Waren Kreuzzüge "christlich"?

Die Kirche hatte eine machtvolle Stellung im Leben der Menschen des Mittelalters und bestimmte Politik und Gesellschaft auf einzigartige Weise.

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Das 11. und 12. Jh. gilt als Umbruchzeit im Mittelalter. In nahezu allen Bereichen der damaligen Welt vollzogen sich grundlegende Veränderungen. Das gilt für die Gesellschaft, vor allem aber für die Kirche, die damals noch einen ganz anderen Stellenwert im Leben der Menschen hatte, als das heute der Fall ist. Es gab vielfach einen christlichen Glaubensfanatismus, der besonders rasch entflammte, wenn es um Feinde der Christenheit wie den Islam ging.

Dass der Papst zum Kampf aufrief, zeigte, dass sich das Verhältnis der Kirche zum Krieg gewandelt hatte. Die gewaltsame Durchsetzung des christlichen Glaubens gegenüber den islamischen Mauren in Spanien, die Eroberung des ebenfalls muslimischen Siziliens und andere Ereignisse hatten ein allmähliches Umdenken bewirkt. Eine wichtige Grundlage dieser Auffassung war der bellum iustum, d.h. der ethisch gerechtfertigte Krieg, der dem Schutz der Christenheit diente. Die Lehre des Augustinus und spätere Kommentare des Thomas von Aquin boten dafür das nötige moralische Rüstzeug - einmal ganz abgesehen von der ursprünglichen römischen Interpretation des bellum iustum.

Für die Kreuzfahrer konnten verschiedene Gründe ausschlaggebend sein. Das religiöse Motiv war zwar nicht das einzige, das einen Ritter zum Aufbruch ins Heilige Land veranlasste, aber es war ursprünglich wohl das entscheidende. In der damaligen Zeit breitete sich die Gottesfriedensbewegung aus, die dafür sorgte, dass sich die Ritter bei ihren Fehden an gewisse Regeln hielten, die vor allem den Schwachen, den Kirchen und den Geistlichen Schutz bieten sollten. Friedensbrecher mussten verfolgt werden. So kam es zu einer Verchristlichung der Ritter, die nun eine neue Aufgabe suchten und sie im Kreuzzug fanden. Fulcher von Chartres, ein Kreuzzugschronist, fasst diesen Gedanken zusammen indem er sagt, "aus Räubern sollten Soldaten Gottes werden".

Von der Gottgefälligkeit und Gerechtigkeit ihrer Sache waren die Kreuzfahrer ebenso überzeugt wie ihre muslimischen Gegner, die den Dschihad als Gebot Allahs betrachteten, das im Koran verankert war. Dass es daneben auch Kreuzfahrer gab, die aus Abenteuer- und Beutelust, aus wirtschaftlicher Not oder aus Ruhmsucht ins Heilige Land zogen, muss nicht besonders betont werden.
Ruaidhri
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ommt darauf an, aus welchem Blickwinkel- aus heutigem Verständnis des Christentums waren sie das nicht, aus damaliger Zeit vielleicht schon, aber stets mit sehr weltlichen Interessen verknüpft.
Das religiöse Motiv war zwar nicht das einzige, das einen Ritter zum Aufbruch ins Heilige Land veranlasste, aber es war ursprünglich wohl das entscheidende
Das Motiv als die Rechtfertigung für alle anderen Motive, die wohl mehr als nur einige Kreuzfahrer hatten, das ist wertfrei gnz einfach Zeitgeist gewesen.
Der allerchristlichste Papst und jeder noch so christliche König ( bis auf LudwigVII. von Frankreich vielleicht) oder Kaiser hatte neben der christlichen Mission noch ganz andere, höchst weltliche Erwägungen, warum er sein Leben und das seiner Ritter riskierte.

Die Geschichte der Begegnungen zwischen Orient und Okzident enden nicht mit den Kreuzzügen, prägend wie diese war das Auftreten der Kolonialamächte, die, ohne christlichen Zierrat in den Vordergrund zu rücken, der anders bestimmte Kultur mit mehr oder weniger Verachtung begegneten.
Da sich Europa seit dem Mittelalter schrittweise säkularisierte, wurden Konflikte zunehmend mit weltlichen Argumenten ausgetragen. Nicht unterschätzen will ich natürlich die Religionskriege in Frankreich, den dreißigjährigen Krieg und andere Auseinandersetzungen, aber die späteren Kämpfe der absolutistischen Herrscher untereinander oder die Kriege zwischen den Nationalstaaten im 19. und im 20. Jahrhundert wurden in der Regel nicht mehr religiös legitimiert.

Ab dem 16. Jahrhundert begannen die Europäer mit einer weltweiten Expansion und hatten bis zum Ende des 19. Jahrhundert einen großen Teil der Erde politisch unterworfen, neu besiedelt oder beherrschten indirekt größere Gebiete. Die Religion spielte bei diesem Prozess auch eine Rolle, war aber nicht mehr dominierend.
Etwas, das oft übergangen wird. Auch diese Phase der Geschichte europäischer Dominanz hat Spuren hinterlassen, im Nahen Osten und in Afrika. Identifikation über Religion- oder nur über deren Symbole.
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LG Ruaidhri
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Ruaidhri
Die Geschichte der Begegnungen zwischen Orient und Okzident enden nicht mit den Kreuzzügen, prägend wie diese war das Auftreten der Kolonialamächte, die, ohne christlichen Zierrat in den Vordergrund zu rücken, der anders bestimmte Kultur mit mehr oder weniger Verachtung begegneten.

Ich würde sagen, dass diese Periode die islamischen Länder viel stärker geprägt hat als die Kreuzzüge, die ja nun schon lange zurück liegen. Die Kolonialherrschaft hat ganz entscheidend die Struktur der islamischen Länder verändert und Modernisierungsprozesse ausgelöst, die immer noch anhalten. Diese Phase ist in den Köpfen der dort lebenden Menschen auch viel gegenwärtiger, da sie noch nicht lange zurück liegt. An die Kreuzzüge erinnert man sich in diesen Staaten heute gerne, weil damals die Moslems langfristig stärker gewesen waren, aber das ist reine Nostalgie. Die Kreuzritter kamen ja im 20. Jahrhundert in den Nahen Osten zurück in Gestalt englischer und französischer Soldaten, die aber mit dem Christentum nicht mehr viel zu tun hatten. Seit den Tagen der Kreuzritter hatte sich die Gesellschaft in diesem Teil der Erde kaum weiter entwickelt, doch in Europa vollzog sie einen Quantensprung. Die Moslems mussten die Erfahrung machen, dass sie weit zurück gefallen waren.

Die europäische Zivilisation wurde von Teilen der arabischen Elite aufgenommen und nach der Unabhängigkeit versuchten sie, den Westen zu kopieren und ihre Gesellschaften zu modernisieren. Das hat aber bisher nicht so richtig funktioniert. Deshalb flüchten einige gesellschaftliche Gruppen zurück in die gute, alte Zeit mit Hilfe des Islam und beschwören ein angeblich goldenes Zeitalter, in das sie wieder zurückwollen. Aber die Nachfahren der Kreuzritter sind heute weitaus mächtiger als ihre Vorfahren und das man sich nicht anders helfen kann, als sich selbst und harmlose Zivilisten in die Luft zu jagen, ist ein Zeichen von Ohnmacht und Schwäche, aber nicht von Stärke.
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Die Kreuzzüge waren einfach eine Gegenreaktion. Jahrhundertelang dehnte sich der Islam bis nach Europa aus, jetzt war die Zeit gekommen, in den Orient vorzustoßen. Weiterhin bestand die Möglichkeit die vielen kriegslüsternen Adligen mit ihrem Gefolge einem anderen "sinnvolleren" Zweck zu zuführen. Fehden waren an der Tagesordnung, warum sollte die Kirche diese alltägliche Gewalt nicht für ihre Zwecke instrumentalisieren?
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Titus Feuerfuchs
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@Dietrich

Klare Antwort: Nein!

Das Christentum ist eine Religion der Nächsten- und Feindesliebe. Das Töten von Menschen ist strikt untersagt.

Die Kreuzzüge konterkarierten ganz klar die christliche Leere, insbesondere das NT.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Barbarossa
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Die Kreuzzüge waren aber nicht der erste "Sündenfall" sogenannter christlicher Herrscher. Schon der römische Kaiser Konstantin I. verwendete für seine Kriegszüge christliche Symbole - da war er noch gar nicht getauft. Und auch Karl der Große verbreitete das Christentum vornehmlich mit dem Schwert.
Ähnlich wie der Islam ist auch schon das Christentum immer eine missionarische Religion gewesen. Kann es sein, dass sich die Religion für die Machthaber vor diesem Hintergrund für ihre Machtambitionen anbot?

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Titus Feuerfuchs
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Barbarossa hat geschrieben:Die Kreuzzüge waren aber nicht der erste "Sündenfall" sogenannter christlicher Herrscher. Schon der römische Kaiser Konstantin I. verwendete für seine Kriegszüge christliche Symbole - da war er noch gar nicht getauft. Und auch Karl der Große verbreitete das Christentum vornehmlich mit dem Schwert.
Ähnlich wie der Islam ist auch schon das Christentum immer eine missionarische Religion gewesen. Kann es sein, dass sich die Religion für die Machthaber vor diesem Hintergrund für ihre Machtambitionen anbot?

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Man kann wahrscheinlich alle Ideologien, Religionen bzw. Lehren dazu verwenden, den eigenen Machthunger zu stillen. Ich kenne aber keine, die so mißbraucht wurde, wie das Christentum.

Soweit ich das beurteilen kann, geht Papst Franziskus in die richtige Richtung. Er scheint die christliche Lehre auch zu leben.
MfG,
Titus Feuerfuchs
Ruaidhri
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Hat zufällig gestern abend jemand auf phoenix diese hoch interessante Doku-Reihe gesehen?
http://www.phoenix.de/sixcms/detail.php ... =phx_mobil
Berührte in einer Folge auch dieses Thema. Sowohl im muslimischen wie im jüfischen und christlichen Lager kam es nach Zeiten gemeinsamen Wirkens zu neuen Abgrenzungen und Radikalisierungen.
( Ursachen muss ich recherchieren.)
Sinngemäß hieß es an einer Stelle: Mit dem Beginn der Kreuzzüge begann so etwas die Findung einer europäischen Identität als (christliches) Abendland in Abgrenzung zum Orient.
Klingt fast zynisch, wenn man auf die innereuropäische Geschichte blickt, dahinter steht jedoch etwas durchaus Richtiges.
Man kann wahrscheinlich alle Ideologien, Religionen bzw. Lehren dazu verwenden, den eigenen Machthunger zu stillen.
Man kann nicht nur, man hat- und man tut es.
Ich kenne aber keine, die so mißbraucht wurde, wie das Christentum.
Spontan hattest Du meine Zustimmung. Ob das wirklich so ist? :?: Muss nochmal nachdenken....
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LG Ruaidhri
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Barbarossa
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Ruaidhri hat geschrieben:...
Sowohl im muslimischen wie im jüfischen und christlichen Lager kam es nach Zeiten gemeinsamen Wirkens zu neuen Abgrenzungen und Radikalisierungen.
( Ursachen muss ich recherchieren.)
Sinngemäß hieß es an einer Stelle: Mit dem Beginn der Kreuzzüge begann so etwas die Findung einer europäischen Identität als (christliches) Abendland in Abgrenzung zum Orient.
...
Nun ja, zeitlich fällt der erste Kreuzzug beinahe mit der Abspaltung Konstantinopels von der Katholischen Kirche zusammen. Ok, vier Jahrzehnte lagen dazwischen.
Andererseits sollte der Kreuzzug Byzanz militärisch unterstützen, damit das Reich Territorien zurückgewinnen könnte. Letztes Versprechen wurde allerdings mit der Gründung der Kreuzfahrerstaaten gebrochen. Nun könnte man darüber spekulieren, ob das vielleicht von Anfang an auch so geplant war...
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Dietrich
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:
Man kann wahrscheinlich alle Ideologien, Religionen bzw. Lehren dazu verwenden, den eigenen Machthunger zu stillen. Ich kenne aber keine, die so mißbraucht wurde, wie das Christentum.
Der Islam steht dem Christentum in keiner Weise nach. Mohammed motivierte seine muslimischen Anhänger zu einer außerordentlichen Expansion, in deren Verlauf in nur hundert Jahren ein Gebiet erobert wurde, das vom Indus bis zum Atlantik reichte. Staaaten wurden mitleidslos zerstört, gegnerische Heere vernichtet und die Muslime legten sich als Herrenschicht über die besiegten Völker. Antrieb waren die Gebote des Islam, d.h. es war die Religion, die die Muslime zur militärischen Expansion befeuerte.

Wenige Jahrhunderte später waren es erneut Muslime, die das Byzantinische Reich vernichteten, die Staaten Südosteuropas auslöschten und die Bevölkerung dieser Länder für rund 500 Jahre unter osmanische Fremdherrschaft zwangen.

Die christlichen Staaten Europas erlebten seit dem 16. Jh. einen ungeheuren kulturellen und militärischen Aufschwung und unterwarfen in wenigen Jahrhunderten ganze Erdteile. Kolonialismus und Imperialismus gingen Hand in Hand.

Man muss festhalten, dass sich expansive Strömungen im Islam und Christentum in nichts nachstehen. Allerdings war die islamische Expansion in erster Linie religiös motiviert, während der Imperialismus und Kolonialismus des Westens vor allem machtpolitische Wurzeln hatte. Der Bekehrungseifer der Spanier ind Südamerika konnte das nur notdürftig kaschieren.
Ruaidhri
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Allerdings war die islamische Expansion in erster Linie religiös motiviert, während der Imperialismus und Kolonialismus des Westens vor allem machtpolitische Wurzeln hatte. Der Bekehrungseifer der Spanier ind Südamerika konnte das nur notdürftig kaschieren.
Letztlich ist es gleich, was auf dem Etikett steht- die Ergebnisse gleichen sich- die Antriebsfedern für Expansion auch.
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LG Ruaidhri
Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben:
Allerdings war die islamische Expansion in erster Linie religiös motiviert, während der Imperialismus und Kolonialismus des Westens vor allem machtpolitische Wurzeln hatte. Der Bekehrungseifer der Spanier ind Südamerika konnte das nur notdürftig kaschieren.
Letztlich ist es gleich, was auf dem Etikett steht- die Ergebnisse gleichen sich- die Antriebsfedern für Expansion auch.
Wenn in der aktuellen Lage der Islam religiöse Triebkraft des Terrorismus ist, müssen wir uns damit auseinandersetzen - und die moderaten Muslime noch mehr.
Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben: Sinngemäß hieß es an einer Stelle: Mit dem Beginn der Kreuzzüge begann so etwas die Findung einer europäischen Identität als (christliches) Abendland in Abgrenzung zum Orient.
Klingt fast zynisch, wenn man auf die innereuropäische Geschichte blickt, dahinter steht jedoch etwas durchaus Richtiges.
Ich bin gerade am überlegen, ob da was Wahres dran ist.

Einer eigenen Identität wird man sich erst bewusst, wenn Gruppen mit anderer Identität auf den Plan treten. Die erste andere Religion, mit der das Christentum in Berührung kam, war das Judentum (einmal abgesehen von den orientalischen Religionen, die es zur Zeit der Entstehung des Christentums gab). Eine besondere Identität hat das wohl bewirkt, aber nicht so, dass es ein abendländisches Phänomen war. Das gilt auch für den islamischen Staat in Spanien, der den meisten fern stand, da er nicht expandierte. Es waren tatsächlich erst die Kreuzzüge, die allen Schichten der Bevölkerung das Bewusstsein einer christlichen Identität vermittelten und zwar in Abgrenzung zu den Muslimen bzw. zum Islam.
Ruaidhri
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Wobei es Begegnungen von Juden, Christen und Muslimen ja durchaus gab, sehr friedlich und auf einem Niveau, das wir uns heute nur wünschen können.
Bagdad in seiner Blütezeit unter Al Mansur und dessen Sohn Mahdi wiederzubeleben, wäre etwas.
http://www.deutschlandfunk.de/die-metro ... _id=216014
Eine zweite, kurze Blütezeit und Toleranz gegenüber allen Glaubensrichtungen gab esab Anfang des 19.Jahrhundert, begonnen von Süleyman Pascha, 1876 wurde der Is,am zwar zur Staatsreligion erklärt,
Zitat:
"Die osmanische Verfassung von 1876 proklamierte den Islam als Staatsreligion, gab der jüdischen und christlichen Bevölkerung gleiche politische Rechte und ermöglichte ihnen den Zugang zu öffentlichen Ämtern. Zu dieser Zeit war Bagdad eine kosmopolitische und multinationale Stadt. Unter den Muslimen waren die Schiiten und Sunniten zu ziemlich gleichen Teilen zahlreich vertreten; neben ihnen fanden sich viele Juden, zu den wohlhabendsten Kauf- und Geschäftsleuten gehörend (etwa 1300 Familien mit drei Synagogen), Christen (Armenier, Jakobiten, Nestorianer, Griechen, etwa 300 Familien), Perser und einige Inder. "
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bagdad#St ... 3.BCtezeit
Granada und Cordoba waren nun auch nicht Stätten der Intoleranz. Das Kalifat von Cordoba gilt nach wie vor als erste Hochkultur im mittelalterlichen Europa, von Byzanz abgesehen.
Als ein mögliches Modell des multi-konfessinellen, multi- kulturellen Zusammenlebens. (Mit Einschränkungen für nicht-Muslime.)
War ein allerchristlichster Erzbischof, der 1499 der alle islamischen Schriften verbrennen ließ, es gab ein Progom gegen alle Nichtchristen, dem zumeist Juden zum Opfer fielen und Zwangsumsiedlung, dann Vertreibung der überlebenden Muslime.
Wer da brutaler, grausamer und intoleranter war, bleibt mal offen. Al Andalus war in seiner Blütezeit keine Ansammlung intoleranter, kriegswütiger Muslime, eher Opfer der eigen Glaubensbrüder.
Kleiner Seitenhieb: Die allerersten Ursprünge der europäischen Vernunftphilosophie stammen von einem arabischen Gelehrten, Muslim kann man ihn fast nicht mehr nennen:
Abu al-Walid Muhammad Ibn Rushd alias Averroes.
Noch einer:
Die Berichte des Ahmad ibn Fadlān ibn al-'Abbās ibn Rāschid ibn Hammād aus dem 10.Jahrhundert über seine Reise im Auftrage des Kalifen von Bagdad zu den Warägern. und der des At-Tartûschi, ebenfalls in diplomatischer Mission unterwegs über seinen Aufenthalt im Frankenreich und in Haithabu.
Kulturschock für beide. Das Abendland hat dem Orient einiges an kultureller Entwicklungshilfe zu verdanken.
Aufrechnen, Gegenrechnen bringt nichts, sinnvoller wäre es, "die guten alten Zeiten" zu beschwören.
Bagdad als Insel der Gelehrsamkeit- das wäre doch ein Ziel, das man als glorreiche Zeit des lebendigen Islam viel besser propagieren könnte...
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LG Ruaidhri
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Ruaidhri hat geschrieben: Granada und Cordoba waren nun auch nicht Stätten der Intoleranz. Das Kalifat von Cordoba gilt nach wie vor als erste Hochkultur im mittelalterlichen Europa, von Byzanz abgesehen.
Als ein mögliches Modell des multi-konfessinellen, multi- kulturellen Zusammenlebens. (Mit Einschränkungen für nicht-Muslime.)
Man darf nicht der Gefahr erliegen, das zu romantisieren. Sicher, in al-Andakus - dem islamisch gewordenen Spanien - lebten Muslime, Christen und Juden. Die Juden begrüßten die neuen muslimischen Herren sogar als Befreier, da sie unter den westgptischen Herrschern unterdrückt und drangsaliert worden waren. Man muss aber festhalten, dass diese drei Bevölkerungsteile sich nicht mischten. Vor allem aber waren Christen wie Juden Unterworfene und hatten die bekannte Kopfsteuer zu zahlen. Ferner waren ihnen leitende Posten in der Verwaltung und im Militär verwehrt, sieht man einmal von einigen seltenen Ausnahmen ab. Ferner gab es in Spanien unter den Berberdynastien Almoraviden und besonders unter den Almohaden eine fundamentalistische Glaubensrichtung, unter der Juden und Christen zu leiden hatten.

Dennoch muss man von einer toleranten Gesellschaft sprechen, vor allem wenn man die Situation in christlichen europäischen Staaten bedenkt, wo Juden schweren Bedrückungen ausgesetzt waren. Die enorme Intoleranz der Spanier zeigte sich, als sie im 15. Jh. mit dem Königreich Granada die letzte islamische Bastion erobert hatten und wenig später sowohl Muslime als auch Juden unter Androhung des Todes aus Spanien auswiesen.

Ein protorassisches Konzept propagierte die "Reinheit des Blutes" - "Limpieza de sangre" - mit der sich so genannte Altchristen (span.: cristianos viejos) von den Neuchristen (span.: cristianos nuevos) oder Conversos abgrenzten, die muslimische oder jüdische Vorfahren hatten. Wer seine "Blutreinheit" nicht lückenlos nachweisen konnte, der konnte keine höheren Ämter im Staat und in der Kirche bekleiden - ganz zu schweigen von der spanischen Inquisition. Bis zum 19. Jh. währte dieser diskriminierende Antijudaismus, der einen an die Rassenlehre der Nazis erinnert - als dessen Vorstufe wird er von Historikern auch betrachtet. https://de.wikipedia.org/wiki/Limpieza_de_sangre
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