Josip Broz Tito - Partisan, Held, Unterdrücker, Föderalist

Zwei Supermächte stehen sich gegenüber: Vereinigte Staaten gegen die UdSSR

Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Broz Tito ist für mich eine der widersprüchlichsten Persönlichkeiten, die es wohl gegeben hat. Im Titel hat es nicht mehr als vier Bezeichnungen, nämlich Partisan, Held, Unterdrücker, Föderalist, aber man könnte ihm auch noch den Titel "globaler Politiker" geben und es könnte noch weitere geben. Eine Aufstellung von Orianne vor kurzem mir zugestellt bezeichnet ihn auch des "Demozid" Verbrechens schuldig.

Hier eim paar Quellem:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39268906.html

Und hier eine Tito Serie von 1980 aus dem SPIEGEL:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14330480.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14332331.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14315887.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14317664.html

geschrieben von seinem einstigen Weggefährten Milovan Djilas.

Andererseits gibt es sicher viel bewundernswertes an diesem Mann; er stellte sich der nazi Besatzung entegegen; er widerstand Stalin - dieser hatte sogar Mörder gegen ihn gedungen. Allein, alle hatte Tito erwischt. Schliesslich schickte Tito Stalin ein Telegramm: Hör auf, mir Mörder zu schicken. Sonst mache ich das auch. Und glaube mir, ich brauche das nur einmal zu machen. Sicher, ein Konflikt zwischen zwei Gaunern, andererseit war Tito der einzige, der sich gegenüber Stalin derart auf die Hinterbeine stellte - und auch das überlebt. Cool.

Dann aber der Demozid zu Hause, ein Thema, das ich wenig kenne und von der Community etwas Info oder Recherchen erhoffe.

Weiter ein weiteres kommunistisches Experiment. Das wohl nicht ganz tragisch war, aber halt auch nicht erfolgreich. Kein Gulasch-Kommunismus, aber Čevapčiči.

Dann auch die Blockfreien Bewegung, ein geschicktes Ausnutzen des kalten Krieges.

Schliesslich die Jugoslawische Föderation und ein Konstrukt, dass mE gar nicht so schlecht war. Allerdings habe ich schon im Geografie Unterricht 1979 gelernt, dass Jugoslawien auseinanderfallen wird, wenn eines Tages "der starke Mann" nicht mehr da ist. Immerhin hielt aber sein Konstrukt 10 Jahre nach seinem Tod und zerstört hat ihn mE der serbische Hegemonismus.

Also, jede Menge Stoff für Diskussion und Recherchen.
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Orianne
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Ich kann mich erinnern, dass meine Eltern viel über Jugoslawien sprachen, wir hatten zwei Bekannte, die in der Schweiz arbeiteten. Es war ihnen jedoch verboten wegen des Saisonnierstatus ihre Familie in die Schweiz zu holen, was dann später ja auch aufgehoben wurde. Beide sparten auf ein Haus in ihrer Heimat, konnten bauen, und sie verloren beide ihr Hab und Gut während des Balkankrieges in den 90er Jahren.

Es bestand lange Zeit die Möglichkeit Jugoslawien so zu formen wie die Schweiz, Staatenbund, Bundesstaat? Ein loser Staatenbund hätte vielleicht die Kriege nach Titos Tod verhindert, aber mit Leuten wie Milosevic oder auf den anderen Seite Tuđman war es es meines Erachtens nicht möglich.
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General William Tecumseh Sherman
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Renegat
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Der Zerfall Jugoslawiens nach Titos Tod ist für Außenstehnde nur sehr schwer verständlich. Tito hat diesen Teil des Balkans sehr erfolgreich durch den kalten Krieg geführt und war Vorbild und Initiator der Blockfreien Staaten. Inwieweit sein Sozialismus der kommunistischen Planwirtschaft folgte, übersehe ich nicht. Der äußere Eindruck war ein anderer, etwa im Vergleich zu Prag.
Jugoslawen hatten Reisefreiheit und auch Westeuropäer konnten Jugoslawien besuchen. Es war ein ziemlich freies und schönes Land, in dem man sich als Ausländer frei und ohne Angst bewegen konnte.
Dass es später an der serbischen Vorherrschaft zerbrach, haben bestimmt viele bedauert, jedenfalls die Jugoslawen, mit denen ich sprach. Unter dem EU-Dach hätten sich die Separatisten genauso wiederfinden können, ohne all das Leid, Morden und Blutvergießen.
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Gontscharow
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Titos Jugoslawien war besser, als alles was danach kam...
Sicherlich, er hat diktatorische Mittel angewandt , um die nationalen Leidenschaften
zu unterdrücken, meiner Ansicht nach war das richtig, man sieht ja, was dabei herausgekommen ist, wenn man die Büchse der Pandora öffnet ! Tito war fair, etwa zu den Kosovoalbanern, denen er ihre Sprache, Religion
und Kultur ließ und viel Geld in die Hand nahm, um das Bildungsniveau und die Infrastruktur
im Kosovo zu fördern. Zu Titos Zeiten lebten auch keine Zigeuner auf Müllhalden an den
Rändern der Großstädte.Man mußte nicht um sein Leben fürchten, wenn man Christ oder Moslem
war und eine Brücke und Mostar überqueren wollte. :(
Religion spielte im sozialistischen Jugoslawien so gut wie keine Rolle - sollte sie auch nicht spielen.
Dieses volksverdummende Argument wurde den Haßpredigern aus der Hand geschlagen, mit wie gesagt
undemokratischen Mitteln : es gab Häftlingslager, die aber nie an die mörderischen "Qualitäten" des Gulag
oder der KZ herankamen und dies auch nicht sollten.
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Orianne
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Da muss ich widersprechen, es gab nach dem Krieg 10 Lager (in den Gebieten Slawonien Wojwodina, sowie Slowenien), wo z.B. auch Donauschwaben, Männer,Frauen und Kinder inhaftiert wurden, es gibt Schätzungen von über 60.000 Toten (Donauschwaben). Man muss hier schon von Vernichtungslagern sprechen. Das letzte Lager (Rudolfsgnad/Knicanin im Banat) wurde im März 1948 geschlossen. In den Lagern wurden die Menschen durch Arbeiten und Nahrungsentzug, sowie mit grausamsten Mordtaten getötet.

Was aber wussten die Donauschwaben in Österreich von den Tragödien in der Heimat? Wer von ihnen konnte sich überhaupt die Grausamkeiten und die Bestialität vorstellen, denen die eigenen Landsleute auf vertrautem Boden ausgesetzt waren? Waren sie darüber informiert worden, dass sie nicht mehr Eigentümer ihrer Häuser, nicht mehr Besitzer von Grund und Boden waren? Schon am 6. Februar 1945 war im Amtsblatt der kommunistischen Volksrepublik Jugoslawien die Konfiskation des deutschen Vermögens verlautbart worden. Damit war ins Eigentum des Staates übergegangen:

1.sämtliches Vermögen des Deutschen Reiches und seiner Staatsbürger, das sich auf dem Territorium von Jugoslawien befindet;
2.sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit außer dem derjenigen Deutschen, die in den Reihen der Nationalen Befreiungsarmee und der Partisaneneinheiten Jugoslawiens gekämpft haben oder die Staatsangehörige neutraler Staaten sind, die sich während der Okkupation nicht feindlich verhalten haben;
3.sämtliches Vermögen der Kriegsverbrecher und ihrer Helfershelfer ohne Rücksicht auf ihre Staatsbürgerschaft und das Vermögen einer jeden Person, die durch Urteil der Zivil- und Militärgerichte zum Vermögensverlust zugunsten des Staates verurteilt wurde. Die Grundlage bildeten die Bestimmungen des AVNOJ (Antifašističko v(ij)eće narodnog oslobođenja Jugoslavije) vom November 1944, dem obersten administrativen und legislativen Organ der jugoslawischen Widerstandsbewegung, die von den Kommunisten (Partisanen ) unter der Führung von Josip Broz Tito angeführt wurde.
Aus dem Buch: Damijan Guštin, Die Rechtslage der deutschen Minderheit in Jugoslawien 1944 bis 1946, S. 317-330.
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben: Es bestand lange Zeit die Möglichkeit Jugoslawien so zu formen wie die Schweiz, Staatenbund, Bundesstaat? Ein loser Staatenbund hätte vielleicht die Kriege nach Titos Tod verhindert, aber mit Leuten wie Milosevic oder auf den anderen Seite Tuđman war es es meines Erachtens nicht möglich.
Eine Schweiz zu formen denke ich war wahrscheinlich kaum möglich. Die vielen Gegensätze, aber die auch immer wieder begangenen Verbrechen führten zu Wunden, die auch 40 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg nicht verheilten.

Ja, und dann gab es eben auch keine Jugoslawische Identität, jedenfalls keine starke, während ein Schweizer eben Schweizer ist, egal ob Bündner, Genfer oder Walliser.
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Orianne
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"Schweizer Verhältnisse wird es sicher nie geben, deshalb schrieb ich auch von einem Staatenbund, aber das hat ja mit Serbien-Montenegro auch nicht geklappt, und es stimmt Marek, die Wunden sind leider immer noch offen...
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Triton
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Wer sich in der Historie auskennt, der weiss, dass die unterschiedlichen Herrscher über die yugoslawischen Einzelstaaten nicht alle Gebiete gleich behandelten. Wenn es um Tito geht, muss man natürlich die NS-Besatzung nennen. Dort wurden die Slowenen (Oberkkrain) dem Reich angegliedert, die Kroaten hatten die Behandlung anderer Satellitenstaaten, der Rest wurde unterdrückt. Kosovo und andere Teile der Küstenregionen sollten wohl langfristig an Italien gehen, wo der Duce noch von seinem "mare nostro" träumte. Nicht umsonst lösten sich nach Tito zuerst die Slowenen und bald danach die Kroaten vom Rest, die Menschen dort wussten genau, warum.

Tito unterdrückte die Animositäten mit seiner Persönlichkeit und Nachdruck, aber die Wunden verheilten nie. Der jetzige Zustand der Kleinstaaterei ist deshalb die beste Lösung, weil sie dem Wunsch der meisten Ex-Yugoslawen entgegenkommt.
Mit der Schweiz hat das nun wirklich nichts zu tun.

Tito war ein Idol, ein Nationalheld, Symbol des erfolgreichen Widerstands gegen die Nazis. Yugoslawien war das einzige Land, das sich selbst befreite. Nur so kann man das Funktionieren des Staates erklären, schon das Yugoslawien der Zwischenkriegszeit war äußerst labil und brach deshalb beim Angriff der Wehrmacht 1941 sofort auseinander.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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Marek1964
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Triton hat geschrieben: Mit der Schweiz hat das nun wirklich nichts zu tun.
Hatte es insofern, als das gewisse Strukturen und auch ein Rotationsprinzip bei verschiedenen Ämtern eingehalten wurde, wie es auch der Schweizer Föderalismus bei den Bundesratswahlen aber vielen anderen staatlichen wie nicht staatlichen Organisation, meist informell, guter Brauch ist.
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Triton
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In Deutschland rotiert der Vorsitz des Bundesrats, der Vertretung der Bundesländer, auch.
Deshalb sehe ich trotzdem keine große Nähe zum Schweizer Föderalismus.
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Marek1964
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Triton hat geschrieben:In Deutschland rotiert der Vorsitz des Bundesrats, der Vertretung der Bundesländer, auch.
Deshalb sehe ich trotzdem keine große Nähe zum Schweizer Föderalismus.
Die JFSR (Jugoslawische sozialistische föderative Republik) hatt mit ihren Teilrepubliken, autonmen Regionen einiges mit den Strukturen gemeinsam. Man kann Tito sicher vieles vorwerfen, aber nicht das, dass er um ehrlichen Ausgleich zwischen den Ethnien bemüht gewesen wäre. Ich würde da von einem filigranen Konstrukt sprechen.
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Triton
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Genau, Tito hielt den Laden zusammen und wollte natürlich einen großen Staat mit internationaler Bedeutung haben. Ob ihm ein "ehrlicher Ausgleich" gelungen ist? Der Wille war ganz sicher vorhanden, aber die sofortigen Separationsbestrebungen vor allem der Nordstaaten sprechen eine andere Sprache.

Und ganz ehrlich: Dass ein Alpenvolk wie die Slowenen sich nicht mit den Kosovaren landsmannschaftlich verbunden fühlen, kann ich sogar nachvollziehen.

Mich wundert eigentlich, dass der gemeinsame Kampf gegen die Nazis und der große und stolze Erfolg der Selbstbefreiung für so wenig Nationalstolz gesorgt hat.
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Marek1964
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Triton hat geschrieben:Genau, Tito hielt den Laden zusammen und wollte natürlich einen großen Staat mit internationaler Bedeutung haben. Ob ihm ein "ehrlicher Ausgleich" gelungen ist? Der Wille war ganz sicher vorhanden, aber die sofortigen Separationsbestrebungen vor allem der Nordstaaten sprechen eine andere Sprache.

Und ganz ehrlich: Dass ein Alpenvolk wie die Slowenen sich nicht mit den Kosovaren landsmannschaftlich verbunden fühlen, kann ich sogar nachvollziehen.
Die Serben hatten 1990 das Fass aufgemacht mit der Hegemonie, Aufhebung der Autonomie für das Kosovo, Verhinderung der Wahl der Kroaten Stipe Mesič für ein Amt - die Slowenen als am weitesten entwickelte Republik waren es leid, den Süden zu subventionieren.
Triton hat geschrieben:Mich wundert eigentlich, dass der gemeinsame Kampf gegen die Nazis und der große und stolze Erfolg der Selbstbefreiung für so wenig Nationalstolz gesorgt hat.
Ein Balkankenner hat es mal so formuliert: Man hat auf dem Balkan immer auch gegen fremde Herren gekämpft - gegen die Türken, gegen die Österreicher, gegen die Italiener, gegen die Deutschen. Dabei hat man es allerdings jeweils nicht versäumt, auch gegeneinander zu kämpfen und dabei kräftig Verbrechen zu verüben.

Hören tut man ja oft, dass unter Tito diese Dinger nicht offen angesprochen und verarbeitet wurden, sondern einfach gedeckelt wurden. Später brachen sie halt aus.
Paul
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Triton hat geschrieben: Mich wundert eigentlich, dass der gemeinsame Kampf gegen die Nazis und der große und stolze Erfolg der Selbstbefreiung für so wenig Nationalstolz gesorgt hat.
In Wirkichkeit hat sich ein großer Teil der Bevölkerung als besiegt empfunden und wurden auch so behandelt, dazu gehörten die meisten Ungarn, Deutschen und Zweisprachigen z.B. in Slowenien/Banat und viele Kroaten.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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dieter
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Wohnort: Frankfurt/M.

Ihr Lieben,
noch eine Lobeshymne auf Tito. Er hatte Jugoslawien zusammengehalten und sich der deutschen Besatzung widersetzt. Nach ihm zerfiel Jugoslawien bis zu dem Punkt, wie es nun im Balkan aussieht. :roll:
Die Morde an der deutschen und ungarischen Bevölkerung sind aber abzulehnen. :evil: :twisted:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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