Der Hofnarr als Institution

Die Alleinherrschaft wurde durch die Ideen der Aufklärung abgelöst.

Moderator: Barbarossa

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Nemeth
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Wer kennt ihn nicht den Klassenkasper, den dummen August, der zu jeder passenden und unpassenden
Gelegenheit ungefragt seine "Meinung" zum Besten gibt.

An den Fürstenhöfen der Mittelalters und Spätmittelalters war der Hofnarr eine Institution.
Er hatte Narrenfreiheit und konnte ungestraft Kritik an den bestehenden Verhältnissen üben und auch
hochrangige Adlige verspotten.
Sie hatten einen besonders großen Handlungsspielraum und wurden wegen ihrer "Narretei" nicht ernst
genommen.
Einer der bekanntesten Hofnarren war Josef Fröhlich (1694-1757 ) am kursächsischen Hof.
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
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Triton
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Hofnarr ist ein Adelstitel, er muss kreativ sein, um geduldet zu werden. Karl Valentin galt als moderner Hofnarr, wie im ehemaligen Königreich Bayern bis heute die Hofnarretei mit dem Nockherberg gepflegt wird.

In meiner Familie habe ich auch einen Narren, aber ohne Hof. Einen der nur kritisiert (das war schlecht, das müsste, das sollte, das gefällt mir jetzt nicht) ohne je konstruktiv zu sein, den aber noch nie jemand ernst nahm. Wer nichts kann (nicht mal die Hofnarretei) und nie etwas macht, den nimmt keiner erst.
Gibt im Internet auch immer Kommentare ab: das ist schön, das gefallt mir, da habe ich was gefunden - eben der große Kommentator.

Wie gesagt, zur Hofnarretei gehört Kreativität und Können.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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dieter
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Lieber Joerg,
den Nockerberg im BR führe ich mir jedes Jahr zu Gemüte, es ist sehr schön, wenn die Politiker ihr süßsaures Lächeln aufsetzen wenn sie durch den Kakao gezogen werden. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Nemeth
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Triton hat geschrieben:

Wie gesagt, zur Hofnarretei gehört Kreativität und Können.
In vergangener Zeit waren die "Hofnarren" mit ihrer spitzen Zunge auch gefürchtet.
Auch in Städten und Regionen gab es sie. Erinnert soll nur werden an Till Eulenspiegel in
Norddeutschland.
In den Theatern jener Zeit trat zur Publikumserheiterung immer mal der Hanswurst auf.
Erst im Theater der Neuberin wurde diese Rolle ad Akta gelegt.

In Diktaturen sind "Hofnarren" alles andere als beliebt bei den Mächtigen.
Das geht bis zur Verfolgung und Berufsverboten .
Dort den Hofnarren zu spielen kann gefährlich sein.

Was heutzutage unter "Narretei" abläuft ist makaber.
Wer im Nockerberg nicht genannt wird fühlt sich diskriminiert und unbeachtet.
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Ruaidhri
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Nemeth hat geschrieben:Auch in Städten und Regionen gab es sie. Erinnert soll nur werden an Till Eulenspiegel in
Norddeutschland.
Wobei der Till nun anfänglich nicht als Narr dargestellt wurde, das geschah erst im Nachhinein.
Till ist übrigens eine Ableitung von Tilldrick, die wieder von Dietrich.
Wobei nun nicht jeder Dietrich ein Narr ist. :angel:
Die Interpretation des "Ulenspegels" ist mannigfaltig, jede hat etwas für sich.
Beim nächsten Besuch in Mölln kann ich ihn ja mal befragen... :mrgreen:
Hofnarren, oder auch nur reisende Gaukler und Sänger versteckten oft hinter ihren Possen und Wortspielen mehr odr weniger böse Kritik oder auch nur Spott.
Das lässt sich sogar in den nordischen Sagas mit ihrem oft so sarkastisch wirkenden Ton erkennen.
Eine gut verpackte bittere Wahrheit, die ganz ungewollt auch ein Lachen hervorruft, ist immer noch besser zu ertragen als direkte Kritik.
Die Hofnarren hatten Nachfolger- ob einen Jean de la Fontaine, der in seinen Fabeln ebenfalls kritische Anmerkungen verpackte- oder einen Jean Baptiste Molière, der in seinen Komödien durchaus gezielt die Schwächen seiner Zeitgenossen aufs Korn nahm.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
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