Geschichte der weltweit errichteten Konzentrationslager

Kolonialismus, Afrika, China, Wettlauf um die Welt, Indien, Englisches Weltreich

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Dieser Pfad soll die Geschichte der weltweit errichteten Konzentrationslager behandeln. Anlass dafür ist der in "Die Zeit" erschienene Artikel:
Holocaust-Studie
Mehr als 40.000 Nazi-Zwangslager in Europa

Bisher war bekannt, dass die Nazis im Dritten Reich etwa 7.000 Lager und Ghettos errichtet hatten. Eine amerikanische Studie zeigt nun ganz neue Dimensionen auf.
(...)
Laut einem Bericht der New York Times haben die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs 42.500 Zwangsarbeits- und Gefangenenlager, Konzentrationslager und Ghettos in Europa errichtet...
hier: weiterlesen

Die Konzentrationslager waren jedoch selbst vom Namen her keine Erfindung der Nazis:
Die eigentliche Geschichte des Begriffes Konzentrationslager beginnt im kubanischen Unabhängigkeitskampf gegen Spanien 1868–1898, als der spanische General Valmaseda und später, 1896, in weitaus größerem Umfang General Valeriano Weyler y Nicolau anordneten, dass sich diejenigen Einwohner, die nicht als Aufständische behandelt werden wollen, in befestigten Lagern aufhalten müssen, den sog. campos de reconcentración. Dabei handelte es sich ausdrücklich um Zivilisten: „Greise, Frauen und Kinder“...
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In der Sowjetunion werden diese Lager oft als "Gulag" – auch GULag - bezeichnet:
Gulag:
(...)
Sie dienten der Unterdrückung politischer Gegner, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit und der Internierung von Kriegsgefangenen. Das Lagersystem stellte ein wesentliches Element der stalinschen Herrschaft dar.
(...)
Die durchschnittliche jährliche Sterberate im Lagersystem wurde in der Forschung jahrzehntelang debattiert. Sie ist bisher nicht abschließend ermittelt. Verschiedene Forscher kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. So reichen die Schätzungen von 2,5 bis 30 %, schreibt Gunnar Heinsohn. Für die Lager Kolyma und Workuta gibt es noch höhere Schätzungen. Dort sollen bis zu 50 % der Häftlinge umgekommen sein. Rummel, der frühere Zahlen nach unten korrigierte, rechnet für die gesamte sowjetische Ära von 1918 bis 1991 mit 39 Millionen Gulag-Toten...
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dieter
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Lieber Barbarossa,
wie ist es mit den Konzentrationslagern, welche die Briten in Südafrika für die Buren eingerichtet hatten :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Barbarossa
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dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
wie ist es mit den Konzentrationslagern, welche die Briten in Südafrika für die Buren eingerichtet hatten :?:
Zur Geschichte der Konzentrationslager mußt du auf den zweiten Link klicken. Der fürhrt dich auf einen Wikipedia-Artikel, wo auch deine Frage beantwortet wird:
Der Begriff „concentration camp“ (Konzentrationslager) wurde danach vom Militär Großbritanniens benutzt, um die im zweiten Burenkrieg (1899–1902) angelegten Lager zu beschreiben. Frauen und Kinder der Buren sowie Afrikaner, die im Burengebiet lebten, wurden in Lagern in Südafrika zusammengetrieben. Obwohl diese Lager keine speziellen Vernichtungslager waren, bedingten die schlechte Ernährung sowie die schlechten hygienischen Verhältnisse eine hohe Sterblichkeitsrate. Hier starben etwa 26.000 Frauen und Kinder.
hier: Quelle
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dieter
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Danke, lieber Barbarossa für diese Information. :)
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Orianne
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Die Lager in der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges sind zum Teil düstere Kapitel in der Geschichte:

Hier ein Link dazu:

http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8704.php

Ein wertvoller Link wie ich finde:

http://www.katriburri.ch/cms/upload/pdf ... II_Web.pdf


Das Concentrationslager Büren, 1940-1946

Schon bald nach der Internierung des 45. französischen Armeekorps im Juni 1940 zeichnete sich ab, dass die polnischen Internierten längere Zeit in der Schweiz bleiben würden. Anfang Juli beauftragte das EMD den Chef des Generalstabes, ein Lager für 6000 Mann zu errichten. Als Standort wurde das Häftli in der Nähe des Städtchens Büren an der Aare bestimmt.



Die Wahl des Begriffs "Concentrationslager" orientierte sich vermutlich am "Modell" der deutschen Konzentrationslager. Obwohl Berichte wie Wolfgang Langhoffs Werk "Die Moorsoldaten" auch in der Schweiz über die grausamen Haftbedingungen informiert hatten, verstanden die Planer unter einem Konzentrationslager ein normales Gefangenen- und Arbeitslager. Weil die Internierten gemäss den völkerrechtlichen Bestimmungen nicht nur versorgt, sondern auch bewacht und an der Flucht gehindert werden mussten, entwarf Oberst Rothpletz ein gefängnisähnliches Konzept. Neben dem Interniertenlager umfasste es ein "Schweizer Lager" mit Kommandantur, Lagerbüro, Materialmagazinen und Unterkünften für das Bewachungs- und Betreuungspersonal. Ein Stacheldrahtzaun um das Lager wurde als ausreichend befunden, um die Internierten an der Flucht zu hindern.

Für die Wahl des Standorts "Häftli" sprachen mehrere Gründe: Die Internierten sollten ursprünglich bei der Korrektion des grossen Aarebogens bei Leuzigen eingesetzt werden, um ein weiteres Abbröckeln von Kulturland zu verhindern. Weil der Kanton Solothurn das diesbezügliche Vorhaben nicht weiter verfolgte, wurde diese Idee jedoch wieder fallen gelassen. Die Behörden sahen es zudem als vorteilhaft an, dass der Weg zwischen den Städtchen Büren und dem Lager - und damit der Kontakt zwischen den Internierten und der Bevölkerung - gut kontrollierbar war.

Die Bauzeit dauerte nur wenige Monate. Als das Lager im Herbst 1940 in Betrieb genommen wurde, waren die Verantwortlichen stolz darauf, in so kurzer Zeit ein Barackendorf für 6000 Personen erstellt zu haben. Noch rechnete kaum jemand damit, dass das Bürener Lagerkonzept scheitern könnte.

Schwierige Bedingungen für die zivilen Flüchtlinge

Im Spätherbst 1942 wurden hunderte von jüdischen Flüchtlingen im "Concentrationslager" Büren an der Aare untergebracht. Aus verschiedenen Gründen gerieten diese Flüchtlinge in eine besonders schwierige Situation. Denn erstens wurde das Lager weiterhin militärisch geführt - den zivilen Flüchtlingen wurde militärische Disziplin abverlangt, und man bewachte sie wie Internierte. Zweitens war das Lager nicht für Zivilisten eingerichtet, ausserdem war es inzwischen renovationsbedürftig. Drittens fehlte es der Lagerleitung, zum Beispiel dem Kommandanten Lindt, an Kompetenz.

Betroffene erinnerten sich:

Der Flüchtling Max Brusto wies darauf hin, dass die Ernährungsituation zwar vielerorts schlecht gewesen sei, besonders prekär aber im Auffanglager Büren: "Man hat es nie wahrhaben wollen, dass die Flüchtlinge in den Auffanglagern gehungert haben. Sie haben gehungert. Noch im Sommer 1944, nach der Invasion Frankreichs, schrieben die Flüchtlinge aus den sogenannten Quarantänelagern, wie man unsere Lager umgetauft hat, dass man ihnen nicht genügend zu essen gebe. Diese Briefe trugen sogar den Stempel der Militärzensur. So gelitten hatten sie, dass sie sich nicht scheuten, trotz Zensur, es offen zu schreiben. Und noch nach dem Ende-Feuer richteten Insassen eines Auffanglagers einen offenen Brief an alle Instanzen, dass ihre Verpflegung katastrophal sei. Und wer erinnert sich nicht an das unglücksseligste aller Auffanglager, nämlich Büren, dessen Insassen nicht einmal genügend Kartoffeln erhielten, so dass sie des Nachts auf die Felder schlichen, um Kartoffeln und Rüben zu stehlen? Als Büren aufgelöst und die Insassen in ein anderes Lager versetzt wurden, brachten sie in ihren Koffern Kartoffeln mit, weil sie glaubten, es sei in diesem Lager mit der Ernährung genau so bestellt."

Der Flüchtling Harry Herz bestätigte die zeitweise äusserst prekäre Lage im Interniertenlager Büren: "Oft wurden Lebensmittelzuteilungen, die eigentlich für die Lagerinsassen bestimmt waren, an Tiere verfüttert."

Auch Berty Friesländer erinnerte sich: "Es gab immer weniger und weniger Essen. Haben wir uns darüber beschwert, hat der Fourier gesagt: 'Wenn es euch nicht passt, könnt ihr alle dahin zurück, woher ihr gekommen seid.' Sie können sich denken, wie mundtot wir wurden. Zudem hatten wir jeden Morgen, zu früher Stunde, auch in der Kälte, vor der Schlafbaracke Appell zu stehen, und wehe, jemand kam zu spät. Oft wateten wir in knietiefem Dreck. In Anlehnung an den vergleichbaren Morast im Lager Gurs sprachen wir dann in Büren von "Bürs".


Verständnis und Solidarität mit den Flüchtlingen

Die Ausführungen der Flüchtlinge wurden von Schweizer Zeitzeugen bestätigt. Pfarrer Müller berichtete: "Ich sah mir das Lager an und entsetzte mich über die Konzentrationslagerkopie. Die mit geschwellten Kartoffeln einseitig gefütterten Insassen hatten es des nachts alle mit dem Wasser zu tun. Beim ersten Schritt aus der Baracke standen sie im tiefen Dreck. Der ferne Abtritt war nicht erreichbar." (...)

Bald erhielten die Flüchtlinge Unterstützung von aussen:

- Die Bevölkerung von Büren sammelte Wäsche und Kleider für Frauen und Kinder, aber auch Tassen, Essbestecke und Milchflaschen.

- der evangelische Pfarrer Blaser aus Büren und der katholische Vikar Otto Sprecher aus Biel wandten sich schriftlich an die zuständigen Stellen des EJPD in Bern, um auf die angetroffenen Missstände aufmerksam zu machen. Dem Vikar und seinen Messdienern war es aber verboten, mit den jüdischen Flüchtlingen zu sprechen oder ihre Baracke zu betreten.

- Die israelitische Gemeinde Biel engagierte sich für die Flüchtlinge. Diese erhielten regelmässigen Besuch des Bieler Fürsorgers Picard und des Bieler Rabbiners Lauer.

- In Biel bildete sich im Dezember 1942 ein Ortskomitee für Flüchtlingshilfe. Das Komitee sammelte Kleider, Wäsche und Schuhe sowie Ausrüstungsgegenstände für die Krankenzimmer - Decken, Arzneien, Wärmeflaschen und vieles mehr.


Die Reaktion des EJPD

Im Januar 1943 entschloss sich EJPD-Vorsteher Eduard von Steiger, das Lager selbst zu inspizieren. Im Verlaufe seines Besuches vom 16. Januar 1943 traf er unübersehbare Misstände an. Zum Beispiel forderte ihn die Rotkreuzkrankenschwester Ruth Hablützel auf, vom Essen zu kosten - es war ungeniessbar. Hablützel hatte sich schon früh für die jüdischen Flüchtlinge eingesetzt. Ihre Missachtung des Kontaktverbots hatte sie mit mehreren Tagen Lagerarrest bezahlen müssen. Zudem hatte ihr der Lagerleiter angedroht, sie werde deswegen aus der Armee entlassen werden.

Kurz nach dem bundesrätlichen Besuch wurde beschlossen, die über 100 Frauen und Kinder in ein anderes Lager zu verlegen. Auch die männlichen Zivilflüchtlinge wurden in den folgenden Wochen in verschiedene Arbeitslager versetzt. Kommandant Lindt wurde abgelöst, dann fristlos entlassen und schliesslich militärgerichtlich abgeurteilt.

Quellen:

Max Brusto, "Im Schweizer Rettungsboot", München 1967

"Concentrationslager" Büren an der Aare 1940-1946, Baden 1999


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Zu diesem Thema möchte ich Euch den Film "Das Boot ist voll" von Markus Imhoof aus dem Jahr 1980 empfehlen.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
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