Sowjetunion totgerüstet oder heruntergewirtschaftet

Zwei Supermächte stehen sich gegenüber: Vereinigte Staaten gegen die UdSSR

Moderator: Barbarossa

Mitglied2267

Die Auflösung der SU wird von vielen der Rüstungspolitik der NATO zugeschrieben - ist das realistisch? Oder ist die SU letztlich nicht "totgerüstet" worden?
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Marek1964
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Unter Gorbatschow wurde berechnet, dass die Sowjetunion 19% ihres BSP für Rüstung, die USA nur etwa 7%, trotzdem war die USA technisch weiter und unter Reagan kam SDI Initiative, die Gorbatschow endgültig dazu bewog, auf Reformen im inneren wie auf Enstpannung im Äusseren zu setzen um die Rüstungskosten zu senken.

Der originäre Ursache war aber die Wirtschaftsschwäche des Sozialistischen Systems, dass man in allen Bereichen der freien Marktwirtschaft hinterherhinkte.

Der NATO Doppelbeschluss und Reagans SDI Initiative waren der definitive Schritt. Man muss aber auch fairerweise sagen, dass es auch die Einsicht eines Gorbatschow bedurfte. Man hätte ja auch versuchen können weiterzufahren wie es Nordkorea bis heute tut.

So gesehen ist mir der Ausdruck "totgerüstet" zu vereinfachend.
Mitglied2267

Jop - danke Marek für Deine Ausführungen bzw. die rasche Antwort. Sehe ich übrigens alles auch so.
RedScorpion

All in all aber eher völlig richtig als total falsch.

Denn hinzu kam ja noch Reagans Trickschatulle, die u.a. vorsah, die Oellagerstätten der befreundeten arab. Ländern künstlich hochzurechnen, so dass die UdSSR für ihre Rohstoffe auf dem Weltmarkt auch nix mehr bekam, und Moskau aber trotzdem munter weiter für klamme Republiken und Satelliten weiterüberweisen musste.

Ziemlich riskant, das Spielchen, eigentlich; denn was man im Westen nicht so wusste imho, war, in welch desaströsem Zustand sich das System jenseits des Eisernen Vorhang seit ehedem befand (und noch problematischer war wohl, dass die Politbüros auf ihre eigene Propaganda reinfielen und es selbst auch nicht wussten), und dass durch Fehleinschätzungen, Unfälle und Technologieausfälle mehrmals der Super-GAU drohte, gerade auch nach Tschernobyl.



LG
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Barbarossa
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Auch die Besetzung Afghanistans, die letztlich scheiterte, wird heute so gewertet, dass dadurch der Zerfall der SU beschleunigt wurde.

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Marek1964
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Beschleunigt vielleicht, aber der Vietnamkrieg hat die USA auch nicht zu Fall gebracht und dürfte doch einiges mehr gekostet haben als Afghanistan (wobei die Sowjetunion da auch kräftige Kosten hatte, auch nach dem Krieg).

Die ineffektivität des Wirtschaftssystems und der wachsende technologische Rückstand, der zur Zeit des Sputnik Schocks fast aufgeholt schien, war es, der den Entscheid von Gorbatschow beschleunigte und Reformen einleitete.

Und wie schon auch erwähnt, ein Weiterwürgen ala Nordkorea wäre auch möglilch gewesen.
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Triton
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Als "Obervolta mit Raketen" überzeichnete Helmut Schmidt die Verhältnisse in der UDSSR.
Für mich immer wieder verblüffend ist die Tatsache, dass die Sowjets High-Tech-Militärprojekte wie die hochmoderne Atom-U-Boot-Flotte, das kaspische Seemonster, die Mig-29 etc. stemmen konnten, aber nicht in der Lage waren, ein funktionierendes Auto selbst zu entwickeln. Da mussten olle Fiats in Lizenz nachgebaut werden.

Und wenn wir schon beim Bluffen sind: Die scheinbare Stärke der WP-Truppen war auch weitgehend Phantasieprodukt. Nach dem Fall der Mauer las ich mal, dass der durchschnittliche NVA-Wehrpflichtige nur eine einstellige Patronenzahl während seines Dienstes verschoß. Patronen kosten auch Geld, und das war eben überall knapp.
Schießen ist Übungssache, ganz banal, im Ernstfall wären die Schwächen gnadenlos aufgedeckt worden. Ich selbst als StiNo-W15er habe abertausende Schuß abgegeben (reicht für mein ganzes Leben), es hing einem schon zum Hals raus, aber getroffen hat man irgendwann wie ein Weltmeister und das auch noch wahnsinnig schnell.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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Marek1964
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Man war in Teilbereichen wettbewerbsfähig, weil man halt dort übermässig an Ressourcen investiert hatte. Das führte eben auch zu den 19% der Rüstungsangaben am BSP.

Ein Auto hätte man wohl auch entwickeln können, aber es war wohl günstiger, ein bewährtes Fahrzeug aus Italien mitsamt Produktionsanlagen zu holen. Der eigene Konsument würde es eh kaufen. Wobei man aber auch Eigenentwicklungen hatte.

Dass der NVA Wehrpflichtige während seiner Dienstzeit nicht mal zehn Patronen verschoss, will ich mal in Frage stellen, aber wir haben hier im Forum ja auch ehemalige NVA Angehörige. So teuer waren Patronen auch wieder nicht.
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Barbarossa
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Marek1964 hat geschrieben:Beschleunigt vielleicht, aber der Vietnamkrieg hat die USA auch nicht zu Fall gebracht und dürfte doch einiges mehr gekostet haben als Afghanistan ...
Ja weil die sowjetische Wirtschaft bereits angeschlagen war, die amerikanische jedoch nicht (jedenfalls nicht in dem Maße und von der Ölkrise erholte man sich auch sehr schnell wieder).
Von der Weltwirschaftskrise 1979/80 war auch der Ostblock betroffen und der erholte sich davon nicht mehr.
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Marek1964
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Also klar: das ineffiziente System war primär.

Ansonsten: Gratulation zum 9000 Beitrag, Barbarossa.
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dieter
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Ihr Lieben,
anscheinend bleibt das so. Auch Heute hat Russland nur Öl und Gas anzubieten. Unser Sohn war gerade wieder einmal bei Moskau. Er berichtet, dass sie nicht mal die einfachsten Dinge auf die Reihe bringen, wie die Befeuerung eines Brennofens. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Marek1964
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Hier noch ein interessanter Artikel zu diesem Thread:

http://www.welt.de/print/die_welt/vermi ... ert.htmloc

Das Schlusswort der Artikels lautet:
"Totgerüstet" wurde die UdSSR dennoch nicht. Nach den Studien des Bielefelder Historikers Stephan Merl ist nicht der Rüstungssektor, sondern vielmehr die administrative Kommandowirtschaft für die Unterversorgung mit Konsumgütern verantwortlich zu machen. Den Todesstoß erhielt die Wirtschaft von Gorbatschow. Zwar wollte er lediglich Teile des ökonomischen Systems reformieren, griff dabei aber zu Mitteln, die am Ende das sowjetische System als Ganzes zerstörten.
Das Fazit finde ich insofern ungerecht, als dass die Reformen einen gewissen Rückgang bringen mussten. Leider sagt der Artikel nicht, wie denn die Reformen hätten aussehen müssen, um langfristig zur Besserung zu kommen.

Hier noch ein anderer Artikel zur gleichen Publikation:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/p ... 80890.html
Cherusker1
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Marek1964 hat geschrieben:Man war in Teilbereichen wettbewerbsfähig, weil man halt dort übermässig an Ressourcen investiert hatte. Das führte eben auch zu den 19% der Rüstungsangaben am BSP.

Ein Auto hätte man wohl auch entwickeln können, aber es war wohl günstiger, ein bewährtes Fahrzeug aus Italien mitsamt Produktionsanlagen zu holen. Der eigene Konsument würde es eh kaufen. Wobei man aber auch Eigenentwicklungen hatte.

Dass der NVA Wehrpflichtige während seiner Dienstzeit nicht mal zehn Patronen verschoss, will ich mal in Frage stellen, aber wir haben hier im Forum ja auch ehemalige NVA Angehörige. So teuer waren Patronen auch wieder nicht.
Nun das will ich als ehem. Wehrpflichtiger der NVA weder bestätigen noch dementieren.
In meiner gesamten Dienstzeit war es kein volles Magazin (30 Schuss) die ich mit
unterschiedlichem Erfolg verballert habe. :crazy:
]Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
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Marek1964
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Cherusker1 hat geschrieben:
Nun das will ich als ehem. Wehrpflichtiger der NVA weder bestätigen noch dementieren.
In meiner gesamten Dienstzeit war es kein volles Magazin (30 Schuss) die ich mit
unterschiedlichem Erfolg verballert habe. :crazy:

Diskussion über die NVA wird hier
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 929#p45929

weitergeführt.
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Gontscharow
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Die Sowetunion wurde nicht totgerüstet.
Sie hätte mit ihren Raketen die ganze Welt vernichten können, so wie Rußland das
heute noch kann.
Das Wirtschaftssytem der SU war 1921 so ineffektiv wie 1937, 1964 oder eben 1985.
Nichts neues also, was Gorbatschow bei seiner Machtübernahme ökonomisch antraf ....
Ich war Ostern 1985 in der Sowjetunion, auf niedrigem Standard (definitiv niedriger als in der DDR)
und mit viel Schlange stehen bekam man, was man brauchte, und auch vieles darüber hinaus.
Meine Familie hätte , als sie 1932 in der damaligen SU hungerten und zum Teil den Hungertod starben,
die Verhältnisse von 1985 sicher als Schlaraffenland aufgefasst.
Dann war ich das nächste mal im Herbst 1990 in der zerfallenden SU, in Alma Ata.
Es gab buchstäblich n i c h t s mehr, man bekam nicht mal mehr ein Stück Seife zu kaufen.
Die Menschen hat dieser Totalzusammenbruch und die katastrophalen Zustände der 90 er Jahre,
als lediglich eine kleine Clique von Oligarchen unermeßlich reich wurden, als Trauma erlebt,
und viele sagten seinerzeit "In der Sowjetunion haben wir besser gelebt."
Fazit : Ich finde die Rolle Gorbatschows beim Untergang der SU viel wichtiger als die anderen Faktoren.
Wie gesagt, "heruntergewirtschaftet" war die Sowjetunion in ihrer Geschichte von Beginn an ( und schlimmer
als bei Gorbatschow) und von "tot rüsten" kann man nicht wirklich sprechen, wenn ein Land die
Möglichkeit hat, die ganze Welt in den nuklearen Abgrund zu stoßen.
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