Napoléon-Eroberer, Reformer, Megaloman und Emporkömmling

Robespierre, Danton, Umsturz, Ancien Regime, Napoleon, Kaisertum, Französische Kriege

Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Ich möchte hier gerne ein Thema zur Napolénischen Epoche wie auch zu seinem Gesamtwirken kommen. Folgende Fragekomplexe interessieren mich:

Er war ja nach langer Zeit (Karl Martell?) der erste grosse Herrscher über fast ganz Europa. Er kam aber gewissermassen aus dem Nichts. Er hat die Kaiserkrone, wie er selbst sagte, auf der Strasse aufgelesen und sich deshalb auch selber gekrönt (Megaloman?). Er war der erste Diktator, der nach einer Revolution, die eigentlich die Freiheit bringen sollte, an die alleinige Macht kam.

Emporkömmling wurde er und seine Anhänger noch lange nach seinem Tod genannt. Gerade das macht ihn mit einem anderen grossen Eroberer, Adolf Hitler, vergleichbar. Dieser kam wohl noch mehr aus dem Nichts eines Schulabbrechers und Wiener Männerheimbewohners zum Eroberer von ganz Europa. Beide vermochten Grossbritannien nicht in die Knie zwingen. Beide scheiterten an Russland, das sie in einer seltenen historischen Ironie am gleichen, späten Termin angriffen.
Innert weniger Jahre fiel die von ihnen geschaffene neue Ordnung in sich zusammen.

Und doch dürfte Napoléon eine, und sicher zu Recht, viel bessere Stellung in der Geschichte haben als Adolf Hitler oder die anderen Empokömmlinge Josef Stalin oder Mao Tse Tung.

Was waren seine Verdienste? Warum begeisterten sich der Held des Romans "Die Karthause von Parma", Fabrizio Domingo, für ihn als Sinnbild des Fortschritts?

Was waren die Gründe für sein Scheitern? Hätte er mit anderer Taktik Erfolg haben können? Oder war er seiner Zeit zu früh?
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Barbarossa
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Marek1964 hat geschrieben:...
Er war ja nach langer Zeit (Karl Martell?) der erste grosse Herrscher über fast ganz Europa...
Du meinst sicher Karl den Großen. :wink:
Aber auch andere Kaiser wären da noch erwähnenswert - so z. B. Otto I. oder auch die Stauferkaiser von Friedrich I. Barbarossa bis Friedrich II.
Marek1964 hat geschrieben:Was waren die Gründe für sein Scheitern? Hätte er mit anderer Taktik Erfolg haben können? Oder war er seiner Zeit zu früh?
Ich sehe den Hauptgrund darin, dass er als "Kaiser der Franzosen" ganz Europa unterwerfen wollte. Überall außer in Frankreich selbst war er damit ein Fremdherrscher. Und damit konnte diese Herrchft nicht von Dauer sein.
Allerdings: Hätte er Russland nicht angegriffen, wäre das Ende nicht so früh gekommen.
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Marek1964
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Barbarossa hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:...
Er war ja nach langer Zeit (Karl Martell?) der erste grosse Herrscher über fast ganz Europa...
Du meinst sicher Karl den Großen.
:wink: Äh, ja natürlich
Barbarossa hat geschrieben:Aber auch andere Kaiser wären da noch erwähnenswert - so z. B. Otto I. oder auch die Stauferkaiser von Friedrich I. Barbarossa bis Friedrich II.
Hatten die ein so grosses Herrschaftsgebiet?
Barbarossa hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:Was waren die Gründe für sein Scheitern? Hätte er mit anderer Taktik Erfolg haben können? Oder war er seiner Zeit zu früh?
Ich sehe den Hauptgrund darin, dass er als "Kaiser der Franzosen" ganz Europa unterwerfen wollte. Überall außer in Frankreich selbst war er damit ein Fremdherrscher. Und damit konnte diese Herrchft nicht von Dauer sein.
Allerdings: Hätte er Russland nicht angegriffen, wäre das Ende nicht so früh gekommen.
Das ist eine interessante Frage. Wie wichtig war es den damaligen "Untertanen", wer regierte? War damals das Nationalbewusstsein schon so stark, dass das von Bedutung war?

War nicht eher wichtig, dass man eine Aversion gegen "Emporkömmlinge" und gegen gesellschaftliche Änderungen bei den herrschenden Schichten hatte?
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Balduin
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Ich war in Ajaccio (Korsika) in Napoleons Geburtshaus: Er wurde nicht in einem Palast geboren - nach den damaligen Maßstäben war er sicherlich ein Emporkömmling - aber gerade das, hat sich ja während der Französischen Revolution als gewaltiger Vorteil erwiesen.

Auch für einen Größenwahnsinn Napoleons gibt es Anhaltspunkte: Er nahm oft nur die Dinge wahr, die er wahrnehmen wollte und glaubte oft seinen eigenen Erzählungen - besonders hat sich das 1812 während des Russlandfeldzugs gezeigt. Das hing aber wahrscheinlich mit der fatalen Lage zusammen. Seine Handlungen nicht andauernd kritisch zu hinterfragen und intuitiv zu handeln, war aber wiederum maßgeblich für Napoleons Erfolge und ist wohl auch Charakteristikum vieler erfolgreicher Menschen.

Die Vergleiche mit Hitler sind nicht neu - und es gibt natürlich Parallelen: Meister der Inszenierung, politischer Größenwahn, das Spiel mit Menschenleben. Dennoch ist es schon berechtigt, Napoleon in einem helleren Licht zu sehen:
* seine Herrschaft beruhte nicht auf einer menschenverachtenden Ideologie
* der Code Civil reicht noch bis ins heutige deutsche Recht fort, in Frankreich hat er noch Gültigkeit
* er war ein militärisches Genie - Hitler war auf fähige Generäle angewiesen, Napoleon war ein Fuchs: Er hatte den Status der Unbesiegbarkeit, sein Auftauchen allein hat die Gegner schon demoralisiert. Irgendwie ist da auch Größenwahn verständlich. Ein Held seiner Soldaten und seiner Zeit war er sicherlich. Noch am Ende des Russlandfeldzugs glaubten seine Soldaten an ihn

Ich würde Napoleon in einer Reihe mit den großen römischen Cäsaren sehen - er war einer der wenigen, bei dem sich außergewöhnliches politisches Können mit militärischem Genie gemischt haben. (Ich bin Napoleon-Fan)
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Balduin
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Barbarossa hat geschrieben:Ich sehe den Hauptgrund darin, dass er als "Kaiser der Franzosen" ganz Europa unterwerfen wollte. Überall außer in Frankreich selbst war er damit ein Fremdherrscher. Und damit konnte diese Herrchft nicht von Dauer sein.
Allerdings: Hätte er Russland nicht angegriffen, wäre das Ende nicht so früh gekommen.
Ein Angriff war schon nachvollziehbar: Rebellion in Spanien, Gären in Deutschland/Preußen, Dauerkonflikt mit Großbritannien. Die Kontinentalsperre, die ins eigene Fleisch schnitt, weil Russland sich nicht an Abmachungen hielt. Hunderte gebrochene Absprachen und Verhandlungen - irgendwann muss man klare Verhältnisse schaffen, wenn man nicht zur Lachnummer werden kann.

De facto hatte Napoleon mit der Besetzung Russlands auch den Feldzug gewonnen - nur die Russen waren ja zu feige, ihre Niederlage einzugestehen. Manche mögen es clever nennen, aber für mich war das Feigheit vor dem Feind. Alle größeren Schlachten wurden verloren (trotz Unterzahl der Franzosen), sogar im Rückzug gewannen die Franzosen die meisten Schlachten (komplette Unfähigkeit der Zarenarmee). Ein Feind, der aber seine Niederlage nicht eingestehen will, ist kaum zu schlagen.

Zudem: Es gab noch einen Kaiser Napoleon III. - es ist also nicht so, dass Napoleon nach Russland alles verloren hätte.
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Harald
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Er jagte eine halbe Million junge Menschen in Rußland in den Tod. Ob er dort nun alle Schlachten gewann oder nicht, in Rußland verlor er die grande armee. Er mußte dann in Frankreich noch halbe Kinder aufbieten und nochmals verheizen. Für mich ist er nur graduell besser als Hitler.
Sein Neffe Napoleon III. hat mit seiner Politik überhaupt nichts zu tun. Er profitierte nur von seinem Namen.

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dieter
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Lieber Harald,
Du hast es auf dem Punkt gebracht. :)
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Barbarossa
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Marek1964 hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Aber auch andere Kaiser wären da noch erwähnenswert - so z. B. Otto I. oder auch die Stauferkaiser von Friedrich I. Barbarossa bis Friedrich II.
Hatten die ein so grosses Herrschaftsgebiet?
Natürlich nicht so groß, wie Karl der Große. Aber durch den Besitz der Kaiserkrone hatten sie einen universalen Machtanspruch auch gegenüber anderer Königreiche. Die englischen Könige huldigte bspw. auch den Kaisern.
Marek1964 hat geschrieben:Das ist eine interessante Frage. Wie wichtig war es den damaligen "Untertanen", wer regierte? War damals das Nationalbewusstsein schon so stark, dass das von Bedutung war?
In Deutschland bekam dieser Aspekt eine zunehmende Bedeutung beim Volk.
Marek1964 hat geschrieben:War nicht eher wichtig, dass man eine Aversion gegen "Emporkömmlinge" und gegen gesellschaftliche Änderungen bei den herrschenden Schichten hatte?
Das war beim europäischen Adel natürlich der entscheidende Aspekt. Man war ja ohnehin untereinander verwandt und verschwägert, da konnte so ein Emporkömmling natürlich nur stören.
Den einfachen Leuten war das aber sicher egal. Man muss da bei den verschiedenen Ständen unterscheiden.
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Marek1964
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Ich war als Jugendlicher auf Elba. Und dort hat man ihn in guter Erinnerung. Er hatte dort viele Strassen errichten lassen. Für mich heisst das, dass er konzeptionelles Denken hatte. Und damit war er seinen verknöchertenn Adligen Konkurrenten doch weit voraus, oder? Der Code Civile war auch eine konzeptionelle Meisterleistung.

Wie denkt Ihr darüber?
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dieter
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Lieber Marek,
stimmt schon. Militär hatte er ja gelernt im Gegensatz zu Hitler. Aber ihm ging es wie allen "großen" Männern, sie wollten zu viel und scheiterten zuletzt. Stalin erst nach seinem Tode, mal sehen wie weit Putin kommen wird der natürlich entweder das Zarenreich oder die SU wieder aufleben lassen will :?:
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Harald
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Die deutschen Fürsten krochen ihm in den Hintern und gründeten den Rheinbund als gesammelte Vasallenstaaten. Der österreichische Kaiser gab ihm seine Tochter als Ehefrau und Mutter seines Thronerben. Der russische Zar hatte 1808 ein freundschaftliches Treffen mit ihm bei Jena.
Was bleibt da von Aversionen?

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Marek1964
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Harald hat geschrieben:Die deutschen Fürsten krochen ihm in den Hintern und gründeten den Rheinbund als gesammelte Vasallenstaaten. Der österreichische Kaiser gab ihm seine Tochter als Ehefrau und Mutter seines Thronerben. Der russische Zar hatte 1808 ein freundschaftliches Treffen mit ihm bei Jena.
Was bleibt da von Aversionen?

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Guter Punkt. Man hatte sich wohl einfach mit dem mächtigsten Mann Europas arrangiert. Trotzdem dürfte man wohl froh gewesen sein, als er weg war. In Frankreich redete man ja dann auch lange nachher von "parvenus".
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Orianne
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Marek1964 hat geschrieben:Ich war als Jugendlicher auf Elba. Und dort hat man ihn in guter Erinnerung. Er hatte dort viele Strassen errichten lassen. Für mich heisst das, dass er konzeptionelles Denken hatte. Und damit war er seinen verknöchertenn Adligen Konkurrenten doch weit voraus, oder? Der Code Civile war auch eine konzeptionelle Meisterleistung.

Wie denkt Ihr darüber?
In Spanien war und ist er immer noch sehr unbeliebt, aber der Code Civil, das war sein Meisterstück. Warum Napoléon* zur See scheiterte, das ist mir immer noch ein Rätsel, wer kennt sich mit Seeschlachten aus :?:

*Ich setze Napoléon gleich mit Alexander dem Grossen und Julius Cäsar.
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General William Tecumseh Sherman
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben:
In Spanien war und ist er immer noch sehr unbeliebt, ---

*Ich setze Napoléon gleich mit Alexander dem Grossen und Julius Cäsar.
Spanien war sein Vietnam...

Es ist natürlich immer schwer so unterschiedliche Epochen miteinander zu vergleichen. Aber für mich war Napoleon da klar besser, wegen seinem Fortschrittsdenken.
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Orianne
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Marek1964 hat geschrieben:
Orianne hat geschrieben:
In Spanien war und ist er immer noch sehr unbeliebt, ---

*Ich setze Napoléon gleich mit Alexander dem Grossen und Julius Cäsar.
Spanien war sein Vietnam...

Es ist natürlich immer schwer so unterschiedliche Epochen miteinander zu vergleichen. Aber für mich war Napoleon da klar besser, wegen seinem Fortschrittsdenken.
Ja, aber in Spanien richteten seine Soldaten richtige Blutbäder an, da vermisste ich den Fortschrittsgedanken, wie Du ja sicher weisst ist der Code Civil in einigen Kantonsverfassungen bei uns immer noch präsent, von diesem Werk her gesehen war er seiner Zeit voraus, aber mit seinem Kaisertitel und den Adelstitel wieder zurück in der Zeit, man kann es so sagen "Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten", wie Goethe einst schrieb.
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