Webstuhl - warum so wichtig?

Der Wandel der Welt ausgehend vom Manchester Kapitalismus - das Entstehen des Kapitals und des Kapitalismus

Moderator: Barbarossa

jjjeeves
Mitglied
Beiträge: 2
Registriert: 21.02.2014, 13:13

Hallo zusammen,
wieso spielte die Erfindung des Webstuhls eine so große Rolle in der Industrialisierung? Dass die Dampfmaschine Vieles umgewälzt hat, versteh ich, aber was hat der Webstuhl groß verändert?
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

jjjeeves hat geschrieben:Hallo zusammen,
wieso spielte die Erfindung des Webstuhls eine so große Rolle in der Industrialisierung? Dass die Dampfmaschine Vieles umgewälzt hat, versteh ich, aber was hat der Webstuhl groß verändert?
Spontan würde ich sagen, der maschinelle Webstuhl hat einen riesigen Markt eröffnet, zusammen mit der amerikanischen Baumwolle. Vorher wurde Bekleidung in Heimarbeit gewebt, war teuer und mußte lange halten.
Bekleidung braucht jeder, gehört neben Nahrung zu den lebensnotwendigen Gütern.
Die Textilfabriken waren deshalb ein Hauptmotor der Industriealisierung.
Suebe
Mitglied
Beiträge: 201
Registriert: 30.05.2012, 11:01

jjjeeves hat geschrieben:Hallo zusammen,
wieso spielte die Erfindung des Webstuhls eine so große Rolle in der Industrialisierung? Dass die Dampfmaschine Vieles umgewälzt hat, versteh ich, aber was hat der Webstuhl groß verändert?
Ich nehme mal an, du verwechselt da Webstuhl und Spinnmaschine.
Der Webstuhl ist ja eine uralte Erfindung den man auch in allen Kulturen findet.
Der "Flaschenhals" in der Textilherstellung war Jahrtausendelang das Spinnen. Lediglich von Hand durch geübte Fachkräfte möglich.
Man hätte viel mehr weben können, wenn man nur den Faden gehabt hätte!
Als Arkwrigth die Spinnmaschine erfand, die "Spinning Jenny" (Jenny ist ein Verniedlichung von engine) war das einer der wchtigsten Auslöser der Industriellen Revolution. Es gab endlich genug Faden.
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Musste ich auch nachschauen, die Erfindung des automatischen Webstuhls, dürfte den Weberberuf in kurzer Zeit nahe der Bedeutungslosigkeit befördert haben.
Maschine ersetzt Handwerk, Fabrik statt Heimarbeit, fremdbestimmte Arbeit statt selbstständiges Handeln.
Industrielle Revolution eben.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
ehemaliger Autor K.

Als Erfinder der Spinning Jenny 1767 gilt James Hargreaves, der die Maschine nach seiner Tochter Jenny benannt haben soll. Richard Arkwright verbesserte sie 1769 durch die Waterframe, eine Spinnmaschine, die mit Wasserradantrieb arbeitete und industrustriell einsatzbar war. Mit Hilfe dieser Maschinen wurde die Arbeitsproduktivität erheblich erhöht. (Output pro Arbeitsstunde).

Die erhöhten Mengen an Garn konnten von den Handwebern nicht mehr verarbeitet werden. Deshalb erfand Edmond Cartwright 1785 den vollmechanisierten Webstuhl mit dem Namen Power Loom.

Sowohl Spinnen als auch Weben wurden zuvor in Handarbeit verrichtet. Ein Markt für diese Produkte war also bereits vorhanden. Dieser Markt wurde von den industriell gefertigten, preiswerteren Produkten übernommen, was zur Vernichtung vieler selbständiger Handwerker und zu heftigen Auseinandersetzungen führte (Maschinenstürmerei). Die Textilindustrie siedelte sich daraufhin in Manchester an, einem bisher unbedeutenden Dorf und konnte dort unter dem Schutz des Militärs die Arbeit aufnehmen.

Die billigen Textilprodukte wurden alsbald überall in der Welt vertrieben. Aufgrund der Massenproduktion bestand bald Bedarf an Arbeitskräften, und die arbeitslosen Weber und Spinner wurden nun in den Fabriken gebraucht und von ihnen aufgesogen.

Zunächst hat die Industrie viele Arbeitsplätze zerstört, aber nach einiger Zeit auch wieder neue geschaffen und das nicht nur in der Textilindustrie. Die Maschinen mussten schließlich auch hergestellt werden. Es entstand eine Investitionsgüterindustrie und eine Transportindustrie, um die Waren zu transportieren (Eisenbahn, Dampfschiffe).

Durch die Innovationen entstanden sogenannte Linkage Effekte (Verkettungseffekte). Sie geben an, inwieweit sich wirtschaftliche Aktivitäten eines Sektors auf andere Sektoren auswirken. Generell wird unterschieden zwischen Vorwärtsverknüpfungen (Forward Linkages), die die Effekte der Output-Verwendung aufzeigen und Rückwärtsverknüpfungen (Backward Linkages), die die Effekte der Input-Beschaffung bezeichnen.
Benutzeravatar
Barbarossa
Mitglied
Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
Wohnort: Mark Brandenburg

Die Veränderungen in der Branche hatten auch Auswirkungen auf andere Länder. In Deutschland führten sie zu einer Reihe von Weberaufständen: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand

[ Post made via Android ] Bild
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
Suebe
Mitglied
Beiträge: 201
Registriert: 30.05.2012, 11:01

Karlheinz hat geschrieben:Als Erfinder der Spinning Jenny 1767 gilt James Hargreaves, der die Maschine nach seiner Tochter Jenny benannt haben soll. Richard Arkwright verbesserte sie 1769 durch die Waterframe, eine Spinnmaschine, die mit Wasserradantrieb arbeitete und industrustriell einsatzbar war. Mit Hilfe dieser Maschinen wurde die Arbeitsproduktivität erheblich erhöht. (Output pro Arbeitsstunde).
./.
Du hast recht.
Ich habe aus der Hand Arkwrigth und Hargreaves verwechselt. Sorry.
Laut Prophyläen Technikgeschichte ist der Name "Jenny" in dem Fall ziemlich sicher aus einer Verniedlichung von "Engine" entstanden.

OT:
Die Handweberei ist zumindest in "Sonderbereichen" noch recht lange gepflegt worden. Mein Urgroßvater war einerseits Uhrmacher, war aber andererseits in der 2. Generation Bandweber, auf einer Gewerbeausstellung des Jahres 1878 erscheint er im Ausstellungskatalog als Aussteller mit "Herrmhuter Band".
In der Uhrmacherei (Ende des 19. Jahrhunderts wurden bereits industrielle hergestellte Produkte verkauft und repariert) war im Winter wenig los, da hat er Band gewoben. "Wenig" verdienen war halt immer noch besser wie "nichts".
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Die Zollern-Alb war doch sowieso lange voll von Textilindustrie.

Ich befürchte, bei der Frage nach dem Webstuhl waren wir alle auf dem Holzweg:
http://www.planet-wissen.de/alltag_gesu ... cquard.jsp
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Suebe
Mitglied
Beiträge: 201
Registriert: 30.05.2012, 11:01

Triton hat geschrieben:Die Zollern-Alb war doch sowieso lange voll von Textilindustrie.

Ich befürchte, bei der Frage nach dem Webstuhl waren wir alle auf dem Holzweg:
http://www.planet-wissen.de/alltag_gesu ... cquard.jsp

Das ist alles richtig. Es gab zdZ sehr viele wichtige Erfindungen den Webstuhl betreffend.
Aber grundsätzlich ist der Webstuhl eine Erfindung der Jungsteinzeit, als Paralellerfindung in allen Kulturkreisen zu finden.
Während der Minimumfaktor über die Jahrtausende hinweg immer das Spinnen war. Das nur in Handarbeit von versierten Fachkräften erledingt werden konnte. Bis zur "Spinning Jenny"

Deswegen denke ich der Anfrager hat tatsächlich die Spinnmaschine mit dem Webstuhl verwechselt.

Zitat:
"Die Zollern-Alb war doch sowieso lange voll von Textilindustrie."
Bingo, aber durchaus bis heute.

http://www.albstadt.de/museen/maschenmuseum
jjjeeves
Mitglied
Beiträge: 2
Registriert: 21.02.2014, 13:13

Vielen Dank für die Erklärungen und Hinweise!
Benutzeravatar
Marek1964
Mitglied
Beiträge: 1474
Registriert: 30.11.2013, 12:53

In der Tat, dass Kleidung mitunter sehr günstig zu haben ist, ist sicher eine der weniger spektakuären, aber vielleicht wichtigsten Grundlagen unseres Wohlstandwachstums seit der Industrialisierung.
Benutzeravatar
Marek1964
Mitglied
Beiträge: 1474
Registriert: 30.11.2013, 12:53

Wenn ich bedenke wie billig heute die Textilien teilweise sind - früher war Kleidung Luxus oder Investitionsgut, heute Verbrauchsgegenstand.
ehemaliger Autor K.

Marek1964 hat geschrieben:Wenn ich bedenke wie billig heute die Textilien teilweise sind - früher war Kleidung Luxus oder Investitionsgut, heute Verbrauchsgegenstand.
Kleidung war immer Verbrauchsgegenstand, nur damals Luxusgut, heute Massenkonsumgut. Investitionsgut war es nie gewesen, denn die Betriebswirtschaft definiert ein solches als langlebiges ökonomisches Gut, das von Unternehmen zur Erstellung und Weiterverarbeitung von Gütern angeschafft wird. Wertvolle Kleidung hingegen gehört ökonomisch gesehen zum Sachvermögen, ist also gleichzusetzen mit Immobilien, Autos etc.

Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass der Webstuhl vor allem die Arbeitsproduktivität erhöht hat, die das Verhältnis von Ausstoßmenge zum Arbeitseinsatz misst. In einer Stunde konnte man jetzt mehr Garn verweben als vorher.

Aufgrund des von K.W.Bücher (1847-1930) entdeckten Gesetzes der Massenproduktion führte dies zu sinkenden Stückkosten. Diese misst man wie folgt:

Stückkosten= Gesamtkosten/Ausbringungsmenge
Oder besser: Stückkosten= fixe Kosten (Mechanischer Webstuhl)+ variables Kapital (Garn + Löhne)/Ausbringungsmenge

Daraus folgt:
1.) Bei Erhöhung der Ausbringungsmenge sinken die Stückkosten (Die Kosten für den Webstuhl verteilen sich jetzt auf eine viel größere Menge)
2.) Die industrielle Produktionserweiterung erhöht das Angebot und passt die Preise den Stückkosten an. (Allerdings nur bei funktionierendem Wettbewerb)

Dieser Zusammenhang erklärt den zunehmenden Wohlstand in einigen Regionen der Welt. Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität bewirkte eine gewaltige Vermehrung des Outputs. Das Gesetz der Massenproduktion verbilligte die Waren auch für die Arbeiterschaft und Geringverdiener. Deren Warenkorb wuchs, auch wenn sich ihre Einkommen lange Zeit kaum erhöhten.
Benutzeravatar
Marek1964
Mitglied
Beiträge: 1474
Registriert: 30.11.2013, 12:53

Karlheinz hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:Wenn ich bedenke wie billig heute die Textilien teilweise sind - früher war Kleidung Luxus oder Investitionsgut, heute Verbrauchsgegenstand.
Investitionsgut war es nie gewesen, denn die Betriebswirtschaft definiert ein solches als langlebiges ökonomisches Gut, das von Unternehmen zur Erstellung und Weiterverarbeitung von Gütern angeschafft wird.
Da hast Du natürlich Recht, gemeint habe ich das aber jetzt weniger im betriebswirtschaftlichen, als eher dem privaten Sinn, dass Kleider relativ hohen Wert hatten, lange getragen, immer wieder geflickt wurden.
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Industrialisierung“