisten sahen die schon etwas erbärmlich aus. Die Ossis hatten wohl bei euch den gleichen Exotenbonus wie die Wessis bei uns. Irgendein Wessi hat mal erwähnt das sein größtes Konzert im Osten war. Im Westen galt er als Zweitklassig.
Ruaidhri hat geschrieben: Was das Tingeln bei ländlichen Veranstaltungen betrifft: Studenten-Nebenjob, da hielt man den Staat gern raus. Entweder man war gut und bekam neue Auftrittsmöglichkeiten, oder man war es nicht.
Naja das ist wohl teilweise auch wieder eine Frage von Chancen. So eine junge Band muss ja auch erstmal lernen professioneller zu werden, was die Besucher hören wollen und sie braucht dazu auch Raum aufzutreten. Da hat sich das Einstufungssystem im Osten besser bewehrt, denn es war gewissermaßen ein Zertifizierungssystem, aufgrund dessen sie eine höhere Gage verlangen konnten. Wie man sich sicher vorstellen kann, sind junge Bands in einer Verhandlung aufgrund der Konkurrenz eher im Nachteil, was sich natürlich auch auf ihre Einnahmen auswirken. Wenn diese aber relativ sicher ist, weil sie eine gute Einstufung haben, dann ist das für sie von Vorteil. Das es bei diesen Einstufungen auch um sozialistische Einstellung geht, damit musste man sich halt arrangieren. Hinterher hat man das kreativ doch wieder irgendwie umgangen.
Ruaidhri hat geschrieben:
Und Fachbücher der DDR sind in einigen Bereichen heute noch haushoch überlegen, z.b. die Schülerkompendien für Physik, Mathe, Chemie usw. Ausserdem gabs tolle Märchenbücher und auch viele Jugendbücher.
Aber so etwas von wahr, zumindest Mathe/ Naturwissenschaften/ Ingenieurswissenschaften betreffend, wobei gegen Ende der Republik Ost das Fehlen der IT zur Bremse wurde.
Ja das stimmt, die Fachliteratur in einigen Bereichen war klasse.
Zum Thema Computer: Die DDR hatte mit den KC 87 und KC 89 schon versuchte Computer fürs Volk zu produzieren. Es gab sogar einen Spielautomaten für Kneipen mit Pacman und Astro-Ballerspielen. Und es gab auch Bürocomputer AC irgendwas, mit Speicher auf Disketten der ersten Generation, eine Computer-Fachzeitschrift und sogar Computerkurse. Da lernten 50 Mann an einen einzigem KC. Von hinten brauchte man eine Lupe um den noch zu erkennen, von Lernen kann da kaum die Rede sein. Das Verhältnis lag wohl bei 5000 Computer zu 16 Mio. Einwohnern. Die DDR war hier gerade am Einstieg in das Computerzeitalter. Die meisten DDR-Bürger haben die Dinger nicht mehr gesehen.
Übrigens hat die DDR sehr erfolgreich Zubehör für den Westen produziert, u.a. Epson-Nadeldrucker, die damals als die Besten galten und im Westen verkauft wurden. Man setzte hier bewusst auf Kooperationen z.B. mit Epson.
Im Westen gabs 87 einen Atari, mit einer Datasette (eine Art Kasettenlaufwerk echt ulkig) und die ersten 8 oder 16Mbit IBM´s. Auch in so mancher Uni im Osten stand damals schon ein IBM 8086 mit 8Mbit oder manchmal ein Atari. Die wurden wie ein Schatz gehütet. So mancher Computer kam per Oma´s Handgepäck im Ameisenhandel rüber. Es gab also schon eine winzig kleine Computerszene.
Übrigens die DDR feierte auf der letzten Leipziger Herbstmesse gerade ihren ersten "16Mbit Prozessor". So weit zurück lag sie also nicht und hätte diesen Rückstand in den kommenden Jahren warscheinlich aufgeholt.
Das größte Problem war eigentlich das fehlende DOS, das unter die Importblockade fiel, genau wie Word oder viele andere nützliche Programme. Alles musste sie selbst neu erfinden. Der Gates war noch nicht gefunden.
Ihr Betriebssystem war daher ziemlich kompliziert und die fehlende Software das größte Hindernis um diese Geräte überhaupt brauchbar zu machen. Auch im Westen hatten damals nicht alle Leute einen Computer und ihre Kisten waren fast ebenso klobig mit einem weniger winzigem Speicher. Preislich nahmen sie sich übrigens auch nichts.
Ruaidhri hat geschrieben:
Für Künstler die sich also mit den Rahmenbedingungen arrangieren konnten, war die DDR ein sorgenfreies Paradies, aber wer auf Konfrontation ging, bekam die Quittung und die war dann durchaus unangenehm.
Richtig, wer sich dafür entschied, Partei und Staat zum Wohlgefallen zu singen, zu malen oder zu schreiben, der hatte es relativ gut. Ob die Produkte es dann waren, andere Sache.
Der Umgang mit kritischen Literaten wieder blieb ein Trauerspiel.
Nun haben die nicht alle nur Rot-Front-Lieder gesungen oder Arbeiterbilder gemalt. Es gibt eine Menge unpolitische Kunst. Und was den Umgang mit kritischen Literaten betrifft, kann ich dir verraten das der Schriftstellerverband den Leuten durchaus einen großen Spielraum ließ. Aber gerade Schriftsteller neigen (ähnlich wie Musiker) dazu politische Ansichten verbreiten zu wollen, die sich leicht von drüben missbrauchen ließen. Die Systeme standen in Konkurrenz und jeder wollte beweisen der Bessere zu sein.
Dummerweise hat die Westpresse aber absolut alles ausgeschlachtet, womit sie die DDR (wie auch den Ostblock generell) als Menschenfeindlich hinstellen konnte. Beispiel sind die plantschenden "Frottee-Zwerge" aus einem Kindergarten in Torgau die sie durch verpixeltem Ausschnitt als "'aus einem sowjetischen Kinder-KZ geschmuggeltes Bild" publizierten.
http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/c ... werge_.pdf

Die SED war daher verständlicherweise bemüht der Westpresse keinerlei Futter zu liefern. Und die Ossis haben die Westpresse dazu benutzt der SED-Führung per Spiegel und Co in den Hintern zu treten. Der Westen nahm das nur zugerne an, schliesslich fühlte er sich ja als "Stachel im Herzen des Kommunismus" (Zitat Willy Brandt).
Die Stasi war also rund um die Uhr damit beschäftigt, ihre Bürger davon abzuhalten die Westpresse zu füttern, was nie vollständig gelang. Das haben insbesondere Künstler als Zensur empfunden und auf vielerlei Arten versucht diese Zensur über die BRD wieder zu unterlaufen.
Mit dem Erfolg das die Stasi diese Kritiker besonders eifrig überwachte, abschob oder falls sie was fand, sie in den Knast steckte. An der Neurose der SED-Führung war also der Westen nicht ganz unbeteiligt.
Systemkritiker werden in jedem Land der Welt verfolgt und meist auf unfeine Arten aus dem Verkehr gezogen.
Die Stasi war da keine Ausnahme. Die Abgründe mit denen sich die BRD da mit Ruhm bekleckerte sind bis heute nicht bekannt. Aber auch die werden irgendwann rauskommen.

Blieb diese Kritik jedoch innerhalb des Landes gab es da durchaus Spielraum - auch bei Schriftstellern und die diskutierten schon Jahre vorher intensiv über eine Veränderung der DDR.

Natürlich hat der Westen die Kritik innerhalb der DDR, z.b. in den SED-Zentralen, FDJ-Runden, in Schulstunden oder zwischen den Managern der DDR mit den Ministerien nie zu einem Thema gemacht. Dafür haben sie ehemals überwachten Regimekritiker nach 1990 um so mehr ausgeschlachtet und durch jede Talkshow, Doku usw. rumgereicht. Sie malen also das Bild einer total widerstandslosen Gesellschaft die autoritär von einer Tafelrunde der SED-Spitze herum kommandiert wurde, während die Heldenhaften Dissidenten an der Mauer (alternativ im Gulag) starben.
Aber war es wirklich so?
Dann fragt man sich doch, warum die SED-Zentralen der Bezirke, die ach so begeisterten FDJler, IMs und Parteimitglieder, die paramilitärische GST und die hochgerüstete NVA die anfangs so kleinen Demos die zur friedlichen Revolution führten, einfach zuließen? Warum dieses perfekt durchorganisierte System nicht wirklich viel tat!
Diese Menschen verweigerten einfach die Gefolgschaft, sie blieben in ihren Kasernen, sie gaben keine Befehle weiter, machten sich unsichtbar, unerreichbar, glänzten regelrecht mit Passivität oder schauten nur zu. Und das gilt selbst für die Stasi die ja zu Tausenden auf den Beinen war. Die Wahrheit ist, sie alle wünschten das diese Demos eine gesellschaftliche Erneuerung einleiten. Das heisst aber nicht das sie sich Arbeitslosigkeit und die totale Zerstörung ihrer sozialen Fortschritte sowie den Ausverkauf ihres Landes wünschten. Und das wird auch in anderen Ostblockländern nicht anders gewesen sein.

Am 10. November 89 kaum das die Grenzen offen waren, fuhren hunderttausende Ossis zum ersten Mal in ihrem Leben in den Westen, bekamen dort kostenlos Bananen, eine Bild-Sonderausgabe und 100 DM Begrüßungsgeld geschenkt und am 13. November hielten sie auf der großen Demo in Leipzig Plakate mit den Bild-Schlagzeilen "Deutschland einig Vaterland" und "Wir sind ein Volk" hoch.
Sie wollten einfach nur ein Warenangebot wie im Westen das es leider nur für Westgeld gab, also wollten sie Westgeld.
Ihr Bild von der westlichen Marktwirtschaft war, das es arbeitsmässig ähnlich lief wie im Osten, nur eben mit vollen Läden im Las Vegas Stil und doppeltem Bruttolohn. Das selbe Bild hatte so ziemlich jedes Ostblockland einschliesslich der Russen.
Die gleichen Vorstellungen haben übrigens auch die Asylanten aus Syrien oder Afrika die nach Deutschland aufbrechen.

Die ersten Tage sind wie ein Rausch aber dann landet man auf dem harten Boden der Tatsachen. Leider merkt man immer erst hinterher wie falsch dieses Bild wirklich war. Aber selbst dann denkt man noch positiv. Man ist ja auch schockiert darüber was die Stasi so alles getan hat und nimmt jede Bildschlagzeile für bare Münze. Ja am Anfang haben wir euch so ziemlich alles geglaubt. Und dann kommt immer mehr heraus in was für einem Schnüffelsystem man hier gelandet ist.
Ich weiss nicht warum ihr das hier verteidigt und die schnüffelnden Amis nicht einfach raus setzt. Mehr als 20 Mrd. Euro habt ihr in den Afghanistan-Krieg investiert um die Freiheit am Hindukush zu verteidigen und nun sind die Taliban wieder in Kundus. Das sind nur zwei Highlights dieser politischen Schauspieltruppe.
Ruaidhri hat geschrieben: Hm, vieles, was heute in der Szene herumhängt, hat für mich weder mit Kunst noch mit Können noch mit Talent zu tun.
Die tatsächliche qualitative Vorauslese der DDR fehlt- und das ist bedauerlich.
Mal von der ganzen Pop-Musik Szene weg:
Etwa 50 % meiner Schallplattensammlung an "Klassischer Musik" stammten aus gutem Grund aus DDR-Produktionen.
Naja also musikalisch fand ich den Westen mit seiner NDW, Rock und Pop schon um einiges besser, von einigen Perlen mal abgesehen. Und ob künstlerische Qualität bei dieser Einstufung wirklich so bestimmend war, kann ich auch nicht beurteilen. Aber ich weiss nur das besonders junge Musiker von diesem System profitierten, auch wenn sie es genauso inbrünstig hassten.

Klassische Musik ist nicht so mein Fall. Die Qualität der Klassig lag vielleicht auch daran, das die SED-Spitze selbst eher auf Klassik stand. Schauspielerisch erkenne keinen Unterschied, aber es gab einige erboste Wessis die sich bei Sendern darüber beschwerten das sie Ostschauspieler beschäftigten. Generell ist Kunst wohl Grenzüberschreitend und Musik hielt die Mauer auch nicht auf. Die ganzen Verbote wurden regelmässig unterlaufen.
Heute müssen die Eltern schon ziemlich gut bestückt sein um ihren Kindern all diese Möglichkeiten zu bieten, die der Osten den Kindern bot. Natürlich waren hier wie dort Heimkinder im Nachteil.
Ruaidhri hat geschrieben: Bin nicht ganz unbewandert in der Musikszene- die Zahl 30.000 Künstler die 1985 im Westen aufgetreten sein sollen , kann so nicht stimmen.
Es sei denn, jedes Gastspiel großer Orchester/ Chöre / Ensembles einzeln gezählt. Jedes Konzert mit ca. 50er Besetzung mal 5 Auftritte- dann käme es vielleicht hin, aber nicht 30.000 einzelne Künstler.
DDR- üblicher Umgang mit Zahlen, vermutlich.
Das ist die Zahl von 1988 gerundet. Die Künstleragentur hat alle Arten von Künstler gemanagt.
Da ist so ziemlich alles an Kunst dabei, Bildhauer, Maler, Kabarett, Autoren usw. also nicht nur Musiker.
Ich hab keine Ahnung wie sie gezählt haben, ich nehme an pro Engagement.

Mir gehen inzwischen allerdings die gehypten TV-Sendungen, Realityshows nebst ihren ABC-Promis gründlich auf den Keks. Ausserdem nervt mich die ganze Verarschung, das zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Branchen.

Doch ich find es wirklich eine Frechheit das sich Wessis hier im Osten nach Strich und Faden 25 Jahre lang bedient haben und sogar "DDR" als Markennamen für sich beanspruchen. Der Westen hat wirklich vor nichts Respekt, der hat keinen Funken Anstand und mit seiner Ehrlichkeit ist es auch nicht weit her. Und dann will er auch noch Zeigefinger heben, dabei hat er selbst genug Dreck am Stecken :shh:
Deswegen hält er ja auch seine Siegesfeiern in Frankfurt/Main nicht in Frankfurt/Oder.
Die haben Angst vor faulen Eiern und Tomaten, die feinen Herrn.

In diesem Land wird selbst aus dem Leid von Menschen noch ein Geschäft gemacht und wenn das so weiter geht, dann
landen wir in einer Zukunft in der wirklich keiner gerne leben will, jedenfalls nicht die 99% die unterhalb der oberen Zehntausend sind. Und deshalb muss man über neue Konzepte nachdenken.

Wir haben eure Marktwirtschaft in allen Nuancen erforscht und wir sind nicht damit einverstanden wie sich der Westen Veränderung vorstellt, denn die stellen sich ja nur ein Konzept vor, das selbe wie jetzt - nur in ner anderen Farbe.
Aber mit dem Auswechseln der Partei ist das nicht getan, zumal das wieder eine West-Partei wäre, denn keine West-Partei hat im Osten irgendeinen Rückhalt.
Wir sind längst nicht mehr so doof wie 89 das wir jedem Wessi zujubeln, denn ihr macht sehr viel Mist.
Ihr müsst euch endlich auch mal geistig bewegen.
Dieses System hat sich daran gewöhnt alle Last aufs Volk abzuwälzen und sie werden immer gieriger.
Sie verschonen euch nicht.
Renegat
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james hat geschrieben: Deswegen hält er ja auch seine Siegesfeiern in Frankfurt/Main nicht in Frankfurt/Oder.
Die haben Angst vor faulen Eiern und Tomaten, die feinen Herrn.
Die Feier fand gestern deshalb in Frankfurt/Main statt, weil das Bundesland Hessen dieses Jahr turnusmäßig mit Vorsitz im Bundesrat dran ist, letztes Jahr war die Feier in Niedersachsen. Die Reihenfolge der Länder regelt der Königsteiner Schlüssel, mit der Bevölkerungszahl.

Das nur vorab, den Rest deines laaaangen Beitrags muß man erstmal verdauen. Ich weiß auch gar nicht, ob du überhaupt eine Antwort möchtest, james. Viele Langbeitragsblogger möchten sich ihren Frust oft einfach nur von der Seele schreiben.
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