Osmanen und Türken - "Erben" von Byzanz?

Die Geschichte des Islam

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Es ist die Frage aufgetaucht, ob das Osmanische Reich und später sogar die Türkei "Erbe" von Byzanz waren. Das kann man sowohl verneinen als auch bejahen, wofür es Argumente und Gegenargumente gibt.

Das Oströmische Reich, das Historiker ab dem Tod Justinians "Byzanz" nennen (obwohl es sich selbst nie so nannte), war eindeutig griechisch geprägt. Das drückt sich schon in der Sprache aus, denn während Westrom lateinisch sprach, war im Bereich Ostrom/Byzanz das Griechische als Reichssprache dominierend. Auch kulturell blieb im Reich der "Rhomäer" die griechisch-hellenistische Komponente ungleich länger und stärker ausgeprägt als im Westen und die Menschen des Mittelalters sprachen von den "Griechen", wenn sie Byzanz und Byzantiner meinten. Zu all dem passt gut, dass sich das heutige Griechenland in der Tradition des Byzantinischen Reichs sieht - kulturell und religiös!

Insofern war das Osmanische Reich also kein "Erbe" des Byzantinischen Reichs, denn alle Traditionslinien hinsichtlich Kultur, Architektur, Religion, Literatur und Musik waren der islamischen Kultur der Osmanen entgegengesetzt. Das religiöse Fundament von Byzanz in Verbindung mit Ikonen von Heiligen und bildhafter Mosaikkunst empfanden die Muslime sogar als Gotteslästerung. Ich würde also - falls man das überhaupt so sagen kann - eine Traditionslinie vom untergegangenen Byzanz zu Griechenland ziehen, das viel eher als "Erbe" zu betrachten ist.

Erben in ethnischer Hinsicht sind ernsthaft nicht auszumachen. Das byzantinische Kerngebiet war lange Zeit der Balkan, Kleinasien und Vorderasien und durch dieses Gebiet sind jahrtausendelang zahllose Ethnien bzw. Völkerscharen hin- und hergezogen, die sich wie in einer großen Völkermühle vermischt und vermengt haben. Es kann also keine Rede davon sein, irgendwelche "ethnische Erben" auszumachen. Man kann höchstens - bei aller Vorsicht - sagen, dass eine Reihe von Kaiserdynastien aus dem Raum Balkan/Griechenland kamen, aber das lässt sich nicht auf die byzantinische Reichsbevölkerung hochrechnen.

Die Türken würde ich übrigens keinesfalls als Erben von Byzanz ansprechen. Sie nehmen zwar seit etwa 1350 mit Kleinasien eine geografisch identische Position ein, haben aber geistig-kulturell nichts mit dem christlichen, griechisch-hellenistisch geprägten Byzanz zu schaffen.

Solche Überlegungen könnten nur theoretisch sein, wenn es da nicht den Schatz des Priamos aus Troja gäbe, den Russland Ende des 2.Weltkriegs aus Berlin entführte. Auf ihn erheben neben Deutschland auch Griechenland und die Türkei Anspruch, da sich beide auf eine entsprechende Traditionslinie berufen. Auch hier ist der türkische Anspruch eher schwach untermauert, denn Troja hat zwar mit mykenischen Griechen zu tun, aber von Türken war damals noch keine Rede. Die Türken können also nur für sich ins Feld führen, dass der Schatz auf ihrem Territorium geborgen wurde, das sie freilich erst um 1350 erobert haben.
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Agrippa
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Dietrich hat geschrieben: Solche Überlegungen könnten nur theoretisch sein, wenn es da nicht den Schatz des Priamos aus Troja gäbe, den Russland Ende des 2.Weltkriegs aus Berlin entführte. Auf ihn erheben neben Deutschland auch Griechenland und die Türkei Anspruch, da sich beide auf eine entsprechende Traditionslinie berufen. Auch hier ist der türkische Anspruch eher schwach untermauert, denn Troja hat zwar mit mykenischen Griechen zu tun, aber von Türken war damals noch keine Rede. Die Türken können also nur für sich ins Feld führen, dass der Schatz auf ihrem Territorium geborgen wurde, das sie freilich erst um 1350 erobert haben.
Ich meine,ob ein Kulturgut an sein Ursprungsland, oder dessen "Erben", zurück gegeben werden muss, hängt davon ab, ob es legal erworben oder geraubt wurde.
Die Russen haben den Schatz zweifellos 1945 geraubt. Kriegsentschädigung hin oder her, er ist Diebesgut und muss zurück gegeben werde. Aber an wen?
Schließlich hat auch Schliemann den Schatz den osmanischen Behörden unterschlagen und heimlich nach Athen gebracht.

Er gehört zwar als mykenisches Kulturgut in den griechischen Kontext, wurde allerdings auf türkischem Boden entdeckt. Damit gehört er eindeutig der Türkei. Allerdings ist dieser heute türkische Boden den Byzantinern, heute Griechen, einst geraubt worden.

Also müssten die Türken zuerst dieses Gebiet (die Ionische Küste) an die Griechen zurückgeben und dürften dann den Schatz des Priamos behalten.
(Vorsicht Ironie...)
Spartaner
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Die Türken bzw. Osmanen sind nicht die Erben der Byzantiner, sondern sie haben sie eher beerbt. Religiös lag der Unterschied darin , dass die Türken relativ schnell den islamischen Glauben annahmen und somit nicht friedlich christianisiert werden konnten. Zudem waren sie ein kriegerisches Volk, deren Krieger schon unter den Persern als geschickte Bogenschützen dienten. Eine Feindschaft zu den Byzantiniern bestand nicht nur ethnisch und kulturell, sondern auch religiös. Als Konstantinopel erobert wurden, befanden sich in der letzten Eroberungsphase nur noch 1000 christliche Kämpfer in der Stadt. Die restliche Bevölkerung war zu den Griechen geflohen. Der osmanische Sultan zeigte sich jedoch nachdem er das zerstörte Konstantinopel besichtigt hatte, so beeindruckt von der Stadt, dass er die Stadt als neuen Sutansssitz erkor. Die Hagia Sophia wurde durch Minarette ergänzt und zur neuen grossen Moschee der Osmanen. Viele der byzantinischen Kirchen mit ihren flach gebauten Rundkuppeln wurden in der osamanischen Zeit in Anatolien bzw. auf dem G´gesamten byzantinischen Gebiet weiter benutzt, teils auch lals christliche Kirchen. Erst später wurden eine Vielzahl derer zerstört.
Auch in den Betrafungsmethoden gab es zwischen den Osmanen und Byzantiniern Unterschiede. Die Byzantinier blendeten ihre Gefangenen, die von einem hohem Stand waren des öfteren mit dem Schwert . Die Osmanen enthaupteten eher ihre adligen Gefangenen .
Die Osmanen übenahmen später die Betrafungsmethode der Byzantinier.
"Wegen seines Ansehens entging Kazım Khan der Todesstrafe, wurde aber geblendet. "
http://de.wikipedia.org/wiki/Khanat_Karadach
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben:Die Türken bzw. Osmanen sind nicht die Erben der Byzantiner, sondern sie haben sie eher beerbt.
Damit hast du die Sache auf den Punkt gebracht, denn genau das wollte ich ausdrücken. Es ist wie beim gesetzlichen Erbrecht: Wenn der Erblasser vom Erben erschlagen wird, hat der Erbe sein Erbrecht verwirkt. :(

Allerdings ist das Osmanische Reich niemals ein potentieller Erbe gewesen. Ebenso wenig, wie die Spanier Erben der Inka, Maya und Azteken sind.
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Marek1964
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Interessante Diskusssion, aber ich sage da einfach mal, man muss den Schlussstrich ziehen. Schliemann hat es also den Osmanen unterschlagen, hat es allerdings ja auch ausgegraben. Hätten die das selber gemacht? Hatten da doch andere Sorgen, die kranken Männer am Bosporus. Dann klauten das die Sowjets den Deuschen. Zu letzterem muss allerdings gesagt werden, dass das im Vergleich zu dem, was das Deutschtum von 1941 bis 1944 alles auf deren Gebiet verübten, Peanuts ist.

Ideal man würde die Exponate in einer Art Wanderpokal abwechselnd in allen Ländern zeigen.

Oder man kann das doch sicher im Internet anschauen. Ist sowieso viel billiger und umweltfreundlicher.
Renegat
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Die Diskussion was, wem mit welchem Recht gehört, ist schon mehrfach geführt worden, u.a. bei der Nofretete, die immer noch in Berlin steht. In der Kolonialzeit sind derartig viele Kulturschätze nach Europa verbracht worden, dass es eigentlich einer Grundsatzentscheidung bedarf. Mit den Weltkulturerbestätten hat man die fast schon getroffen. Da die Menschen als mobile Wesen ihren Aufenthaltsort ständig wechseln und die Schaffer der Altertümer nun mal tot sind, gehören für mich die beweglichen Kulturgüter eigentlich an den Fundort, soweit das möglich ist. Der Schatz des Priamos gehört deshalb nach Troja/Hisarlik, das ja gleichzeitig eine hochinteressante Ausgrabungsstätte ist, die jedes Jahr von Tausenden Touristen besucht wird. Neben Mauern und Fundamenten würde der Schatz und andere Funde das Bild gut abrunden.
Viele Museen arbeiten international zusammen, so dass manche Exponate oft auf Wanderschaft gehen. Außerdem kann man so gute Repliken herstellen, die der Laie nicht vom Original unterscheiden kann. Viel schlimmer ist es, wenn Altertümer durch Kriegswirren aus dem Fundzusammenhang gerissen werden und in Privathäusern verschwinden.
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Marek1964
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Hier werden zwei interessante Fragen diskutiert, nämlich ob die Osmanen und Türken Erben von Byzanz sind, und andererseits die Frage, nach Rückgabe von geraubeten oder bei Ausgrabungen der Kolonialzeit nach Europar verbrachten Kulturschätze.

Für letzteres habe ich folgenden Sred eröffnet:

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... f=3&t=4928

bitte diesen Aspekt da weiterdiskutieren.
Spartaner
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Italien kann aufgrund der Stadt Venedig auch als ein Teilerbfolger der Byzantinier gelten. Zahlreiche Schätze aus Konstantinopel wurden ja (vom Papst hinterher verurteilten Kreuzug), nach Venedig verschifft.

http://www.zeit.de/1984/45/der-schatz-von-san-marco
"Am Ende dieses fehlgeleiteten Kreuzzuges, der ursprünglich unter dem Zeichen der Befreiung Jerusalems stand und nun gegen die Christen selbst gerichtet war, nahm der Sieger für die Serenissima, „die schöne Tochter Konstantinopels“, von allem „ein Viertel und ein Halb“, drei Achtel je den Kreuzfahrern und den Venezianern; ein Viertel blieb dem künftigen Kaiser vorbehalten. Profane und liturgische Gerätschaften, Evangelienbücher, Kandelaber – unbesehen hatten sie ihre Trophäen aus Klöstern, Kirchen und Palästen mit Goldmosaiken und Hunderten von ineinandergehenden Zimmern gerissen, Altartische zerstückelt, ja, die Barbaren „führten selbst ihre Maulesel und Packtiere bis zum Allerheiligsten und beladen sie schwer.“ "
"Glas bietet sich in schönster, kostbarster Form: dunkelpurpurfarben mit mythologischen Szenen und Gemmenköpfen, vermutlich ein „kapriziöser Auftrag des Kaisers Konstantin VII. "

http://universal_lexikon.deacademic.com/218596/byzantinische_Kultur%3A_Bewahrung_und_Vermittlung
"So war der Aneignung byzantinischer Kultur vielfach auch ein impliziter Machtanspruch zu Eigen. So schlug sich der Wunsch, die Nachfolge von Konstantinopel anzutreten, sowohl in Venedig, vor allem an San Marco, aber auch im serbischen Herrscherhaus durch die Übernahme byzantinischer Kultur nieder."
ie hellenistisch anmutende Malweise des »Schatzkammer-Evangeliars« zu Aachen findet ihr unmittelbares Pendant in byzantinischen Handschriften, die unter der makedonischen Dynastie im 10. Jahrhundert entstanden. Byzantinische Seidenstoffe erfreuten sich so hoher Wertschätzung, dass sie auseinander getrennt zum Einwickeln von Reliquien verwendet wurden. Im Aachener Karlsschrein fand man einen byzantinischen Seidenstoff mit von Elefanten geschmückten Medaillons."

"Nicht nur in Aachen, sondern vor allem in Italien lässt sich die Rezeption byzantinischer Architektur aufzeigen. Gerade die Errungenschaften der Zentralbauarchitektur, besonders der Kuppelbauten, wiesen der westlichen Architektur einen neuen Weg. Denn die durch Basiliken bestimmte Architektur des Westens hatte hier keine eigenen Lösungen entwickelt. Bis ins 15. Jahrhundert hinein hinterließ das byzantinische Kreuzkuppelsystem seine Spuren, besonders in Venedig. Unzweifelhaft ist die Orientierung an byzantinischer Architektur bei San Marco. Zeitgenössische Quellen verweisen hier auf das Vorbild der in justinianischer Zeit errichteten Apostelkirche in Konstantinopel; bauliche Unterschiede zu dieser nur hypothetisch rekonstruierbaren Kirche machen aber deutlich, dass auch zeitgenössische mittelbyzantinische Kreuzkuppelbauten Pate für San Marco standen."

Die Quadriga auf der Terrasse der Basilika San Marco in Venedig zählt ... die abendländische Kriegsleute 1204 aus Konstantinopel raubten.
http://www.kirchengucker.de/2008/03/12/ ... n-venedig/
" In der Fensteröffnung im Stockwerk über dem Hauptportal steht auf einer Galerie eine Kopie des berühmten Viergespanns aus vergoldeter Bronze. Die vier antiken Pferde-Skulpturen und gelangen 1202 von Konstantinopel nach Venedig."

http://de.wikipedia.org/wiki/Markusdom
"Die enge Verbindung Venedigs mit Byzanz bewirkte, dass die zu den Bauarbeiten herangezogenen Künstler vor allem nach byzantinischen Vorbildern arbeiteten. Vorbild könnte die Apostelkirche in Konstantinopel (536-546) gewesen sein. San Marco....."
"Die 2600 oft antiken Säulen wurden zu großen Teilen bei Eroberungen (z. B. die von Byzanz während des Kreuzzuges 1204) zusammengetragen und in San Marco als Spolien weiterverwendet. Meist erfüllen sie keine tragende Funktion, sondern dienen zur Dekoration und als Symbolträger für die Macht Venedigs; so die Akritanischen Pfeiler vor dem Südportal, die aus der Polyeuktosbasilika stammen.
Nach byzantinischem Vorbild erhielt die Markuskirche 1231–1253 die nördliche Vorhalle[8] (62 m lang, 6 m breit, 7,35 m hoch), die von acht kleineren Kuppeln überwölbt wird."

http://de.wikipedia.org/wiki/Hippodrom_ ... tinopel%29
"Der Rest der bronzenen Schlangensäule ist ebenfalls vor Ort erhalten. Diese Säule war ursprünglich von 31 griechischen Städten zur Erinnerung an die Schlacht von Plataiai direkt vor dem Apollotempel von Delphi aufgestellt worden: Es handelt sich um eine Säule aus drei ineinander verschlungenen Schlangen, deren Köpfe einst einen Dreifuß trugen, ein Symbol des Kultes des Apollo. Konstantin I. ließ das Denkmal vermutlich 330 nach Konstantinopel bringen. Der Dreifuß mit seiner goldenen Schale wurde während des Vierten Kreuzzuges geraubt und ist seitdem verschollen. Die Köpfe der Schlangen wurden abgeschlagen oder sind abgefallen, doch einer von ihnen wurde Mitte des 19. Jahrhunderts an der Stelle des Janitscharen-Zeughauses gefunden. Er ist im Archäologischen Museum Istanbuls ausgestellt.
Bevor der ägyptische Obelisk Konstantinopel erreichte, stand dort schon der aus Steinen aufgemauerte Obelisk. Dieser war ursprünglich mit goldenen Platten verkleidet, die während des Vierten Kreuzzugs ebenfalls gestohlen wurden. Der Steinkern steht als südlichstes Monument auf dem Platz des Hippodroms."

Einiger Bilder befinden byzantinischer Kunst befinden sich teilweise in Venedig oder in der Türkei .
http://de.wikipedia.org/wiki/Hippodrom_ ... tinopel%29
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Die Quadriga auf der Terrasse der Basilika San Marco in Venedig zählt ... die abendländische Kriegsleute 1204 aus Konstantinopel raubten.
Und den venezianischen Räubern wurde die byzantinische Quadriga wiederum von Napoleon geraubt.

Ironie der Geschichte! :mrgreen:
ehemaliger Autor K.

Dietrich hat geschrieben:
Spartaner hat geschrieben: Die Quadriga auf der Terrasse der Basilika San Marco in Venedig zählt ... die abendländische Kriegsleute 1204 aus Konstantinopel raubten.
Und den venezianischen Räubern wurde die byzantinische Quadriga wiederum von Napoleon geraubt.

Ironie der Geschichte! :mrgreen:
Die Quadriga stammt ursprünglich nicht aus Byzanz, sondern aus Rom, wo sie im ersten nachchristlichen Jahrhundert einen Triumphbogen für Kaiser Nero krönte. Konstantin der Große brachte sie später in seine neue Hauptstadt Konstantinopel. Dort haben sie die Venezianer 1204 gestohlen.

Napoleon entführte sie nach Paris, aber nach dem Wiener Kongress 1815 musste Frankreich sie wieder Venedig zurückgeben.

Jetzt befindet sie sich in einem Museum. Auf dem Markusdom steht eine Kopie.
http://de.wikipedia.org/wiki/Markusdom
Spartaner
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Venedig hatte nicht von vorn herein den Plan gefasst, Konstantinopel zu erobern. Aber es kamen mehrere Gründe zusammen.. Zum einen war es der 3. Kreuzzug der den Kreuzrittern und den Venezianern noch im Gedächtnis lag . Hier verweigerte im August 1189 Kaiser Isaak II. Angelos dem deutschen Heer unter Friedrich Barbarossa die Durchreise, obwohl er vorher die Durchreise zugesagt hatte. Die Kreuzfahrer vergolden es den Byzantiniern indem sie zahlreiche byzantinische Städte plünderten bis endlich Byzanz nachgab und den Kreuzrittern bei der Überfahrt ins heilige Land half.
Zum zweiten lebten zahlreiche Einwohner lateinischer Herkunft in Konstantinopel , die als Händler in der byzantinischen Hauptstadt ihre Waren verkauften. Das wiederum erweckte den Neid der byzantinischen Einwohner der Stadt. Nach Ausschreitungen gegen genuesische Kaufleute im Stadtteil Pera wurden die Venzianer beschuldigt, daran Schuld zu sein. Fast alle venezianischen Kaufleute wurden darufhin eingekerkert oder umgebracht. Anschließende diplomatische Bemühungen der Venezianer den Konflikt friedlich beizulegen wurden dadurch zerschlagen, dass der zur Gesandtschaft gehörende Enrico Dandolo von den Byzantiniern geblendet wurde.
"In den folgenden Jahren reiste Dandolo noch zweimal in diplomatischer Mission zu König Wilhelm II. von Sizilien und 1183 nochmals nach Konstantinopel, um mit Kaiser Manuel I. Komnenos über die Wiederherstellung des venezianischen Viertels in der Stadt zu verhandeln. Der Legende zufolge soll Kaiser Manuel I. befohlen haben, den venezianischen Botschafter zu blenden, ......"
http://de.wikipedia.org/wiki/Enrico_Dandolo

Einen Vorwand für den Kreuzzug fand man schließlich durch die rechtmäßigen Erbansprüchen des Alexios IV. von Byzanz.
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexios_IV._%28Byzanz%29
Sein Vater Isaak I. wurde von seinem Bruder Alexios III. vom Thron gestürtzt und anschließend geblendet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_I._%28Byzanz%29

Alexios IV. entkam aus Byzanz und floh zu seinem Schwager Phillipp von Schwaben. Bonifatius I. (Montferrat) wurde auf den in Frankreich einberufenen Konzil der Kreuzfahrer zum Anführer des 4. Kreuzzuges gewählt. Phllipp von Schaben war sein Vetter zu dem sich Alexios von Byzanz geflüchtet hatte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bonifatius ... tferrat%29

"Wendung gegen Byzanz-
Prinz Alexios Angelos, Sohn des gestürzten Isaak II., traf am 20. oder 25. April in Zara ein. Da war die Entscheidung, nach Konstantinopel zu fahren, längst gefallen. Die Idee, den Kreuzzug über Konstantinopel umzulenken, „war älter und stammt von den Kreuzfahrern selbst; er ging auf die Gespräche von Verona und auf Druck Philipps von Schwaben zurück... und die Barone hatten sich beeilt, den Papst darauf aufmerksam zu machen, dass eine derartige Unternehmung die Rückeroberung des Heiligen Landes erleichtern würde.“[5] Von alledem erfuhren die Kreuzfahrer offenbar erst, als sie diese „Botschaft“ im Januar 1203 im Winterlager bei Zara erreichte. Prinz Alexios hatte vergeblich bei Papst Innozenz III. um Hilfe gebeten, war aber erfolgreich bei seinen Schwägern Schwabenkönig Philipp von Hohenstaufen und Marchese Bonifaz des Monferrat, dem Anführer des Kreuzfahrerheeres. Letzterer kam merkwürdig spät bei den Kreuzfahrern an, und zwar nachdem er Alexios IV. bereits zugesagt hatte, dessen Vater mit Hilfe der Kreuzfahrer wieder auf seinen Thron zu verhelfen. Wie schon bei der Eroberung Zaras waren die Meinungen, ob man dieses Angebot annehmen sollte, geteilt. Viele weigerten sich und verließen das Kreuzfahrerheer. Die wichtigsten Anführer, darunter Bonifatius von Montferrat, Ludwig von Blois, Balduin von Flandern und Hennegau sowie Hugo von St. Pol, stimmten jedoch zu."
http://de.wikipedia.org/wiki/Vierter_Kreuzzug
Spartaner
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Nachdem Konstantinopel durch die Kreuzfahrer erobert wurde, wurde die Beute zwischen den Venezianern, den Deutschen und Franzosen aufgeteilt. Noch bis zu sieben Jahre später landeten an den venzianischen Küsten Schiffe deren Schiffsbäuche voll beladen waren mit den Schätzen aus Konstantinopel. Prunkvolle silberne Leuchter wurden aus der Hagia Sophia gestohlen. Unglaubliche Schätze aus Gold und Silber wurden zusammengetragen und landeten, nachdem sie in drei Kirchen gesammelt wurden, letztendlich größtenteils in der Schatzkammer des Dogenpalastes. Als die Franzosen Italien unter Napoleon hunderte Jahre später erobert hatte, zahlte Venedig den Franzosen eine Art Schutzgeld. Sie schmolzen daraufhin zahlreiche Gold- und Silberschätze aus der Schatzkammer des Dogenpalstes ein und übergaben es den Franzosen.

Zahlreiche mit Edelsteinen besetzte Gewänder wurden ebenfalls nach Venedig verbracht und durch venezianische Kaufleute weiter an Herrscherhäuser in ganz Europa verkauft. Diese Gewänder wurden noch jahrelang getragen und beeinflussten so die Mode in Venedig und in einigen Herrscherhäusern Europas.
"Der Kunsteinfluß von Byzanz ging zurück. Dieses bezog sich jedoch nur auf die Stadt selbst und nicht auf die Stilrichtung. Durch das grosse Ausmaß der Kunstschätze, die von Konstantinopel nach Venedig gelangten, lebte und wirkte nämlich der byzantinische, vorder- und mittelasiatische Einfluß in der venezianischen Kunst weiter. Seit dem 13. Jahrhundert lassen sich überall in der abendländischen Kunst byzantinische Stilelemente festzustellen. Kaiser und Könige, Päpste und Bischöfe und andere hochgestellte Personen, trugen fortan Prunkgewänder aus geraubten byzantinischen Seidenstoffen, die mit geraubten Perlen und Edelsteinen verziert waren."

Auch die Osmanen liesen sich von der reichhaltigen Kunst aus Konstsntinopel inspirieren. So lies sich Sultan Mohammed der Konstantinopel im Jahre 1453 eroberte im Jahre 1480 von Gentile Bellini einen Künstler aus Venedig malen.
http://books.google.de/books?id=CJJ8tb4 ... el&f=false
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben: Ideal man würde die Exponate in einer Art Wanderpokal abwechselnd in allen Ländern zeigen.

Oder man kann das doch sicher im Internet anschauen. Ist sowieso viel billiger und umweltfreundlicher.
Lieber Marek,
mit dem Wanderpokal ist eine tolle Idee. Bin sowieso der Meinung, dass diese Exponate egal ob in Kleinasien gefunden oder in Mittel- und Südamerika der Menschheit gehören. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: "Der Kunsteinfluß von Byzanz ging zurück. Dieses bezog sich jedoch nur auf die Stadt selbst und nicht auf die Stilrichtung. Durch das grosse Ausmaß der Kunstschätze, die von Konstantinopel nach Venedig gelangten, lebte und wirkte nämlich der byzantinische, vorder- und mittelasiatische Einfluß in der venezianischen Kunst weiter. Seit dem 13. Jahrhundert lassen sich überall in der abendländischen Kunst byzantinische Stilelemente festzustellen. Kaiser und Könige, Päpste und Bischöfe und andere hochgestellte Personen, trugen fortan Prunkgewänder aus geraubten byzantinischen Seidenstoffen, die mit geraubten Perlen und Edelsteinen verziert waren."
Der byzantinische Einfluss ist in Venedig unübersehbar. Sei es der Markusdom als prunkvollstes Beispiel, der Vorbildern aus der byzantinischen Architektur folgt, seien es zahlreiche Palazzi der Adelsfamilien oder seien es die Tafelmalerei und die Mosaikkunst.

Immerhin war Venedig einige Jahrhunderte byzantinische Kolonie und zählte zum Exarchat Ravenna. Mit dem war es zwar nach der Eroberung durch die Langobarden 751 vorbei, doch blieb Venedig unter nomineller Oberhoheit von Byzanz, von der es sich erst allmählich löste. Darauf ist der byzantinische Einfluss in den Schönen Künsten zurückzuführen und besonders während seines Aufstiegs betrieb die Republik Venedig eine raffinierte Schaukelpolitik zwischen dem römisch-deutschen Kaiserreich, dem Papsttum und Byzanz. Dieses Ausspielen der Gegner entwickelte Venedig zur Meisterschaft und nur so ist auch die lange Dauer seines Staates - der Republik von San Marco - zu erklären: immerhin rund 1300 Jahre!

Der letzte byzantinische Schub erfolgte nach der Eroberung Konstantinopels durch den Vierten Kreuzzug 1204, bei dem Venedig hemmungslos kostbarste byzantinische Kunstschätze raubte. Unter anderem die fantastische Quadriga, die auf dem Markusdom steht (Original heute im Museum).
hjunck
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Das ist mir jetzt auch neu.. Da hat man jetzt auch was dazugelernt..
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