Wie sollten Museen mit Raubkunst umgehen?

Kolonialismus, Afrika, China, Wettlauf um die Welt, Indien, Englisches Weltreich

Moderator: Barbarossa

Benutzeravatar
Balduin
Administrator
Beiträge: 4213
Registriert: 08.07.2008, 19:33
Kontaktdaten:

Wie sollten Museen mit Raubkunst umgehen?

Dabei ist die Definition von Raubkunst ja nicht einfach: Sind Kunstgegenstände, die "freiwillig" übergeben wurden, um sich das Wohlwollen der Kolonialisten zu erhalten, geraubt? Wie ist es bei Gegenständen, wo die Einheimischen sprichwörtlich "über den Tisch gezogen" wurden?

Was mir auch durch den Kopf geht: Viele Kunstgegenstände würden kaum mehr exisiteren, wären sie nicht in europäischen Museen erhalten worden.

Mich interessieren eure Meinungen.
Herzlich Willkommen auf Geschichte-Wissen - Registrieren - Hilfe & Anleitungen - Mitgliedervorstellung

He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Marianne E.
Mitglied
Beiträge: 1752
Registriert: 13.04.2019, 16:51

Frage an den Juristen:
Ist der Begriff "Raubkunst" international eindeutig und juristisch einwandfrei definiert?

Ich denke zum Beispiel dabei auch an die geplünderten Kunstgegenstände nach dem Zweiten Weltkrieg und ebenfalls als Beispiel an die "Mitnahme" aus dem Nationalmuseum in Bagdad nach dem Irakkrieg gegen Hussein.
Skeptik
Mitglied
Beiträge: 414
Registriert: 06.06.2022, 17:50

Jedes Land scheint nach einem eigenen Weg der Restitution von Raukunst zu suchen und vorzugehen:

Belgien
In Belgien beherbergt das Königliche Museum für Zentral-Afrika, kurz AfricaMuseum genannt, die größten Sammlungen mit mehr als 180.000 kulturgeschichtlichen sowie naturkundlichen Objekten, vor allem aus der ehemals belgischen Kolonie der heutigen Demokratischen Republik Kongo.

Deutschland
Auch schon vor seiner Eröffnung im Jahr 2021 stand das Humboldt Forum in der Kritik. Unter anderem wurde der Vorwurf erhoben, sich durch den Verweis auf gründliche Provenienzforschung der Forderung nach dauerhaften Restitutionen entziehen zu wollen. So vertrat der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer die Einschätzung, die laufenden Bemühungen zur Provenienzforschung seien eine „Strategie, die notwendigen politischen Beschlüsse auf die lange Bank zu schieben“. Zimmerer forderte weiterhin, die Beweislast müsse umgekehrt werden, indem koloniale Sammlungen den rechtmäßigen Erwerb ihrer Bestände belegen, sonst sollten sie als Raubgut gelten.

Frankreich
Nach einer „Grundsatzrede“ des französischen Präsidenten im November 2017 zur Politik Frankreichs in Bezug auf Subsahara-Afrika sowie aufgrund von Rückgabeforderungen durch die Regierung des Staates Benin wurde im Dezember 2020 durch die französische Nationalversammlungeine spezifische juristische Regelung zur Rückgabe (dérogation) von 26 Kulturobjekten aus dem von französischen Truppen 1892 zerstörten Palast von Abomey getroffen.

Niederlande
In den Niederlanden beherbergen das Wereldmuseum Rotterdam sowie Museen in Amsterdam, Leiden und Berg en Daletwa 160.000 Kulturobjekte mit kolonialer Herkunft.
Im Januar 2021 genehmigte die niederländische Regierung ein zentrales Verfahren zur Rückführung von Objekten mit kolonialem Ursprung. Nach Empfehlung einer Beratungskommission kündigte sie an, alle Objekte der nationalen Sammlungen, die illegal aus ehemaligen niederländischen Kolonien entfernt wurden, zurückzugeben.

Österreich
In Österreich ist von der Problematik insbesondere das Weltmuseum Wien(ehemals Museum für Völkerkunde) betroffen, das mit etwa 220.000 ethnografischen Objekten zu den diesbezüglich weltweit bedeutenden Museen gehört.
Die Exponate werden im seit 2018 neu gestalteten Weltmuseum nicht mehr als exotische Objekte, sondern im Kontext der Dokumentation und Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte präsentiert. Aufgrund der Forderung Mexikos nach Rückgabe der Federkrone Moctezumas wurde dieser konkrete Fall seit den 1990er Jahren mit dem Ursprungsland diskutiert, ohne dass diese Forderung jedoch erfüllt wurde.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCck ... r_Herkunft

Interessant ist Aufstellung der Rückgabe Gemälde betreffend. Wohl eher Raub innerhalb Europas. Eine Auswahl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von ... ionsfällen
Deutschland 76 Bilder
Australien u. Neuseeland 3 Bilder
Frankreich 18 Bilder
Großbrittanien 8 Bilder
Niederlande 46 Bilder
Österreich 27 Bilder
Schweiz 6 Bilder
USA 21 Bilder
Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Eigentlich müsste bei jedem einzelnen Gegenstand geklärt werden, ob er geraubt wurde oder ob er ein Geschenk war. Ein Geschenk ist kein geraubter Gegenstand.
Tatsächliche Raubgegenstände müssen natürlich in den Besitz des Herkunftslandes zurück kommen. Ob es dann aber auch zwingend dorthin zurück muss oder als Leihgabe im bisherigen Museum bleiben kann, darüber kann man sich dann einigen.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Benutzeravatar
Balduin
Administrator
Beiträge: 4213
Registriert: 08.07.2008, 19:33
Kontaktdaten:

Barbarossa hat geschrieben: 23.06.2022, 18:27 Eigentlich müsste bei jedem einzelnen Gegenstand geklärt werden, ob er geraubt wurde oder ob er ein Geschenk war. Ein Geschenk ist kein geraubter Gegenstand.
Das ist ja teils unmöglich. Man kann ja auch nie ausschließen, dass militärische Berichte der Kolonialisten "beschönigt" wurden. Die afrikanischen Völker verfügen meist nicht über schriftliche Aufzeichnungen.

Vielen Dank Skeptik für Deine Ausführungen (ich habe als Moderator noch den Quellenhinweis eingefügt, rein der guten Ordnung halber).

Im Spiegel wird aktuell über einen Fall aus Kamerun berichtet. Ein Stamm verehrt eine Figur, die im Humboldt-Forum ausgestellt ist. Bei der Rückgabe ist schon fraglich, an wen die Figur gehen soll. Der Stamm will nicht, dass der Staat sie bekommt. Die politische Lage ist fragil. Der Stamm möchte Kulthandlungen an der Figur begehen.

Kein einfaches Thema.
Herzlich Willkommen auf Geschichte-Wissen - Registrieren - Hilfe & Anleitungen - Mitgliedervorstellung

He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Skeptik
Mitglied
Beiträge: 414
Registriert: 06.06.2022, 17:50

Eine Abart der „Raubkunst“ durch Zufall gefunden:

Nach der Eroberung Ägyptens durch Napoleon wurden historische ägyptische Artefakte für den europäischen Markt zugänglich gemacht. Mumien konnten von den Straßenhändlern gekauft werden, und die europäische Elite veranstaltete oft "Mumienauspackpartys". Als wäre das nicht schon eklig genug, wurden die gut erhaltenen Überreste der alten Ägypter zu Pulver gemahlen und als Heilmittel konsumiert. Die Nachfrage war so groß, dass der Handel mit Fälschungen begann, bei dem das Fleisch von Bettlern als das von ägyptischen Mumien ausgegeben wurde.

Bild

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:F%C ... 4ndler.jpg
Zuletzt geändert von Balduin am 30.06.2022, 08:13, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Quelle hinterlegt
Benutzeravatar
Balduin
Administrator
Beiträge: 4213
Registriert: 08.07.2008, 19:33
Kontaktdaten:

Abart trifft es sehr gut. Zum einen war das Störung der Totenruhe und extrem pietätlos. Zum anderen wurden so Zeugnisse der Menschheitsgeschichte vernichtet.
Herzlich Willkommen auf Geschichte-Wissen - Registrieren - Hilfe & Anleitungen - Mitgliedervorstellung

He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Imperialismus“