Hätten die Alliierten Auschwitz bombardieren sollen, können?

Der zerstörerische Krieg von Hitler und seinen Schergen gegen Europa

Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Hier auch ein häufig diskutierte Frage, ob die Alliierten hätten Auschwitz bombardieren sollen.

Das erste, das mir als altem Antikommunisten auffällt: Warum wird das der Roten Armee nicht vorgeworfen? Spätestens nach der grossen Offensive vom Juni 1944 war sie sehr nah - an der Weichsel - viel näher als die Westen, der da irgendwo von Mittelitalien aus starten musste... oder Grossbritannien, auch weit.

Ich kann mich an eine Debatte in der Schule erinnern, als ein jüdischer Mitschüler monierte, dass man eben Auschwitz nicht bombardierte, auch eine Vernichtung des Lager selbst unter dem Preis von toten Juden, aber mit dem Vorteil des Stoppens der Maschinerie. Ein linker Antiamerikaner meldete sich zu Wort und meinte, die Alliierten seien in der Lage gewesen Punktbombardements durchzuführen. Der Lehrer, ein mitte-rechts Liberaler, stimmte dem zu.

Was denkt Ihr darüber?

Hier ein paar Quelle als Input:

http://www.deutschlandfunk.de/warum-die ... e_id=65375
http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/4175045.stm
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jso ... ombau.html
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Orianne
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Ein schwieriges Thema wie ich finde, die Antwort wird man sicher nie ganz erfahren. Ich fragte mich auch schon mehrere Male, warum wohl die Bahnlinien nicht bombardiert wurden. Soviel ich weiss machte ein Flugzeug der RAF im August 1944 von Auschwitz ein Bild. FDR vertrat die Meinung, dass die Nazis das KZ bzw. die Tötungsmaschinerie nach Bombenangriffen einfach verlegt hätten, dazu fürchtete er, dass Goebbels die toten Juden und die anderen Häftlinge für Propagandazwecke missbrauchen würde, darüber gab es eine Aussage von John McCloy, die auf Tonband nach dem Krieg aufgezeichnet wurde.

Stalin hatte ja auch die ungarischen Juden im Stich gelassen, ich persönlich bin der Ansicht, dass ihm die Juden in den KZs vielleicht egal waren. Ich möchte aber mit dieser Meinung keinen Streit vom Zaun brechen.

Zurück zu den Briten, die nach dem Bild einen Tag später in der Nähe des Lagers Buchenwald eine Rüstungsfabrik bombardierten, leider starben dabei aber sich >300 jüdische Häftlinge (Zwangsarbeiter).
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General William Tecumseh Sherman
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben:
Stalin hatte ja auch die ungarischen Juden im Stich gelassen, ich persönlich bin der Ansicht, dass ihm die Juden in den KZs vielleicht egal waren. Ich möchte aber mit dieser Meinung keinen Streit vom Zaun brechen.
Einen Disput kannst hier gerne lostreten.. :mrgreen: Dafür ist ein Forum da. Ohnehin glaube ich, dass hier die Stalin Verteidiger rar sind. Und ja, ich gebe Dir Recht: Stalin war das noch viel egaler als den Westmächten. Aber ihm wird das eben nicht vorgeworfen.

Zum Bahnlinien Bombardement: Das Problem war, dass sowas nicht soviel half. Der Aufwand, ein Geschwader 1900 km weit zu schicken, ist die erste Sache. Dann muss man ja die Bahnlinie treffen, auch nicht so ohne. Anderthalb Meter hat ein Gleis, meinetwegen drei Meter mit dem Schotter rundum ist aber schwer aus 5000 m zu treffen. Allenfalls mit einem Sturzkampfbomber, aber die hatten nicht die Reichweite. Und dann: Selbst wenn man getroffen hätte, wäre der Schaden in Stunden oder allenfalls Tagen behoben gewesen. In dieser Zeit wären die Juden halt in den Zügen gestorben, die man dann einfach unversorgt gelassen hätte..

Da kann ich schon den Entscheid verstehen, dass man gesagt hatte, die Priorität ist, die nazis zu vernichten, an der Front und dass dorthin eben die Ressourcen delegiert werden sollten.
Orianne hat geschrieben:Zurück zu den Briten, die nach dem Bild einen Tag später in der Nähe des Lagers Buchenwald eine Rüstungsfabrik bombardierten, leider starben dabei aber sich >300 jüdische Häftlinge (Zwangsarbeiter).
Genau, sowas war immer auch ein Aspekt.
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dieter
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Die Bahnlinien nach Auschwitz bombardieren, aber doch nicht die armen Menschen, die in Auschwitz sowieso um ihr Leben fürchten mußten. :evil: :twisted:
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Lia

Das ist ja das Drama, dass bei vierlen Bombenangriffen auf Rüstungsbetriebe gerade die Zwangsarbeiter und Häftlinge keinen Schutzraum aufsuchen durften und so doppelt zu Opfern wurden.
Bombardierung von Auschwitz: Klares Nein.
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Orianne
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[quote="Marek1964"Ohnehin glaube ich, dass hier die Stalin Verteidiger rar sind. Und ja, ich gebe Dir Recht: Stalin war das noch viel egaler als den Westmächten. Aber ihm wird das eben nicht vorgeworfen.

[/quote]

Das frage ich mich schon lange, warum Stalin immer davonkam, er der auch Juden verfolgen liess. Ich denke, es hat sicher auch einen Grund in der Tatsache, dass viele Leute dachten, im Felde hatten wir es nur mit den Russen zu tun, die Westalliierten kamen mit Bombern und Tieffliegern, aber genau vor 70 Jahren Mitte Dezember startete Hitler ja die Ardennenoffensive. Diese "Offensive" war weitgehend das Ende für die Nazis 1945.

Wenn man es genau nimmt, dann waren Stalingrad oder Monte Cassino auch Völkerschlachten. Eisenhower kam ja 1945 nach Moskau zur Siegesparade, die er über sich ergehen liess, manchmal muss man einen Menschen nur anschauen um zu wissen, was in ihm vorgeht.
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dieter
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Orianne hat geschrieben:[quote="Marek1964"Ohnehin glaube ich, dass hier die Stalin Verteidiger rar sind. Und ja, ich gebe Dir Recht: Stalin war das noch viel egaler als den Westmächten. Aber ihm wird das eben nicht vorgeworfen.
Das frage ich mich schon lange, warum Stalin immer davonkam, er der auch Juden verfolgen liess. Ich denke, es hat sicher auch einen Grund in der Tatsache, dass viele Leute dachten, im Felde hatten wir es nur mit den Russen zu tun, die Westalliierten kamen mit Bombern und Tieffliegern, aber genau vor 70 Jahren Mitte Dezember startete Hitler ja die Ardennenoffensive. Diese "Offensive" war weitgehend das Ende für die Nazis 1945.
[/quote]
Liebe Orianne,
bin natürlich kein Anhänger von Adolf, um aber die Initiative zurückzubekommen mußte er die Ardennen-Offensive wagen.
Die Amis hatten Glück, dass die Wolkendecke früher aufriß.
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Marek1964
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dieter hat geschrieben:Die Bahnlinien nach Auschwitz bombardieren, aber doch nicht die armen Menschen, die in Auschwitz sowieso um ihr Leben fürchten.
Interessant, dass in einer Dokumentation ehemalige Häftlinge sich geäussert hatten, sie hätten sich eine Bombardierung gewünscht. Selbst zum Preis, dass sie selbst dabei den Tod gefunden hätten.
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Triton
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Auf die Häftlinge wartete sowieso nur der Tod, wenn das KZ ungestört lief, also kann ich mir auch nicht vorstellen, dass eine Bombardierung für sie ein Problem gewesen wäre.

Und, warum die Baracken bombardieren? Es gab einen angeschlossenen Industriekomplex (IG Farben), wenigstens den hätte man angreifen sollen. Die Gaskammern selbst wären nur schwer zu treffen gewesen, so präzise wie heute dargestellt, waren die Präzisionsangriffe der US-Air-Force ja nun bei Weitem nicht.

Eine Bombaridierung hätte auch zusätzlich für Arbeit gesorgt, wegen der Wiederaufbaumassnahmen, und benötigte Arbeitskräfte bedeuteten weniger Vergasungen. Also: Wenig Gründe gegen einen Einsatz.

Allerdings war Ausschwitz für Briten und Amis wohl lange nicht erreichbar und die UDSSR hatte gar keine strategische Bomberflotte. Ein Angriff wäre also eh nur weit im Jahre 1944 möglich gewesen und da sind die meisten Morde schon passiert.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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Marek1964
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Triton hat geschrieben: Allerdings war Ausschwitz für Briten und Amis wohl lange nicht erreichbar und die UDSSR hatte gar keine strategische Bomberflotte. Ein Angriff wäre also eh nur weit im Jahre 1944 möglich gewesen und da sind die meisten Morde schon passiert.
Ok, danke für den Hinweis mit der sowjetischen Bomberflotte. Da frage ich allerdings gleich nach: Wie weit war den die Rote Armee zu diesem Zeitpunkt? War die nicht bei Lublin? 170 Meilen Luftlinie, 250 km... Ganz abgesehen, wenn die Westallierten hätten dort landen können... aber das wollte Stalin ganz sicher nicht.

http://www.distance.to/Lublin/O%C5%9Bwi%C4%99cim

Ein weiteres Argument, dass ein kanadischer Historiker brachte, ist, dass eine solche Massnahme eben nicht kriegsverkürzend gewirkt hätte. Aber solche weite Operationen sehr hohe Verlustaussichten hatte. Er führt auch das Argument: die SS hätte die Juden halt auch auf andere Weise umgebracht. Und eben, gezielt bombardieren ging ohnehin nicht. Also keine Möglichkeit Bahnlinien oder Gaskammern zu treffen. Höchstens das ganze Areal. Hätte man die Baracken getroffen und die Gaskammer nicht, die SS hätte sich rechtzeitig durch den Fliegeralarm verschanzt... ja, da hätte man den Schergen der SS noch Arbeit abgenommen!
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Orianne
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Ich las einmal ein Buch, das von einem damals sehr jungen Soldaten handelt der bei der Befreiung vom KZ Buchenwald dabei war.
Er schilderte den Ablauf der Befreiung, den Zustand der Häftlinge, und das Ganze erinnerte ihn an Dantes Inferno.
Ein Häftling, der sich noch in relativ gutem Zustand befand, meinte zu dem jungen Soldaten: "Warum habt ihr keine Bomben abgeworfen, uns wäre viel erspart geblieben". Wenn man die letzten Tage von Buchenwald liest 1945, dann weiss man was der Mann gemeint haben könnte, denn die SS schickte noch Gefangene auf Todesmärsche, wo noch einmal mindestens 15'000 Leute starben. Der Plan von Himmler ging aber nicht auf, er wollte das ganze Lager räumen lassen, viele Häftlinge verhinderten das aber, weil es ihnen gelungen war an Waffe heran zu kommen, und einen Widerstand gegen Teile der Wachmannschaft zu organisieren, um dann den Ablauf der "Evakuierung" zu verzögern.
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Die Bahnlinien nach Auschwitz bombardieren, aber doch nicht die armen Menschen, die in Auschwitz sowieso um ihr Leben fürchten.
Interessant, dass in einer Dokumentation ehemalige Häftlinge sich geäussert hatten, sie hätten sich eine Bombardierung gewünscht. Selbst zum Preis, dass sie selbst dabei den Tod gefunden hätten.
Lieber Marek,
das ist eine sehr perverse Vorstellung, erinnert mich an die Selbstmord-Attentätern bei den Islamisten. :roll:
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Marek1964
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dieter hat geschrieben: Lieber Marek,
das ist eine sehr perverse Vorstellung, erinnert mich an die Selbstmord-Attentätern bei den Islamisten. :roll:
Ich würde es nie wagen, als jemand, der in Frieden und Wohlstand aufgewachsen ist, sich ein Urteil über Menschen, die sowas mitgemacht haben, zu erlauben. Wir können uns wohl kaum vorstellen, was es heisst, sowas durchzumachen und wie wir denn wohl reagiert hätten. Wir können nur Gott danken, dass wir sowas nicht durchmachen mussten.
Lia

Dieter hat geschrieben:Lieber Marek,
das ist eine sehr perverse Vorstellung, erinnert mich an die Selbstmord-Attentätern bei den Islamisten.
Wie widerlich ist denn wohl solch ein Vergleich? Irgendwie mal denVerstand einzuschalten, bevor man derlei Geschmacklosigkeiten publiziert, wäre gut gewesen.
Welch eine Verhöhnung der KL-Häftlinge, die so litten, dass sie sich jede Sekunde fragten, ob sie fürs Überleben kämpfen sollten oder sich lieber den Tod wünschen.
Opfer des Nationalsozialismus, Gefangene, Gequälte, der Menschenwürde Beraubte.
Keine Freiwilligen, die den Heldentod suchen.
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben:
dieter hat geschrieben: Lieber Marek,
das ist eine sehr perverse Vorstellung, erinnert mich an die Selbstmord-Attentätern bei den Islamisten. :roll:
Ich würde es nie wagen, als jemand, der in Frieden und Wohlstand aufgewachsen ist, sich ein Urteil über Menschen, die sowas mitgemacht haben, zu erlauben. Wir können uns wohl kaum vorstellen, was es heisst, sowas durchzumachen und wie wir denn wohl reagiert hätten. Wir können nur Gott danken, dass wir sowas nicht durchmachen mussten.
Lieber Marek,
natürlich können wir uns das Gott sei Dank nicht vorstellen, Hoffentlich kommen wir nie in eine solche Lage. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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