Deutsche Einheit - Erinnerungen an den 3. Oktober 1990

Die junge Republik: Bonn, Adenauer, RAF, Schmidt, Kohl

Moderator: Barbarossa

RedScorpion

Barbarossa hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:Laß gut sein, RS, Barbarossa versteht sowieso nur das, was er kennt. Mir vorzuhalten, dass ich mich über den arabischen Frühling genauso freute wie über die Wende, zeigt mir, dass es keinen Sinn hat, mit ihm über allgemeine Werte zu diskutieren...
Ich verstehe nicht, was du jetzt hast. Ich halte es eigentlich für logisch, daß einem die Ereignisse, die die Verhältnisse im eingenen Land grundlegend änderten und zumindest bei uns im Osten sich auch das eigene Leben veränderte, näher sind als der arabische Frühling, den man nur aus der Entfernung beobachtet.
...
Diesen Trade-off schnall' ich nicht.

Abgesehen davon, dass die Wiedervereinigung als "Unterpunkt" des Falls des Eisernen Vorhangs, der Uberwindung des Kalten Krieges und der Integration der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten in NATO und EU eher nicht so wichtig oder eben Detail ist,

tät' ich sie historisch-politisch auch als weniger bedeutend einstufen, wenn ich mich schon entscheiden müsste, welches Ereignis denn als einschneidender zu bezeichnen wäre;

denn im Ggsatz zu "Euch" bzw. Dir war es im Westen eigentlich klar, dass es früher oder später zum Fall des Ost-Sozialismus kam (fragte sich nur, wann genau, unter welchen Bedingungen und wie schnell das ablief). Mir war das sonnenklar, seitdem ich denken kann, und es war für alle, die ich kenne, überhaupt keine Ueberraschung (im Ggteil, das Thema wurde eigentlich seit Mitte der 80er aktiv an Schulen und so offen diskutiert). Einer Blinder mitm Krückstock sah das, was die Spatzen seit Jahren von den Dächern pfiffen (sagen wir, Schalck-Golodkowski usw. arbeiteten ja nicht nur im Verborgenen, und man merkte deutlichst, wo der Hase lief).

Ich erachte den Arab. Frühling nicht wegen Gewalthaftig- oder -losigkeit für vergleichsweise wichtiger (würd' deswegen den Fall der Mauer aber nicht als unwichtig abtun),

sondern vielmehr,
weil endlich das (rassistische) Vorurteil widerlegt ist, nur in "westlichen" Ländern (bzw. sprich die Menschen aus deren "Kulturkreis") wüsste man, was Demokratie ist; nur der westlichen Aufklärung (wenn auch mit universellem Anspruch) sei das Individuum, der Bürger und sein Hunger nach Freiheit und Gerechtigkeit zu verdanken. Und der Frühling, der kam nu wirklich unverhofft.
Das Bild, das der Westen dabei abgibt (alter komm. Osten eingeschlossen), ist dagegen mehr als nur elendig und jämmerlich, um nicht zu sagen verachtens- und verdammenswert. Unwürdig, menschen- und entwicklungsfeindlich. Rückwärtsgewandt, knickerig, welt- und zivilisationsfern. Deutschland scheisst dabei noch mit auf den dicksten Haufen, oh Wunder.

Barbarossa hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
für mich ist es etwas grundverschiedenes Anderes in einer Kirche zu sein und dem Christlichen Glauben zu haben oder in einer Partei zu sein schon garnicht bei den Piraten, den Chaoten-Club, die kein klares Parteiprogramm haben...
...und für mich wäre das eben genau das selbe. Darum habe ich auch nie eine Veranlassung gesehen, irgendwelche Schritte in dieser Richtung zu unternehmen. Für mich ist der Glaube mit der Kirche fest gekoppelt. Und weder mit Religion oder Glaube hatte ich je etwas zu tun. Ist eben so.
...
Um aktiv nicht zu glauben, muss man aber wissen, was Glaube ist (weswegen man ihn ja noch lang nicht teilen muss). Zumindest, wenn man Interesse für Politik, Geschichte und Wissenschaft hat. Kant, Hegel, Hinz und Kunz sind ohne religiösen Background zusammenhanglos und eigentlich unverständlich (woraus sich einiges "bei Euch" drüben erklären liesse an Rückstand, denn das fehlt häufig einfach. Da glotzt bzw. gähnt einem das Nix ins Antlitz, wo im Westen Know-How steckt, zumindest in Ansätzen bzw. im Anspruch. Ob's dann tatsächlich ooch der Fall is, is ne andere Frage. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wessi mit solch klaffenden Lücken dahertrabt, ist aber wohl geringer, weil manche offensichtlich bis heut nicht gemerkt haben, wie künstlich doof sie ihre verbrecherische Führung gehalten hat).

Barbarossa hat geschrieben: ...
Aber auch wir als jüngere Generation haben eine eventuelle Überwindung der Teilung als utopisch angesehen - jedenfalls bis 1989.
...
S. oben: Mir völlig unerklärlich. Wart Ihr blind? Habt Ihr mal gesehen, wie's bei Euch aussah? Die ham ja sogar Probleme gehabt, das gewünschte Essen zu orgsen. So ein Staat lebt nimmer lang.

Barbarossa hat geschrieben: ...
An einer Spekulation, ob und wieviele NVA-Soldaten desertiert wären, will ich mich gar nicht beteiligen. Denn klar ist, das Schlachtfeld wäre Mitteleuropa gewesen und höchstwahrscheinlich unter dem Einsatz von Atomwaffen, so daß Desertationen letztlich gar keine entscheidende Rolle auf den Verlauf der Dinge gespielt hätten.
...
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Barbarossa
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RedScorpion hat geschrieben:... Abgesehen davon, dass die Wiedervereinigung als "Unterpunkt" des Falls des Eisernen Vorhangs, der Uberwindung des Kalten Krieges und der Integration der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten in NATO und EU eher nicht so wichtig oder eben Detail ist,

tät' ich sie historisch-politisch auch als weniger bedeutend einstufen, wenn ich mich schon entscheiden müsste, welches Ereignis denn als einschneidender zu bezeichnen wäre...
Für mich gehört(e) das aber alles untrennbar zusammen. Im Grunde besiegelte der Fall der Mauer auch das Ende der DDR.
Das war ja das, was für mich in der Nacht vom 9. auf den 10. November '89 so unfassbar war: Wirklich jedem (bei uns) war klar, daß die DDR nach 1961 einzig und allein nur aus dem Grunde noch existierte, weil es die Mauer gab. In dem Moment, als sie die Mauer öffneten, hatte der SED-Staat kein Machtinstrument - keine wirkliche Macht über das (eingesperrte) Volk mehr. Jeder konnte nun in den Westen gehen, wenn er wollte. Die Mauer war ein - wenn nicht sogar DAS Machtinstrument der SED.
RedScorpion hat geschrieben:... im Ggsatz zu "Euch" bzw. Dir war es im Westen eigentlich klar, dass es früher oder später zum Fall des Ost-Sozialismus kam (fragte sich nur, wann genau, unter welchen Bedingungen und wie schnell das ablief). Mir war das sonnenklar, seitdem ich denken kann, und es war für alle, die ich kenne, überhaupt keine Ueberraschung (im Ggteil, das Thema wurde eigentlich seit Mitte der 80er aktiv an Schulen und so offen diskutiert).
S. oben: Mir völlig unerklärlich. Wart Ihr blind? Habt Ihr mal gesehen, wie's bei Euch aussah? Die ham ja sogar Probleme gehabt, das gewünschte Essen zu orgsen. So ein Staat lebt nimmer lang...
Das spielt doch keine Rolle, wie es bei uns aussah. Natürlich war der Unterschied zwischen Ost- und Westberlin, so wie Tag und Nacht - konnte ich selbst mit eigenen Augen gesehen - quasi als Selbsterfahrung. :wink:
Aber solange, wie der Staat Macht über uns auszuüben vermochte, solange gab es keinen Zweifel, daß der Staat immer weiter existierte. Das war bis Oktober 1989 so. Der Staat erschien uns genau so monolithisch, wie die Mauer, als Machtinstrument des Staates über das eigene Volk. Vereinfacht gesagt, du kannst dir das so vorstellen, wie bei einem Knast.
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
für mich ist es etwas grundverschiedenes Anderes in einer Kirche zu sein und dem Christlichen Glauben zu haben oder in einer Partei zu sein schon garnicht bei den Piraten, den Chaoten-Club, die kein klares Parteiprogramm haben...
zu1)...und für mich wäre das eben genau das selbe. Darum habe ich auch nie eine Veranlassung gesehen, irgendwelche )Schritte in dieser Richtung zu unternehmen. Für mich ist der Glaube mit der Kirche fest gekoppelt. Und weder mit Religion oder Glaube hatte ich je etwas zu tun. Ist eben so.
dieter hat geschrieben:Was Du vom Desertieren der NVA-Soldaten schreibst glaube ich nicht so ganz, den schließlich wird heute noch in Ostdeutschland die Linke bei freien Wahlen gewählt. In Berlin hat sie vier Wahlkreise errungen...

zu2)Das halte ich in den meisten Fällen inzwischen für reinen Opportunismus.
Der Schwager eines früheren Kumpels von mir ist '89 über die Prager Botschaft in den Westen geflüchtet. 1991 besuchten wir ihn zusammen in Düsseldorf, wo er dann wohnte.
Und jetzt kommt's: Ich traute meinen Ohren kaum, als ich ihn darüber schimpfen hörte, daß die Strompreise und anderes wegen dem Osten immer höher stiegen... Ausgerechnet er! :evil:
Ich glaube wirklich, viele Menschen sind einfach so: Jeder ist sich selbst der Nächste.
So ist es auch mit der Linkspartei: Früher wurde auf die Kommunisten geschimpft - heute werden sie von vielen gewählt, weil sie deren Versprechunge glauben und einfach vergessen haben, was die Kommunisten früher verbrochen haben.
Lieber Barbarossa,
zu1)ich kann doch als ev. Christ CDU, SPD, die Günen oder die Linke wählen, ohne meinem Glauben abzuschwören. Wenn ich aber Atheist wäre, ist es unlogisch die Christlich Dmokratische Union, die schon das Christliche im Namen hat zu wählen. :wink:
Zu2) Aber die PDS hatte schon bei der ersten freien Volkskammerwahl eine Menge Stimmen erhalten, trotzdem dass da das SED-Regime noch in guter Erinnerung sein dürfte. :roll:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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dieter hat geschrieben:... ich kann doch als ev. Christ CDU, SPD, die Günen oder die Linke wählen, ohne meinem Glauben abzuschwören. Wenn ich aber Atheist wäre, ist es unlogisch die Christlich Dmokratische Union, die schon das Christliche im Namen hat zu wählen. :wink:
Warum wäre das unlogisch? Ich habe in Brandenburg auch schon CDU gewählt, einfach als Gegengewicht zur SPD und Linkspartei. Bei einer Wahl schaut man doch nur auf das Wahlprogramm und wenn es einigermaßen passt, dann mach ich da mein Kreuz.
Anders ist es bei der Parteimitgliedschaft. Da habe ich 1990 genau so gedacht und habe die Fusion des Demokraischen Aufbruchs mit der CDU nicht mitgemacht - bin dann ausgetreten und einige Zeit später dann in die FDP eingetreten.
Aber die CDU selbst sieht das heutzutage anscheinend auch nicht mehr so eng. Habe letztens gehört, daß es jetzt auch schon Muslime in der CDU gibt. :shock:
Die Zeiten ändern sich...
:wink:
dieter hat geschrieben:Aber die PDS hatte schon bei der ersten freien Volkskammerwahl eine Menge Stimmen erhalten, trotzdem dass da das SED-Regime noch in guter Erinnerung sein dürfte. :roll:
Ja, denkmal an die ganzen "Roten" in den Behörden und auch in den Büros in den Berieben, da waren sie damals ganz "verzweifelt" und meinten: "Wir wissen ja nicht, was wir wählen sollen" - kann ich mich noch erinnern.
Und auch viele Lehrer, Direktoren...
Die haben dann PDS gewählt.

Ach ja - und mein damaliger Schichtleiter, der hat auch PDS gewählt. Na der wurde von uns Arbeitern erst mal "schief angeschaut", das kann ich dir sagen.
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Barbarossa hat geschrieben: ...
RedScorpion hat geschrieben:... im Ggsatz zu "Euch" bzw. Dir war es im Westen eigentlich klar, dass es früher oder später zum Fall des Ost-Sozialismus kam (fragte sich nur, wann genau, unter welchen Bedingungen und wie schnell das ablief). Mir war das sonnenklar, seitdem ich denken kann, und es war für alle, die ich kenne, überhaupt keine Ueberraschung (im Ggteil, das Thema wurde eigentlich seit Mitte der 80er aktiv an Schulen und so offen diskutiert).
S. oben: Mir völlig unerklärlich. Wart Ihr blind? Habt Ihr mal gesehen, wie's bei Euch aussah? Die ham ja sogar Probleme gehabt, das gewünschte Essen zu orgsen. So ein Staat lebt nimmer lang...
Das spielt doch keine Rolle, wie es bei uns aussah. Natürlich war der Unterschied zwischen Ost- und Westberlin, so wie Tag und Nacht - konnte ich selbst mit eigenen Augen gesehen - quasi als Selbsterfahrung. :wink:
Aber solange, wie der Staat Macht über uns auszuüben vermochte, solange gab es keinen Zweifel, daß der Staat immer weiter existierte. Das war bis Oktober 1989 so. Der Staat erschien uns genau so monolithisch, wie die Mauer, als Machtinstrument des Staates über das eigene Volk. Vereinfacht gesagt, du kannst dir das so vorstellen, wie bei einem Knast.
... nur ist der Knast ja von irgendwem finanziert bzw. wird unterhalten.

Das war im Fall der DDR immer mehr die Bundesrepublik, aber die DDR wurde einfach nicht schöner. Sondern als Braut immer älter. :mrgreen:


Klar ist es in einem Fall von Nordkorea so, dass auch extreme Armut dem Regime keinen Abbruch tut; im Ggteil.

Aber am Fall "DDR" konnte man gut beobachten, wie sehr sich der Verfall mit der Abhängigkeit vom Westen küsste. Und dann musste man "einfach" nur noch den richtigen Moment abwarten.

Man sah das auch an vielen kleinen Dingen und verzweifelten Uebersprungsreaktionen, die es z.B. unter dem sächselnden Spitzbart so nicht gegeben hätte, z.B. Honnies griechischen Vers da vom Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf, usw.



LG
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Der arabische Frühling ist, bei allem Respekt, nicht annähernd so bedeutsam wie der Zusammenbruch des realen Sozialismus. Im ersten Fall handelt es sich um ein regionales Ereignis, bei dem Ost-West-Konflikt ging es aber um nicht weniger als um den Fortbestand der Menschheit auf diesem Planeten. Ein nuklearer Schlagabtausch zwischen den Supermächten hätte möglicherweise das Ende des Homo sapiens bedeuten können. Vielleicht hätten einige Reste überlebt, aber unsere Erde wäre jetzt eine ganz andere. Europa hätte sich in eine radioaktive Hölle verwandelt. Wie wir später erfuhren, sollten alleine auf Hamburg 30 sowjetische Atombomben abgefeuert werden. Nichts hätte hier überlebt, auch die Schweiz würde nicht mehr existieren. Insofern hat das Ende des Kalten Krieges der Menschheit noch einmal eine zweite Chance gegeben. Damit verglichen ist der arabische Frühling eine Quantité négligeable.

Was den Untergang des Sozialismus betrifft. Ich kenne keine einzige ernstzunehmende wissenschaftliche Untersuchung, die dies vorausgesehen hätte. Auch die Forscher, die sich berufsmäßig mit dem Warschauer Pakt beschäftigten, waren völlig überrascht. Über die Perestroika wurde viel geschrieben, das sie aber zum Zusammenbruch des Systems führen würde, ahnte niemand. Der Sozialismus war dem Kapitalismus immer unterlegen gewesen, hatte aber viele Krisen, wie etwa die Entstalinisierung, stets überstanden.

Wir haben die Berichterstattung in den westlichen Medien über die sozialistischen Staaten im Jahre 1989 einmal untersucht. Im Frühjahr 1989 schien das SED Regime vollkommen stabil zu sein. Nichts deutete auf den baldigen Untergang hin. Auch als im Sommer 1989 die Fluchtbewegung über Ungarn einsetzte, schien das Regime nicht wirklich gefährdet zu sein.

Der dann plötzlich einsetzende Zerfallsprozess in ganz kurzer Zeit war für alle eine Überraschung. Die westlichen Politiker hatten damit nicht gerechnet, auch nicht die Menschen bei uns. An diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Niemand sah diese Entwicklung voraus.
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:... ich kann doch als ev. Christ CDU, SPD, die Günen oder die Linke wählen, ohne meinem Glauben abzuschwören. Wenn ich aber Atheist wäre, ist es unlogisch die Christlich Dmokratische Union, die schon das Christliche im Namen hat zu wählen. :wink:
zu1)Warum wäre das unlogisch? Ich habe in Brandenburg auch schon CDU gewählt, einfach als Gegengewicht zur SPD und Linkspartei. Bei einer Wahl schaut man doch nur auf das Wahlprogramm und wenn es einigermaßen passt, dann mach ich da mein Kreuz.
Anders ist es bei der Parteimitgliedschaft. Da habe ich 1990 genau so gedacht und habe die Fusion des Demokraischen Aufbruchs mit der CDU nicht mitgemacht - bin dann ausgetreten und einige Zeit später dann in die FDP eingetreten.
Aber die CDU selbst sieht das heutzutage anscheinend auch nicht mehr so eng. Habe letztens gehört, daß es jetzt auch schon Muslime in der CDU gibt. :shock:
Die Zeiten ändern sich...
:wink:
dieter hat geschrieben:Aber die PDS hatte schon bei der ersten freien Volkskammerwahl eine Menge Stimmen erhalten, trotzdem dass da das SED-Regime noch in guter Erinnerung sein dürfte. :roll:
2)Ja, denkmal an die ganzen "Roten" in den Behörden und auch in den Büros in den Berieben, da waren sie damals ganz "verzweifelt" und meinten: "Wir wissen ja nicht, was wir wählen sollen" - kann ich mich noch erinnern.
Und auch viele Lehrer, Direktoren...
Die haben dann PDS gewählt.

Ach ja - und mein damaliger Schichtleiter, der hat auch PDS gewählt. Na der wurde von uns Arbeitern erst mal "schief angeschaut", das kann ich dir sagen.
Lieber Barbarossa,
zu1) Ich bezweifele, dass die meisten Menschen vor der Wahl die Parteiprogramme der einzelnen Parteien lesen und danach ihre Wahlentscheidung treffen. :wink:
zu2) Soviel Wohltaten kann das SED-Regime garnicht an alle Menschen verteilt haben, wie die PDS Stimmen erhielt. Es muß schon so gewesen sein, dass ein Teil der Gesellschaft mit dem Regime ganz zufrieden gewesen ist. :roll:
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Karlheinz hat geschrieben:
diverse Beiträge


Der dann plötzlich einsetzende Zerfallsprozess in ganz kurzer Zeit war für alle eine Überraschung. Die westlichen Politiker hatten damit nicht gerechnet, auch nicht die Menschen bei uns. An diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Niemand sah diese Entwicklung voraus.
Lieber karlheinz,
außer Reagan, der anlässlich seines Berlinbesuches am Brandenburger Tor sagte: "Mr. Gorbatschow, open the door." :)
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Karlheinz hat geschrieben: ...
Der arabische Frühling ist, bei allem Respekt, nicht annähernd so bedeutsam wie der Zusammenbruch des realen Sozialismus. Im ersten Fall handelt es sich um ein regionales Ereignis, bei dem Ost-West-Konflikt ging es aber um nicht weniger als um den Fortbestand der Menschheit auf diesem Planeten. Ein nuklearer Schlagabtausch zwischen den Supermächten hätte möglicherweise das Ende des Homo sapiens bedeuten können. Vielleicht hätten einige Reste überlebt, aber unsere Erde wäre jetzt eine ganz andere. Europa hätte sich in eine radioaktive Hölle verwandelt. Wie wir später erfuhren, sollten alleine auf Hamburg 30 sowjetische Atombomben abgefeuert werden. Nichts hätte hier überlebt, auch die Schweiz würde nicht mehr existieren. Insofern hat das Ende des Kalten Krieges der Menschheit noch einmal eine zweite Chance gegeben. Damit verglichen ist der arabische Frühling eine Quantité négligeable.
...
Ich hab' oben aber deutlich geschrieben (Barbarossa hat's nur nicht verstanden, weil er den Eisernen Vorhang mit der Mauer gleichgesetzt hat), dass ich die Ueberwindung des Kalten Krieges schon für wichtig halte,

aber eben auch wichtiger als Deutschlands Wiedervereinigung (welche ja "lediglich" Unterpunkt dazu ist). Und im Vergleich zu diesem Unterpunkt ist der Arab. Frühling immens wichtiger.

Karlheinz hat geschrieben: ...
Was den Untergang des Sozialismus betrifft. Ich kenne keine einzige ernstzunehmende wissenschaftliche Untersuchung, die dies vorausgesehen hätte. Auch die Forscher, die sich berufsmäßig mit dem Warschauer Pakt beschäftigten, waren völlig überrascht. Über die Perestroika wurde viel geschrieben, das sie aber zum Zusammenbruch des Systems führen würde, ahnte niemand. Der Sozialismus war dem Kapitalismus immer unterlegen gewesen, hatte aber viele Krisen, wie etwa die Entstalinisierung, stets überstanden.
...
Also bitte. Brauchte man bloss nach Reagans Thinktanks zu lauschen, den Fernseher anzuschalten, auf die Strasse zu gehen oder an Schulen.

Schlimm, wenn offensichtlich überbezahlte Forscher das nicht taten. :wink:

Seit spätestens Anfang der 80er pfiffen es die Spatzen von den Dächern, aber so laut, dass man sich die Ohren zuhalten musste, um es nicht zu hören.




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Renegat
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Wer was voraussehen konnte, will ich gar nicht beurteilen, mir fehlt auch der Überblick über die Forschungsliteratur der 80er Jahre. In meiner Erinnerung hatte ich das Lied "wind of change" bereits vorverlegt. http://de.wikipedia.org/wiki/Wind_of_Change
Im Ostblock war was im Gange in den 80er Jahren, angefangen hatte es in Polen, aber auch in Gorbatschows UDSSR und einigen anderen Ostblockstaaten wie Ungarn. Es stimmt aber auch, dass keiner den plötzlichen Zusammenbruch im November 89 so vorhersagen konnte.
Die Fakten haben die Welt verändert, ohne Frage. Konnten wir das aber 1989 oder 1990/91 in der eingetretenen Form absehen. Die ergebnisoffene Zeitspanne war denn doch ziemlich lang, so ungefähr von 1980 bis 92.
Wenn ich mir mit diesen Erfahrungen einen aktuell noch laufenden Prozess wie den arabischen Frühling ansehe, kann ich heute noch nicht sagen, mit welchem obigen Prozesspunkt man den vergleichen könnte. Evtl. schon mit der Solidarnocz zu Beginn der 80er Jahre. Rückschläge gehören zu Veränderungsprozessen.
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dieter
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Lieber Renegat,
spätestens mit der ersten frei gewählten Regierung der DDR stand fest, dass ein anderes Zeitalter begonnen hatte. Die Zwei plus Vier Verträge waren dazu nur ein Ausfluß dessen. Das Ergebnis war, dass Europa nicht mehr geteilt war. :D
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Wiedervereinigung und arabischen Frühling zu vergleichen, halte ich ohnehin nicht für sinnvoll und das habe ich auch nicht getan. Womöglich sogar eine Prioritätenskala aufzubauen ist mit Sicherheit keine sinnvolle Vorgehensweise.

Dass die Demokratie eine exklusive westliche Regierungs- und Lebensform sei und dies dann auch noch rassistisch zu begründen, ist natürlich Unfug. Schon das Beispiel Japan beweist das Gegenteil. Solche Vorstellungen teilen ja nun auch längst nicht alle. Man muss allerdings bedenken, dass diese Ideen auch erst in den letzten Jahrzehnten wieder aufgetaucht und populär geworden sind.

Vorher ging man davon aus, das die früheren despotischen Strukturen in großen Teilen der Dritten Welt am Ende der Kolonialzeit durch die Europäer beseitigt worden wären und das die nun freien Länder nach der kolonialen Ära sich in Demokratien nach westlichem Vorbild entwickeln würden. Davon gingen die Menschen in den betroffenen Ländern ursprünglich auch aus. In fast allen früheren Kolonien entstanden zunächst Parlamente und Parteien nach westlichem Vorbild, auch die Verfassungen stimmten mit denen der Europäer weitgehend überein. In einigen Staaten wie Indien funktionierte dieses Kopieren sogar zum Teil. Als diese frühen Demokratien aber schon nach kurzer Zeit überall von Diktaturen gestürzt wurden, entstanden Theorien, dass diese Länder nicht „reif“ wären für eine moderne, westliche Staatsform. Die Argumentationen waren in der Regel aber nicht primitiv rassistisch, sondern man suchte die Gründe hierfür in ökonomischer Rückständigkeit, abhängigen Volkswirtschaften, Relikten kultureller Vergangenheit usw.

In den arabischen Staaten etablierten die Europäer nach ihrem Abzug allerdings keine Demokratien, sondern verließen sich zumeist auf die traditionellen Herrschaftseliten. Allgemein wurde erwartet, dass durch die Modernisierung der Länder sich langfristig auch hier die Demokratie durchsetzen würde. Der arabische Frühling hat diese These bisher aber noch nicht wirklich bestätigt. Die Antwort ist noch offen und wir müssen die weitere Entwicklung abwarten. Sie aber, wie dies einige machen, generell für demokratieunfähig zu erklären und dies mit Religion oder Rasseeigenschaften zu begründen, ist relativ neu und ich weiß nicht, inwiefern eine Diskussion darüber sinnvoll ist.

Dass der Zusammenbruch des Sozialismus schon Anfang der achtziger Jahre überall prognostiziert wurde, entspricht einfach nicht den Fakten und ein einfacher Rückblick in die damalige Medienwelt überzeugt einem sofort vom Gegenteil. Dort findet man nichts, was über das alte Wunschdenken hinausgeht. Mit Gorbatschow erwartete man sich Veränderungen und Reformen, nicht aber den dramatischen Zusammenbruch. Die Strategie von Reagan, Todrüsten und mit Wirtschaftsmaßnahmen die UDSSR zu erdrosseln, waren ja auch nicht originelle, sondern altbekannte Maßnahmen, nur in verschärfter Form. Diesmal funktionierten die alten Tricks. Weder Reagan noch seine Berater zeichneten sich durch eine bemerkenswerte Intelligenz aus. Nur, was lange währt und wenn man es immer wieder macht, funktioniert es eines Tages.
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Barbarossa
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Ich stimme dir absolut zu, Karlheinz.
Karlheinz hat geschrieben:... Wir haben die Berichterstattung in den westlichen Medien über die sozialistischen Staaten im Jahre 1989 einmal untersucht. Im Frühjahr 1989 schien das SED Regime vollkommen stabil zu sein. Nichts deutete auf den baldigen Untergang hin. Auch als im Sommer 1989 die Fluchtbewegung über Ungarn einsetzte, schien das Regime nicht wirklich gefährdet zu sein.

Der dann plötzlich einsetzende Zerfallsprozess in ganz kurzer Zeit war für alle eine Überraschung. Die westlichen Politiker hatten damit nicht gerechnet, auch nicht die Menschen bei uns. An diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Niemand sah diese Entwicklung voraus.
Eben. Und selbst wir, die in diesem Staat lebten, haben von einem möglichen Zerfall des Regimes bis zum Oktober '89 nichts bemerkt. Und selbst die Regierungsübernahme durch Krenz lief ja noch einigermaßen geregelt ab. Er erschien uns dann wie der Gorbatschow der DDR.

Ein erstes "Aha-Erlebnis" hatte ich eigentlich in dem Augenblick, als am 11. Oktober '89 die "Erklärung des Politbüros" veröffentlicht wurde. Hier sah ich: Die werden mit den Demonstranten nicht "fertig" und werden nun zu Veränderungen gezwungen. Bis dahin habe ich es sogar noch für möglich gehalten - und habe es denen auch zugetraut (!) - daß sie auf die Demonstranten scharf schießen. Nach dem 11. Oktober dann nicht mehr.
Und was wäre wohl passiert, wenn wirklich geschossen worden wäre? Es hätte ein Blutbad gegeben, wie in Peking und nichts hätte sich verändert. Die Friedliche Revolution wäre im Kugelhagel zusammengebrochen und es hätte diesen politischen Umbruch nicht gegeben.
dieter hat geschrieben:... Ich bezweifele, dass die meisten Menschen vor der Wahl die Parteiprogramme der einzelnen Parteien lesen und danach ihre Wahlentscheidung treffen. :wink:
Gut, wenn sie da nicht hineinschauen, dann schauen sie eben Fernsehen, wo auch vieles an Zielen transportiert wird. Wer sich gar nicht dafür interessiert, der geht auch nicht wählen. Ich glaube aber, Leute, die "traditionell" immer nur eine bestimmte Partei wählen, sowas gibt es glaub ich fast nur noch in Bayern.
:wink:
dieter hat geschrieben:Soviel Wohltaten kann das SED-Regime garnicht an alle Menschen verteilt haben, wie die PDS Stimmen erhielt. Es muß schon so gewesen sein, dass ein Teil der Gesellschaft mit dem Regime ganz zufrieden gewesen ist. :roll:
Wenn du gesehen hast, wieviele Leute am 1. Mai und am 7. Oktober jeweils ihre Flagge aus dem Fenster gehängt haben, dann konnte man das Ergebnis fast erahnen. Das waren dann auch die, die in regelmäßigen Abständen ihre "Rotlichtbestrahlung" bekommen haben. Wer aber mit offenen Augen durch die Straßen und vor allem in die Kaufhallen ging und dann im krassen Kontrast dazu die Propaganda im Fernsehen sah, der konnte nicht für diesen Staat sein, der die Bürger derart anlog. Und vor allem dann nicht, wenn man wußte, was der Staat mit seinen politischen Gefangenen macht. Und nicht zu vergessen, die Mauer mit Schießbefehl...
Manche wollten das natürlich nicht erkennen.
Ignoranz ist wohl der größte Feind der Erkenntnis.
:wink:
RedScorpion hat geschrieben:Ich hab' oben aber deutlich geschrieben (Barbarossa hat's nur nicht verstanden, weil er den Eisernen Vorhang mit der Mauer gleichgesetzt hat), dass ich die Ueberwindung des Kalten Krieges schon für wichtig halte,

aber eben auch wichtiger als Deutschlands Wiedervereinigung (welche ja "lediglich" Unterpunkt dazu ist). Und im Vergleich zu diesem Unterpunkt ist der Arab. Frühling immens wichtiger.
Nö, das kannste so wirklich nicht sagen.
Das Ende des Kalten Krieges war ja nunmal von weltpolitischer Bedeutung. Es wurde dabei die gegenseitige Bedrohung zweier Militärblöcke beendet, die beide bis an die Zähne bewaffnet waren und nur der kleinste Funke hätte genügt...
Ein paar sehr brenzlige Situationen gab es in dieser Zeit ja. Daß wir hier heute muter am PC sitzen und uns gegenseitig mit "Argumenten bombardieren" können, ist eigentlich reine Glückssache.
:wink:

Irgendein Vertreter des Arabischen Frühlings in Ägypten verglich diese Revolution - auf Europa übertragen - mit der Novemberrevolution 1918 in Deutschland. Auf eine Art fand ich das sehr treffend, denn es gab hier wie dort keinen kompletten wirtschftlichen Umbau und beide Revolutionen verliefen auch nicht unblutig.
Andererseits waren aber selbst die Ereignisse 1918 wichtiger, denn hier wurde der 1. WK. beendet und auch hier brach ein Militärblock komplett zusammen.
Beim Arabischen Frühling wurden jeweils auf nationaler Ebene lediglich ein paar autoritäre Regimes abgesetzt und die folgenden sind zwar demokratisch gewählt, aber auch nicht wesentlich demokratischer gesonnen. Hier muß Demokratie erst gelernt werden. Das ist ein längerer gesellschaftlicher Prozess.
Aber das war in Deutschland zugegebenermaßen auch nicht anders. Es ist ein Prozess, der um 100 Jahre verschoben ist.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
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RedScorpion

Karlheinz hat geschrieben: ...
Dass der Zusammenbruch des Sozialismus schon Anfang der achtziger Jahre überall prognostiziert wurde, entspricht einfach nicht den Fakten und ein einfacher Rückblick in die damalige Medienwelt überzeugt einem sofort vom Gegenteil. Dort findet man nichts, was über das alte Wunschdenken hinausgeht. Mit Gorbatschow erwartete man sich Veränderungen und Reformen, nicht aber den dramatischen Zusammenbruch. Die Strategie von Reagan, Todrüsten und mit Wirtschaftsmaßnahmen die UDSSR zu erdrosseln, waren ja auch nicht originelle, sondern altbekannte Maßnahmen, nur in verschärfter Form. Diesmal funktionierten die alten Tricks. Weder Reagan noch seine Berater zeichneten sich durch eine bemerkenswerte Intelligenz aus.
...
Klar, und doof war er ja schon dadurch, dass er Amerikaner war. :crazy:
Mit der Mentalität, gerade an deutschen Hochschulen, die ja eben nicht gerade dafür berühmt sind, in der ersten Liga zu spielen ( :wink: ), verbreitet,

sieht man freilich den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Ihr mögt ja das Tor zur Welt sein, aber eben nur das Tor (frei nach Karl Lagerfeld). :mrgreen:

Karlheinz hat geschrieben: ...
Nur, was lange währt und wenn man es immer wieder macht, funktioniert es eines Tages.
...
Naja, er war halt er erste, dem man es glauben konnte, wenn er sagte: "Das Reich des Bösen, das mach' ich fertig!".

Und wir hatten es ja hier im Forum bereits mehrmals, dass sich User wunderten, dass der Spritpreis früher ja so billig war bzw. - Geiz ist geil - heute so teuer ...

Barbarossa hat geschrieben:Ich stimme dir absolut zu, Karlheinz.
Karlheinz hat geschrieben:... Wir haben die Berichterstattung in den westlichen Medien über die sozialistischen Staaten im Jahre 1989 einmal untersucht. Im Frühjahr 1989 schien das SED Regime vollkommen stabil zu sein. Nichts deutete auf den baldigen Untergang hin. Auch als im Sommer 1989 die Fluchtbewegung über Ungarn einsetzte, schien das Regime nicht wirklich gefährdet zu sein.

Der dann plötzlich einsetzende Zerfallsprozess in ganz kurzer Zeit war für alle eine Überraschung. Die westlichen Politiker hatten damit nicht gerechnet, auch nicht die Menschen bei uns. An diese Zeit kann ich mich noch sehr gut erinnern. Niemand sah diese Entwicklung voraus.
Eben. Und selbst wir, die in diesem Staat lebten, haben von einem möglichen Zerfall des Regimes bis zum Oktober '89 nichts bemerkt. Und selbst die Regierungsübernahme durch Krenz lief ja noch einigermaßen geregelt ab. Er erschien uns dann wie der Gorbatschow der DDR.
...
War er aber nicht. Und auch das sah man deutlich. Auch, was der echte Gorbatschow von ihm hielt (und ich trau' der ehemaligen DDR-Bev. sehr wohl zu, dass sie dachte: "Doch wohl nicht der!"). Die Poltik wurde längst anderswo gemacht, und auch das war deutliches Zeichen für den baldigen Untergang.


Barbarossa hat geschrieben: ...
Ein erstes "Aha-Erlebnis" hatte ich eigentlich in dem Augenblick, als am 11. Oktober '89 die "Erklärung des Politbüros" veröffentlicht wurde. Hier sah ich: Die werden mit den Demonstranten nicht "fertig" und werden nun zu Veränderungen gezwungen. Bis dahin habe ich es sogar noch für möglich gehalten - und habe es denen auch zugetraut (!) - daß sie auf die Demonstranten scharf schießen. Nach dem 11. Oktober dann nicht mehr.
...
Hat aber den Gedankenfehler, dass die DDR ja an der Leine der UdSSR hing, und nicht an Chinas.
Was "Unfälle" nicht verhindert hätte, aber eine geplante Niederschlagung.

Und dass im Nov. 1989 andere Dominosteine des Warschauer Paktes ja schon gefallen waren und DDR-Bürger diese Schlupflöcher ja schon in Massen genutzt hatten, machte eine Niederschlagung durch Ost-Berlin praktisch unmöglich.
Und das wusste man.

Barbarossa hat geschrieben: ...
Und was wäre wohl passiert, wenn wirklich geschossen worden wäre? Es hätte ein Blutbad gegeben, wie in Peking und nichts hätte sich verändert. Die Friedliche Revolution wäre im Kugelhagel zusammengebrochen und es hätte diesen politischen Umbruch nicht gegeben.
...
Ja klar, denn die Zone war ja für ihre Unabhängigkeit und ihre immense Machtposition im Kreml weltberühmt. :wtf:

Barbarossa hat geschrieben: ...
Das Ende des Kalten Krieges war ja nunmal von weltpolitischer Bedeutung. Es wurde dabei die gegenseitige Bedrohung zweier Militärblöcke beendet, die beide bis an die Zähne bewaffnet waren und nur der kleinste Funke hätte genügt...
Ein paar sehr brenzlige Situationen gab es in dieser Zeit ja. Daß wir hier heute muter am PC sitzen und uns gegenseitig mit "Argumenten bombardieren" können, ist eigentlich reine Glückssache.
...
Ja, wobei die Gefahr nach 1983 aber vorbei war.

Solange Ihr Geld brauchtet und es auch floss, war kein Krieg in Sicht.

Wobei die Frage auch ist, womit denn. Die Sowjetunion war ja für alle Welt ersichtlich nichtmal in der Lage, ihre U-Böötchen nicht an Schwedens Küsten stranden zu lassen.
Ein unwürdiger Gegner. :wink:
Da konnte man sich freilich ein etwas forscheres Vorgehen westlicherseits leisten.

Barbarossa hat geschrieben: ...
Manche wollten das natürlich nicht erkennen.
Ignoranz ist wohl der größte Feind der Erkenntnis.
:wink:
...
Dat kannze wohl sagen.

Zumal ja nach Alfred Teztlaff schon in den 70ern klar war, dass Euch die Zone doch schon gar nicht mehr gehörte. Wie will man denn da noch von grossem Machtspielraum und Entscheidungsfreiheit für Partei und Staat sprechen?


Barbarossa hat geschrieben: ...
Hier muß Demokratie erst gelernt werden. Das ist ein längerer gesellschaftlicher Prozess.
Aber das war in Deutschland zugegebenermaßen auch nicht anders. Es ist ein Prozess, der um 100 Jahre verschoben ist.
Hä?

Die Zone war vor 1989 genau wie viele Jahre demokratisch regiert, bitte?

Also siehst Du erst Deine Nachfahren ab 2089 als mündige Bürger? :shock:
Oder Hunde, wollt Ihr ewig leben? :wink:


Aber ernsthaft: Demokratie will nicht gelernt sein, sondern durchgesetzt. Und zwar nicht zuletzt mit dem Schwert.



LG
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Barbarossa
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Also manchmal begreife ich deine Philosophie wirklich nicht:
RedScorpion hat geschrieben:...
Naja, er war halt er erste, dem man es glauben konnte, wenn er sagte: "Das Reich des Bösen, das mach' ich fertig!".

Und wir hatten es ja hier im Forum bereits mehrmals, dass sich User wunderten, dass der Spritpreis früher ja so billig war ...
Ja, nur muß man Lippenbekenntnisse von tatsächlichen Möglichkeiten unterscheiden. Steigende Spritpreise haben für mich eher eine untergeordneten Bedeutung. Die weitaus größere Bedeutung hatte wohl das Wettrüsten.
Die höchsten Preissteigerungen beim Sprit gab es erst nach 1990.
RedScorpion hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben: ...
Ein erstes "Aha-Erlebnis" hatte ich eigentlich in dem Augenblick, als am 11. Oktober '89 die "Erklärung des Politbüros" veröffentlicht wurde. Hier sah ich: Die werden mit den Demonstranten nicht "fertig" und werden nun zu Veränderungen gezwungen. Bis dahin habe ich es sogar noch für möglich gehalten - und habe es denen auch zugetraut (!) - daß sie auf die Demonstranten scharf schießen. Nach dem 11. Oktober dann nicht mehr.
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Hat aber den Gedankenfehler, dass die DDR ja an der Leine der UdSSR hing, und nicht an Chinas.
Was "Unfälle" nicht verhindert hätte, aber eine geplante Niederschlagung.
(...)
...die Zone war ja für ihre Unabhängigkeit und ihre immense Machtposition im Kreml weltberühmt. :wtf:
(...)
Zumal ja nach Alfred Teztlaff schon in den 70ern klar war, dass Euch die Zone doch schon gar nicht mehr gehörte. Wie will man denn da noch von grossem Machtspielraum und Entscheidungsfreiheit für Partei und Staat sprechen?
Bis 1989 natürlich nicht, doch gerade in dieser Zeit lockerte Gorbatschow "die Zügel" und ließ den Dingen seinen Lauf, was er mit seinem oft vereinfachten Spruch: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" auch offen artikulierte. Das hat bei uns jeder verstanden.
Das heißt: Die SED war von da an zwar in vielen (längst nicht in allen) Dingen auf sich allein gestellt, im Umkehrschluss heißt das aber auch: Hätte irgendjemand den Befehl gegeben, auf die Demonstranten zu schießen, dann hätte es auch noch ausreichend Elite-Einheiten gegeben, die den Befehl ausgeführt hätten. Und das hätte auch kein Gorbatschow verhindern können. Einzig die Tatsache, daß sich niemand fand, der sich diese Verantwortung aufladen wollte, hat ein Blutbad verhindert. Vorbereitet für eine Niederschlagung war aber alles - inkusive Internierungslager für festgenommene "Staatsfeinde". Das weiß man heute.
RedScorpion hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben: ...
Hier muß Demokratie erst gelernt werden. Das ist ein längerer gesellschaftlicher Prozess.
Aber das war in Deutschland zugegebenermaßen auch nicht anders. Es ist ein Prozess, der um 100 Jahre verschoben ist.
Hä?

Die Zone war vor 1989 genau wie viele Jahre demokratisch regiert, bitte?
Genau von 1918-1933 - wie bis 1949 in ganz Deutschland.
RedScorpion hat geschrieben:Demokratie will nicht gelernt sein, sondern durchgesetzt.
:?: :?
Und wie? Und vor allem - von wem? - wenn gar niemand genau weiß, was das überhaupt ist?
Selbstverständlich müssen die Menschen - muß die Gesellschaft erst lernen, was demokratische Grundsätze überhaupt sind. Daß man es z. B. in Ägypten noch nicht weiß, sieht man daran, wie die politischen Gegner aufeinander losgehen.
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