Bestattung königlicher, ungetaufter Neugeborener

Die Kirche hatte eine machtvolle Stellung im Leben der Menschen des Mittelalters und bestimmte Politik und Gesellschaft auf einzigartige Weise.

Moderator: Barbarossa

Ophelia
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Liebe Leute,

ich habe mich in diesem Forum angemeldet, weil mir bisher niemand die folgende Frage beantworten konnte:


Weiß jemand, wie Neugeborene aus Königshäusern bestattet wurden, wenn diese Neugeborenen entweder schon tot auf die Welt kamen oder unmittelbar nach der Geburt verstarben, sodass sie nicht getauft werden konnten - zur Zeit Anfang 15. Jhdt.?
Soviel ich weiß, durften ungetaufte Menschen - auch ungetaufte Neugeborene - nicht in geweihter Erde bzw. geweihten Stätten beigesetzt werden; also weder Beisetzung auf christlichen Friedhöfen noch in Kirchen. Wie verfuhr man dann mit ihnen - in dem Fall geht es um Neugeborene königlichen Geblüts.


Vielleicht weiß es jemand von Euch? Wäre prima.
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Barbarossa
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Das ist aber ein sehr spezielles Thema. Ich hab ein wenig gegoogelt, aber leider nichts gefunden. Tut mir leid...
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dieter
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Liebe Ophelia,
das dürfte auch bei unserer bürgerlichen Gesellschaft nicht so oft vorkommen.. :wink:
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Spartaner
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Wie man mit frühvertorbenne ungetauften Kindern zu begraben und zu verfahren hatte, hing von der jeweiligen Gesellschaft ab, in der man lebte,von der Macht der christlichen Kirche und von dem Macht Einfluß der Frau, die das tote Kind gebahr. In der Regel durften diese Kinder nicht auf christlichen geweihten Boden begraben werden. In den Vorstellungen der Menschen brachten tote Kinder Unglück,bzw. die Familie war aus irgendeinen Grund in "christliche Ungnade" gefallen, hatte in den Vorstellungen anderer Leute gesündigt. -Göttliche Strafe in Folge der Fehlgeburt.- Vorstellung warum sich ein Kind im Mutterleib drehte und zu Komplikationen bei der Geburt führte wurde mit christlicher Strafe und christlich nichtgewollter Geburt in Zusammenhang mit Gottglauben und Sünde gebracht. Zudem wusste man zu wenig über Infektionen, bzw. das Wissen war zur damaligen Zeit war begrenzt. Der Frau wurde ein erhebliche Mitschuld gegeben. Hatte die Frau zum zweiten Male eine Fehlgeburt, wurde sie auch von adligen Männern verstossen oder gar umgebracht.
Archälogische Funde zeigen aber durchaus auch etwas anderes territoriell abschnittsweise auf. In Zürich-Münsterhof wurden Gräber von 1300 Kleinstkindern gefunden. Auch anderen Ortes tauchen solche Befunde bei Ausgrabungen von mittelalterlichen Friedhöfen auf.
http://www.rowane.de/html/body_fruhvers ... kinder.htm

Während der Geburt wurde zudem um göttlichen Beistand gebeten. So besuchte die werdende Mutter vor der Geburt die Kirche öfters, um um Beistand zu beten, Schutzheilige wurden zudem verehrt, die die Geburt des Kindes beschützen sollten, so der Patron gegen schwere Geburten - Godehard († 1038) und der Patron für eine glückliche Geburt, Norbert († 1134) . Schutzamulette die getragen wurden, sollten zudem den christlichen beistand verstärken.

"Zudem trugen die schwangeren Frauen oft eine blaue Wachsscheibe mit dem Bild des Lamm Gottes um ihren Hals, das sie vor dem Tod im Kindbett schützen sollte, oder am linken Handgelenk als Amulette Adlersteine, damit ihre Niederkunft ohne Gefahren verlaufe. Bei den Adlersteinen handelte es sich um hohle Steine mit abgelösten Stücken im Inneren, die man klappern hören konnte. Auch ein mit Spitzen besetzter Hüftgürtel sollte die Garantie für eine leichte Entbindung geben. "

Zudem hat Hildegart von Bingen zahlreiche Schriften rund um die Geburt eines Kindes hinterlassen und auch ihre Korrespondenz mit Kirchenvätern ist dazu sehr aufschlußreich .

"Falls es Zeichen gab, daß das Kind, bevor es die Gebärmutter verlassen konnte, sterben würde, hatte die Hebamme eine Taufspritze, gefüllt mit Weihwasser, in die Gebärmutter der Frau einzuführen, damit das Kind noch vor seinem Tode getauft werden konnte. Das tote Kind durfte sie dann entweder durch bestimmte Medikamente, die den Abort hervorriefen, wie Bibergeil, Myrrhe und Raute oder mit Hilfe eines Speculums und zweier Haken oder krallenartiger Instrumente herausholen. Im letzteren Fall war die gesamte Prozedur eine ekelhafte Angelegenheit, da das tote Kind stückchenweise entfernt werden mußte. Zum Vollzug dieser Taufen bei den sterbenden Kindern im Mutterleib waren – nebenbei bemerkt – die Hebammen auf den Synoden von 1233 und 1277 kirchlicherseits verpflichtet worden."
http://www.kleio.org/de/geschichte/alltag/kap_X8.html
Ophelia
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Das ist schon mal total interessant - vielen Dank!

Scheint wirklich eine schwierig zu beantwortende Frage zu sein. - Vielleicht war es ja auch unterschiedlich von Königshaus zu Königshaus und geografisch auch. Ich hatte gehofft, es ließe sich vielleicht allgemein sagen, wie in solch einem Fall mit königlichen Neugeborenen verfahren wurde. Und dass es im jeweiligen Einzelfall vielleicht speziell gehandhabt wurde.
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dieter
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Liebe Ophelia,
das wird sicherlich von Land zu Land und Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden sein. :wink:
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Ophelia
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Lieber Dieter,

ja, bestimmt, denke ich mir jetzt. Es geht um Frankreich.

Leider habe ich bisher aber auch noch keine Informationen darüber bekommen, wie GETAUFTE Babys königlichen Geblüts zur damaligen Zeit bestattet wurden - ob auch in der Grablege in St.Denis oder anderswo.
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Peppone
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Mit denen wird man auch nicht anders verfahren haben wie mit den unköniglichen Kindern, die bald nach der Geburt verstarben.
War damit zu rechnen, dass ein Kind tot zur Welt kommt oder während der Geburt stirbt, wurde von der Hebamme notgetauft: Sowie ein Teil des Kindes im Geburtskanal sichtbar wurde, wurde er mit Wasser besprengt und getauft. Verwendete die Hebamme die falschen Worte, war das egal.
Ungetauft gestorbene Kinder galten als gefährlich, mancherorts auch als potentielle Wiedergänger. Das wird bei Königskindern auch nicht anders gewesen sein; es wird hier aber selten vorgekommen sein, da ja immer Personal anwesend war, das die Nottaufe vollziehen konnte. Ausnahmen könnte ich mir nur verstellen, wenn etwa die Mutter unterwegs gebar oder auf der Flucht. Das wird aber selten vorgekommen sein.

War ein Kind getauft, konnte es auch ganz normal beerdigt werden. War es ungetauft, musste wohl auch ein Königskind in ungeweihter Erde beerdigt werden. Man wählte zwar möglichst immer einen Standort möglichst nahe in geweihter Erde - in bürgerlichen Kreisen an der Außenseite der Friedhofsmauer - in adligen oder gar königlichen Kreisen wird man da schon Möglichkeiten gefunden haben.
Andererseits benahmen sich königliche Eltern aus heutiger Sicht oft auch bemerkenswert kalt den Kindern gegenüber, schon gar den gestorbenen gegenüber. So mancher König sah in seinen Kindern lediglich die Möglichkeit, sie "gewinnbringend" zu verheiraten, bei Söhnen stand auchimmer der zukünftige Thronkonkurrent bzw. Konkurrent für den Thronfolger im Raume. Kann schon sein, dass totgeborene Kinder relativ emotionslos "entsorgt" wurden.

Beppe
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Peppone
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Ophelia hat geschrieben: wie GETAUFTE Babys königlichen Geblüts zur damaligen Zeit bestattet wurden - ob auch in der Grablege in St.Denis oder anderswo.
Meines Wissens sind dort nur Könige und ihre Gattinnen bestattet sowie Äbte von St.Denis und Adlige, die in königlichen Diensten gestanden hatten. Von neugeborenen Kindern weiß ich nichts (es sind aber einige 10+x-jährige Kinder in St.Denis begraben).

Beppe
Ophelia
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Ich habe schon mehrere Experten in Deutschland sowie in Frankreich gefragt, wo GETAUFTE verstorbene königliche Neugeborene bestattet wurden. Niemand konnte mir bisher die Frage beantworten. - Wundert mich etwas - denn damals war ja die Kindersterblichkeit sehr hoch und irgendwie MUSSTEN ja die königlichen verstorbenen Neugeborenen bestattet werden. Und wenn nicht in der Kathedrale von St. Denis (im Fall von Frankreich) - - wo dann und wie? Müsste nicht zumindest bekannt sein, wenn es KEINE Aufzeichnungen darüber gäbe? Die Experten wissen aber weder, WIE diese Babys bestattet wurden, noch, ob es zu dem Thema überhaupt Unterlagen gibt.
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Peppone
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Andere Frage: Wo wurden denn ältere Königskinder begraben? In St.Denis liegen nur wenige...
Meine Vermutung: In anderen Familiengrablegen. Die jeweilige Mama hatte ja auch eine Familie, und die wiederum wird ja wohl auch eine Familiengrablege gehabt haben.
Andere Möglichkeit: An Ost und Stelle, also in der Kirche, die dem jeweiligen Schloss (o.Ä.) am nächsten gelegen bzw. zugehörig war...

Is das plausibel?

Beppe
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dieter
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Ja lieber Beppe,
das ist plausibel. :wink:
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Ophelia
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Inzwischen hat mir jemand die Info geschickt, dass etwas in der Chronik des Père Anselme zu finden ist:

"Philippe, sechster Sohn und letztes Kind von Isabelle de Bavière, wurde im Hôtel Barbette, am 10. November 1407, um zwei Uhr nach Mitternacht geboren. Direkt, nachdem er geboren war, wurde er getauft, erhielt den Namen Philippe, und starb fast sofort. Am Abend des folgenden Tages brachte man den jungen Prinzen nach St.Denis. Er wurde an der Seite seiner Brüder in der Kapelle von Charles V. bestattet."
(Aus : Histoire généalogique et chronologique de la maison royale de france)

Ich weiß nicht, wie zuverlässig diese Quelle ist. Weiß nicht, woher P. Anselme diese Info hat. Sein oben zitiertes Werk ist 1674 erschienen, also über 200 Jahre nach dem Geschehen, d.h. Zeitzeuge war er nicht und es lebten auch keine Zeitzeugen mehr.
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dieter
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Liebe Ophelia,
ich glaube schon, dass eine Taufe für die adelige Gesellschaft sehr wichtig war. :wink:
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Ophelia
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Die Taufe war für alle sehr wichtig - ohne Taufe kein Eingang ins Paradies nach dem Tod, nach dem damaligen Verständnis.

Was ich mich frage, ist, ob die Quelle - P. Anselmes Bericht - zuverlässig ist. Denn in einem Beitrag hier weiter heißt es, dass erst Kinder ab dem 10. Lebensjahr in St.Denis beigesetzt wurden, und noch dazu nur wenige. Ich habe auch nirgendwo anders etwas über die Beisetzung von Philippe oder über Babys zur damaligen Zeit gefunden, also keine historischen Quellen.
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