Maos Verbrechen - Was wusste man im Westen?

Zwei Supermächte stehen sich gegenüber: Vereinigte Staaten gegen die UdSSR

Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Ich möchte hier ein Thema hineinstellen, das mich interessiert:

Was wusste man im Westen, mich interessieren insbesondere die 70er Jahre, aber auch zuvor wie nachher, was man wusste. Die Linken und "68ern" hatte für China und ihren "grossen Vorsitzenden" besondere Sympathie, aber auch manche Liberale und Konservative hofierten China als Gegengewicht zur Sowjetunion.

Was wusste man auf Taiwan?

Ich selbst hatte als kleiner Junge, Exiltschechoslowake, irgendwo aufgeschnappt, dass die Chinesen eines Tages die Russen angreifen und dann meine Heimat befreien werden. Wie ich dieses Wunschdenken hatte mit etwa 8 oder 9 Jahren entwickeln können, entzieht sich heute meiner Kenntnis.

Die Gesamtbilanz der Toten, wird heute auf 70 Millionen Tote geschätzt, verursacht vor allem durch Misswirtschaft, aber auch durch Lagerhaft und Terror.

Sicher ein wichtiges Datum ist die 1977 inszenierte Abrechnung mit der "Viererbande", die wohl so manchem die Augen etwas geöffnet haben mag.
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Marek1964
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Hier noch ein interessanter Link zum Einlesen:

http://www.zeit.de/2005/47/P-Mao
ehemaliger Autor K.

Im Westen ist über China und Mao nur wenig und Widersprüchliches bekannt gewesen. Dies hängt damit zusammen, dass nach 1949 der Bambusvorhang niederging, der noch undurchdringlicher war als der Eiserne Vorhang in Osteuropa. Auch standen alle Nachrichten, die nach außen drangen im Zeichen des Kalten Krieges. Taiwan und Flüchtlinge in Hongkong berichteten ausschließlich negative Dinge, daneben gab es einige Enthusiasten im Westen, die ausgesprochene Anhänger von Mao waren.
Es gab allerdings kaum jemand, der Mao überhaupt kannte. Neutrale Berichte gab es selten. In der Zeit vor 1949 hatte der Amerikaner Edgar Snow in seinem Buch Roter Stern über China ausführlich über die chinesische Revolution berichtet. Der Autor lebte in den dreißiger Jahren zeitweilig bei den Kommunisten, die seinerzeit als Bündnispartner der Amerikaner im Krieg gegen Japan eingestuft wurden. Er zeichnete ein positives Bild von Mao. In der gleichen Zeit lebte dort auch der Komintern Abgesandte Otto Braun, der später in seinen Erinnerungen Mao heftig kritisierte. Das war aber auf dem Höhepunkt des chinesisch-sowjetischen Konflikts und sollte Moskau Schützenhilfe leisten.

Die Zahl der Exekutierten unmittelbar nach der Revolution wird geschätzt auf 400.000 bis 5 Millionen. Diese gewaltigen Differenzen machen deutlich, wie unsicher die Zahlenangaben sind. Die Angaben stammen meistens aus Taiwan. Das dortige Regime hatte allerdings selber zuvor Millionen von Toten zu verantworten.

Der Amerikaner Hinton lebte nach 1949 eine Zeitlang in China. In seinem Buch Fanshen,Die Revolution in einem chinesischen Dorf zeichnet er ein positives Bild von der Umwälzung. Er berichtet von vielen Toten, vor allem durch Krankheiten und Unterernährung aufgrund der Zerstörungen während des Krieges.

Das es während des „Großen Sprungs“ 1958-1961 zu schrecklichen Hungersnöten kam, drang nur sporadisch und lückenhaft als Information in den Westen. Genaueres hörte man nicht. Teilweise wurde der Westen darüber von der Sowjetunion informiert, die dieses Abenteuer strikt verurteilte. Peking spricht heute von 20 Millionen Opfern. Die schlimmste Katastrophe seit 1877 mit ca. 13 Millionen Toten und den schlimmen Hungernöten in den zwanziger Jahren, die mehrere Millionen Todesopfer gefordert hatten. Auch die früheren Katastrophen waren von den damaligen Regierungen zu verantworten gewesen. Manche Autoren glauben, das während des „Großen Sprungs“ die Zahl der Opfer möglichweise doppelt so hoch gewesen sein könnte (z.B. Frank Dikitter, The Tragedy of Liberation).

Die Kulturrevolution wurde kaum verstanden. Wieso in einem kommunistischen Land jahrelang bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, widersprach der gängigen Auffassung, nach der solche Regime totalitär sind und die Regierungen alles kontrollieren. Sie wurde gemeinhin als Machtkampf interpretiert. Viele glaubten Parallelen zu sehen zwischen den Roten Garden und der 68er Bewegung in den westlichen Ländern. Häufig wurde die Kulturrevolution positiv beurteilt als ein Kampf gegen bürokratische Strukturen und als eine neue Form des antiautoritären Kommunismus interpretiert.

Über Opfer wurde kaum berichtet. Da Moskau die Kulturrevolution scharf ablehnte, glaubten manche, man könne die chinesische Entwicklung ausnutzen. Mao wurde auch von den westlichen Antikommunisten positiv gesehen, da man glaubte, die Volksrepublik China als einen Bündnispartner gegen die Sowjetunion gewinnen zu können. In den sechziger und siebziger Jahren hatte man im Westen überwiegend ein positives Bild von Mao. Entweder feierte man ihn als antiautoritären Kommunisten oder als Bundesgenossen gegen die Sowjetunion. Während seines Besuches in China lobte der amerikanische Präsident Nixon Mao als großartigen Visionär und Veränderer der chinesischen Gesellschaft.
Ich habe im Forum etwas geschrieben über die Kulturrevolution und die chinesische Revolution.

http://geschichte-wissen.de/zeitgeschic ... ution.html
http://geschichte-wissen.de/neuzeit/76- ... -1949.html
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Marek1964
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Danke für den brillianten Artikel, Karlheinz. Kannst Du uns noch etwas dazu sagen, ab wann denn das Mao Bild im Westen, zumindest bei den Historikern, ins rechte Licht rückte?

Hier noch zwei Artikel:

http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelsp ... 19185.html

http://www.welt.de/kultur/literarischew ... r-war.html

Und wer lieber auf youtube schauen möchte:

https://www.youtube.com/watch?v=PS5YstETqDY
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Titus Feuerfuchs
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Karlheinz hat geschrieben:Im Westen ist über China und Mao nur wenig und Widersprüchliches bekannt gewesen. Dies hängt damit zusammen, dass nach 1949 der Bambusvorhang niederging, der noch undurchdringlicher war als der Eiserne Vorhang in Osteuropa. Auch standen alle Nachrichten, die nach außen drangen im Zeichen des Kalten Krieges. Taiwan und Flüchtlinge in Hongkong berichteten ausschließlich negative Dinge, daneben gab es einige Enthusiasten im Westen, die ausgesprochene Anhänger von Mao waren. [...]

...und es zum Teil auch heute noch sind. :!:
Karlheinz hat geschrieben: Manche Autoren glauben, das während des „Großen Sprungs“ die Zahl der Opfer möglichweise doppelt so hoch gewesen sein könnte (z.B. Frank Dikitter, The Tragedy of Liberation).
Aufgrund neuester Untersuchungen von Frank Dikötter gelten 45 Mio Opfer durch den "Großen Sprung" mittlerweile als recht gesichert.
http://www.welt.de/kultur/literarischew ... r-war.html

70 Millionen Opfer forderte die maoistische Politik insgesamt.
Karlheinz hat geschrieben: [...] Häufig wurde die Kulturrevolution positiv beurteilt als ein Kampf gegen bürokratische Strukturen und als eine neue Form des antiautoritären Kommunismus interpretiert.
Von wem denn?

Es ging dabei um die Vernichtung von Kultur und Ermordung der chinesischen Inelligentsia und va. um die Kaschierung des Bauchflecks, den Mao mit dem "Großen Sprung gelandet hatte.

Hier ein Interview mit einer Zeitzeugin, die ein Buch dazu verfasst hat.

http://www.welt.de/kultur/article111916 ... onnte.html
Karlheinz hat geschrieben: Über Opfer wurde kaum berichtet. Da Moskau die Kulturrevolution scharf ablehnte, glaubten manche, man könne die chinesische Entwicklung ausnutzen. Mao wurde auch von den westlichen Antikommunisten positiv gesehen, da man glaubte, die Volksrepublik China als einen Bündnispartner gegen die Sowjetunion gewinnen zu können. In den sechziger und siebziger Jahren hatte man im Westen überwiegend ein positives Bild von Mao. Entweder feierte man ihn als antiautoritären Kommunisten oder als Bundesgenossen gegen die Sowjetunion. Während seines Besuches in China lobte der amerikanische Präsident Nixon Mao als großartigen Visionär und Veränderer der chinesischen Gesellschaft.
Ich habe im Forum etwas geschrieben über die Kulturrevolution und die chinesische Revolution.
An soviel Doofheit kann man schwer glauben.
Wer wissen wollte, was da vorging, konnte es auch wissen. Aber man wollte wohl nicht, weil das handfeste politische Interessen konterkariert hätte.

Auch heute weiß man im Westen darüber Bescheid, was in Nordkorea abgeht. Man tut zwar nichts, aber man weiß es und kann später nicht sagen, man hätte von nichts gewusst.

Folter und Hunger: Uno-Bericht schildert Gräuel in Nordkorea


Zehntausende politische Gefangene hausen in Lagern, Nachbarn bespitzeln einander, Frauen und Kinder werden ausgebeutet und misshandelt: Ein neuer Bericht einer Uno-Kommission listet Gräueltaten in Nordkorea auf. Doch Strafe muss das Regime in Pjöngjang kaum fürchten.[...]

http://www.spiegel.de/politik/ausland/f ... 53881.html
18.02.14
Kommunistische Lager
Die ausgehungerten lebenden Leichen von Nordkorea

Ein Bericht der UN-Untersuchungskommission schildert drastisch die Lage in den Straflagern in Nordkorea. Jetzt fordern die USA Schritte zur Verbesserung der Menschenrechte. Doch China blockiert.


[...]"Das bringt Erinnerung vom Ende des Zweiten Weltkriegs zurück, den Horror, die Scham und den Schock", erklärte der Vorsitzende der Kommission Michael Kirby, ein ehemaliger australischer Richter, emotional. "Ich hätte niemals gedacht, dass es zu meinen Lebzeiten Teil meiner Pflicht sein würde, Enthüllungen dieser Art offenzulegen."[...]

Die Verantwortlichen, so Kirby, müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und zwar möglichst vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. "Eine andere Möglichkeit wäre die Einrichtung eines ad hoc Tribunals wie das im früheren Jugoslawien", erklärte Kirby gegenüber Journalisten.[...]

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... korea.html

[...]
Zuletzt geändert von Titus Feuerfuchs am 04.03.2014, 23:49, insgesamt 1-mal geändert.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Titus Feuerfuchs
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Ich habe vor einiger Zeit im anderen Forum einen Übersichtstext zum Thema Mao verfasst, den ich auch hier leicht redigiert einstellen möchte.

Die sog."Goldenen Jahre" (1949- 1954)

Das ist die Zeit nach Beendigung des Bürgerkriegs in denen die Kommunisten ihre Politik noch vergleichsweise moderat einsetzen, die Zeit auf die gerne verwiesen wird, weil die Wirtschaft wieder floriert. Das Regime bringt zunächst Ordnung und Struktur ins Chaos implementiert eine Art Sozialstaat.
Bei der in dieser Zeit stattfindenden brutalen Enteigung der verhassten Großbauern werden rund 5 Mio. Menschen (Großgrundbesitzer) ermordet, die landwirtschaftlichen Erträge steigern sich. Allerdings wird das Neiveau der 30er Jahre kaum erreicht. Bis 1953 ist für Kleinbauern privater Besitz noch gestattet, anschließend wird enteignet und kollektiviert.
Das totalitäre System griff durch, keiner sollte außerhalb des Systems agieren oder gar eine andere politische Meinung haben, zwischen 800000 und 2 Mio Menschen ( "Konterrevolutionäre")wurden exekutiert, mehrere Millionen verschwanden in Straflagern zu Zwangsarbeit und "Umerziehung".



Der "Goße Sprung nach vorne" (1958-61)

Mao will durch eine Reihe von Maßnahmen sein Land zur Industrienation hochpuschen. Mittlerweile wird seine Politik konsequent umgesetzt, Eigentum und Löhne werden abgschafft (das geht skurrilerweise bis zu Kleinigkeiten wie dem Koschgechirr), Nahrung und Kleidung kostenlos verteilt, die Haushalte zu Kommunen und Kooperativen zusammengefasst.
(Mao gibt "hilfeiche Tipps". Bauern sollen ihre Pflanzen möglichst eng setzen, in Gesellschaft wüchsen sie leichter -das Resultat: Die Pflanzen wachsen schlecht und verenden.)

Chinas Kader übertreiben die in die Parteizentrale gemeldeten Produktionszahlen maßlos und setzen ihre Kommunen damit unter enormen Produktionsdruck. Durch das Fehlen von Arbeitern, schlechten Methoden, Misswirtschaft und viel zu hohen Plansolls kommt es bald zu einem Engpass. Das wenige Getreide, das geerntet wird, muss an den Staat abgeliefert werden. Dieser braucht das Getreide als Devisenbringer um im Ausland zugekaufte Maschinen zu bezahlen. Die Tatsache, dass Millionen Chinesen verhungerten, interessierte Mao nicht, er exportierte trotzdem Nahrungsmittel.(Interessante Parallele zu Stalin, der abenfalls trotz grassierender Hungersnot Getreide exportierte).
Den Menschen am Land bleibt fast nichts. Das Resultat ist die größte Hungernot der Menschheitsgeschichte.
Die Menschen am Land essen Ungenießbares, leere Maiskolben, Baumrinde, "Nudeln" aus Steinmehl. Menschen versuchen zu ins Ausland (Burma, Vietnam), die Städte oder in Provinzen zu fliehen, wo es noch Essbares gibt. Flucht ist jedoch verboten. Wer erwischt wird, wird von der Volksmiliz erschlagen.

Viele Bauern, die alsbald in der Landwirtschaft fehlen, werden zu Arbeiten zur "Industrialisierung" herangezogen. Diese passieren in Ermangelung von Maschinen von Hand, Menschenmassen sollen deren Fehlen kompensieren. Durch mangelndes know how sind diese Arbeiten jedoch großteils nutzlos. Fertiggestellte Kraftwerke sind funktionslos, der produzerte Stahl minderwertig und unbrauchbar. Um das Plansoll aus der Zentrale zu erfüllen, werden viele Geräte aus Stahl- insbesondere aus der Landwirtschaft- eingeschmolzen,eine fatale Entscheidung.
Die Schätzungen bezüglich Opferzahlen schwanken zwischen 15 und 55 Mio Toten, neueste Erkenntnisse gehen von 45 Mio Toten aus. (Dikötter 2014)



Die "Kulturrevolution" (1966-1976)

Nach dem gescheiterten "großen Sprung" ist Mao innerparteilich angeschlagen. Partei"rechte", allen voran Präsident Liu Shaoqi, sägen an seinem Stuhl. Mao versichert sich sich der Parteilinken u.a. Lin Biao, oberster Befehlshaber das Militärs.
Mao hetzt die bis dato benachteiligte Jugend auf, bezeichnet Kunst und Kultur als "feudal" und kapitalistisch und setzt seine Frau an die Spitze der Revolution. Schüler und Studenten schließen sich zu den sog. "Roten Garden" zusammen, zerstören (ähnlich wie zz radikale Islamisten) Kunst und Kulturdenkmäler, zünden Bibliothken an, foltern und morden Lehrer und Intellektuelle. In Peking werden fast 5000 historische Bauten zerstört.


Die Revolution der Roten Garden, die z.T noch aus Kindern bestehen, bildet immer fanatischere, groteskerer Formen.
Sie verbieten Schachspielen, Blumenzüchten, Ballet, Taxis, Mädchenfotso, Parfüm,...Sie belästigen Liebespaare mit der Begründung, man dürfe nur Mao im Herzen haben. Sie schaffen in einigen Städten den Rechtsverkehr ab, schließlich müsse der Verkehr auf der linken, proletarischen Seite stattfinden.Ideologisierte und fanatisierte Kinder denunzieren iher eigenen Eltern und treiben sie so in den Tod.

Mao hat jedoch Mühe, die Geister, die er rief, wieder zu zähmen, schafft es aber schließlich, auch mit Hilfe des Militärs. Dank Kulurrevolution sitzt er ab 1969 wieder fest im Sattel. Seine Gegner sind tot oder bedeutungslos.
Die Kulturrevolution kostet weitere drei Millionen Menschen das Leben.


Quelle: Geo Nr.51 (2011) "Das China des Mao Zedong"
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Marek1964
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:
An soviel Doofheit kann man schwer glauben.
Wer wissen wollte, was da vorging, konnte es auch wissen. Aber man wollte wohl nicht, weil das handfeste politische Interessen konterkariert hätte.

Auch heute weiß man im Westen darüber Bescheid, was in Nordkorea abgeht. Man tut zwar nichts, aber man weiß es und kann später nicht sagen, man hätte von nichts gewusst.
Salve Tite Foxi Igne,

ist vielleicht nicht so sehr Doofheit aber sogenannte Realpolitk?

Ich habs ja schon eingangs erwähnt: Als kleiner Junge freute ich mich darauf, dass eines Tages die Chinesen nach Prag kommen und die Russen vertreiben (und dann bitte wieder abziehen, aber das dachte ich ein paar Jahre später).

Nicht viel anders sahen es halt die westlichen Politiker, denen ein Gegengewicht zur Sowjetunion wichtiger war als irgendwelche Sünden der Vergangenheit. Und Karlheinz hat es ja auch schon geschrieben - schon im 19, Jahrhundert gab es in China Hungersnöte, also was solls. Nicht so eng sehen. Nach vorne schauen (Zynismus aus).
ehemaliger Autor K.

Marek1964 hat geschrieben:Danke für den brillianten Artikel, Karlheinz. Kannst Du uns noch etwas dazu sagen, ab wann denn das Mao Bild im Westen, zumindest bei den Historikern, ins rechte Licht rückte?

Hier noch zwei Artikel:

http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelsp ... 19185.html

http://www.welt.de/kultur/literarischew ... r-war.html

Und wer lieber auf youtube schauen möchte:

https://www.youtube.com/watch?v=PS5YstETqDY
Eine generelle Änderung in der Geschichtsschreibung im Westen erfolgte eigentlich in den neunziger Jahren. Erst danach verflogen langsam die ideologischen Schleier und man kam zu einer realistischen Auffassung über Mao. Dies liegt sicherlich auch daran, dass nach Maos Tod in China selbst der ehemalige Parteivorsitzende kritischer gesehen wurde. Da andererseits die Kommunistische Partei aber an der Macht blieb, konnte man den „Großen Steuermann“ nicht komplett verdammen und einigte sich auf die Formel, das 30% seiner Taten schlecht waren und 70% seiner Taten gut. Jeder kann sich jetzt selber aussuchen, was nun gut und was schlecht war.

Ich bin 1986 zum ersten Mal in China gewesen und hatte Gelegenheit, mir während einer sechswöchigen Fahrt das Land intensiver anzusehen. Danach bin ich häufiger in China gewesen, weil die Firma, für die ich damals tätig war, intensive Wirtschaftsbeziehungen mit der Volksrepublik unterhielt. Meine Aufgabe war es, in Peking, Shanghai und anderswo unsere Messestände zu organisieren und zu betreuen. Natürlich nutzte ich die Gelegenheit, mich mit den einheimischen Managern auch über die Vergangenheit zu unterhalten, aber außer stereotypen Antworten ließ sich nicht viel erfahren. Ich hatte seinerzeit auch andere Probleme, denn die Chinesen erwiesen sich damals als erstaunlich inkompetent in fast allen Fragen der Wirtschaft und Organisation. Das wussten sie aber auch selbst und überließen diese Dinge deshalb den Ausländern und hielten sich daher zurück. Man konnte dann schalten und walten, wie man es für richtig hielt.

Ich kaufte mir vor Ort einige Bücher in englischer Sprache. Mao wurde meistens immer dann kritisiert, wenn es um die Kulturrevolution ging, was nicht verwunderlich ist, da viele Kader, die später regierten, damals Opfer waren. Über die anderen, früheren Ereignisse erfährt man nicht viel.

Wie viele Todesopfer es nun wirklich gab während der Mao Ära wird man nie erfahren und ist immer auf Schätzungen angewiesen. Wie schwierig dies ist, hatte Dikötter in seinen verschiedenen Schriften betont. In seinem letzten Werk „Maos Great Famine“ kam er auf 45 Millionen in der Zeit von 1958-1962, aber diese Zahlen konnte er nur extrapolieren und jeder, der sich ein wenig mit Statistik auskennt (ich unterrichtete letztes Jahr Statistik bei uns im Fachbereich an der Universität), weiß, mit welchen Vorbehalten solche Zahlen zu genießen sind. Darauf weist Dikötter ja selber auch hin. Es können weniger, aber auch vielleicht viel mehr gewesen sein. Über die Zeit von 1949 – 1958 gibt es so gut wie kein zuverlässiges Material und man ist auf vage Schätzungen angewiesen. Für die Kulturrevolution glaubt man 500.000 Todesopfer ermittelt zu haben, diese Angabe ist allerdings äußerst unzuverlässig.

Angesichts solcher Dimensionen sind Spekulationen ohnehin müßig, denn das dies Verbrechen sind, wird keiner bezweifeln wollen. Ob in der Sowjetunion im zweiten Weltkrieg nun 20 Millionen Menschen gestorben sind, wie Moskau behauptet oder aber in Wirklichkeit fast 30 Millionen, wie die westlichen Historiker wissen wollen, darüber sollen sich andere streiten.
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