Indianer in Amerika - Völkermord oder blosse Verdrängung?

Vasco da Gama, Kolumbus, Pioniere, die Vermessung der Welt

Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Hier eine Überleitung aus diesem Thread:

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =17&t=4964
Cherusker hat geschrieben:
dieter hat geschrieben: Lieber Cherusker,
auch ein wirklicher Blödsinn kann meine Zahlen nicht widerlegen, meinst Du tatsächlich, die Indianer haben sich alle gegenseitig umgebracht, damit von 110 Millionen nur 10 Millionen übrig geblieben sind :?: :evil: :twisted:
Noch einen Kommentar dazu: Aufgrund der Berücksichtigung von ökologischen Aspekten und lokalen Besonderheiten geht die heutige Forschung davon aus, daß es im Jahre 1500 in Nordamerika schätzungsweise 2,8-5,7 Mio. Indianer gegeben hat. :wink: Wie Du auf die Zahlen von 110Mio. gekommen bist, das ist ein weiteres großes Rätsel.....selbst hochgegriffene Zahlen, die von 18Mio. ausgehen, wovon viele Indianer vor der Begegnung mit Weißen gestorben sind, kommen nicht an die Zahl von 100 Mio. heran. :eh:
Wenn man bedenkt, daß sich die Zahl der europäischstämmigen Bevölkerung bis 1770 auf ca. 2,2Mio. erhöhte, sind die Zahlen der Indianer über 100 Mio. einfach realitätsfremd.
Das soll jetzt nicht die Vernichtung vieler Indianer rechtfertigen, aber soviele wie Du hier äußerst waren es nicht.

P.S.
Und ich bin nicht für die Taten der Vorfahren, egal ob Hitler, Kaiser oder Germanen verantwortlich. :mrgreen:
Wurden die Indianer ausgerottet oder nur verdrängt. Evtl ist auch dieser Thread weiter aufzuteilen in Epochen und Regionen. Aber das kann man später je nach Situation machen.
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dieter
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Ich hatte von den Indianern in Amerika und nicht in Nordamerika geschrieben. Für ganz Amerika stimmen diese Zahlen. :wink:
Die Verträge der US-Regierung mit den Indianern in den USA wurden von der US-Regierung mehrfach gebrochen. Ich erinnere nur an die Cherokee, die sogar ein eigenes Alphabet entwickelt hatten und die aufgrund des US-Präsidenten Jackson mit vier weiteren Stämmen sich auf einen Marsch jenseits des Missisippi begeben mußten. Auf diesen Marsch sind über die Hälfte der Indianer gestorben. :evil: :twisted:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Lia

@ Dieter und Chrusker:
Wäret Ihr vielleicht so korrekt, die Quellen für Eure Zahlen anzugeben?
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Gontscharow
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Es fällt auf, daß der indianische Bevölkerungsantgeil in den verschiedenen Staaten des amerikanischen Kontinents stark
unterschiedlich ist. Ein sehr hoher Anteil beispielsweise in Peru und Bolivien, marginal dagegen in den USA oder
Argentinien.
Natürlich kann man hier Zahlen zitieren, diese sind aber nur annähernd genau, weil es in diesen Ländern jedem
selbst überlassen bleibt, zu welcher Volksgruppe er sich zugehörig fühlt. In Argentinien wurden jahrzehntelang sehr
niedrige Zahlen für "Indianer" oder "Mestize" verzeichnet, weil es Diskriminierung dieser Volksgruppen gab.
So deklarierte sich mancher Mestize nicht als solcher und mancher Indianer als Mestize.
Man kann schwer das Urteil "Völkermord" verhängen, denn das hätte einen Plan vorausgesetzt. Aber man kann einige
Quellen finden, die bestätigen, daß es manchen weißen Siedlern mehr als Recht war, wenn die indianische Urbevölkerung
beispielsweise durch aus Europa eingeschleppte Infektionskrankeiten zugrunde ging. Das wurde beispielsweise in der Frühzeit der Kolonisierung von den Puritanern und anderen Gruppen, die aus hauptsächlich religiösen Motiven Europa verliessen, als göttliche Fügung gesehen.
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Orianne
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Völkermord war es sicher anfangs nicht, aber man versuchte die Indianer zu versklaven, merkte dann aber rasch, dass sie sich nicht für die Arbeiten wie in Bergwerke schuften, oder auf Zuckerrohrplantagen eigneten, man griff daher auf Schwarze aus Afrika zurück. Man liess Schiffe umbauen, ladete Kolonialgüter in Amerika für Europa, danach ging es nach Afrika um dort die "Menschenladung" aufzunehmen, und dann zurück nach Amerika, die Clearingstelle für den Sklavenhandel befand sich übrigens in Basel, damals der Bankenplatz der Schweiz. Warum dieses Banken nie auf Schadenersatz verklagt wurden ist mir ein Rätsel, vermutlich haben die Schwarzen keine Lobby.

Indianer wurden zum Beispiel in Kanada bis 1988 als staatliche Mündel angesehen, man nahm den Eltern ihre Kinder weg, und steckte sie in Heime. Dort wurden sie christlich erzogen und "zivilisiert". Diese Dinge erinnern mich an die Fahrenden und an die Verdingkinder in der Schweiz, hier wurde das durch die Jugendorganisation Pro Juventute bis ca. 1973 durchgeführt. Viele junge Frauen kamen in psychiatrische Anstalten oder gleich ins Gefängnis, ohne dass sie jemals das Gesetz gebrochen hatten.
Das ist eines der schwärzesten Kapitel der Schweizer Geschichte.

Dazu hier ein Link:

http://www.wiedergutmachung.ch/was-gesc ... ingkinder/

Zu den Verdingkindern der Schweiz habe ich einen Thread eröffnet:

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 966#p47966
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General William Tecumseh Sherman
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Lia

Ob eine weitgehende Übereinstimmung und der Vorsatz bestand, die gesamte indianische Bevölkerung auszurotten, ist mir nicht bekannt.
Die grenzenlose, rassistische Verachtung, die die allerchristlichen weißen Siedler gegenüber jeglicher indigenen Bevölkerung hatte, nahm es billigend in Kauf, wenn Aborigens, Indianer, Inuit in ihrer Zahl dezimiert wurden. Die übrig blieben, wurden als Menschen zweiter Klasse behandelt, ob in den USA, Australien oder den aktischen Gebieten.
Bloße Verdrängung mit allen Mitteln? Macht das den Umgang mit den Indianern während der Besiedlung Amerikas besser?
Man- oder sage wir, viele Siedler und die Administration nahmen in Kauf, dass die indigene Bevölkerng aussterben könnte oder "nur" irgendwo vegetierte, ja. Organisierter Genozid? Staatsziel?
So allerübelst das Vorgehen der angeblich überlegenen weißen Rasse christlicher Prägung war und ist:
Genizid: Nein.
Aber doch gern als Rechtfertigungs- und Totschlagsargument gegen die USA gebracht, um womöglich von eigenem nationalem Versagen abzulenken und zu relativieren.
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Marek1964
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Orianne hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:
und warum sind die Afrikaner nicht vom Aussterben bedroht aber die Indianer schon :?: Engländer, Franzosen, Portugiesen und Spanier waren die Vorläufer der heutigen Nordamerikaner oder Lateinamerikaner. :wink:
Das ist relativ einfach zu beantworten, die Frauen in Afrika gebären mehr Kinder. Stämme in denen eine Frau 8 - 15 Kinder auf die Welt bringt sind keine Seltenheit, wenn nur 3 davon überleben ist ein Aussterben nicht möglich. Dieses Denken kann man getrost auch auf Europa früher übertragen. Aber das ist so ein weites Themengebiet, es würde sicher fast das ganze Forum füllen.

Es gibt ein interessantes Buch des leider 2005 verstorbenen Ethnologen Georg Elwert, das er zusammen mit Thomas Bierschenk schrieb: Entwicklungshilfe und ihre Folgen: Ergebnisse empirischer Untersuchungen in Afrika.
dieter hat geschrieben: haben die Indianerfrauen weniger Kinder geboren als die Afrikanischen Frauen :?:
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Marek1964
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Lia hat geschrieben: Bloße Verdrängung mit allen Mitteln? Macht das den Umgang mit den Indianern während der Besiedlung Amerikas besser?
Du hast die Frage im Thread selbst beantwortet: Es war kein Völkermord, aber eine Entzieheung der Lebensgrundlagen mit verschiedenen Mitteln.

Wie das zu werten ist - ist natürlich jedem einzelnen überlassen. Aber der Unterschied zum Völkermord a ala Holocaust ist doch für meisten wohl offensichtlich.
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben:
Lia hat geschrieben: Bloße Verdrängung mit allen Mitteln? Macht das den Umgang mit den Indianern während der Besiedlung Amerikas besser?
Du hast die Frage im Thread selbst beantwortet: Es war kein Völkermord, aber eine Entzieheung der Lebensgrundlagen mit verschiedenen Mitteln.

Wie das zu werten ist - ist natürlich jedem einzelnen überlassen. Aber der Unterschied zum Völkermord a ala Holocaust ist doch für meisten wohl offensichtlich.
Lieber Marek,
ein Holocaust gab es noch nicht, dass blieb den Nazis überlassen, konnte in dieser Vollständigkeit auch nicht passieren. Aber das Land wurde den Indianern geraubt oder mit Verträgen an die sich die Weißen nicht gehalten haben, abgeschwindelt. :evil: :twisted:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Lia

Dennoch, bei aller Grausamkeit im Umgang mit indigener Bevölkerung, ist der Begriff Genocid dennoch nicht passend, ganz ohne den Holocaust zu zitieren und/ oder diesen als Maßstab zu nehmen.
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Barbarossa
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Warum muss man denn unbedingt den Holocaust bzw. Shoa als Maßstab nehmen?
Wie sieht es denn mit anderen von Europa anerkannten Genoziden aus - z. B. mit dem Genozid der Osmanen an den Armeniern?
So als Vergleich...
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Lia

Barbarossa hat geschrieben:Wie sieht es denn mit anderen von Europa anerkannten Genoziden aus - z. B. mit dem Genozid der Osmanen an den Armeniern?
So als Vergleich...
Gute Frage, und weil ich mir selber nicht so recht darüber klar wurde, warum ich den Umgang mit den Indianern nicht unter Völkermord verbuch(t)e, habe ich noch mal versucht mich, zu belesen.
Tatsächlich zählt das Vorgehen der Kolonialstaaten gegen die Indianer zu Völkermord. Kommt darauf an, wo man liest, ob, und wenn überhaupt, die Indianer als Opfer des Genozids genannt werden.
http://www.voelkermordkonvention.de/voe ... tion-9158/
http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord
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Orianne
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Stalin betrieb auch Völkermord an den Ukrainern mit dem Holodomor. Den Indianern in Nordamerika wurde auch die Lebensgrundlage entzogen, man schoss die Büffelherden nieder fast bis zur Ausrottung. Zuerst gab man aber den Indianern zum Teil ausgediente Miltärgewehre, mit denen schossen sie zu viele Bisons, vorher war es nicht so, später als dann immer mehr Einwanderer kamen, wurden die Tiere systematisch getötet.

Der Vollstrecker der Regierung in Washington war der ehemalige Sezessionskriegsgeneral Philipp Sheridan, der penibel sein Handwerk betrieb. Ihn hätte man problemlos als Schreibtischtäter vor ein internationales Gericht stellen können.

Hier der Thread oder vielmehr die Bio über General Philipp Sheridan - Der Vollstrecker

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =62&t=4222
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Lia

Also doch Völkermord an den Indianern.

Die Kriterien sind klar definiert und treffen die USA zu. Nur mit doch sehr subtileren Mitteln, jedenfalls teilweise.
Sheridan hatte ich als Namen während des Sezessionskrieges zwar im Kopf, aber nicht im Zsammenhang mit den Vernichtungsmaßnahmen gegen die Indianer.
Ja, ich gebe zu, Orianne, dass ich nicht jeden Deiner formidablen Beiträge studiere, Amerika ist nicht so mein Interesse, und da ich meiner Arroganz glaubte, mein Wissen um Sheridan sei ausreichend, entgingen mir Deine präzisen Informationen. :oops:
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dieter
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Orianne hat geschrieben:Stalin betrieb auch Völkermord an den Ukrainern mit dem Holodomor. Den Indianern in Nordamerika wurde auch die Lebensgrundlage entzogen, man schoss die Büffelherden nieder fast bis zur Ausrottung. Zuerst gab man aber den Indianern zum Teil ausgediente Miltärgewehre, mit denen schossen sie zu viele Bisons, vorher war es nicht so, später als dann immer mehr Einwanderer kamen, wurden die Tiere systematisch getötet.

Der Vollstrecker der Regierung in Washington war der ehemalige Sezessionskriegsgeneral Philipp Sheridan, der penibel sein Handwerk betrieb. Ihn hätte man problemlos als Schreibtischtäter vor ein internationales Gericht stellen können.

Hier der Thread oder vielmehr die Bio über General Philipp Sheridan - Der Vollstrecker

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =62&t=4222
Liebe Orianne,
wenn man den Indianern durch das Ausrotten der Büffel die Lebensgrundlage nahm, kommt das schon einen Völkermord nahe. :roll:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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