Hat Karl Martell Europa gerettet?

Heraldik, Jagd, Pest, Kriegsführung, Ritter, Feuerwaffen, Burgen, Könige, Königreiche

Moderator: Barbarossa

WDPG
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Der letzte Widerstand wären wohl nicht die Franken sondern Byzanz gewesen. Für dieses wäre ein Angriff von 2 Seiten (Arabien/Persien und Europa), aber natürlich schwerer abzuwehren gewesen. Oft wird gesagt das die Armee die von Karl Martell besiegt wurde ja keine Armee war die zur Eroberung großer Gebiete gediente hätte. Kann sogar sein, aber hätte Karl Martell damals eine Niederlage erlitten wäre eine solche wohl nachgekommen (gabs ja öfter wenn eine Unternehmung erfolgreich gewesen wäre). Die Araber hätten wohl nicht alle zum Religionswechsel gezwungen, das war nicht die gängige Taktik, aber es hätte eben Sondersteuern gegeben und wie man im Arabischen Raum sieht, hätte sich dann die von den Arabern gebrachte Religion durchgesetzt. Die beiden gescheiterten Eroberungsversuche bei Konstantinopel und dann noch der Sieg Karl Martells brachten die arabische Expansion dann zum stehen. Wie gesagt vielleicht war die Armee die Karl Martell da besiegte gar nicht so gewaltig, hätte er sie nicht besiegt hätte es, denke ich aber schon Folgen gehabt.
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dieter
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Lieber WDPG,
Du hast recht, wehret den Anfängen. Nach dem ersten Sieg der Araber werden dann noch mehr gekommen, es wäre der Anfang von der Islamisierung Europas gewesen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Barbarossa
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Über die Feiertage habe ich zu diesem Thema einen schon länger abgespeicherten Artikel gelesen. Auch in diesem Artikel wird die Bedeutung der Schlacht zwischen Poitiers und Tours um den 25. Oktober 732 als nicht endgültig geklärt beschrieben. Zu bedenken wird aber auch hier gegeben, dass neben den Franken auch Langobarden, Sachsen, Friesen und die Aquitanier als Verstärkung teilnahmen.
Dies wäre auch eines meiner Argumente dafür, dass man der Schlacht zumindest auf fränkischer Seite eine größere Bedeutung beimaß.
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Interessant ist auch die im Artikel beschriebene Laufbahn von Karl Martell.
Karl war der Sohn von Pippin ,,dem Mittleren'' (regierte 679 - 714), dem Hausmeier des östlichen Teils des Frankenreiches - Austrasien (im Wesentlichen das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Franken) und von Chalpaida - wohl nur eine Nebenfrau von Pippin.
Pippins eigentliche Ehefrau war Plektrudis, mit der Pippin zwei Söhne hatte: Drogo und Grimoald.
Das war wohl auch der Grund dafür, dass Karl in jeder Hinsicht benachteiligt wurde - schließlich schickte ihn seine Schwiegermutter sogar in Gefangenschaft.
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Im nordwestlichen Reichsteil des Frankenreiches - in Neustrien - herrschten andere Hausmeier, während die fränkischen Könige aus dem Geschlecht der Merowinger gar keine reale Macht mehr hatten.
Diesen Reichsteil brachte Pippin in den Jahren ab 687 (faktisch) und 695 (formal als Hausmeier) unter Kontrolle. Als er 688 auch den Reichsteil Burgund seinem Machtbereich einverleibte, regierte er faktisch das gesamte Reich.

Pippins Söhne Drago und Grimoald starben noch vor ihm selbst. Als auch Pippin 714 starb, übernahm seine Frau Plektrudis die Regentschaft für ihre Enkel, um diese später ins Amt einzuführen.
In dieser Situation erhob sich der Adel von Neustrien, der die Machtübernahme von Pippin und seiner Dynastie offenbar ablehnte. Die Großen von Neustrien zogen erfolgreich gegen Plektrudis zu Felde, woraufhin sich auch die Großen von Austrasien gegen Plektrudis erhoben. Karl Martell gelang es, sich aus der Gefangenschaft in Köln zu befreien und stellte sich an die Spitze der Bewegung in Austrasien.
Karl besiegte Plektrudis und zwang sie, ihm den Königsschatz der Merowinger auszuliefern. Von da an ging die Machtentfaltung von Karl Martell schnell. Alle Fürsten, die zuvor auf der Seite seiner Schwiegermutter gestanden hatten, wurden unterworfen: Friesen, Thüringen, Bayern, Alemannen, schließlich Neustrien.
Aquitanien (das südliche Gallien) blieb bis zum arabischen Angriff 732 einigermaßen autonom.
Dabei nutzte Karl auch geschickt die Rivalitäten zwischen den Fürsten aus, was für das politische Geschick Karls spricht.
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Inzwischen hatten arabische Heere 711 die Straße von Gibraltar überwunden und hatten bis 714 das auf der Spanischen Halbinsel gelegene Reich der Westgoten zerschlagen. Seit dieser Zeit stießen die Mauren immer wieder auch auf fränkisches Gebiet zu Raubzügen vor.
732 wurde, wie im Pfad schon beschrieben, das arabische Heer besiegt. Endgültig gebannt war die Gefahr durch die Expansion des Arabischen Kalifats durch den Sturz der Omayyaden im Jahre 750 (und den Machtantritt der Abbasiden) und der Errichtung des auf die Spanische Halbinsel beschränkte Emirat von Cordoba im Jahre 756.

Quelle: https://www.welt.de/geschichte/kopf-des ... aPUifPp620
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Es gibt aus meiner Sicht auch keine anderen Gründe, warum das Arabische Kalifat seine Expansion an den Grenzen des Frankenreiches hätte stoppen sollen. Immerhin stießen die arabischen Heere im Osten bis nach Indien vor, im Norden bis nach Anatolien und im Westen bis zu den Pyrenäen. Sie beendeten die Expansion in allen Richtungen erst, als der Widerstand zu groß wurde oder die Ländereien zu uninteressant, wie etwa die Steppen Zentralasiens.
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Skeptik
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Hat Karl Martell Europa gerettet? - Eher nicht. Martell hat einen der üblichen Raubzüge verhindert. Seine eigenen Raubzüge trafen die Kirche härter und wenn selbst der Pabst den „Retter der Christenheit“ um Hilfe bat, klang das so: "(...) Obwohl wir uns an dich gewandt haben, vortrefflichster Sohn, haben wir bis jetzt keinen Trost davon erhalten (...) Wir fürchten, dass dir Sünde angelastet werden könnte, denn man beleidigt uns und sagt: "Karl, auf den du deine Zuflucht gesetzt hast, soll mit dem Heer der Franken kommen, damit sie dir helfen, wenn sie können (...)". Welcher Schmerz durchbohrt unser Herz bei diesen Vorwürfen, wenn wir sehen, dass so mächtige Kinder keine Anstrengungen unternehmen, um ihre geistige Mutter, die heilige Kirche Gottes, zu verteidigen (...). Weist unser Gebet nicht zurück, verschließt eure Ohren nicht vor unseren Bitten (...) So wird euer Glaube und euer Name in allen Nationen gefeiert und gesegnet werden...".
Die Kirche konnte sich nur durch Androhung ärgster Höllenqualen rächen. 200 Kilometer von Poitiers entfernt drohte Eucherius Bischof von Orleans (694-738): „Eines Tages, als er betete, wurde er in die andere Welt versetzt, und unter den Dingen, die Gott ihm zeigte, sah er Karl in der unteren Hölle gequält. Als er den Engel, der ihn führte, befragte, antwortete dieser: "Seine Seele und sein Leib werden durch den Willen der Heiligen, deren Güter er genommen und geteilt hat und die beim künftigen Gericht mit Gott richten werden, ewigen Strafen ausgeliefert. Er empfängt hier mit der Strafe für seine eigenen Sünden auch die Strafe für die Sünden all derer, die ihre Güter zur Ehre und Liebe Gottes und zur Erlösung ihrer Seelen an die heiligen Stätten gegeben haben, um für das Licht des Gottesdienstes und für den Unterhalt der Diener Christi und der Armen zu sorgen.“ Als er wieder zu sich kam, rief er den heiligen Bonifatius und Fulrade, Abt des Klosters Saint-Denis und Großkaplan des Königs Pippin, zu sich, offenbarte ihnen diese Dinge und forderte sie auf, sich zum Grab Karls zu begeben, um dessen Richtigkeit zu überprüfen; wenn sie dort nicht mehr den Leichnam dieses Prinzen fänden, würden sie die Wahrheit dessen erkennen, was er ihnen soeben gesagt habe. Als sie zu dem Kloster gingen, in dem Karls Leichnam beigesetzt worden war, öffneten sie das Grab und sahen plötzlich einen Drachen herauskommen und fanden das Innere schwarz, als ob das Grab verbrannt worden wäre. Wir selbst haben die beiden Personen, die Zeugen dieses Schauspiels waren, gesehen, denn sie lebten bis in unsere Tage, und sie haben uns aufrichtig bezeugt, was sie gesehen und gehört hatten.

Karl, der große Plünderer kirchlicher Güter, war ein ebenso großer Eindringling und Eroberer wie der Anführer der mohammedanischen Horden. Karl Martell ist den Franzosen genauso ans Herz gewachsen, wie uns Karl der Große. Voltaire und Chateaubriand, jeder aus seiner Sicht, arbeiteten am Mythos des Karl Martell und „erschufen“ ihn erst für die Franzosen.
Auch Karl der Große, der Sachsenschlächter, wuchs zu ungeahnter Bedeutung. Zu unser aller Pater Europae. Aber auch Johannes Fried zitierte in seiner Biografie „Karl der Große Gewalt und Glauben“ eine Stimme des Mittelalters: "Regen. Im Regen. Er stand im Regen, unten am Läuterungsberg. Endlos stürzte der Regen auf ihn hernieder und schien dennoch die Sünden nicht abwaschen zu können, die ihn befleckten. Ein Untier zernagte unablässig sein Geschlecht, das umgehend nachwuchs, um wieder zerfressen zu werden, fort und fort. Ein alter Mönch schaute den Büßer und erschrak. Kaum wagte er den Namen des Toten zu offenbaren. Doch alle wussten: Es war Karl, der große Kaiser, der Sünder, der da zu büßen hatte."
Schlußendlich sprach ihn die Kirche aber heilig und feiert ihn bis heute jährlich am 28. Januar mit einem Karlsamt. Höher gehts nimmer:
O König, siegreicher Herr der Welt,
Jesu Christi Mitherrscher,
sei uns Fürbitter,
heiliger Vater Karl,
daß gereinigt von Sünden,
im Reich des hellsten Lichts,
wir, dein Volk, mit den Seligen
des Himmels Bewohner sein mögen.


Der Historiker Augustin Thierry (1795-1856) beklagte dies bereits, als er schrieb: "Aber das, was in so vielen Büchern gedruckt ist, was so viele Professoren lehren, was so viele Schüler nachsprechen, erlangt Gesetzeskraft und gilt gegen die Tatsachen selbst. (...) Als ob man durch die Verehrung der Vergangenheit auf natürliche Weise dazu gebracht würde, sie zu erfinden."

https://www.persee.fr/doc/minf_0398-360 ... _19_2_1039
https://www.radiofrance.fr/francecultur ... he-6187220
https://www.pro-missa-tridentina.org/up ... smesse.pdf
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