Hätte die Revolution in Frankreich vermieden werden könen?

Die Alleinherrschaft wurde durch die Ideen der Aufklärung abgelöst.

Moderator: Barbarossa

Katarina Ke
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Der katatstrophale Zustand der Staatsfinanzen zwang Ludwig XVI. (1774 bis 1793) 1788 dazu, die Generalstände für das kommende Jahr einzuberufen. Die Sanierung des Haushalts war ohne die Mitwirkung der Stände nicht mehr möglich.

Hätte es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch Chancen gegeben, die finanzielle Dauerkrise zu lösen? Immerhin wurden in der Öffentlichkeit, vor allem im sich gerade entwickelnden Bürgertum, und im Regierungsapparat Reformmodelle diskutiert. Viele Kritiker wollten die Monarchie nicht abschaffen, sondern im Sinne der Aufklärung erneuern.

Ludwig XVI. war beileibe kein Tyrann, sondern ein eher mittelmäßiger König, der mehrmals mit Hilfe seiner Minister den Kurs der Regierungspolitik ändern wollte. Aber er fand nicht den Mut, die Privilegien des Adels - vor allem des Hochadels - einzuschränken. Seine Ehefrau wurde zwar im Laufe der Jahre immer unbeliebter, aber die Größe ihres Kleiderschranks war nicht das Problem Frankreichs. Der König hingegen pflegte einen - gemessen an seinem Amt - bescheidenen Lebensstil.

Die Beteiligung Frankreichs am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg brachte Ludwig zwar einen außenpolitischen Erfolg, belastete jedoch zusätzlich die öffentlichen Haushalte.

Scheiterte Ludwig letztlich nicht nur an seiner Durchsetzungsschwäche, sondern auch am Widerstand des Adels, der seine politische Entmachtung im 17. Jahrhundert nicht vergessen hatte?

Und machte Ludwig nach Ausbruch der Revolution nicht wieder den Fehler, inkonsequent zu handeln? Er lehnte Gewalt gegen das Volk ab, leistete aber nur widerwillig seinen Eid auf die Verfassung von 1790. Hätte er nicht die Chance gehabt, als konstitutioneller Monarch seine Dynastie zu erhalten?
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Gontscharow
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Ein reformunwilliger Adel, ein schwacher König, unzufriedene Bürger und Bauern ....
In Deutschland führen solche Mißstände in den meisten Fällen nicht zur Revolution,
in Frankreich schon. Das ist auch eine Frage des Temperaments, das in unseren beiden Ländern unterschiedlich ausgeprägt ist, wie man heute noch regelmäßig
sehen kann, wenn es zu Streiks und Demonstrationen kommt. In D meist friedlich und diszipliniert, in Frankreich krawallig.
Nie im Leben würde in D ein Manager oder Unternehmenschef von seinen Mitarbeitern in seinem Büro eingesperrt und mit
Handschellen an die Heizung gekettet, mit einem Streikposten als Aufpasser davor.
Letztendlich scheint der eher biedere Charakter des deutschen Volkes aber in vielerlei Hinsicht erfolgreicher zu sein als das Revoluzzertum der Franzosen.
Aneri

Ich würde die Ursache bzw. Unterschied zwischen Deutschen und Frankreich daran sehen, dass die Frankreich schon länger vereintes bzw. zentralisiertes Land war, in dem auch die reifenden Probleme zentralisiert waren und daher explosiver als in Deutschland.
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Orianne
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Die Franzosen haben eine ganz anderer Mentalität als z.B. die Deutschen, die Österreicher oder die Deutschschweizer, die in solchen Situationen die Faust im Sack machen, der Franzose in der Stadt geht auf die Barrikaden, es gibt einen Spruch der heisst: " In der Stadt gehen die Menschen auf die Barrikaden; auf dem Land verhungern sie bloss" oder "Les habitants des villes manifestent ; à la campagne, les gens crèvent simplement de faim". Ich persönlich denke, dass die Revolution 1789 hätte ver mieden werden können. Sie wäre aber wohl 10 - 20 Jahre später wohl trotzdem gekommen.

Der König wäre leicht manipulierbar gewesen, er hätte zu allen Reformen sicher ja gesagt, nur waren da die Stände, wie Katharina es oben schon beschrieben hatte, aber auch die hätte man zur Raison bringen können.

Die Fehler begingen die Könige vor Louis Capet. Man müsste sich auch einmal mit dem Merkantilismus in Frankreich, England, Spanien und den Niederlanden befassen. Das wäre vielleicht einen eigenen Thread wert.
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Marek1964
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Sehr gutes Thema. Genau solche Fragen finde ich besonders interessant. Fakten und Ereignisse kann man an vielen Orten nachlesen, aber für solche DIskussionen ist ein Forum nötig.

Theoretisch ist wohl jede Revolution vermeidbar, es ist einfach notwendig, dass auf Herausforderungen der Zeit reagiert wird, und das natürlich richtig. Gontscharows Vergleich hat sicherlich vieles in sich, aber es gab ja auch in Deutschland Revolutionen, allerdings nicht siegreich (sicher 1848), oder im Falle von 1918 nicht ganz.

Interressant der Vergleich mit England, wo es ja keine Revolution gab, weil einfach auf Kontinuität gesetzt wurde, was auch auf die (zumindest relative) Vernunft der Machthaber zurückzuführen ist, aber eben sicher auch hier auf eine ruhigere Mentalität, eine beidseitige Kompromissbereitschaft.

In Frankreich, so kam mir aber immer auch wieder vor, wenn ich auch Konflikte verfolgte, ist häufig eine Sturheit der Machthaber zu erkennen. Gerade als Schweizer sieht man da den Unterschied zu unserer sprichwörtlichen Kompromissfähigkeit und Föderalismus, da hat Aneri sicher recht, Zentralismus ist hier immer langsamer und fördert das Elfenbeinhausdenken.
Lia

Im Nachhinein ist man immer klüger...
Natürlich, sieht man die oben aufgelisteten Fakten, hätte es Alternativen gegeben.
Vielleicht, denn nicht nur der Adel blockierte und spielte eine entscheidende Rolle, sondern auch die Geduld des gemeinen Volkes war erschöpft, Adel und Königtum hatten sich unglaubwürdig gemacht.
Auf die Barrikaden zu gehen, war in Frankreich, war in Paris nichts Neues, und die Zeit war vielleicht auch reif für diese bracchialen Veränderungen.
Aneri hat geschrieben:ch würde die Ursache bzw. Unterschied zwischen Deutschen und Frankreich daran sehen, dass die Frankreich schon länger vereintes bzw. zentralisiertes Land war, in dem auch die reifenden Probleme zentralisiert waren und daher explosiver als in Deutschland.
Mag sein, und eben durch die Zentralisierung mit Paris als Kristallisationspunkt der Macht wurde das Staatswesen in seinem Kern erschüttert.
Erfolgreiche Bauernaufstände hatte es im deutschsprachigem Gebiet auch gegeben, Die Bauernrepublik Dithmarschen als ein Beispiel, nur blieb das ob der fehlenden zentralen Regierung auf regionaler Ebene und betraf nie das gesamte Reich.
Gontscharow hat geschrieben:Letztendlich scheint der eher biedere Charakter des deutschen Volkes aber in vielerlei Hinsicht erfolgreicher zu sein als das Revoluzzertum der Franzosen.
Das kommt auf die Definition von Erfolg an. Die Biederkeit, die Obrigkeits-Orientierung und das Sicherheitsbedürfnis der Deutschen war/ ist oft auch ein Hemmschuh, nicht nur auf politischer Ebene.
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben:
Die Fehler begingen die Könige vor Louis Capet. Man müsste sich auch einmal mit dem Merkantilismus in Frankreich, England, Spanien und den Niederlanden befassen. Das wäre vielleicht einen eigenen Thread wert.
Ganz Meine Meinung. Diese Themen wurden hier wenig behandelt. Allerdings kann ich dazu recht wenig schreiben, würde mich aber sehr freuen, dieses Thema hier zu lesen.
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Barbarossa
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Die französische Revolution mag mehrere verschiedene Ursachen gehabt haben. Ein Ereignis, dass die Situation weiter verschärfte, vielleicht sogar für die Zündung der explosiven Stimmung verantwortlich ist, war wohl die schwere Missernte von 1788 infolge von Klimaveränderungen ("Kleine Eiszeit").
Gegen Wetterkapriolen kann man nun wenig tun, vor allem, wenn sie ganze Kontinente betreffen oder gar global auftreten.
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Orianne
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Barbarossa hat geschrieben: die Zündung der explosiven Stimmung verantwortlich ist, war wohl die schwere Missernte von 1788 infolge von Klimaveränderungen ("Kleine Eiszeit").
Gegen Wetterkapriolen kann man nun wenig tun, vor allem, wenn sie ganze Kontinente betreffen oder gar global auftreten.
Diese Wetterveränderung wurde ja auch den "Hexen" und "Zauberern" in die Schuhe geschoben. Gründe waren wohl die Wiederbewaldung durch die zurückgegangene Bevölkerungszahl, sowie durch vermehrte Vulkantätigkeiten.
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Katarina Ke
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Vielleicht bestand ein Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich darin, dass in vielen Staaten des Heiligen Römischen Reiches (also Deutschland) im Rahmen eines aufgeklärten Absolutismus Reformen 'von oben' vorgenommen worden waren.

Dann verpuffte sozialer Protest, den es auch in Deutschland gab, wegen der dezentralen Struktur des Landes leichter. Der amerikanische Gemanist Daniel Wilson hat in seinem Buch "Das Goethe-Tabu" ja auch auf die Widerstandsaktionen von Bauern in einem kleinen Herzogtum hingewiesen, dass noch nicht einmal reaktionär regiert worden ist (Sachsen-Weimar-Eisenach).
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Renegat
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Im Falle des HRR mag vieles zusammenkommen, ich denke auch, dass teilweises Entgegenkommen in einzelnen Kleinstaaten etwas Luft rausnahm. Auch in England, genau wie Frankreich ein Zentralstaat, brach die Revolution nicht aus, obwohl England viel näher dran war am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. England hatte aber schon vorher mit der Bill of rights und der glorious revolution Erfahrungen mit Umstürzen gemacht und war den Bürgern etwas entgegengekommen.
Dem Beispiel England hätte Frankreichs König und der Adel folgen können, vielleicht wäre die blutige Revolution dann dort vermieden worden. Dann wäre sie irgendwo anders ausgebrochen, denn einmal mußte es passieren, sonst fehlte uns in der Nachbetrachtung der wichtigste Bezugspunkt. :)
Aneri

Renegat hat geschrieben:Auch in England, genau wie Frankreich ein Zentralstaat, brach die Revolution nicht aus, obwohl England viel näher dran war am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. England hatte aber schon vorher mit der Bill of rights und der glorious revolution Erfahrungen mit Umstürzen gemacht und war den Bürgern etwas entgegengekommen.
)
Gerade diese Nähe zur Unabhängigkeitskrieg nahm den Wind aus den Segeln. Zum Einem, wenn auch die Englands-Gesellschaft wurde gespalten, ging es eher um intellektuelle Außeinandersetzungen über Recht und ähnl. Es ging nicht um das Brot der breiten Massen, zu dem sich Mittelschicht einschließt. Zum anderem, war nicht England die Erste, die so etwas wie Parlamentarismus eingeführt hat?! Somit schon politisch ein Mechanismus entstand, die die Monarchie - wenn auch oft nominal - entgegenstand. Er war aber vorhanden und stand zur Verfügung, wenn andere gesellschaftliche Schichten in der Politik ihren Wort sagen wollten. Daher auch Barrikaden waren nicht zwingend nötig.

England schon aufgrund Geographie als Inselstaat ist. Sie hatte nicht so einen Druck von Außen gehabt haben, wie es mit Frankreich war. Eine natürliche Hindernis zur Verteidigung nutzten auch die Burgen. Es heißt nicht, dass es nicht überwindbar ist, dennoch schafft ein Vorteil in der Verteidigung. In Expansionbestreben ist es das Gegenteil. Wobei wüssten sie ihren Nachteil zur Vorteil umkehren, wenn sie ihre transatlantische bzw. weltweite Expansion begannen.
Dem Beispiel England hätte Frankreichs König und der Adel folgen können, vielleicht wäre die blutige Revolution dann dort vermieden worden. Dann wäre sie irgendwo anders ausgebrochen, denn einmal mußte es passieren, sonst fehlte uns in der Nachbetrachtung der wichtigste Bezugspunkt. :
Warum hinterfragen wir das, wofür Französen stolz sind?
Ich habe mangelndes geschichtswissen, dennoch "die Ausstrahlung" der französischen Monarchie auf andere fürstliche und königliche Höfe ist sogar mir bekannt, wobei ich denke hier an Gebiete östlich der Frankreichs. Wie war es z.B. in Spanien weiß ich nicht. Ich meine die Mode, die Ideen, die Sprache, mit der auf vielen europäischen Höfen gesprochen war - nicht nur französischem. Es bedeutet, dass französische Hof nicht nur als ein Zentrum der Frankreichs angesehen muss. Er war ein Vorbild für anderen. In dem Sinne war es auch kulturelle Zentrum Europas.

Man muss auch nicht vergessen, dass Frankreich hat Voltair und Rousseu hervorgebracht, die Titanen der Aufklärung. Man könnte auch fragen, könnte sie wo anders geboren werden und zu dem werden, wer sie geworden sind? Wohl kaum. Uns gestaltet die Umwelt. Und diese Umwelt in Frankreich war eben so, dass sie Entwicklung die Ideen begünstigte.
Katarina Ke
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Seit Ludwig XIV. galt der Hof von Versailles vielen Fürsten als Vorbild. In Spanien regierte im 18. Jahrhundert eine Nebenlinie der Bourbonen. Dort versuchten die Monarchen mit einem gewissen Erfolg, das Land im Sinne eines aufgeklärten Absolutismus zu erneuern. Es gab auch eine 'spanische Aufklärung', aber die war nicht so radikal wie französische.

Meine These (ich bin aber keine gute Kennerin der Epoche) wäre, dass in Frankreich mehrere "Konfliktlinien" oder "Problemfelder" zu einer Krise führten:

1.) Die Staatsfinanzen. Vor allem die Beteiligung am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hatte den Haushalt noch einmal belastet. Die Kreditwürdigkeit des Hofes war erschöpft. Der Hofadel belastete die Finanzen in einer unverhältnismäßigen Art und Weise.

2.) Die ungerechte Verteilung der Steuerlasten. Angeblich zahlten Adel und Klerus keine Steuern. Der 'Dritte Stand', das heißt 96 % der Franzosen, mussten Steuern zahlen. Allerdings waren weder Adel, noch Klerus oder der "Dritte Stand" homogene Gruppen. Beim Adel beispielsweise profitierte in erster Linie der Hofadel von Pensionen und Vergünstigungen. Einge Landadlige lebten wie ihre Bauern und sahen auch so aus.

3.) Im Adel gab es Gruppierungen, die wie das Bürgertum oder Teile des niederen Klerus an Reformen interessiert waren. Im Hochadel - der nicht mit dem Hofadel in jedem Fall gleichzusetzen war - gab es ebenfalls Interesse an Veränderungen und sei es nur, um die Monarchie zu schwächen.

4.) Im Regierungsapparat fehlte schon unter Ludwig XV. (1715 bis 1774) ein klares Konzept. Man versuchte hier und dort an den Stellschrauben des Systems zu drehen, aber die Widerstände schienen zu groß. Vor allem der Adel verteidigte seine Privilegien.

5.) Eine aufklärerisch orientierte Öffentlichkeit entstand, die die Ideen der Philosophen unterstützte. Der Leiter der Zensur unter Ludwig XV., Chrétien-Guillaume de Lamoignon de Malesherbes, sympathisierte mit den Ideen der Aufklärung. (Aber auch für ihn stand eine Reform der Monarchie im Vordergrund. Malesherbes verteidigte Ludwig XVI. 1793 vor dem Konvent und starb im April 1794 unter dem Fallbeil.) Die Popularisierung dieser Ideen in der Bevölkerung verlieh der Aufklärung eine ungeahnte politische Stoßkraft.

6.) Wenn der König die Staatsfinanzen - er hatte de facto seit 1614 die Steuerhoheit - nicht alleine sanieren konnte, benötigte er Verbündete. Die Mehrheit der Stände wäre wohl auf seiner Seite gewesen, wenn er im Mai 1789 ein schlüssiges Konzept präsentiert hätte. Aber schon bald wirkte er wie ein Getriebener. Die Ständeversammlung eröffnete er mit einer Verspätung von drei Stunden. Als sich die Stände im Juli 1789 zu Repräsentanten der Nation erklärten, sah er ebenfalls zu. Ludwig hätte sich an die Spitze der gemäßigten Mehrheit setzen müssen.

Einige Teilnehmer wiesen hier ja schon auf die spezielle Mentalität der Franzosen hin. Ich bin da nicht so bewandert, sondern kann mich nur daran erinnern, dass ich an der Uni hörte, eine nennenswerte Proteststimmung hätte es vor allem in den großen Städten gegeben. Die Unzufriedenheit der Bauern war - regional unterschiedlich - sehr groß. Aber viele Bauern schlossen sich auch schon 1793 der Gegenrevolution an.

Vielleicht am Schluss noch ein scheinbar lapidarer Grund: das Wetter. Gab es nicht in den Jahren vor 1789 schlechte Ernten? War nicht der Winter 1788/89 sehr hart? (Ich sehe gerade, dieser Punkt ist schon thematisiert worden).
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dieter
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Gontscharow hat geschrieben:Ein reformunwilliger Adel, ein schwacher König, unzufriedene Bürger und Bauern ....
In Deutschland führen solche Mißstände in den meisten Fällen nicht zur Revolution,
in Frankreich schon. Das ist auch eine Frage des Temperaments, das in unseren beiden Ländern unterschiedlich ausgeprägt ist, wie man heute noch regelmäßig
sehen kann, wenn es zu Streiks und Demonstrationen kommt. In D meist friedlich und diszipliniert, in Frankreich krawallig.
Nie im Leben würde in D ein Manager oder Unternehmenschef von seinen Mitarbeitern in seinem Büro eingesperrt und mit
Handschellen an die Heizung gekettet, mit einem Streikposten als Aufpasser davor.
Letztendlich scheint der eher biedere Charakter des deutschen Volkes aber in vielerlei Hinsicht erfolgreicher zu sein als das Revoluzzertum der Franzosen.
Lieber Gontscharow,
ein Hoch auf das deutsche Volk. :roll: Das hat uns aber nicht Hitler erspart. Die Bevölkerung in Deutschland war froh, dass ein sogenannter "Starker Mann" da war, der das alles für sie regelte, mit dem Ergebnis sechs Millionen ermordeter Juden und insgesamt über hundert Millionen getöteter Menschen. :evil: :twisted: Dann lieber Krawall machen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Aneri

Ich habe ein Parr Fragen neben Bemerkungen:
Katarina Ke hat geschrieben:Der Hofadel belastete die Finanzen in einer unverhältnismäßigen Art und Weise.

Was heißt "unverhältnismäßig"? Verhältnismäßig kann nur im Vergleich mit anderen Höfen sehen. Dennoch ein König, der anderen als Vorbild dient, kann nicht an den anderen sich orientieren. Die "Unverhältnismäßigkeit" hat aus den Sitten, die auf dem Hof seit langem sich etabliert haben, sich entwickelt müssten. Die Beziehungen König- Adel sind daran schuld.
Wenn ich richtig erinnere, musste Hofadel als eine Art Geisel dienen. Es wäre gerade merkwürdig, wenn sie dann ihre Situation nicht für sich ausnutzten.
Angeblich zahlten Adel und Klerus keine Steuern. Der 'Dritte Stand', das heißt 96 % der Franzosen, mussten Steuern zahlen. Allerdings waren weder Adel, noch Klerus oder der "Dritte Stand" homogene Gruppen.

Die Steuern war doch anders organisiert als jetzt, oder? M. Wissens müsste "dritte" Stand erst Steuern an Adel, der seinerseits an König. Oder floss das Geld erst zum König und dann wurde an Adlige verteilt? Oder war schon zwei Steuern: an König und Adligen - Landbesitzer?

Wir beobachten Situation aus unserer Perspektive. Man sollte sich in die Monarchen hineinsetzen, in Ihren Verständnis der Welt, der gesellschaftlichen Beziehungen. Sie waren von Gott berufen (also sich so fühlten und dachten) dieses Land zu regieren. Sie sahen in Vergangenheit, um sich herum und keine andere Regierungsform gesehen haben, die ihre in Frage gestellt werden könnte. Das Volk war von Natur dumm, der eine Führung brauchte. (Im Grunde, die Menschen, die zur heutige Zeit die bestimmten Ethnien angeborene Rückständigkeit im Intellekt behaupten, gehen den gleichen logischen Schlüssen nach.) Es gab die Zeit, wenn ganz andere Werte und die Weltverständnis galten. Denken nur an Verbissenheit die Ehre zu verteidigen. Man lieber stirbt als irgrendwelche äußerliche Bemerkungen durchlässt. Auch diese Sitte kam aus Frankreich, oder?

Jetzt stellen wie uns vor einen Monarchen, der bis zum Hals in seinen Überzeugungen über das Sinn der Monarchie stand.
der Monarch, der möglicheweise auch die Notwendigkeit der Reformen sah. Dennoch müsste die Reformen nicht das Fundament auf dem er steht, beruhen. Es wurde doch schlicht Selbstmord bedeuten, wie ein sich aufhängender den Stuhl unter sich wegschubst. Für die allmähliche Umbau reichte nicht die Zeit. Die Grenze der Geduld der Massen war schon überschritten. Sie war früher nicht erkannt, durch objektiv gegebene Ignoranz der Adligen. Das wachsende Absolutismus bzw. Zentralismus des Königshofes die Situation nur verschärfte.

Gerade durch zentralistische Tendenzen, die französisches Hof aufblühen lies, war gesellschaftliche Polarisierung zu der Extreme getrieben, wie in keinem anderem Land. Die zentrale Position in Europa unterstützte diese Zentralisierung, weil davon König profitiert hat. So passiert: oben wollten noch nicht, unten könnten nicht mehr. Daher kein Wunder, dass die Revolution gerade Frankreich erschüttert hat.

Viel interessanter finde ich die Frage, was wäre, wenn französische Revolution nicht stattgefunden hatte. Sie hatte ungeheure die Entwicklung beschleunigt. In welchem Zeitalter würden wir jetzt noch gefangen, wenn dieser Revolution nicht gäbe?
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