Spanien – von der Weltmacht zum Entwicklungsland

Vasco da Gama, Kolumbus, Pioniere, die Vermessung der Welt

Moderator: Barbarossa

Wallenstein

Im 16. Jahrhundert schien Spanien eine Supermacht zu sein. Das Land besaß nicht nur ein großes Imperium in Amerika, sondern auch in Europa. Karl V, seit 1516 spanischer König, wurde auch deutscher Kaiser, Herrscher der Niederlande, von Neapel und Sizilien und einer Reihe weiterer Länder.

Doch beides erwies sich später als verhängnisvoll. Das amerikanische Imperium führte zu wirtschaftlicher Rückständigkeit, das europäische Imperium war nur ein loses Gebilde, welches gegen immer neue Allianzen verteidigt werden musste und schließlich nach endlosen, kostspieligen Kriegen unterging und Spanien ruinierte.

Durch die Reconquista hatte sich von Kastilien ausgehend ein starker bürokratischer Zentralstaat herausgebildet, ein Fortschritt gegenüber der feudalen Anarchie. Doch er wurde getragen vom Hochadel, der Krone und dem Klerus. Während später in Frankreich und England der Absolutismus das Bürgertum förderte, entwickelte der spanische Absolutismus eine ausgesprochen antibürgerliche, fortschrittsfeindliche Haltung. Durch die Vertreibung der Mauren und Juden beseitigte man alle Elemente eines möglichen Frühkapitalismus, der Aufstand der Communeros 1519 beendete die Städtefreiheit und schaltete das spanische Bürgertum aus.

Die Macht der Kronbürokratie beruhte auf dem großen Grundeigentum, das sich im Laufe der Rückeroberung herausgebildet hatte und die Bauern und den niederen Adel ruinierte. Ökonomische Grundlage stellte die Viehzucht dar, die Zucht von Merino Schafen, deren Wolle von der Mesta (Vereinigung von Hochadel und Krone) verkauft und nach Flandern transportiert wurde. Millionen von Schafe wurden jedes Jahr durch Spanien getrieben, verwüsteten dabei Ackerland und jeder freie Flecken wurde in Weideland umgewandelt. Spanien wurde zum Getreideimporteur und Rohstofflieferant.

Die Eroberung der Kolonien erfolgte durch den heruntergekommenen niederen Adel, den Hidalgos, die keine Perspektive mehr in Spanien hatten. Es entstand ein primitives, auf Raub und Plünderung bestehendes Kolonialsystem mit verhängnisvollen Folgen:

1.) Der riesige Zustrom von Gold und Silber ließ die Preise explodieren. Damit wurde jede einheimische Produktion zu teuer und die Reste der spanischen Wirtschaft endgültig konkurrenzunfähig. Mit dem Gold und Silber importierte man nun Fertigprodukte. Neun Zehntel aller Güter kamen aus den Niederlanden, Italien und England. Diese Produkte wurden teilweise an die Kolonien weiterverkauft. An dem Zwischenhandel verdiente die Krone. Um den Absatz nicht zu gefährden, verbot man den Kolonien, selber ein Gewerbe zu entwickeln und verdammte damit auch Lateinamerika zur Unterentwicklung.

2.) Die Vernichtung der Landwirtschaft durch die Mesta und das Gold aus den Kolonien ließen jede einheimische Wirtschaftsform ersticken. Im 16. Jahrhundert hatte scheinbar Spanien schon eine moderne Gesellschaftsstruktur, nur noch 1/3 der Bewohner lebten von der Landwirtschaft, der Rest bildete den „tertiären“ Sektor, ein riesiger unproduktiver und parasitärer Bereich in den Städten, der von Zuwendungen des Staates und der Reichen lebte.

3.) In England verwandelte sich die Gentry in eine Klasse von Agrarkapitalisten. Ihr Pendent in Spanien, die Hidalgos, besaßen aber kaum Land und vor allem verbot ihnen ihr Standesdünkel jede Art von Arbeit. Allenfalls kam der Kriegsdienst in Frage, doch als das europäische Imperium zerfiel, gab es auch hier nichts mehr zu tun. Die Klasse der Hidalgos war zahlenmäßig sehr stark, die meisten männlichen Spanier zählten sich dazu, doch sie bildeten ein Totgewicht in der Gesellschaft.

Diese verhängnisvolle Kombination: Das amerikanische Imperium, welches jeden gewerblichen wirtschaftlichen Fortschritt verhinderte, die Mesta, die die Landwirtschaft verwüstete und Spanien in eine Rohstoffkolonie verwandelte und der vergebliche Versuch, Europa zu beherrschen, führte langfristig zum völligen Niedergang.
Aneri

Was können wir daraus lernen?
- Jede Macht ist vergänglich.
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