17. 7. 2008: Bundesregierung beschließt erstmals Mindestlohn

Arbeits und Lehrstellenmarkt, Arbeits- und Sozialrecht, Rente

Moderator: Barbarossa

elysian
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Wobei ich die Wortwahl anders wählen würde.
Die Menschen sind der Markt und die Wirtschaft.
Deswegen sind zu niedrige Löhne ebenso unsinnig, wie ein (zumindest undifferenzierter) Mindestlohn. Es hat doch auch seinen tieferen Grund, warum etwa Media Markt mit der Werbung "Geiz ist geil" so erfolgreich sein konnte. Auch der Sparfuchs ist seit Jahrzehnten in der Werbung sehr erfolgreich.
Ein hoher Mindestlohn und all die Theorien über eine Wirtschaftsförderung durch einen Anschub der Binnenkonjunktur mittels hoher Löhne setzt voraus, dass die Menschen das erhaltene Geld dann auch entsprechend einsetzen und daran bisher nur durch angeblich zu niedrige Löhne gehindert werden; anders gesagt: sie kaufen billig, weil sich die Konsumenten nur das Nötigste leisten können.. Die oben genannten Beispiele legen den gegenteiligen Schluss nahe: die Konsumenten in Deutschland wollen eine erstklassige Beratung, die nichts kosten darf und erwerben dann das Produkt bei demjenigen, welcher hierfür den geringsten Preis verlangt. Gleichzeitig haben sie aber durchaus große Sympathien für fairtrade und etwa die Forderungen der Milchbauern....
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass der historische Versuch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, als man bereit war, das System auszumelken und mehr als einen großen Schluck aus der Pulle zu nehmen, das Scheitern der Theorie an der Realität bewiesen hat. Die Löhne gingen massiv rauf (auch im öffentlichen Bereich und damit also auch die Staatsverschuldung!) und die Preise folgten alsbald, wobei nicht einmal ein Strohfeuer eintrat, weil die Konsumenten oftmals bereits vorher schlicht das gekauft hatten, was sie kaufen wollten und nunmehr weiterhin das Billigste kauften. Teure Luxusprodukte ausgenommen, die aber wiederum zu teuer sind, als dass man auf dieser Ebene durch Mindestlöhne oder massiver Lohnsteigerungen (regelmäßig Einkommen im niedrigen fünfstelligen Bereich per anno) wirklich Verhalten anregen könnte.
Auch in der jetzigen Krise wurden nicht umsonst einige Gedanken aufgeworfen, wie man an die Bürger zu verteilendes Geld unter "Konsumdruck" setzen kann, also dass das Geld unbedingt kurzfristig aufgewendet werden wird. Erinnert Euch doch mal an die Debatten um die einmaligen Zahlungen (100€?) und ähnliche Beispiele.
sic transit gloria mundi
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Barbarossa
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TARIFE:
Niedrige Löhne und Überstunden
Gewerkschaft legt „Schwarzbuch“ vor / Firmen weisen Vorwürfe zurück

POTSDAM - Renate U. (Name geändert) hat schlechte Erfahrungen gemacht. In einem Hotel in Ostbrandenburg war sie als Zimmerfrau beschäftigt. Für 1050 Euro brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche. Das wäre ein Stundenlohn von rund 6,60 Euro. Doch der wurde gedrückt. Renate U. musste unbezahlte Überstunden machen. Fast jedes Wochenende war sie im Dienst. Sie wehrte sich, bekam eine Abmahnung. „Ich hatte im Frühjahr einen Zusammenbruch und merkte, dass ich unter diesen Bedingungen nicht mehr weiterarbeiten wollte“, erzählt sie.

13 Beschäftigte schildern im gestern vorgestellten „Schwarzbuch Billiglohn“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin-Brandenburg solche Erlebnisse...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... 76/485072/
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ARBEIT:
Sittenwidrige Löhne sollen künftig verboten sein
Schwarz-Gelb setzt Untergrenze bei zwei Drittel eines Durchschnittsentgelts

POTSDAM - Löhne, die ein Dritttel unter dem branchenüblichen Niveau liegen, will die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung als sittenwidrig verbieten. Darauf haben sich die Vertreter von CDU/CSU und FDP bei den Koalitionsgesprächen in Berlin geeinigt. Gleichzeitig sprachen sich beide Parteien gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aus.

Scharfe Kritik kam von den Gewerkschaften und der Opposition...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... eines.html
ARBEIT:
Viele Fragezeichen beim Gesetz gegen Niedrigstlöhne
Koalition will sittenwidrige Löhne verbieten / Schlupflöcher könnten bleiben

POTSDAM - In der Großen Koalition war die Union jahrelang von der SPD bedrängt worden, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen. CDU und CSU hatten im Gegenzug aber angeboten, eine absolute Untergrenze für die Löhne einzuziehen. Richtschnur sollte dabei die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu sittenwidrigen Löhnen sein. Mit dem neuen Partner FDP will die Union dieses Vorhaben nun umsetzen. Bisher musste ein Beschäftigter, der sich zu niedrig bezahlt fühlt, selbst vor Gericht gehen, erklärt Dieter Dombrowski, CDU-Fraktionsvize im Potsdamer Landtag. Durch das Gesetz werde dagegen ein Rechtsanspruch für alle definiert.

In der Praxis sind dennoch viele Fragen offen...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... 68/485072/

Hmmm - teilweise halte ich ja die Höhe der Tariflöhne hier im Osten bereits für sittenwidrig.
Aber Löhne unter dem Tarif sollte generell verboten werden und nicht erst unterhalb einer prozentualen Untergrenze. Wozu setzen die Gewerkschaften sonst einen Tarif durch?
:?
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elysian
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Löhne können zu niedrig sein, aber sie können nicht sittenwidrig sein.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sitte
Die Tariflöhne gelten in erster Linie für die Tarifparteien, aber nicht nur. Andererseits ist ein Tarifvertrag ein Vertrag, also eine Vereinbarung zwischen verschiedenen Parteien. Diese Vereinbarung kann man auch nicht ohne weiteres auf andere übertragen, die zudem dann nicht den Schutz durch den Tarifvertrag (Friedenspflicht) genießen.
Wenn man Löhne unterhalb eines Tarifs verbieten will, muss man zugleich Löhne oberhalb des Tarifs verbieten. Daran sollte man auch denken. Davon abgesehen sind solch massive Eingriffe in die Privat- und Tarifautonomie verfassungsrechtlich bedenklich. Andererseits kann ein Tarifvertrag nicht einfach Gesetze ersetzen und die Tarifparteien dem Gesetzgeber von seiner Verantwortung befreien (s. Gesetzesvorbehalt/Parlamentsvorbehalt).
Das Niedriglohnproblem ist allerdings nicht auf den Osten Deutschlands beschränkt. Dort ist es nur stärker ausgeprägt.
Zudem muss man bedenken, dass bestimmte Arbeiten nicht zu bestimmten Preisen, welche sich aus bestimmten Löhnen ergeben, nachgefragt und dann auch nicht angeboten werden.
sic transit gloria mundi
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Barbarossa
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elysian hat geschrieben:Wobei ich die Wortwahl anders wählen würde.
Die Menschen sind der Markt und die Wirtschaft.
Deswegen sind zu niedrige Löhne ebenso unsinnig, wie ein (zumindest undifferenzierter) Mindestlohn. Es hat doch auch seinen tieferen Grund, warum etwa Media Markt mit der Werbung "Geiz ist geil" so erfolgreich sein konnte. Auch der Sparfuchs ist seit Jahrzehnten in der Werbung sehr erfolgreich.
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Das denke ich nicht. Auch hier noch einmal der Artikel vom DGB:
...Traurige Popularität erlangte kürzlich etwa ein besonders drastischer Fall von Niedriglohn in Sachsen: Frisöre der untersten Lohngruppe verdienen dort 3,06 Euro pro Stunde – laut Tarif. Selbst in der Lohngruppe 3, in der die meisten sächsischen Frisöre arbeiten, liegt der Verdienst bei gerade einmal 5,16 Euro pro Stunde. Das entspricht einem Monatslohn von 830 Euro. Es überrascht wenig, dass bei dieser Lohnsituation 70 Prozent der Beschäftigten im sächsischen Frisörhandwerk ihr Lohn durch Transferleistungen aufgestockt wird.

Kaum besser ist es um das Bäckereihandwerk in Sachsen-Anhalt bestellt. In der untersten Lohngruppe werden hier 4,48 Euro pro Stunde gezahlt. Mit einem Monatseineinkommen von 775 Euro liegen Bäcker aus Sachsen-Anhalt unterhalb der Armutsgrenze von 781 Euro.

In Sachsen-Anhalt existieren insgesamt 34 Tarifverträge, die Bruttostundenlöhne von weniger als 7,50 Euro vorsehen. Die Löhne sind in den vergangenen Jahren kräftig gesunken „Die Arbeitgeber des Landes zahlten 2005 insgesamt Bruttolöhne und -gehälter, inkl. der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber, in Höhe von 15,6 Mrd. Euro. Das waren eine Milliarde Euro weniger als noch im Jahr 2000“, so der Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Udo Gebhardt. Gleichzeitig seien die Verkaufspreise gestiegen. Um Löhne und Kaufkraft zu stärken, betont Gebhard, seien Mindestlöhne und Lohnuntergrenzen deshalb „ein Gebot der Stunde“...
Quelle: http://m.mindestlohn.de/meldung/niedrig ... utschland/

Wer so wenig verdient und somit seinen Lohn mit Hartz IV aufstocken muß, der kann sich tatsächlich kaum die Wurst auf dem Brot leisten - ich spreche da übrigens aus eigener Erfahrung.
Einen gesetzlichen Mindestbruttolohn von 7 Euro oder 7,5 Euro halte ich durchaus für angemessen. Damit würden Arbeitnehmer dann über der Grenze der Armutsgefährdung liegen.
siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Relative_A ... tive_Armut

Wer mehr verdient, der konsumiert auch mehr, was der Wirtschaft dann direkt wieder zu Gute kommt.
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elysian
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Barbarossa, die Wirtschaft besteht aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern und beide Seiten bestehen damit aus Menschen.
Zweiter Punkt sind die Kunden. Warum gehen wohl so viele Leute in Friseurgeschäfte, wo sie eine Frisur schnell und günstig bekommen? Führ da mal den Mindestlohn ein und Du wirst Dich umschauen, wieviele geringverdienende Friseure von heute Arbeitslose von morgen sind!
Dass der Niedriglohnsektor die breite Masse, sprich die Mehrheit, ausmache, wirst Du doch sicherlich nicht behaupten wollen, oder?
Zu Deinem "wer mehr verdient, der....":
die historische Erfahrung ist: nein
-erstens steigen mit den Löhnen automatisch die Preise, sodass die Einführung eines Mindestlohnes postwendend aufgefressen würde; schau Dir doch nur mal die Lohnabschlüsse in den 70er Jahren an und welche Folgen die hatten!
-zweitens fallen nach nahezu allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Mindestlohn Arbeitsplätze weg, die zu dem dann notwendigen Preis nicht mehr nachgefragt werden; hierdurch verbessert sich die Lage also keineswegs; letztlich auch nicht die der übrigen Arbeitnehmer, welche dann die Kosten für die Transferleistungen der neuen Arbeitslosen zu tragen haben
-drittens zementiert nach nahezu allen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Mindestlohn bestehende Strukturen, sprich etablierte Unternehmen werden vor Wettbewerb geschützt (DER Grund, weshalb mehrere Unternehmer durchaus für einen Mindestlohn sind)
-viertens kann man Deutschland durchaus mit Frankreich vergleichen (beide Länder weisen etliche Ähnlichkeiten auf) und dort verschärft der Mindestlohn vor allem die Jugendarbeitslosigkeit

dieses "die Leute müssen nur mehr verdienen und alles wird gut" ist ein Ammenmärchen auf der Basis einer Milchmädchenrechnung, aber es verkauft sich seit Jahrzehnten sehr gut auf dem politischen Basar.

Die Gewerkschaften haben ihren Niedergang seit den Achtzigern selbst eingeläutet, indem sie hohe Löhne und niedrige Jahresarbeitszeiten erstritten und dadurch die Stückkosten maximierten, sodass Deutschland als Wirtschaftsstandort zunehmend unattraktiv wurde. Seit den 90er Jahren müssen sie nun ernten, was sie säten....
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Balduin
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Diese Diskussion und das Thema Mindestlohn finde ich sehr interessant.
-erstens steigen mit den Löhnen automatisch die Preise, sodass die Einführung eines Mindestlohnes postwendend aufgefressen würde; schau Dir doch nur mal die Lohnabschlüsse in den 70er Jahren an und welche Folgen die hatten!
Dem stimme ich zu, das von dir beschriebene Szenario ist in gewissem Sinne die Lohn-Preis-Spirale. Höhere Löhne führen zu höheren Kosten, führen zu höheren Preisen, führen zu höheren Löhnen...
Eine sehr gefährliche Entwicklung könnte eintreten - die Inflation würde weiter steigen (wohl eine Kostendruckinflation).
Ich hoffe, dass sich die neue Regierung an der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik orientiert - der Staat gibt den Rahmen vor, die Wirtschaft handelt in diesem Rahmen - verbunden mit einer guten sozialen Sicherung natürlich der Traum eines jeden Liberalen.
Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist ja eine vehemente Forderung der Wirtschaft und sie hat nicht unrecht - neue Arbeitnehmer werden schneller eingestellt (natürlich auch die Möglichkeit einer schnelleren Entlassung) und der Arbeitsmarkt wird dadurch flexibler und somit konkurrenzfähiger.
Das Beispiel der Friseure wird sehr oft genannt - nun: dieser Markt ist völlig übersättigt: Preisschlachten sind die Folgen. Dazu trägt aber auch der Kunde bei, der eben den billigeren Friseur vorzieht. Dieser billigere Preis soll aber nicht mit schlechterer Qualität, schlechterem Service etc. einhergehen - entsprechend wird der Lohn gekürzt. Ein Mindestlohn würde zu weiteren Entlassungen führen: Die "übrigen" Friseure müssten nun noch mehr arbeiten.

In Deutschland (der Spiegel sprach von einiger Zeit davon, dass Deutschland immer sozialer eingestellt würde) herrscht leider die Meinung des bösen Arbeitsgebers und des Arbeiters, der von seinen Chefs ausgenutzt wird.
Aus der Sicht des Arbeitgebers bringt natürlich auch der Billiglohn Nachteile: Welcher Arbeitnehmer wird wohl leistungsfähiger und motivierter arbeiten? Welches Ansehen schafft sich ein U. durch die Ausbeutung seiner Arbeitnehmer?
Natürlich sehe ich auch Schuld auf Seiten der Unternehmen - Profitgier ist leider ein Phänomen, das vor allem bei AGs auftritt. Wenn eine Aktie steigt, sobald mitgeteilt wird, dass Arbeitsplätze gestrichen werden, ist falsch - dazu sollte die Wirtschaft nicht gemacht sein.
Wer mehr verdient, der konsumiert auch mehr, was der Wirtschaft dann direkt wieder zu Gute kommt.
Höheres Einkommen führt nicht immer zu höheren Konsumausgaben - das Sparen ist ein wichtiger Punkt. Da im Umkehrschluss aber, wie elysian bereits beschrieben hat, die Preise auch wieder steigen, steht der Arbeitnehmer noch schlechter da: ich denke da vor allem an die kalte Progression.
Durch gestiegene Preise müssen auch Transferleistungen erhöht werden: Höhere Steuern sind die Folge.

Insofern kann ein Mindestlohn nicht die Lösung aller Probleme sein. Langfristig muss die Qualität des Standorts Deutschland enorm gestärkt werden (keine Milliarden in eine sinnlose Abwrackprämie sondern in Bildung), einer sehr konstanten Wirtschaftspolitik (leider sehe ich durch Schwarz-Rot und der Wirtschaftskrise hier Defizite) und einer Preisniveaustabilisierung (unser Geldwert sinkt Jahr um Jahr...)
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Barbarossa
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Ralph hat geschrieben:...Höheres Einkommen führt nicht immer zu höheren Konsumausgaben - das Sparen ist ein wichtiger Punkt. Da im Umkehrschluss aber, wie elysian bereits beschrieben hat, die Preise auch wieder steigen, steht der Arbeitnehmer noch schlechter da: ich denke da vor allem an die kalte Progression.
Durch gestiegene Preise müssen auch Transferleistungen erhöht werden: Höhere Steuern sind die Folge.
Komisch, das sehe ich nun wieder genau umgekehrt. Die Transferleistungen sinken doch dann automatisch.
Ich versuche es euch mal genau zu erklären, wie ich das meine:

Die derzeitige Situation ist doch die:
Wer in Ostdeutschland einen normalen Beruf ausübt, bekommt meist irgend etwas zw. 5-7 Euro. Nur wenige mit einer langjährigen Berufserfahrung bekommen mehr. 5-7 Euro/Std. ergeben einen Bruttolohn von ca. 850 - 1200 Euro Brutto, was einen Nettolohn von zw. 680 - 960 Euro ergibt. Bei solchen Löhnen fallen auch noch keine oder so gut wie keine Lohnsteuern an (Stichwort kalte Progression). Während man sich als Arbeitnehmer mit ca. 950 Euro im Monat zwar sehr einschränken muß, aber sich vielleicht gerade noch so über Wasser halten kann (Sonderausgaben, wie z. B. eine Kfz-Finanzierung oder ähnliches sind dann aber trotzdem auf keinen Fall drin), sind die Arbeitnehmer mit einem noch geringeren Lohn auf eine Aufstockung durch ALG II angewiesen. Es handelt sich hierbei durchaus um Berufe, für die man einen Abschluß der 10. Klasse, sowie eine abgeschlossene (und ich glaube mindestens 3-Jährige) Berufsausbildung benötigt.

Da ich mich für einen Mindestlohn von 7,00 oder 7,50 Euro ausspreche, werden sich ohnehin nur die Löhne erhöhen, die aufstockendes ALG II nach sich ziehen.

Dies hat aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Vorteilen:

1.) Die auszuzahlenden Sozialleistungen bei ALG II sinken, da der Mindestlohn zum Leben genügt.

2.) Auf Grund der höheren Löhne steigen auch Beitrage zu den gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungen, so daß im Gegenzug sogar über eine Senkung der Beiträge (in %) nachgedacht werden kann.

3.) Vor allem aus den Mehrbeiträgen zur gesetzlichen RV steigen auch die späteren Ansprüche bei der Rente - der drohenden Altersarmut könnte so ebenfalls begegnet werden und...
4.) können die Arbeitnehmer eine zusätzliche private Altersvorsorge in Betracht ziehen, was auf Hartz IV-Niveau nicht möglich ist.

5.) Da nicht wenige Arbeitnehmer mehr Geld haben, steigt der Konsum - da bleibe ich dabei.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß man sich automatisch mehr leistet, wenn man mehr Geld hat. Nur wenige Menschen (hier im Osten) denken überhaupt ans Sparen. Auch schaut man zunehmend mehr auf die Qualität von Produkten, als auf den Preis, wenn man mehr Geld zur Verfügung hat (eigene Lebenserfahrung).

6.) Zum Argument, ein hoher Mindstlohn würde Arbeitsplätze vernichten: Ein zu hoher (!) Arbeitslohn vielleicht, nur kann ich nicht erkennen, daß 7,50 Euro/Std. zu hoch sind. Er wird ganz im Gegenteil den Konsum ankurbeln:
Man macht mehr Anschaffungen, wie Einrichtungsgegenstände für die Wohnung bzw. das eine oder andere neue Elektrogerät, geht öfter aus - z. B. in ein Restaurant oder ins Kino, kauft vielleicht früher ein neues Auto oder fährt in den Urlaub.
Darüber hinaus ist es erwiesen, daß auch die Ernährung bei Menschen, die gut verdienen, besser ist, weil man auch bei den Lebensmitteln mehr auf die Qualität als auf Quantität achtet - man kauft dann eben nicht nur die eingepackten und billigeren Wurst- und Fleischerzeugnisse und kauft dann vielleicht nicht nur die billigste Milch.
Alles Dinge, die mit 5,00 Euro/Std. nicht möglich sind.
Und außerdem benachteiligt der Mindestlohn niemanden, denn es gelten für alle Unternehmen die selben Bedingungen. Wettbewerbsverzerrungen treten im Höchstfall in den grenznahen Orten zu Polen oder der Tschechei auf, aber das gibt es auch an anderen Grenzen und ist leider nicht auszuschließen.
Ralph hat geschrieben:Insofern kann ein Mindestlohn nicht die Lösung aller Probleme sein. Langfristig muss die Qualität des Standorts Deutschland enorm gestärkt werden (keine Milliarden in eine sinnlose Abwrackprämie sondern in Bildung), einer sehr konstanten Wirtschaftspolitik (leider sehe ich durch Schwarz-Rot und der Wirtschaftskrise hier Defizite) und einer Preisniveaustabilisierung (unser Geldwert sinkt Jahr um Jahr...)
Der Geldwert sinkt so oder so. Nur bei gleichbleibend zu geringen Löhnen steigen auch zwangläufig die Sozialleistungen des Staates, was ja die öffentlichen Haushalte in erheblichem Maße belastet. Diese Einsparungen kann man dann in anderen sehr wichtigen Bereichen einsetzen - wie im Bildungsbereich, weil dann Mittel frei werden.

Mindestlöhne sind nicht die Lösung aller Probleme - die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit im Osten wird hoch bleiben - aber es könnte meines Erachtens durch einen sich erhöhenden Konsum sogar die Nachfage im Diensleistungsbereich steigen.
Denn in einem Punkt werdet ihr mir doch recht geben:
Wo es vielen Menschen finanziell gut geht, da floriert auch die Wirtschaft.
:wink:
In einer Gesellschaft in der es zwischen 15-25 % Arbeitslose gibt und darüber hinaus noch einmal soviel Arbeitnehmer (von mir geschätzt), die ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen, in einer solchen Gesellschaft leidet auch die Wirtschaft und viele Unternehmer im Dienstleistungsbereich (dem wichtigsten Wirtschaftszweig hier im Osten - nicht die Exportbranche, weshalb sich hier auch die Finanzkrise nicht bemerkbar macht) scheitern an zu geringer Nachfrage. Denn wie gesagt: Mit einem Lohn auf Hartz IV-Niveau kann man sich kaum die Wurst auf dem Brot leisten.

In einem gebe ich euch Recht: Die Preise werden natürlich steigen. Das wird in der Postbranche so sein, der Frisörbesuch wird teurer werden, die Brötchen auch, aber wenn auch ich mehr Geld habe, dann würde ja nicht nicht aufhören, zum Frisör zu gehen, und Brötchen beim Bäcker zu holen und würde mir vielleicht sogar mal etwas Wurst oder Fleisch beim Fleischer holen und nicht immer bei Lidl wie bis dato.
Übrigens würde ich auch gern einmal meinen HiFi-Turm reparieren lassen, kann es aber seit Jahren nicht, weil ich nicht mal die 100 oder 150 Euro für eine Reparatur habe. Ob das nur mir so geht... ?
:roll:

So, das soll dazu für heute genügen.

Übrigens: Ich finde diese Diskussion auch sehr interessant. Gerade hier zeigt sich, wie weit die Meinungen im Bereich Wirtschaft und seinen Mechanismen auseinander gehen können.
:wink:
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Barbarossa
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HANDWERK:
Gegen Mindestlohn
Branche warnt vor Belastungen

POTSDAM - Der Präsident der Handwerkskammer Potsdam, Bernd Ebert, hat gestern vor den Folgen gesetzlich vorgeschriebener Mindestlöhne gewarnt. Es müsse zwar jeder, der acht Stunden am Tag arbeitet, seine Grundbedürfnisse finanzieren können, aber „eine Teuerung im Lohnbereich“ würde das Handwerk belasten. Höhere Kosten könnten nicht an Kunden weitergegeben werden und schon jetzt gingen die Gewinne gegen Null, sagte Ebert auf dem Parlamentarischen Abend des Brandenburger Handwerks mit Vertretern der Landespolitik in Potsdam.

Die fast 40 000 märkischen Handwerksbetriebe würden Ebert zufolge Leistungen im Wert von 6,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Das ginge nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... DWERK.html

Warum die Handwerksunternehmen eine eventuelle Preissteigerung durch die Mindestlöhne nicht an die Kunden weiter geben kann, erschließt sich mir nicht. Natürlich müssen die Unternehmen ihre Preise so gestalten, daß sie kostendeckend (+einem Gewinn für investitionen) arbeiten können. Aber ich bleibe dabei: Ein Mindestlohn benachteiligt kein Unternehmen, da für alle die gleichen Bedingungen herrschen. "Benachteilgt" sind lediglich Unternehmen, die sich nur über Wasser halten können, indem sie ihren Arbeitern Dompinglöhne zahlen, von denen kein Mensch leben kann.
Eine solche Lohnpolitik führt meiner Meinung nach aber über kurz oder lang die ganze Gesellschaft in die Armut.
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elysian
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Ein Mindestlohn belastet Unternehmen, die in einen bestehenden Markt eintreten und noch nicht über vergleichbare Strukturen und einen entsprechenden Kundenstamm verfügen. Etablierte Unternehmen werden hierdurch vor Konkurrenz und Wettbewerb allgemein und insbesondere durch kleinere Unternehmen geschützt.
Da ich mich für einen Mindestlohn von 7,00 oder 7,50 Euro ausspreche, werden sich ohnehin nur die Löhne erhöhen, die aufstockendes ALG II nach sich ziehen.

Dies hat aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Vorteilen:

1.) Die auszuzahlenden Sozialleistungen bei ALG II sinken, da der Mindestlohn zum Leben genügt.
nur unter der Voraussetzung, dass die Beschäftigung gleich bleibt; andernfalls bleibt sie gleich oder steigt

2.) Auf Grund der höheren Löhne steigen auch Beitrage zu den gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungen, so daß im Gegenzug sogar über eine Senkung der Beiträge (in %) nachgedacht werden kann.
die Beiträge werden von denen erbracht, die arbeiten; somit besteht dasselbe Problem wie unter 1.

3.) Vor allem aus den Mehrbeiträgen zur gesetzlichen RV steigen auch die späteren Ansprüche bei der Rente - der drohenden Altersarmut könnte so ebenfalls begegnet werden und...
nun, hiergegen spricht einerseits, dass unser Rentensystem aufgeschobene Belastungen vor sich herschiebt, sodass im besten Fall das kommende Elend gelindert würde; realistischer ist jedoch, dass hier ein Mindestlohn nur für die Beschäftigten Wirkung entfaltet; wer seine Beschäftigung infolge des Mindestlohns verliert, schaut in die Röhre; für diese Gruppe wird das Problem größer

4.) können die Arbeitnehmer eine zusätzliche private Altersvorsorge in Betracht ziehen, was auf Hartz IV-Niveau nicht möglich ist.
die Arbeitnehmer teilweise ja.....

5.) Da nicht wenige Arbeitnehmer mehr Geld haben, steigt der Konsum - da bleibe ich dabei.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß man sich automatisch mehr leistet, wenn man mehr Geld hat. Nur wenige Menschen (hier im Osten) denken überhaupt ans Sparen. Auch schaut man zunehmend mehr auf die Qualität von Produkten, als auf den Preis, wenn man mehr Geld zur Verfügung hat (eigene Lebenserfahrung).
dann solltest Du Dir noch einmal vergegenwärtigen, wohin die Taler nach Deinen eigenen Aussagen überall hingehen sollen; zudem lässt Du mögliche Preissteigerungen außer Betracht, die jene Erhöhung wieder auffressen; ich darf erneut auf die historische Erfahrung der 70er Jahre verweisen

6.) Zum Argument, ein hoher Mindstlohn würde Arbeitsplätze vernichten: Ein zu hoher (!) Arbeitslohn vielleicht, nur kann ich nicht erkennen, daß 7,50 Euro/Std. zu hoch sind. Er wird ganz im Gegenteil den Konsum ankurbeln:
Man macht mehr Anschaffungen, wie Einrichtungsgegenstände für die Wohnung bzw. das eine oder andere neue Elektrogerät, geht öfter aus - z. B. in ein Restaurant oder ins Kino, kauft vielleicht früher ein neues Auto oder fährt in den Urlaub.
Darüber hinaus ist es erwiesen, daß auch die Ernährung bei Menschen, die gut verdienen, besser ist, weil man auch bei den Lebensmitteln mehr auf die Qualität als auf Quantität achtet - man kauft dann eben nicht nur die eingepackten und billigeren Wurst- und Fleischerzeugnisse und kauft dann vielleicht nicht nur die billigste Milch.
Alles Dinge, die mit 5,00 Euro/Std. nicht möglich sind.
Wir sind uns doch einig, dass ein Mindestlohn dort nicht erforderlich ist, wo der Lohn hoch genug ist; der undifferenzierte allgemeine Mindestlohn kann hier übrigens auch lohnsenkend wirken, aber das nur nebenbei; jedenfalls ist der Mindestlohn nur für Branchen interessant, in denen die Löhne niedrig sind; Ralph hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es für die geringe Höhe der Löhne gute Gründe gibt; letztlich Gründe, die im Falle der Einführung eines Mindestlohnes i.H.v. ca. 7€ zu Entlassungen und Schließungen führen werden; was die einen dann mehr konsumieren, falls sie das Geld nicht sparen oder dieses nicht bereits für die anderen von Dir genannten Bereiche draufgeht, konsumieren die anderen dann weniger und es ist nichts gewonnen.
Was die Ernährung anbelangt, so muss ich Dir leider vorhalten, dass die Debatte um Hartz4 gezeigt hat, dass man mit vergleichsweise wenig Geld durchaus eine gesunde Ernährung bewerkstelligen kann, die betroffenen Menschen aber allzu oft zu schlechteren Produkten greifen (ibs. Burger, Pommes, Bistro-Baguetts, usw. aus dem Tiefkühlfach, statt selbst zu kochen), die obendrein mehr Geld kosten! Eine Verbesserung in diesem Verhalten ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten.
Und außerdem benachteiligt der Mindestlohn niemanden, denn es gelten für alle Unternehmen die selben Bedingungen. Wettbewerbsverzerrungen treten im Höchstfall in den grenznahen Orten zu Polen oder der Tschechei auf, aber das gibt es auch an anderen Grenzen und ist leider nicht auszuschließen.
s.o.
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SOZIALES:
Mindestlohn für Müllfahrer gefordert
Tarifparteien einigen sich auf 8,02 Euro

OBERHAVEL - Eine Mindestlohnregelung in der Abfall- und Entsorgungswirtschaft rückt in greifbare Nähe, teilte die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Krüger-Leißner gestern in einer Erklärung mit. Die Arbeitgeber und die Gewerkschaft hätten sich auf eine Regelung verständigt und vereinbarten einen Mindestlohn von 8,02 Euro. Auch die Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) habe die Notwendigkeit der Lohnuntergrenze anerkannt. Jetzt stelle sich aber der Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mit seinem Veto quer. Krüger-Leißner fordert nun den Bundeswirtschaftsminister auf, seine Blockade-Haltung beim Branchen-Mindestlohn aufzugeben. Er missachte damit nicht nur das Votum der Tarifparteien, sondern fördere auch den Dumpingwettbewerb zu Lasten der Arbeitnehmer. „Es kann nicht sein, dass das Hotelgewerbe Steuergeschenke bekommt und in der Abfall- und Entsorgungsbranche die Menschen für einen Hungerlohn schuften müssen. Wer arbeitet, muss auch davon leben können. Mit 8,02 Euro sind wir ja schon an der Untergrenze“, so Angelika Krüger-Leißner. (MAZ)
Quelle: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... ahrer.html
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Niedriglohn
Post-Mindestlohn ist gekippt

Die privaten Post-Konkurrenten können aufatmen: Das Bundesverwaltungsgericht hat ihnen Recht gegeben und den Mindestlohn der Deutschen Post für rechtswidrig erklärt...
weiter lesen: http://www.zeit.de/wirtschaft/2010-01/p ... ohn-urteil
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elysian hat geschrieben:...Was die Ernährung anbelangt, so muss ich Dir leider vorhalten, dass die Debatte um Hartz4 gezeigt hat, dass man mit vergleichsweise wenig Geld durchaus eine gesunde Ernährung bewerkstelligen kann, die betroffenen Menschen aber allzu oft zu schlechteren Produkten greifen (ibs. Burger, Pommes, Bistro-Baguetts, usw. aus dem Tiefkühlfach, statt selbst zu kochen), die obendrein mehr Geld kosten! Eine Verbesserung in diesem Verhalten ist daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten.
Da muß ich ganz ehrlich sagen, daß mir die aufgeführten "Gerichte" noch zu teuer wären.
Ich habe in den letzten 2 Jahren ja auch Bekanntschaft mit Hartz IV schließen müssen, in dem ich mein Einkommen als Selbständiger (für ein privates Postunternehmen in Brandenburg[!] und in der Nacht zusätzlich noch Zeitungen womit ich damit auf eine Wochenarbeitszeit von mind. 50 Stunden bei einer 6-Tage-Woche kam, wobei das Einkommen daraus aber trotzdem bei Weitem nicht zum Leben reichte :( ) mit dieser Sozialleistung aufstocken mußte. Ich kann also wirklich "ein Lied davon singen". :wink:

Weißt du, was ich gemacht habe, um die Kosten für das Essen so weit wie möglich zu senken?
Ich habe z. B. eine Konservendose mit Chilibohnen genommen und dazu 2 Tüten Reis gekocht und habe so zwei Tage davon gegessen.
Oder eben andere Essen aus der Dose, aber bitte unter einem Euro!
Auch an andere Anschaffungen für den Hauhalt oder irgendwelche Reparaturen defekter Geräte oder Pkw ist so überhaupt nicht zu denken. Auf Hartz IV-Niveau leben zu müssen ist ein "hartes Brot" - das weiß ich nun aus eigener Erfahrung. Wenn man es positiv zu sehen versucht, dann könnte man aber auch sagen, daß ich hier seit 2 Jahren "die harte Schule des Lebens" in einem Selbstversuch absolviere. Daß es nicht wenige Menschen gibt, die trotz Vollzeit-Beschäftigung ganz ähnlich leben müssen ist aus meiner Sicht einfach nicht akzeptabel. Siehe dazu auch diesen Pfad: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 4742#p4742
Auch der auf Konsum angewiesenen Wirtschaft kommt das dann natürlich nicht zu Gute. Ich sehe hier neben dem sozialen Aspekt tatsächlich auch für die Konjunktur eine Spirale nach unten:
Gibt man ganze Branchen der Verarmung preis, sind die in diesen Branchen Beschäftigten für den Konsum verloren. Dadurch sackt auch die Konjunktur langsam immer weiter nach unten ab, Firmen, Läden usw. haben durch sinkende Kundschaft immer größere Umsatzprobleme.
Nicht vergessen darf man dabei, daß diese Sozialleistung über Steuern finanziert werden muß. Das belastet dann zusätzlich die Steuerzahler, also zumeist sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer.
Durch einen Mindestlohn, der oberhalb von Hartz IV liegt und somit den Bürgern ein menschenwürdigeres Leben (und nicht nur ein "gerade so Überleben") ermöglicht, hätte mMn. langfristig auch für die Wirtschaft einen positiven Effekt.

Ich versuche mich jetzt jedenfalls mit meinem zweiten Gewerbe als privater Arbeitsvermittler von Hartz IV wieder weg zu kommen, denn als Zusteller in einem privaten Postunternehmen gelingt das offensichtlich nicht. :wink:
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elysian
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Ich wünsche Dir bei Deinem Unterfangen natürlich viel Erfolg.
Ich habe aber nirgends behauptet, mit Hartz4 zu leben, sei einfach. Allerdings ist es hinsichtlich der Ernährung auch nicht unmöglich oder äußerst schwierig. Nur nicht gerade lecker. Das muss gesundes und hinreichendes Essen aber auch nicht sein. Unabhängig davon nutzen auch Nicht-Hartz4ler die Möglichkeit, mittels Eintopf kostengünstig lang über die Runden zu kommen. ;)
Ich stimme Dir zu, dass ein bestimmtes Maß an Einkommen in einer Volkswirtschaft in der Breite notwendig ist.
Allerdings befanden wir uns sehr lange auf einem sehr hohen Niveau und befinden uns immer noch auf einem nicht geringen. Da unsere Wirtschaft vor allem auf den Export ausgerichtet ist, führt jede übertriebene Lohnsteigerungspolitik letztlich zu Verlagerungen oder Rationalisierungen. Man muss sich insoweit nur einmal die katastrophalen Folgen dieser Lohnpolitik in den 70er Jahren anschauen. Es gibt infolgedessen heutzutage kaum noch Arbeitsplätze für Personen mit geringer Qualifikation!
Hinsichtlich der Belastung für die Steuerzahler beißt sich bei einem starren Mindestlohn (flexible, branchenbezogene Mindestlöhne haben wir de facto bereits durch die Tarifverträge, die jedenfalls sehr weitgehende Geltung haben) die Katze in den Schwanz. Wer mehr bekommt, wird runter gedrückt werden, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und kann dann weniger Steuern/Abgaben zahlen. Wer drunter ist, bekommt vielleicht mehr. Oder verliert seinen Arbeitsplatz ganz, wenn die Leistung nicht nachgefragt wird, bzw. eine Rationalisierung dann erst recht günstiger ist. Auch hier mit den genannten Folgen. Die Konjunktur wird dadurch keinesfalls angekurbelt.
sic transit gloria mundi
elysian
Mitglied
Beiträge: 854
Registriert: 09.07.2008, 23:38

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/pos ... hn102.html
Beim Zustandekommen der Verordnung über den Mindestlohn habe das Bundesarbeitsministerium gravierende Verfahrensfehler begangen, urteilte der 8. Senat. Das Ministerium habe die Beteiligungsrechte der Kläger verletzt, indem es ihnen nicht die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben hatte.
Die Zukunft des Postmindestlohnes ist demnach ungewiss.
sic transit gloria mundi
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