Weimars Staatsmann und die erste deutsche Demokratie

Deutschland zwischen den Kriegen: Stresemann, Goldene Zwanziger, Völkerbund, Zerstörung einer Demokratie, Weimarer Republik

Moderator: Barbarossa

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dieter
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Sie musste nicht zwangsläufig scheitern
Gustav Stresemann (1878-1929) wurde Reichskanzler, als die junge Weimarer Republik einmal mehr ins Chaos stürzte: im Krisenjahr 1923. Deutschland litt noch immer an den Folgen des verlorenen Krieges und des Versailler Vertrags: Frankreich und Belgien besetzten das Ruhrgebiet, um milliardenschwere Rebparationen zu erzwingen und die Kontrolle über die wichtige Industrieregion zu gewinnen. Die Inflation erreichte ihren Höhepunkt.
Quelle: www.diedeutschen.zdf.de
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An eine zwangsläufige Entwicklung, also an eine deterministische, quasi schicksalshafte Vorherbestimmung von Geschichte, glaube ich auch nicht. Es gibt nur mehr oder weniger wahrscheinliche Entwicklungen, zu viele Variable stoßen aufeinander. Was die Variable Persönlichkeit betrifft: Die Weimarer Republik besaß in der Spätphase keine demokratischen Persönlichkeiten mit entsprechendem Charisma und Format, um den totalitären Kräften zu widerstehen.

Ob Stresemann dies geschafft hätte? Ich glaube eigentlich nicht. Als Vertreter des Großkapitals, so wurde er von vielen eingeschätzt, war er immer sehr umstritten. 1923 konnte er Erfolge erzielen, weil die Republikgegner untereinander zu sehr zerstritten blieben. Seine außenpolitischen Erfolge hatte er in den Goldenen Zwanzigern, als es relativ ruhig war und das Ausland auf Druck der USA gegenüber Deutschland konzilianter wurde. Gegen Ende seiner Zeit als Außenminister wurde er langsam beliebter, aber ob es ausgereicht hätte in der Weltwirtschaftskrise, die er nicht mehr miterlebte, die Demokratie zu retten? Ich glaube eigentlich nicht, doch diese Frage lässt sich ja nun nicht beantworten.
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Triton
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Statt Hindenburg (heute ein Porträt auf arte zur besten Sendezeit) im hohen Alter noch einmal wiederzuwählen, hätte man auch 1932 den "jungen" Adenauer (er war in Wirklichkeit 13 Jahre älter als Hitler) ins Rennen schicken können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass damals die Mehrheit der Deutschen den radikalen Kandidaten bevorzugt hätten. Adenauer stand zur Debatte, aber Hindenburg war die einfache, unumstrittene Lösung.

Stresemann sehe ich genauso, heute wegen einiger bilateraler Abkommen eigentlich zu Unrecht neben Ebert der bekannteste Weimarpolitiker.

Beste Grüße
Joerg
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dieter
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Karlheinz hat geschrieben: Ob Stresemann dies geschafft hätte? Ich glaube eigentlich nicht. Als Vertreter des Großkapitals, so wurde er von vielen eingeschätzt, war er immer sehr umstritten. 1923 konnte er Erfolge erzielen, weil die Republikgegner untereinander zu sehr zerstritten blieben. Seine außenpolitischen Erfolge hatte er in den Goldenen Zwanzigern, als es relativ ruhig war und das Ausland auf Druck der USA gegenüber Deutschland konzilianter wurde. Gegen Ende seiner Zeit als Außenminister wurde er langsam beliebter, aber ob es ausgereicht hätte in der Weltwirtschaftskrise, die er nicht mehr miterlebte, die Demokratie zu retten? Ich glaube eigentlich nicht, doch diese Frage lässt sich ja nun nicht beantworten.
Lieber Karlheinz,
das ist sicher eine Hypothetische Frage, ob Deutschland die Weltwirtschaftskrise besser überstanden hätte, wenn er noch gelebt hätte. Die Weimarer Republik ist durch den Mangel an Demokraten gescheitert. SPD, große Teile des Zemtrums natürlich ohne von Papen und die kleinen liberlen Parteien konnten es nicht schaffen gegen die Radikalen von rechts ( NSDAP, DNVP) und links (die Kommunisten), die zusammen wenn sie sich hätten einigen können, wie bei den Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben, die Mehrheit hatten. :evil:
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dieter
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Triton hat geschrieben:Statt Hindenburg (heute ein Porträt auf arte zur besten Sendezeit) im hohen Alter noch einmal wiederzuwählen, hätte man auch 1932 den "jungen" Adenauer (er war in Wirklichkeit 13 Jahre älter als Hitler) ins Rennen schicken können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass damals die Mehrheit der Deutschen den radikalen Kandidaten bevorzugt hätten. Adenauer stand zur Debatte, aber Hindenburg war die einfache, unumstrittene Lösung.
Beste Grüße
Joerg
Lieber Joerg,
Adenauer vom damals katholischen Zentrum war für einen großen Teil der Protestanten in Nord- und Ostdeutschland nicht wählbar. :wink:
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Triton
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Hindenburg hatte sicher auch eine Konfession oder war der damals Agnostiker oder Anhänger der Ökumene?

Beste Grüße
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demark
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Triton hat geschrieben:Hindenburg hatte sicher auch eine Konfession oder war der damals Agnostiker oder Anhänger der Ökumene?

Beste Grüße
Joerg
Hindenburg hatte zusammen mit Ludendorff 1916 die oberste Heeresleitung im ersten Weltkrieg übernommen und damit den katastrophalen Einfluss des Kaisers Wilhelm II. auf die Kriegsführung abgewendet.
Er war damit der kompetendere Politiker.
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Barbarossa
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Die Preußen - so auch Hindenburg - waren ganz überwiegend Protestanten:
Der Reichsblock hatte seine Kandidatenkrise überwunden. Dem Volksblock jedoch drohten durch den neuen Reichsblock-Bewerber erhebliche Einbußen in der katholischen Wählerschaft. Denn die katholische BVP rief nicht zur Wahl des rheinischen Katholiken Marx auf, sondern zur Wahl des preußischen Protestanten Hindenburg.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Reichspr%C ... VP_und_KPD
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dieter
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Triton hat geschrieben:Hindenburg hatte sicher auch eine Konfession oder war der damals Agnostiker oder Anhänger der Ökumene?
Beste Grüße
Joerg
Lieber Joerg,
Hindenburg wird Protestant gewesen sein. :wink:
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dieter
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demark hat geschrieben:
Triton hat geschrieben:Hindenburg hatte sicher auch eine Konfession oder war der damals Agnostiker oder Anhänger der Ökumene?

Beste Grüße
Joerg
Hindenburg hatte zusammen mit Ludendorff 1916 die oberste Heeresleitung im ersten Weltkrieg übernommen und damit den katastrophalen Einfluss des Kaisers Wilhelm II. auf die Kriegsführung abgewendet.
Er war damit der kompetendere Politiker.
Lieber demark,
Hindenburg hat mit Ludendorff erst in das Schlamassel geführt und als sie nich mehr weiter wußten, mußten die Vertereter von SPD und Zentrum auf Veranlassung der Beiden um einen Waffenstillstand und Frieden nachsuchen. Sie hatten sich in die Büsche geschlagen oder wie Ludendorff 1923 an einem Putsch gegen die Bayer. Regierung teilgenommen. Zuletzt war Hindenburg nur noch ein seniler Greis, der dann auch noch Hitler zum Reichskanzler ernannte. :evil:
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demark:
Er war damit der kompetendere Politiker.
Hindenburg würde ich nicht als kompetenten Politiker bezeichnen. Das er 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannte und damit die Nazidiktatur ermöglichte, ist in meinen Augen kein Zeichen von Kompetenz.
demark
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Karlheinz hat geschrieben:
demark:
Er war damit der kompetendere Politiker.
Hindenburg würde ich nicht als kompetenten Politiker bezeichnen. Das er 1933 Hitler zum Reichskanzler ernannte und damit die Nazidiktatur ermöglichte, ist in meinen Augen kein Zeichen von Kompetenz.
Mit kompetenteren Politiker meine ich die höhere Kompetenz gegenüber Adenauer der damaligen Zeit, und hatte damit auf einen oberen Beitrag geantwortet.
Dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, weiß ich selbst und werte es nicht, nur um einen einseitigen Beitrag abzuliefern.
ehemaliger Autor K.

Demark
Mit kompetenteren Politiker meine ich die höhere Kompetenz gegenüber Adenauer der damaligen Zeit, und hatte damit auf einen oberen Beitrag geantwortet.
Dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, weiß ich selbst und werte es nicht, nur um einen einseitigen Beitrag abzuliefern.
Ich bin sicher, dass auch in der damaligen Zeit Adenauer kompetenter war als Hindenburg, der in seinen letzten Jahren zum senilen Greis mutierte. Und seine Entscheidung, Hitler zum Kanzler zu machen, sehe ich nicht wertneutral und die Millionen Opfer der Hitlerdiktatur wahrscheinlich auch nicht.

Bereits 1916 erwies er seine Inkompetenz, als er den blutigen, sinnlosen Krieg um jeden Preis bis zum Endsieg führen wollte. Kompetent wäre es gewesen, einen ehrenvollen Frieden herbeizuführen, auch gegen den Willen des Kaisers.
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Karlheinz hat geschrieben:
Demark
Mit kompetenteren Politiker meine ich die höhere Kompetenz gegenüber Adenauer der damaligen Zeit, und hatte damit auf einen oberen Beitrag geantwortet.
Dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, weiß ich selbst und werte es nicht, nur um einen einseitigen Beitrag abzuliefern.
Bereits 1916 erwies er seine Inkompetenz, als er den blutigen, sinnlosen Krieg um jeden Preis bis zum Endsieg führen wollte. Kompetent wäre es gewesen, einen ehrenvollen Frieden herbeizuführen, auch gegen den Willen des Kaisers.
Lieber Karlheinz,
so isses. :wink:
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Kommunistische Aufstände drohten von links, die radikale Rechte forderte eine nationale Diktatur. Kanzler werden in solcher Zeit sei "eigentlich politischer Selbstmord", schrieb Stresemann an seine Frau.
Eckdaten

10.5.1878 Geburt von Gustav Stresemann in Berlin
1898 bis 1901 Studium der Nationalökonomie, Abschluss mit Promotion zur "Entwicklung des Berliner Flaschenbier geschäfts"
1907 Für die Nationalliberale Partei zieht Stresemann als jüngster Abgeordneter in den Reichstag
15.12.1918 Offizielle Gründung der von Stresemann mitinitierten Deutschen Volkspartei (DVP)
13.8.1923 Stresemann wird Reichskanzler und Reichsminister des Auswärtigen
26.9. Stresemann erklärt Ende des pasiven Widerstandes im "Ruhrkampf"
9.11. Gescheiterter Hitlerputsch in München
30.11. Wilhelm Marx wird Reichskanzler, Stresemann bleibt Außenminster
10.12.1926 Streseman erhält gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Aristide Briand Friedensnobelpreis für deutsch-französische Annäherungspolitik
3.10.1929 Gustav Stresemann erliegt den Folgen eines Schlaganfalls
Quelle: www.diedeutschen.zdf.de
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