Geschichte der Awaren

Die Mongolen herrschten unter ihren Khans über ein riesiges Weltreich.

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Wer sich für die Geschichte der Awaren interessiert, dem kann ich folgendes Buch empfehlen:

Walter Pohl, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567 - 822 n. Chr., München 2002, Verlag C.H. Beck


Entgegen meiner anfänglichen Einschätzung ist es stellenweise doch etwas mühselig zu lesen. Das liegt daran, dass sich Pohl nicht entscheiden konnte, ob er nun ein streng wissenschaftliches Werk oder eher ein populärwissenschaftliches schreiben wollte. Meist herrscht ein ausgesprochen trockener und leseunfreundlicher Ton vor, ganz im Gegensatz z.B. zu Peter Heather, der wie viele angloamerikanische Historiker fähig ist, wissenschaftliche Betrachtungen mit einem lesefreundlichen Stil zu verbinden. http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_J._Heather

Inhaltlich gibt's wenig auszusetzen, denn Pohl geht nahezu jeder Frage nach, analysiert die politische und gesellschaftliche Struktur des Awarenreichs, über die allerdings wenige Quellen vorliegen. Neben gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten wird der politischen Ereignisgeschichte breiter Raum zugemessen, wobei Aktionen und Reaktionen der Staaten, die dem Awarenreich benachbart waren, nicht zu kurz kommen. Das bezieht sich vor allem auf Byzanz, Baiern, das Frankenreich sowie die zur Zeit der Awaren einwandernden Bulgaren und Slawen und die nach Ialien ausweichenden Langobarden. Alle Aussagen werden mit einer Fülle von Primärquellen belegt, es gibt einen riesigen Anmerkungsapparat sowie Verweise zu einer schier unendlichen Flut von Sekundärquellen.

Zu welchen Resümee kommt Pohl?

Die Awaren lagen erheblich weniger im Krieg mit ihren Nachbarn als beispielsweise die Hunnen oder Ungarn. Nach ihrem Eintreffen in Pannonien etwa um 560 hatte Byzanz schwer unter Raubzügen der Awaren zu leiden, jedoch war nach der missglückten Belagerung Konstantinopels im Jahr 626 Schluss damit. Die folgenden rund 170 Jahre ihres Bestehens verhielten sich die Awaren defensiv und hatten Mühe, sich gegenüber den vordringenden Slawen und später Bulgaren zu behaupten. Die meisten Awaren wurden sesshaft (!), ließen vermutlich unterworfene Bauern für sich arbeiten und wurden dabei bequem und weniger gefährlich.

Bemerkenswert, dass es am Ende des Reichs zu keiner Schlacht mehr kam. Karl der Große besetzte nahezu widerstandlos den "Ring" der Awaren, die nahezu spurlos von der Bildfläche verschwinden und wenige Jahrzehnte später nicht mehr in den Quellen auftauchen. Bemerkenswert auch, dass die Awaren ganz anders als die Hunnen aus dem Gedächtnis der Völker verschwanden und von allen Awarenkhaganen im Verlauf von 250 Jahren nur der erste - Baian - überhaupt namentlich überliefert ist. Wie die anderen hießen, ist unbekannt.

Während sich die Ungarn - ebenfalls Steppenreiter - staatlich behaupten konnten, ging das Awarenreich unter. Pohl führt das darauf zurück, dass es den Awaren anders als den Ungarn nicht gelang, sich ins christliche Europa zu integrieren. Sie bauten im entscheidenden Moment keine kirchliche Organisation auf, errichteten keine staatliche Struktur und versäumten es, den Papst und wichtige Mächte Europas von ihrem Willen zu überzeugen, ein friedliches, christliches Land zu werden. Der ungarische Arpadenfürst Stefan ließ sich vom Papst die Krönungsinsignien schicken, was Ungarns Eintritt ins Abendland besiegelte. Diesen Weg gingen die Awaren und ihre Herrscherelite nicht - entweder aus Überzeugung oder aus mangelndem politischen Weitblick. Und so ging das Awarenreich unter.

Wr sich für die Geschichte dieses Volks interessiert, dem kann ich das Buch empfehlen. Eine leichte Lektüre ist es allerdings nicht.
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Nemeth
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Das ist sehr interessant, daß die Awaren den Schritt nach Europa taten aber auf die Dauer es nicht verstanden sich zu etablieren.
Sie konnte sich nur dem fränkischen König total unterwerfen. nach dem Sturz des Awarenreiches konnten sich nur 2 slawische Fürstentümer bilden.

So konnte die "Landnahme" durch die sieben verbündeten ungarischen Stämme erfolgen. Ihr gewählter Fürst war Àrpád der
Führer des Stammes der "Magyaren". Einige der sieben Stämme gingen im Resteuropa auf Plünderungstouren, die lange Zeit erfolgreich waren.
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Dietrich
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Nemeth hat geschrieben:
So konnte die "Landnahme" durch die sieben verbündeten ungarischen Stämme erfolgen. Ihr gewählter Fürst war Àrpád der
Führer des Stammes der "Magyaren". Einige der sieben Stämme gingen im Resteuropa auf Plünderungstouren, die lange Zeit erfolgreich waren.
Anders als die Awarenkhane verstanden es die ungarischen Arpaden, ihr zentralasiatisches Volk in die europäische Staaten des Mittelalters einzugliedern. Wesentlichen Anteil daran hatte die Konversion der Herrscherelite zum Christentum, was den Papst dazu bewog, Ungarn als souveränes Staatsgebilde anzuerkennen. Die Plünderungszüge der Ungarn endeten und aus den Reiternomaden wurden allmählich sesshafte Bauern. Allerdings blieb die althergebrachte Lebensweise noch lange virulent und die innenpolitische Lage war häufig instabil. Auf Dauer jedoch etablierte sich Ungarn in der europäischen Staatenwelt und ist mit seiner finno-ugrischen Sprache ein Solitär inmitten einer indoeuropäischen Umwelt. Es verdient Beachtung, dass es den Ungarn gelang, ihre angestammte Sprache zu bewahren.
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Nemeth
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Um die Geschichte der Awaren genauer zu erläutern und den späteren Schwenk auf die Geschichte Ungarns zu bekommen
bedarf es noch ein paar Sätze , die dieser Zeit vorausgingen.
Das Gebiet des Karpatenbogens wurde nach Attilas Tod von 453, dem der Niedergang des Hunnenreiches folgte , von
germanischen Stämmen beherrscht.
Sich dort niederzulassen war nur die Absicht der Gepiden, sie waren mit den Goten verwandt.Theodorich, der Große 493-526 (ein Ostgote )wurde zwar in Pannonien geboren aber die Ostgoten hatten größeres Interesse an Italien.
Die Gepiden mussten sich ab 508 gegen die Langobarden , die aus Norden kamen, zur Wehr setzten.
Was sie auch , mit Ostrom verbündet, 566 erfolgreich taten.
Doch dann erschienen die Awaren. Langobardenkönig Alboin schloss mit ihnen ein Bündnis gegen die Gepiden.
Die Awaren hatten schon vordem ein Bündnis mit Ostrom abgelehnt.
Die vereinten Heere(Awaren u. Langobarden) schlugen die Gepiden vernichtend, so daß das Karpatenbecken an die Awaren fiel.
Die Awaren selbst waren aus ihrer Urheimat in Zentralasien von Turkvölkern westwärts gedrückt worden. Obwohl sie selbst ein Turkvolk waren.
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Paul
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Nemeth hat geschrieben: Die Awaren selbst waren aus ihrer Urheimat in Zentralasien von Turkvölkern westwärts gedrückt worden. Obwohl sie selbst ein Turkvolk waren.
Wenn die Awaren dasselbe Volk waren wie sie es in Dagestan noch heute sind, dann waren sie kein Turkvolk.
Sie sprechen eine Nordost-Kaukasische Sprache.

http://de.wikipedia.org/wiki/Awaren_(Kaukasus)
viele Grüße

Paul

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Nemeth hat geschrieben: Das Gebiet des Karpatenbogens wurde nach Attilas Tod von 453, dem der Niedergang des Hunnenreiches folgte , von
germanischen Stämmen beherrscht.
Sich dort niederzulassen war nur die Absicht der Gepiden, sie waren mit den Goten verwandt.Theodorich, der Große 493-526 (ein Ostgote )wurde zwar in Pannonien geboren aber die Ostgoten hatten größeres Interesse an Italien.
Die Gepiden mussten sich ab 508 gegen die Langobarden , die aus Norden kamen, zur Wehr setzten.
Was sie auch , mit Ostrom verbündet, 566 erfolgreich taten.
Doch dann erschienen die Awaren. Langobardenkönig Alboin schloss mit ihnen ein Bündnis gegen die Gepiden.
Die Awaren hatten schon vordem ein Bündnis mit Ostrom abgelehnt.
Die vereinten Heere(Awaren u. Langobarden) schlugen die Gepiden vernichtend, so daß das Karpatenbecken an die Awaren fiel.
Im Jahr 568 kommt es zu einewr entscheidenden Veränderung im Karpatenbecken . Es endet hier die 500 bis- 600 jährige Geschichte der Germanen. Die zu beiden Seiten der Donau und Theiß liegenden Awaren werden unter der Führung des großen Kagans ,wie bei den Awaren der Hauptfürst genannt wurde, unter Bajan geeinigt .
http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fkhan
http://wwws.phil.uni-passau.de/histhw/s ... waren.html
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Awaren.html
http://www.manfred-hiebl.de/mittelalter ... waren.html

Die awarische Zeit wird mit den Siegen der Franken 791 bis 802 beendet.
Die Awaren kamen aus Innerasien und sind am ehesten mit den Warchonniten (weißen Hunnen) zu indentifizieren.
"Die awarische Sprache war die Sprache der Awaren, eines aus Zentralasien verdrängten Steppenvolkes, das von der Mitte des 6. bis zum Beginn des 9. Jahrhunderts auch in Ostmitteleuropa als Föderaten der Byzantiner und Langobarden eine wichtige Rolle spielt. Von den Byzantinern wurden sie Hephthaliten oder Warchoniten genannt, von den Chinesen Juan Juan. Ein Teil der Awaren beherrschte für etwa 250 Jahre Pannonien im heutigen Ungarn."
http://de.wikipedia.org/wiki/Awarische_ ... penvolk%29
http://www.imperium-romanum.info/wiki/i ... tle=Awaren
"Gesichert ist auf jeden Fall, dass der Name „Awaren“ nicht die ursprüngliche Bezeichnung dieses steppennomadischen Volkes war.
Dass die „echten“Awaren im Bericht von Theophylakt für die Juan-juan stehen ist relativ unbestritten.
Erschwert wird die Suche nach den Stammesvätern der europäischen Awaren dadurch, dass der Name in der
Steppenzone in verschiedenen Varianten recht verbreitet war.
Zudem scheint es sich um einen sehr alten Namen mit verzweigter Tradition zu handeln.
Dass die Awaren auch Warchoniten hiessen belegt schon Menander mehrmals und Theophylakt ergänzt noch:
…bis in unsere Zeit… (das 7. Jahrhundert) würden die europäischen Awaren …nach den Geschlechtern der
Herrscher unterteilt und die einen in altehrwürdiger Weise War genannt, die anderen als Chunni bezeichnet.
Dass die nach Europa gekommenen Awaren nicht aus einem einzigen Gebiet stammten legen archäologische Befunde nahe.
Bálint verweist auf zentralasiatische und innerasiatische Wurzeln – also Traditionen aus dem ehemaligen Gebiet der
Juan-juan wie der Hephtaliten – sowie Spuren aus dem Kaukasusgebiet. Noch für den zeitgenössischen byzantinischen
Beobachter bis hin zu Theophylakt, war die bruchstückhafte Grundlage der awarischen Ethnogenese sichtbar."
http://awaren.net/?page_id=117
http://gentesdanubius.myblog.de/gentesd ... RCHONITEN-
Paul hat geschrieben:
Nemeth hat geschrieben: Die Awaren selbst waren aus ihrer Urheimat in Zentralasien von Turkvölkern westwärts gedrückt worden. Obwohl sie selbst ein Turkvolk waren.
Wenn die Awaren dasselbe Volk waren wie sie es in Dagestan noch heute sind, dann waren sie kein Turkvolk.
Sie sprechen eine Nordost-Kaukasische Sprache.

http://de.wikipedia.org/wiki/Awaren_(Kaukasus)
" Die Heftaliten stellen den führenden Stamm der aus "warischen" und "Xionischen" Elementen gebildeten Reichsbevölkerung. Das warische Element stammt aus der Nähe des Altais und dürfte überwiegend mongolid gewesen sein. (Czegledy 1954). Nach der Vernichtung des heftalitischen Reiches durch die Türken stießen die Awaren rasch zuerst in das Vorland des Kaukasus, dann in das Karpatenbecken vor. " 1
http://de.wikipedia.org/wiki/Hephthaliten
http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Hephthaliten.html

"Die Awaren dürften die türkische Sprache gesprochen haben und mit den Protobulgaren (Wolgabulgaren) verwandt sein, von denen eine pannonoische Gruppe sprachgeschichtlich auch für Ungarn nachgewiesen werden kann (Simonyi 1959),. Die Awaren haben aber sicherlich wie alle anderen asiatischen Reitervölker bei ihren großen Zügen auch Teile vieler anderer ethnischer Gruppen mitgerissen." 1

1 Rassengeschichte der Menschheit 6. Lieferung Europa IV.: Ungarn ,Rumänien ,Juguslawien ,Albanien ,Griechenland
R. Oldenburg Verlag München Wien 1975
Dietrich
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Paul hat geschrieben: Wenn die Awaren dasselbe Volk waren wie sie es in Dagestan noch heute sind, dann waren sie kein Turkvolk.
Sie sprechen eine Nordost-Kaukasische Sprache.
Auch wenn wir vieles über die Awaren nicht wissen, so ist ihre Herkunft aus Zentralasien ziemlich unbestritten und eine Identität mit dem nomadischen Reitervolk der Juan-Juan wahrscheinlich, das in den Steppen im Norden Chinas lebte. Auf der Basis des spärlich überlieferten Sprachmaterials kann nur vermutet werden, dass das Awarische eine türkische Sprache war.

Die Kaukasus-Awaren hingegen sind ein sesshaftes Bauernvolk mit einer NO-kaukasischen Sprache. Es ist somit höchst unwahrscheinlich, dass sie ein Ableger der Steppenawaren sind, die weder geografisch noch sprachlich mit ihnen übereinstimmen. Vermuten kann man eine Namensähnlichkeit, wie das auch bei den Balkan-Albanern und den Kaukasus-Albanern der Fall ist.
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