Oskar Potiorek - Der k.u.k. Statthalter in Sarajevo

Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts

Moderator: Barbarossa

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Orianne
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1910 wurde Potiorek als Armeeinspektor nach Sarajevo delegiert, dies nachdem er immer wieder mit Erzherzog Franz-Ferdinand verbal zusammenstiess, der Thronfolger mochte Potiorek nicht besonders.

Am 28. Juni 1914 kam es zum folgenschweren Attentat, als der Wagen des Erzherzogs und seiner Frau wenden musste, der Attentäter Gavrila Princip wollte eigentlich Franz-Ferdinand und Potiorek töten, dieser aber blieb unverletzt, ebenso der Besitzer des Autos Franz Graf Harrach, sowie der Fahrer Leopold Lojka.

Potiorek, der für das Sicherheitdispositv in Sarajevo verantwortlich war, hatte versagt, man könnte denken, dass er die Konsequenz aus seinem Fehler zog, doch er machte es nicht.

Der Kaiser beliess ihn auf seinem Posten, er wurde zum zum Oberbefehlshaber über die Balkanstreitkräfte der Doppelmonarchie ernannt.

Nach dem Kriegsausbruch schrieb er in sein Tagebuch: "Nun ist er ausgebrochen, mein Krieg".

In 3 Schlachten (Schlacht von Cer im August, Schlacht an der Drina im September und Schlacht an der Kolubara) wurden die Serben nicht geschlagen, obwohl die Armee vom Kaiser Franz I. der serbischen Armee überlegen war, machte Potiorek logistische Fehler. Nach dem Scheitern seiner letzten Offensive gegen Serbien wurde er schließlich am 1. Januar 1915 seines Postens enthoben und gleichzeitig pensioniert.
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Marek1964
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Ist vielleicht Interpretationssache, aber meines Erachtens durfte man von richtigen niederlagen der KuK Armee sprechen. Vor allem die Schlacht bei Cer wurde bedeutend, da sei eigentlich den ersten Sieg der Entente darstellt. Ganz interessant die Schlacht bei Kolubara, auf wiki steht:
Der serbische Sieg verblüffte die damaligen Staaten und bewog selbst den deutschen Kaiser Wilhelm II. zu einer einmaligen Tat: Er gratulierte persönlich dem serbischen Generalstabschef Radomir Putnik und damit einem offiziellen Kriegsgegner.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Cer
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Drina
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Kolubara

Auf jeden Fall waren die Verluste der Österreicher grössere Kriegsverbrechen, die vor allem die tschechischen Soldaten der KuK Armee empörten, die ohnehin den Krieg als Krieg fremder (germanischer) Interessen sahen.

Hier ein neuer Thread zum Thema Kriegsverbrechen der KuK Armee: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =70&t=4912
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben: Potiorek, der für das Sicherheitdispositv in Sarajevo verantwortlich war, hatte versagt, man könnte denken, dass er die Konsequenz aus seinem Fehler zog, doch er machte es nicht.
Hast Du da weitere Details? Das ist auch immer so eine Frage, die ich mir stellte, dass man enorm leichtsinnig war. Sicherheitsdispositiv vielleicht, aber ein offener Wagen ist ein offener Wagen und kein Papamobil. Wie kann man da verhindern, dass da einer mit einer Pistole aus der Masse ausbricht? Es sei denn, man hat da vorher jeden gefilzt und weiträumig abgesperrt, etwas aber, was in einer Demokratie schwer zu realisieren ist und wohl schon in der KuK Zeit.

Auch Heydrich 1942 und JFK 1963 sollten noch folgen, vorher noch der König von Jugoslawien in Marseille 1934. Alle mit offenen Wagen, ob Mercedes, Lincoln oder Delage (hier eine Landaulette, zu sehen hier https://www.youtube.com/watch?v=CsM0AKOV96s bei 1:47) .

Aber zurück zu Sarajevo und Potiorek 1914. Vor allem nach dem ersten (gescheiterten) Anschlag hätte man doch in aller Welt nicht noch einmal offen durch die Strassen fahren dürfen. Da sehe ich eher Ferdinand selbst als Potiorek in der Verantwortung. Man hat Glück gehabt, die aber zu schätzen gewusst.

Ohnehin war es Unsinn, an einem serbischen nationalfeiertag nach Bosnien zu fahren. Aber naja. Die ganze Balkanpolitik war unsinnig. Wie sagte man doch so schön: Ausser ein paar Maulbeerbäumen und einen Haufen unzufriedenen Untertanen gab es das nichts zu holen.
Orianne hat geschrieben:In 3 Schlachten (Schlacht von Cer im August, Schlacht an der Drina im September und Schlacht an der Kolubara) wurden die Serben nicht geschlagen, obwohl die Armee vom Kaiser Franz I. der serbischen Armee überlegen war, machte Potiorek logistische Fehler.
Auch da interessieren mich Details - logistische Fehler, welcher Art waren die?
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Orianne
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Die ganze Strecke war gesäumt mit Anarchisten, wäre es nicht Princip gewesen, so hätte gewiss ein anderer geschossen, oder einen Sprengkörper geworfen, Potiorek hatte seinem Geheimdienst kein Ohr geschenkt, der vor einem Attentat warnte.
Er hätte alle verfügbaren Polizisten und Soldaten für die Festnahme von potentiellen Anarchisten abstellen müssen, so wären sie eingesperrt gewesen, auf der anderen Seite wäre ein Attentat trotzdem wohl verübt worden, denn wie soll man jeden erwischen. Es war ja auch bei der Kaiserin Elisabeth in Genf so, da war es Zufall, dieser Attentäter wusste gar nicht, wer die Frau wirklich war.

Princip hatte es auf den Erzherzog und auf Potiorek abgesehen, die Herzogin war gar nicht sein Ziel. Die beiden Vorgenannten verkörperten den Feind, die k.u.k. Monarchie. Die Schwarze Hand, eine Geheimorganisation steckte nicht hinter dem Attentat, klar sie wollten im Januar 1914 einen Anschlag auf den Landeschef von Bosnien, Feldzeugmeister Oskar Potiorek, verüben, was nicht gelang, ausserdem wollte die Schwarze Hand schon 1911 Franz Joseph I. in Wien ermorden, auch dieser Plan klappte nicht.

Die Schwarze Hand war ein Geheimbund serbischer Offiziere, der ca. 1903 gegründete wurde, und den serbischen König sowie seine Gattin ermordete, und dies aus zwei Gründen. 1. der König näherte sich mit seiner Aussenpolitik Österreich-Ungarn an. 2. War die Ehefrau des Königs eine Bürgerliche und geschieden, und beim Volk sehr unbeliebt.
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Orianne
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Serbien sicherte sich wie Bulgarien, Rumänien oder Griechenland in einem Angriffskrieg gegen das Osmanische Reich, das schon sehr kriselte Land, gleichzeitig versuchte Serbien Albanien zu schlucken. Schon damals wurden ca. 20.000 Albaner vertrieben oder ermordet, dass musste natürlich zu einem Konflikt mit Österreich-Ungarn führen, das Kaiserreich wollte auch im Balkan expandieren.


Dragutin Dimitrijevic war Chef der „Vereinigung oder Tod“ sowie auch Chef des Militärgeheimdienstes.


Der Premierminister von Serbien Nikola Pasic wusste über den Mordplan von Erzherzog Franz Ferdinand Bescheid, weil er einen Spitzel in der „Vereinigung oder Tod! hatte. Er tat nichts, weil er Angst vor Dimitrijevic hatte, so war Apis, wie sich der Geheimdienstchef nannte wohl einer der mächtigsten Männer in Serbien.


Doch 1915 während der Julikrise entschloss sich Pasic die Führer der „Schwarzen Hand“ zu verhaften. Die Organisation war zwar aufgelöst, doch Dimitrijević und seine Helfer wurden wegen eines Mordkomplotts gegen den Prinzregenten Alexander Karadjordjevic angeklagt. Bei der peinlichen Befragung von Princip nach dem Attentat von Sarajevo wurde die Organisation sowie mehrere Männer beschuldigt, Drahtzieher gewesen zu sein, Fakt ist, dass Princip aber von der "Schwarzen Hand" ausgebildet wurde. Ob sie am Attentat beteiligt gewesen war?

Der Prozess wurde in Thessaloniki von einem serbischen Militärgericht abgehalten, Apis und acht Offiziere wurden 1917 zum Tod verurteilt, von ihnen wurden dann drei erschossen, darunter Dimitrijević (Apis), Velimir Vujovic sowie Radeta Malobabic.


Im Ersten Weltkrieg starben ca. 1,2 Millionen Serben, das war ein Viertel der Gesamtbevölkerung - Die höchste Totenzahl aller Länder die vom Krieg betroffen waren. Im 2. Weltkrieg starben noch einmal mehr 500,000 Serben.
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Marek1964
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Hier noch ein kleiner Einschub, recht interessant:

http://www.profil.at/articles/1429/980/ ... weltkriegs
Laut einer aktuellen profil-Umfrage sind 36% der Österreicher der Meinung, Serbien sei schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs gewesen.

31% der Befragten gehen hingegen laut der vom Meinungsforschungsinstitut Unique Research durchgeführten Umfrage von der Verantwortung Österreich-Ungarns aus. 14% halten Deutschlands Verhalten für ausschlaggebend, 12% die Verbündeten Frankreich, Großbritannien und Russland. 25% konnten dazu keine Angabe machen.
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Orianne
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Das ist natürlich immer so eine Sache mit Umfragen, wenn man sie z.B in Serbien gemacht hätte, dann sähe es wieder anders aus.
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben:Das ist natürlich immer so eine Sache mit Umfragen, wenn man sie z.B in Serbien gemacht hätte, dann sähe es wieder anders aus.
Das mit Sicherheit. Aber mich überrascht, dass in Österreich ein Attentat als Grund für einen Krieg auch heute noch als ausreichen betrachtet wird - zumal ja Serbien nur Waffen an die bosnischen Serben geliefert haben, das Attentat aber nicht selbst ausführten.

Serbien hat ja dann nach dem Ultimatum ja weitestgehend klein beigegeben.

Sofern die Umfrageteilnehmer überhaupt das alles wissen, was ja auch schon so eine Frage ist.
Backstein-Jodler

Vielen Dank für diese zahlreichen Informationen. Dennoch finde ich es abartig diesen Mördern ein Denkmal zu geben, aber bitte, ist ja nur meine Meinung, aber vielen vielen Dank!!
Sehr viele Informationen die ich vorher gar nicht wusste... liebe Grüße aus Wien
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Barbarossa
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Hallo,
ich glaube nicht, dass wir Mördern ein Denkmal geben. Wir diskutieren nur über Dinge.

Liebe Grüße zurück nach Wien
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
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Backstein-Jodler hat geschrieben:Vielen Dank für diese zahlreichen Informationen. Dennoch finde ich es abartig diesen Mördern ein Denkmal zu geben, aber bitte, ist ja nur meine Meinung, aber vielen vielen Dank!!
Sehr viele Informationen die ich vorher gar nicht wusste... liebe Grüße aus Wien
Da kann ich mich Barbarossa nur anschließen. Du greifst ja da eine Problematik auf, die in den Vereinigten Staaten im Rahmen der „Black Lives Matter“ Bewegung aufkam, als beispielsweise Denkmäler von Konföderierten-Generälen zerstört wurden. Diskussionen müssen aber möglich sein - hier erfolgte das ja auch sehr differenziert.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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