Das 20. Jahrhundert - Kampf der Ideologien/Weltanschauungen

Lenin, Revolution, Zarenreich, Stalin

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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:arrow: Thema hergeleitet von: "SS - alles Verbrecher oder auch anständige darunter?"

Ich denke, dass hier die Frage gar nicht so relevant ist, ob es SS-Leute gab, die vielleicht auch "anständig" waren.
Die Historiker gehen heute davon aus, dass derartige Verbrechen gegen die Menschlichkeit - wie wir es heute nennen - deswegen möglich waren, weil eine Gruppe von Menschen aus ideologischen Gründen abgewertet bzw. entmenschlicht wurden. Es gab einen NS-Propagandafilm dazu, der bezeichnend ist. In diesem Film wurden Juden mit Ratten verglichen, wonach also Juden Schädlinge seien, ähnlich wie Ratten.
Es war ein wichtiger Teil der NS-Ideologie unter Hitler, Menschen nach einer angeblichen Wertigkeit einzuteilen und danach richtete sich auch die Behandlung der einzelnen Bevölkerungsteile. Man versuchte ja auch, diese Ideologie wissenschaftlich zu untermauern, was aber aus heutiger Sicht als gescheitert gelten muss.

Letztlich läuft die historische Betrachtung darauf hinaus, das 20. Jahrhundert als einen Kampf der Ideologien bzw. Weltanschauungen zu betrachten. Der sich entwickelnden bürgerlich-demokratischen Weltanschauung stand sowohl die marxistische Ideologie als auch die nationalsozialistische/faschistische Weltanschauung gegenüber. Zwischen diesen lief das ganze 20. Jahrhundert hindurch ein Machtkampf, aus dem die bürgerlich-demokratische Weltanschauung als Sieger hervorging.
Aber es hätte meines Erachtens auch anders kommen können, denn gerade der Kalte Krieg war in der zweiten Hälfte des 20. Jh. bis Ende der 70er Jahre keineswegs entschieden. Erst ab Anfang der 80er Jahre wurde der wirtschafliche Niedergang offensichtlich.

Wir können heute froh sein, dass sich die bürgerlich-demokratische Weltanschauung durchgesetzt hat, denn sonst könnten wir hier nicht so frei unsere Meinungen austauschen.
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dieter
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Lieber Barbarossa,
was Du geschrieben hast ist völlig richtig, aber ein Faktor kommt hinzu wenigstens in Deutschland. Nach der November-Revolution 1918 waren die meisten Menschen in Deutschland keineswegs Demokraten sondern nur Anhänger der Monarchie. Die Weimarer Republik hatte zu wenig Demokraten. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Aneri

Barbarossa hat geschrieben:Letztlich läuft die historische Betrachtung darauf hinaus, das 20. Jahrhundert als einen Kampf der Ideologien bzw. Weltanschauungen zu betrachten. Der sich entwickelnden bürgerlich-demokratischen Weltanschauung stand sowohl die marxistische Ideologie als auch die nationalsozialistische/faschistische Weltanschauung gegenüber. Zwischen diesen lief das ganze 20. Jahrhundert hindurch ein Machtkampf, aus dem die bürgerlich-demokratische Weltanschauung als Sieger hervorging.
Mit solche Formulierung, denke ich, hast du nur Oberfläche erfasst. Das 20 Jhd. Stand im Zeichen der Gegenpositionen Freie Markt/Wirtschaft und Plan-Markt/Wirtschaft. Für mich stellt die Frage ob es hier ein klarer Sieger hervorging? Eines ist klar, der Sieger kontinuierlich aus den ursprünglich "Kapitalismus" entwickelt hat. Dem aber Staaten - durch die entwickelnde Demokratie, durch entwickelnde politische Selbstbewusstsein der Bürger, aber auch entwickelndes Budget des Staates, der zur großen Aufträgen fähig ist und deshalb "planmässig" einzugreifen fähig ist - hatten die Grenzen gezeigt. So standen gegenüber am Ende nicht die gleichen Gegner. Planwirtschaft hat verloren, weil sie eben keinen Potential zur Entwicklung besaß.

Wenn ich versuche das Muster der gesellschaftlichen Evolution sich bildlich vorzustellen, dann erscheint - aus der evolutiven Perspektive - am Anfang schon keine Gegner sein. Es ist ein Ganze, der aus sich heraus ein Pfeil (Kommunismus) hoch in Felsen schießt, sich daran verankert und dann kann man hoch klettern. Irgendwann der verankerte Pfeil bricht, dennoch sein - evolutiven - Sinn hat er getan. Man hat höher geklettert und sich irgendwo auf einem Felsensprung einrichten können.
So wäre das vorher als Gegner Angenommener- nur das Hilfsmittel sich aus dem Schlamasel herauszuziehen.

Es hat mich überrascht, wenn ich einmal mit Wissen konfrontiert wurde, wie ein Lebewesen sich embryonal entwickelt. Es ist nicht so, dass die Zellen sich vermehren, differenzieren und am Ende - auf diesem immer sich addierenden - Weg entsteht ein Mensch. Nein. Die Zellen werden geteilt und Teil von ihnen, wann sie ihre Aufgabe als Brücke erledigt habe, werden abgebaut. Es scheint notwendiges Mechanismus zu sein die komplexe Formen hervorzubringen.
Zuletzt geändert von Aneri am 28.01.2015, 11:22, insgesamt 2-mal geändert.
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Barbarossa
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dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
was Du geschrieben hast ist völlig richtig, aber ein Faktor kommt hinzu wenigstens in Deutschland. Nach der November-Revolution 1918 waren die meisten Menschen in Deutschland keineswegs Demokraten sondern nur Anhänger der Monarchie. Die Weimarer Republik hatte zu wenig Demokraten. :wink:
Ja richtig, aber das kommt daher, weil nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern Europas dieser Kampf auch intern tobte. Also nicht nur zwischen den Nationen mit Machthabern unterschiedlicher Weltanschauung.
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Renegat
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Echte Demokratie ist schwierig und verlangt vom einzelnen Menschen sehr viel Denkarbeit und Bereitschaft zur Akzeptanz von Andersdenkenden.

Man kann das 20. Jhd sicher so bezeichnen, Barbarossa. Begonnen hat es schon vorher und wir sind noch längst nicht fertig mit diesem Lernprozess.
Wenn ich nur Europa betrachte und die Schichtengesellschaft des Mittelalters als Ausgangspunkt nehme, versuchte im 19. Jhd zuerst das reichere Bürgertum für sich zu einer besseren Bewertung zu kommen. Den Begriff Wertigkeit, den du im Eingangsbeitrag verwendet hast, Barbarossa, könnte man breiter betrachten als nur biologisch, wie die Nazis es sich konstruiert hatten.
Im Mittelalter war der Adlige viel mehr wert, hatte ein höheres Ansehen als der Bauer und Bürger. Im 19. Jhd. versuchten Bürger und Bauern zu einer besseren gesellschaftlichen Stellung zu gelangen. Großräumig gelungen ist das nur den Bürgern, quasi als Kompromisslösung. Der Kommunismus wollte dann ursprünglich die Aufwertung der unteren Klasse der Bauern und Arbeiter bewirken, mit seiner klassenlosen Gesellschaft. Dass das und warum das nicht gelang, könnte man diskutieren, wäre aber uU eine Wiederholung.

Viel interessanter ist der Ansatz, wie es Demokratie schaffen kann, die Gleichwertigkeit des theoretischen Ansatzes in den Köpfen und Herzen aller Menschen zu verankern. Denn da sind wir noch lange nicht, vielleicht kommen wir nie dahin und wir befinden uns gerade nur in einer Umorientierungsphase, bevor ein neuer Geldadel auch offiziell die Herrschaft übernimmt.
Renegat
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Aneri hat geschrieben: Mit solche Formulierung, denke ich, hast du nur Oberfläche erfasst. Das 20 Jhd. Stand im Zeichen der Gegenpositionen Freie Markt/Wirtschaft und Plan-Markt/Wirtschaft. Für mich stellt die Frage ob es hier ein klarer Sieger hervorging? Eines ist klar, der Sieger kontinuierlich aus den ursprünglich "Kapitalismus" entwickelt hat.
Die heutigen Sieger, Aneri. Vielleicht, ich hoffe nicht, ist das nur eine Momentaufnahme.

Aneri hat geschrieben:Dem aber Staaten - durch die entwickelnde Demokratie, durch entwickelnde politische Selbstbewusstsein der Bürger, aber auch entwickelndes Budget des Staates, der zur großen Aufträgen fähig ist und deshalb "planmässig" einzugreifen fähig ist - hatten die Grenzen gezeigt. So standen gegenüber am Ende nicht die gleichen Gegner. Planwirtschaft hat verloren, weil sie eben keinen Potential zur Entwicklung besaß.
Wenn ich die groben Schlagzeilen aus China und anderen südostasiatischen Staaten betrachte, kann auch eine kommunistische Planwirtschaft Potenzial zur Entwicklung generieren. Der wirtschaftlichen Lockerung der Restriktionen könnten gesellschaftliche folgen. Die aktuellen Entwicklungen in China kann ich nicht selbst beurteilen, finde aber manche Nachrichten interessant. Etwa die Umsiedlung von Bauern in die Städte, um Nachfrage im eigenen Land zu generieren.
Aneri

Sieger als Momentaufnahme? Aber sicher. Vielmehr aber denke ich, dass sich als Sieger zu sehen ist eine Selbsttäuschung, vielleicht nur für das Selbstbewusstsein nützlich.

Ja, China könnte erfolgreich s. z. von der anderen Seite zur Mitte sich bewegen. Denn geht es im Grunde nicht um die absolute Werte: "frei" und "plan", es geht um Beziehung zwischen den Beiden.
Renegat
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Aneri hat geschrieben:Sieger als Momentaufnahme? Aber sicher. Vielmehr aber denke ich, dass sich als Sieger zu sehen ist eine Selbsttäuschung, vielleicht nur für das Selbstbewusstsein nützlich.
Ganz genau, sich als Sieger zu fühlen, bedeutet schon wieder eigene Aufwertung und die Abwertung des Verlierers.
Aneri hat geschrieben:Ja, China könnte erfolgreich s. z. von der anderen Seite zur Mitte sich bewegen. Denn geht es im Grunde nicht um die absolute Werte: "frei" und "plan", es geht um Beziehung zwischen den Beiden.
So ist es, die extremen Positionen sind selten das Optimum. Eigentlich geht es darum, sich dem Optimum von allen möglichen Seiten anzunähern, ohne es jemals vollkommen erreichen zu können.
Aneri

Gibt es ein Optimum? Ich habe unlängst eine Diskussion über eine Annahme, was wäre wenn in der Evolution ein Selektion ausfällt. Die Selektion ist eine Wirkung der Umwelt. Ein Lebewesen schon aufgrund seine essentieller Eigenschaft zum Stoffwechsel verändert ständig die Umwelt. In kleinem Zeitraster können wir über ein Optimum sprechen. Dennoch in weiteren Zeitskala wird deutlich, dass das Optimum ist ein Chimera. Man muss sich ständig anpassen auf die verändernde Umweltbedingungen, oder eben abdriften in der Evolutionsnischen.

Auch die Gesellschaften ändern ständig ihre Umwelt und werden selbst für die Verursacher der Änderung der Umwelt (da jede ist eine Umwelt für anderen). Daher auch hier vermutlich gibt es kein Optimum...
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