17. 7. 2008: Bundesregierung beschließt erstmals Mindestlohn

Arbeits und Lehrstellenmarkt, Arbeits- und Sozialrecht, Rente

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Folgenden Vorschlag hätte ich zum Thema Mindestlohn und hätte gern gewusst, was ihr davon haltet:

Ich weiß nicht (aber ich hoffe), ob wir uns darüber einig sind, dass jeder Berufstätige bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden von seinem Netto-Lohn leben können muß.
Jedes Jahr wird ohnehin von mehreren Instituten das Existenz-Minimum festgestellt. Dieses Existenz-Minimum kann man leicht in einen Stundenlohn umrechnen, den ein Arbeitnehmer verdienen muß, um davon leben zu können.

:?: Wie wäre es, wenn man alle Unternehmen z. B. über die IHK bzw. Handwerkskammer usw. verpflichtet, diesen errechneten Mindestlohn als unterste Lohngruppe ihren Beschäftigten zu zahlen?
Dieser Mindestlohn würde sich dann automatisch jedes Jahr dem Existenz-Minimum anpassen.
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elysian
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Hier gibt es einige Probleme:

Das Existenzminimum liegt im Moment bei etwa 7000€.
Ein Empfänger von Hartz IV bekommt 12x 350€. Darüber hinaus sichert ihn der Staat für den Krankheitsfall ab, zahlt in die Rentenversicherung ein, beteiligt sich an den Wohn- und Heizkosten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Existenzminimum bietet eine kleine Auflistung.

Ein Mindestlohn am Existenzminimum würde den Unterschied zwischen einem Arbeitslosen und einen Arbeitnehmer zumindest einebnen und damit wenigstens den Anreiz zur Arbeitsaufnahme absenken.
Mehr noch, rechnen wir das mal durch:
7000€ für 12 Monate sind 583,33€ im Monat, 145,83€ in der Woche, 3,56€ in der Stunde.
Ich glaube nicht, dass irgendjemandem mit einem solchen Mindestlohn wirklich geholfen wäre.
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Barbarossa
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Hoffnung für PIN

Holtzbrinck kauft große Teile von Postdienstleister Pin

Köln (AFP) — Der Stuttgarter Holtzbrinck-Verlag kauft große Teile des
insolventen Postdienstleisters Pin. Der einstige
Pin-Minderheitsaktionär werde damit auf einen Schlag
wichtigster Konkurrent der Deutschen Post im Großraum
Berlin, den neuen Ländern, in Unterfranken und im Raum
Freiburg, teilte Pin-Insolvenzverwalter Bruno Kübler in
Köln mit. Holtzbrinck sei ein "starker Investor mit
langem Atem", erklärte Kübler. Rund 2500
Pin-Beschäftigte hätten nun wieder eine "Erfolg versprechende Zukunftsperspektive". Den Kaufpreis nannte Kübler nicht. Der Verkauf muss noch vom Kartellamt genehmigt werden.
hier weiter lesen: http://pin.blogg.de/index.php?cat=PIN+Mail
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elysian
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http://www.finanznachrichten.de/nachric ... pt-009.htm

Sieht so aus, als hätte die Regierung mal wieder ein Gesetz erlassen, das sie so nicht hätte erlassen dürfen.
Das wievielte Gesetz der Großen Koalition trägt nun diesen Makel?
Und das wievielte Gesetz ist es, an dem die SPD seit 1998 Anteil hatte?
sic transit gloria mundi
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Barbarossa
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elysian hat geschrieben:http://www.finanznachrichten.de/nachric ... pt-009.htm

Sieht so aus, als hätte die Regierung mal wieder ein Gesetz erlassen, das sie so nicht hätte erlassen dürfen.
Das wievielte Gesetz der Großen Koalition trägt nun diesen Makel?
Und das wievielte Gesetz ist es, an dem die SPD seit 1998 Anteil hatte?
Also ich hab schon lange aufgehört zu zählen...
:evil:
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Seewolf
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elysian hat geschrieben:Hier gibt es einige Probleme:

Das Existenzminimum liegt im Moment bei etwa 7000€.
Ein Empfänger von Hartz IV bekommt 12x 350€. Darüber hinaus sichert ihn der Staat für den Krankheitsfall ab, zahlt in die Rentenversicherung ein, beteiligt sich an den Wohn- und Heizkosten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Existenzminimum bietet eine kleine Auflistung.

Ein Mindestlohn am Existenzminimum würde den Unterschied zwischen einem Arbeitslosen und einen Arbeitnehmer zumindest einebnen und damit wenigstens den Anreiz zur Arbeitsaufnahme absenken.
Mehr noch, rechnen wir das mal durch:
7000€ für 12 Monate sind 583,33€ im Monat, 145,83€ in der Woche, 3,56€ in der Stunde.
Ich glaube nicht, dass irgendjemandem mit einem solchen Mindestlohn wirklich geholfen wäre.




Stimmt , und darum müssen Stundenlöhne her von 8,oo Euro damit wieder Anreiz zum arbeitengehen geschaffen werden und die Leute aus der Harz 4 Falle herauskommen. Nur die meisten AG sind zu Geldgierig und wollen dies löhne nicht zahlen obwohl sie das könnten. Aber man sagt sich lieber , warum soll ich zahlen wenn Vater Staat auch den "Aufstockenden Lohn" zahlen kann. Hauptsache man wird auf dem Rücken des AN immer reicher !
elysian
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1. In den Aktiengesellschaften selbst sind m.W.n. in etwa 5% aller deutschen Arbeitnehmer beschäftigt.

2. Innerhalb dieser Aktiengesellschaften gibt es höhere und niedrigere Löhne.

3. Nicht jede Arbeitsstelle ist so produktiv, dass man hierfür 8 Euro Stundenlohn bezahlen kann, ohne den Laden bald darauf dichtmachen zu müssen.

4. Der Arbeitnehmer wäre ohne den Arbeitgeber, der die Arbeitsstelle für weniger als 8 Euro anbietet, kein Arbeitnehmer, sondern oft ein Arbeitsloser.

5. Gewinn zu generieren und zu maximieren ist nicht a priori verwerflich. Es kommt allerdings darauf an, dass die Gelder wieder investiert werden.
Auf diese Weise entwickelt eine Volkswirtschaft nach allen Erfahrungen auch die größte Dynamik.

6. Harz 4 und die anderen Reformen haben Schwachpunkte, aber auch positive Effekte in den letzten Jahren gezeitigt. Hier nur von einer Falle zu reden, verkürzt die Thematik.
Auch würde ein Stundenlohn von 8 Euro nicht helfen, wenn daraufhin nicht entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügunug stünden. Das erscheint kein erfolgversprechendes Mittel.

7. Was den Kombilohn angeht, so ist dieser Vorschlag zwar problematisch, bietet aber für Geringqualifizierte wenigstens prinzipiell eine Möglichkeit, überhaupt an eine Tätigkeit zu gelangen, statt hoffnungslos Transferbürger zu bleiben.
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Polit-Onkel
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elysian hat geschrieben:http://www.finanznachrichten.de/nachric ... pt-009.htm

Sieht so aus, als hätte die Regierung mal wieder ein Gesetz erlassen, das sie so nicht hätte erlassen dürfen.
Das wievielte Gesetz der Großen Koalition trägt nun diesen Makel?
Und das wievielte Gesetz ist es, an dem die SPD seit 1998 Anteil hatte?
Die erste Instanz kippte bereits im März 2008 den Post-Mindestlohn.
(meine Anmerkung deshalb, weil hier übers Jahr 2008 über Post-Mindestlohn diskutiert wurde)
Aber auch die "Unternehmer-Postgewerkschaft" :D GNZB, die ver.di unterboten hatte, steht nicht besser da:
http://www.rechtslupe.de/arbeitsrecht/g ... gnzb-39417
Polit-Onkel
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Barbarossa hat geschrieben: Dieser Mindestlohn würde sich dann automatisch jedes Jahr dem Existenz-Minimum anpassen.
Das wäre dann so wie mit der jährlichen Rentenanpassung. :lol:
Titus_Livius
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Ein Mindestlohn klingt gut, muß aber in der Praxis scheitern. Warum? Weil es einen Grund hat, warum es Gewerbebereiche gibt, die einen so niedrigen Lohn zahlen. Angebot- Nachfrage Prinzip.
Steigt der Lohn in diesen schon jetzt wenig vergüteten Bereichen, müssen zusätzliche Kosten umgelegt werden, die das Endprodukt weiter verteuern, was wiederum weniger Nachfrage bedeutet. Im Umkehrschluß wird folgendes passieren, um den Gewerbebetrieb weiter am Leben zu erhalten, wenn Nachfrage aufgrund eines hohen Mindestlohnes wegbricht:
Möglichkeit 1: Der Bewerber beim Bewerbungsgespräch bekommt gleich mitgeteilt: 30 Stunden Arbeitsvertrag, mind. 10 unbezahlte Überstunden pro Woche sind grundsätzlich einzuplanen
Möglichkeit 2: Der AG wird gezwungen, den Arbeitnehmer teilweise oder voll unter der Hand, also Sozialabgabenfrei zu entlohnen (Schwarzarbeit)
Möglichkeit 3: Der Mindestlohn wird so niedrig angesetzt, daß man auch keinen einzuführen braucht.

Fazit: Der Mindestlohn ist Augenwischerei pur, da nachfragestarke Gewerbe sowieso schon über diesem entlohnen und die Betriebe, die darunter zahlen, dies in der Regel aufgrund des Wettbewerbs nicht können.
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Barbarossa
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Hm, aber abgesehen von den illegalen Machenschaften denke ich nicht, daß die Umsätze in den meisten Branchen zurück gehen würden. In Branchen, wie die Friseure ganz sicher nicht (die Leute werden deswegen sicher nicht weniger zum Friseur gehen) und wenn es einen flächendeckenden Mindestlohn geben würde, dann gäbe es auch keine Verschiebungen, auch wenn die Preise dann überall steigen.
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Titus_Livius
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Einfache Frage: Heute kostet das Kilo Brot rund 2 € beim Bäcker. Mit Midnestlohn wären wir, sagen wir bei 4 €. Die Leute rennen also umso mehr in den Supermarkt.
Handwerker: Baumärkte werden vom "Selbermachen" profitieren, da die Leute noch weniger bereit sein werden, Handwerkerleistungen zu bezahlen.
Wachgewerbe: Auch hier werden höhere Arbeitskosten umgelegt werden. usw.

Dazu kommen dann noch die Sozialabgaben auf den zu zahlenden Lohn. Bei 8 € macht das allein nochmal rund ein Viertel dazu.
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Barbarossa
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Titus_Livius hat geschrieben:Einfache Frage: Heute kostet das Kilo Brot rund 2 € beim Bäcker. Mit Midnestlohn wären wir, sagen wir bei 4 €. Die Leute rennen also umso mehr in den Supermarkt.
Handwerker: Baumärkte werden vom "Selbermachen" profitieren, da die Leute noch weniger bereit sein werden, Handwerkerleistungen zu bezahlen.
Wachgewerbe: Auch hier werden höhere Arbeitskosten umgelegt werden. usw.

Dazu kommen dann noch die Sozialabgaben auf den zu zahlenden Lohn. Bei 8 € macht das allein nochmal rund ein Viertel dazu.
Tja - das ist eben die Frage, um die es geht, glaube ich. Und man kann das beliebig erweitern, siehe der Milchpreis und die Existenz der Milchbauern. Allerdings gibt es auch viele Äußerungen von Leuten, die dann gern einen höheren Preis bezahlen würden, wenn sie sicher wären, daß der Mehrpreis auch da ankommt, wo er ankommen soll.
Andererseits gibt es aber auch viele Leute, die sich höhere Preise nicht leisten können, was wiederum z. T. auch an ihrem Billiglohn oder sogar Arbeitslosigkeit liegt, womit sich der Kreislauf des Geldes schließt.
Wer selbst mehr verdient, kann sich höhere Preise leisten und kann somit Lohnsteigerungen auch in anderen Branchen mitfinanzieren.
Solange die derzeitige Krise andauert, wird das jedoch eine Theorie bleiben...
:(
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Titus_Livius
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Das mit den freiwillig mehr bezahlen ist für die meisten Menschen ein Witz.
Ein Beispiel: Bei Produkten mit dem Fairtrade- Zeichen stieg in 2008 der Umsatz zwar um 50% auf 213 Millionen €, aber allein die Lebensmittelhändler der EDEKA, REWE, Lidl & Schwarz Gruppe, Globus, die 2 Aldis, Tengelmann und Metro setzten rund 255 Milliarden Euro im Jahr um.

Da relativieren sich Äußerungen und zeigen tatsächliches Handeln.

Im Endeffekt kommt man um die bittere Wahrheit wohl nicht drumherum. Der Mensch ist dem Markt unterworfen und soviel er versuchen wird, das zu ändern, so kann er die Auswirkungen des Marktes nur auf eine gewisse Zeitebene strecken, wobei diese Streckung wiederum Auswirkungen auf den Markt hat. Eien Art Kreislauf, die er nicht durchbrechen kann.
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Barbarossa
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Titus_Livius hat geschrieben:Das mit den freiwillig mehr bezahlen ist für die meisten Menschen ein Witz.
Ein Beispiel: Bei Produkten mit dem Fairtrade- Zeichen stieg in 2008 der Umsatz zwar um 50% auf 213 Millionen €, aber allein die Lebensmittelhändler der EDEKA, REWE, Lidl & Schwarz Gruppe, Globus, die 2 Aldis, Tengelmann und Metro setzten rund 255 Milliarden Euro im Jahr um.

Da relativieren sich Äußerungen und zeigen tatsächliches Handeln...
Das sehe ich eigentlich auch so.

Titus_Livius hat geschrieben:Im Endeffekt kommt man um die bittere Wahrheit wohl nicht drumherum. Der Mensch ist dem Markt unterworfen und soviel er versuchen wird, das zu ändern, so kann er die Auswirkungen des Marktes nur auf eine gewisse Zeitebene strecken, wobei diese Streckung wiederum Auswirkungen auf den Markt hat. Eien Art Kreislauf, die er nicht durchbrechen kann.
Das ist richtig. Allerdings kann (oder muß?) eben die Politik über die Einführung von Mindestlöhnen gegensteuern. Und so haben auch wir als "Wahlvolk" es in der Hand, mitzuentscheiden, ob wir eine Gesellschaft wollen, in denen nur Bürger mit Abi- und Studiumsabschluß dann auch Berufe ergreifen können, von denen man einigermaßen leben kann, während die übrigen (immerhin 2/3 der Bevölkerung) entweder zwar Arbeit haben, den Lohn aber trotzdem noch mit Hartz IV aufstocken müssen oder aber gleich ganz arbeitslos sind. Letzteres muß aber dann über Steuereinnahmen auch finanziert werden.
Wenn wir das nicht wollen, dann werden wir um den Mindestlohn für alle Nichtabi-Berufe nicht herumkommen und im Osten Deutschlands sind die Auswüchse im Niedriglohnbereich besonders groß.
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