Hätte das Heilige Römische Reich überleben können?

Heraldik, Jagd, Pest, Kriegsführung, Ritter, Feuerwaffen, Burgen, Könige, Königreiche

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Am Ausgang des 18. Jh. hatte das Heilige Römische Reich keine Zukunft mehr und schon vorher war ihm diese abhanden gekommen. Auf die Zeitgenossen wirkte es wie ein "lebender Leichnam" und irgendwelche idealistischen Pläne verband niemand mehr mit diesem übernationalen Gebilde.

Spaltend wirkte sich schon der Dualismus der beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen aus, ferner der alte Dualismus Kaiser und Reich, der reichsrechtliche Pluralismus der Reichsstände und auch der untergründige, seit Anfang des 18. Jh. verfassungspolitisch besonders wirksame Dualismus der Religionsparteien. Das alles schuf eine neue Form der Reichsexistenz in Abhängigkeit von den europäischen Großmächten.

Geht man in die Zeit des Mittelalters zurück, so war es nur eine Frage der Zeit, dass von der allmählichen Ausprägung nationaler Ideen auch das Heilige Römische Reich betroffen und gefährdet sein würde. So waren die selbstbewussten und reichen oberitalienischen Städte und Territorien - das so genannte Reichsitalien - auf Dauer nicht beim Reich zu halten, sodass schon früh ein Ablösungsprozess einsetzte. Das gilt ähnlich für den überwiegend französischsprachigen Reichsteil Burgund, der stückweise von Frankreich einverleibt wurde, sodass nach dem Westfälischen Frieden nur noch ein Rumpfreich "deutscher Nation" übriggeblieben war.

Überhaupt keine Zukunft hatten in einer zunehmend sakularisierten Welt die geistlichen Fürstentümer, eine Besonderheit des Reichs, die es sonst nirgends in Europa gab. Die Zusammenballung geistlicher und weltlicher Macht in der Hand eines Bischofs oder Abtes wurde im 18. Jh. und im Angesicht von Aufklärung und säkularer Tendenzen immer anachronistischer, sodass sich auch hier Konfliktptenzial sammelte.

Vielleicht hätte ein Heiliges Römisches Reich überleben können, wenn es seit dem 10./11. Jh. eine starke, langjährige Königsdynastie gegeben hätte, die - wie in Frankreich - die Macht zentralisiert, die Fürsten entmachtet und den Besitz ausgestorbener Dynastien kontinuierlich der Krondomäne angegliedert hätte. Dennoch hätte sich die Abspaltung ethnisch und sprachlich anderer Landesteile sicher nicht vermeiden lassen, schon gar nicht im Zeichen nationaler Bestrebungen.
Lia

Kurz und knapp: Nein. Das Modell hatte ausgedient.
Suebe
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Aber ja.
Es hat ja auch durchaus weiter "gelebt" der Rheinbund und in der Folge der Deutsche Bund sind ja nichts anderes als ein in der föderalen Struktur weiter lebendes HRR.
Die geistlichen Fürstentümer, auch die waren nicht sooo schlecht (unterm Krummstab lässt sich gut leben, zeitgenössisch) hatten 1803 ja auch schon ausgedient.
Das Menetekel des HRR war Preussen seit ca. 1740, Friedrich der II. von Preussen (wie man den einen "Großen" nennen kann ist mir eh nicht klar) und seine Nachfolger waren deFakto entscheidende Meuchelmörder.

Das sind Fakten die in Deutschland dank Treitschke, Berta von Suttner nannte ihn den Herold des Militarismus, bis heute kaum wahrgenommen werden.
Dietrich
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Suebe hat geschrieben:Aber ja.
Es hat ja auch durchaus weiter "gelebt" ...
Aber vermutlich nicht mit den Gebieten anderer Ethnien wie Tschechen, Slowenen und Frankophonen im nachmaligen Belgien, die alle noch zum Heiligen Römischen Reich bis zu seinem Untergang im Jahre 1806 gehörten.

Der Deutsche Bund hatte allerdings eine ganz andere Struktur und war nicht mit dem "Reich" vergleichbar.
Lia

Es hat eben nicht weitergelebt, oder Dietrich häte fragen müssen, wie lange.
Es hat ja auch durchaus weiter "gelebt" der Rheinbund und in der Folge der Deutsche Bund sind ja nichts anderes als ein in der föderalen Struktur weiter lebendes HRR.
Weder vom Umfang noch von den Zielen her möchte ich ich Rheinbund und Deutschen Bund nicht als direkte Fortsetzung des HRR bezeichnen. Sicherlich, die föderalen Strukturen finden sich wieder, und doch waren inzwischen andere Säulen eingebaut.
Hm, zu den Preußen-Fans zähle ich ja nun nicht, formuliere es also mal so: Das immer mächtiger werdende Preußen hat einem Gebilde, das entschieden schwächelte, den letzten Todesstoß gegeben.
Ob das HRR- oder die Idee, die hinter dem Kürzel steckt, länger überlebt hätte, wenn Preußen sich dieser Idee untergeordnet- oder ins Bestehende zumindest eingeordnet hätte?
Glaube ich auf längere Sicht nicht, weil andere Ideen und Vorstellungen, damit auch Staatsziele- oder Bezeichnungen für den Staat wichtiger wurden als das- ich sage es bewusst- ehrwürdige Heilige Römische Reich.
Sorry, aber irgendwann hat sich das überlebt.
Auch ohne Preußen war es Zeit für einen anderen Namen, andere Konstruktionen, anderes Selbstverständnis. Das wieder hätte man auch prima ohne Preußens Unterdrückung geschafft.
Bei Heinrich von Treitschke triffst Du natürlich ins Schwarze. :mrgreen: Deutlich, dass es Preußen um Preußen und dessen Hegemonie ging , nicht um Deutschland. Man mochte ihn nicht so sonderlich in Kiel.
http://www.uni-kiel.de/grosse-forscher/ ... treitschke
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Barbarossa
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Suebe hat geschrieben:...
Es hat ja auch durchaus weiter "gelebt" der Rheinbund und in der Folge der Deutsche Bund sind ja nichts anderes als ein in der föderalen Struktur weiter lebendes HRR.
...
Das Menetekel des HRR war Preussen seit ca. 1740, Friedrich der II. von Preussen (wie man den einen "Großen" nennen kann ist mir eh nicht klar) und seine Nachfolger waren deFakto entscheidende Meuchelmörder.
Ich fürchte, da verwechselst du aber wohl irgendwas. Das HRRDN löste sich infolge der Gründung des Rheinbundes auf, der unter dem Protektorat Napolens I. stand. Preußen war daran nicht beteiligt. Daran sieht man schon, dass nicht nur die Preußen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit "das Reich" meuchelten, was Preußen bei aller Konkurrenz zu Habsburg eben nicht getan hat.
Und Friedrich II. "der Große" - ja er war eben "der Große" für Preußen, das nach dem Siebenjährigen Krieg zur 5. Großmacht in Europa wurde. Das "Reich" selbst spielte in dieser Machtkonstellation gar keine Rolle mehr - war längst nicht mehr maßgeblich. Vielleicht war es in seiner Struktur aber auch nur "seiner Zeit" zu weit voraus. Irgendjemand hat es glaube ich als eine vorweggenommene EU im Kleinformat bezeichnet. Mag sein, dass das stimmt, aber dann war die Zeit noch lange nicht reif dafür.
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Dietrich
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Lia hat geschrieben: Weder vom Umfang noch von den Zielen her möchte ich ich Rheinbund und Deutschen Bund nicht als direkte Fortsetzung des HRR bezeichnen. Sicherlich, die föderalen Strukturen finden sich wieder, und doch waren inzwischen andere Säulen eingebaut.
Das Heilige Römische Reich war ein Kaiserreich mit hunderten großer und kleiner Territorien und Herrschaftsträger. Es ging im Jahr 1806 endgültig unter, als der letzte habsburgische Kaiser die Kaiserkrone niederlegte. Weder der Deutsche Bund noch das wilhelminische Kaiserreich sind damit vergleichbar.
Lia hat geschrieben:Hm, zu den Preußen-Fans zähle ich ja nun nicht, formuliere es also mal so: Das immer mächtiger werdende Preußen hat einem Gebilde, das entschieden schwächelte, den letzten Todesstoß gegeben.
Den "letzten Todesstoß" gab Napoleon, nachdem alle linksrheinischen Gebiete an Frankreich gefallen waren und die geistlichen Gebiete sowie einige weltliche Territorien des Reichs säkularisiert bzw. mediatisiert worden waren. Nachdem dann die Rheinbundstaaten ihren Austritt aus dem Reichsverband erklärt hatten, legte Franz II. die Kaiserwürde nieder und nannte sich hinfort "Kaiser von Österreich".

Natürlich hatte sich auch schon zuvor die Konkurrenz der beiden Großmächte Preußen und Österreich bemerkbar gemacht, doch erkannte Preußen die österreichische Vorherrschaft im Reich durchaus noch an - die handfesten Konflikte folgten erst nach dem Wiener Kongress, der Preußens Territorium ums doppelte vergrößerte.

Das Heilige Römische Reich hatte sich am Ende überlebt, denn Bestrebungen zur Reform waren stets gescheitert. Die starke Position der Landesfürsten, die bei einer Reform hätten Macht abgeben müssen, verhinderte alle Schritte zu einer Erneuerung. Man muss sich eher wundern, dass dieses vorstaatliche föderative Gebilde "Reich" überhaupt so lange funktionierte - immerhin etwa 900 Kahre.
Suebe
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Dietrich hat geschrieben:
Lia hat geschrieben: Weder vom Umfang noch von den Zielen her möchte ich ich Rheinbund und Deutschen Bund nicht als direkte Fortsetzung des HRR bezeichnen. Sicherlich, die föderalen Strukturen finden sich wieder, und doch waren inzwischen andere Säulen eingebaut.
Das Heilige Römische Reich war ein Kaiserreich mit hunderten großer und kleiner Territorien und Herrschaftsträger. Es ging im Jahr 1806 endgültig unter, als der letzte habsburgische Kaiser die Kaiserkrone niederlegte. Weder der Deutsche Bund noch das wilhelminische Kaiserreich sind damit vergleichbar.
Lia hat geschrieben:Hm, zu den Preußen-Fans zähle ich ja nun nicht, formuliere es also mal so: Das immer mächtiger werdende Preußen hat einem Gebilde, das entschieden schwächelte, den letzten Todesstoß gegeben.
Den "letzten Todesstoß" gab Napoleon, nachdem alle linksrheinischen Gebiete an Frankreich gefallen waren und die geistlichen Gebiete sowie einige weltliche Territorien des Reichs säkularisiert bzw. mediatisiert worden waren. Nachdem dann die Rheinbundstaaten ihren Austritt aus dem Reichsverband erklärt hatten, legte Franz II. die Kaiserwürde nieder und nannte sich hinfort "Kaiser von Österreich".

Natürlich hatte sich auch schon zuvor die Konkurrenz der beiden Großmächte Preußen und Österreich bemerkbar gemacht, doch erkannte Preußen die österreichische Vorherrschaft im Reich durchaus noch an - die handfesten Konflikte folgten erst nach dem Wiener Kongress, der Preußens Territorium ums doppelte vergrößerte.

Das Heilige Römische Reich hatte sich am Ende überlebt, denn Bestrebungen zur Reform waren stets gescheitert. Die starke Position der Landesfürsten, die bei einer Reform hätten Macht abgeben müssen, verhinderte alle Schritte zu einer Erneuerung. Man muss sich eher wundern, dass dieses vorstaatliche föderative Gebilde "Reich" überhaupt so lange funktionierte - immerhin etwa 900 Kahre.


Was beteilige ich mich auch an der Diskussion, Du hast ja nachhaltig bewiesen, dass Du keinerlei Argumenten zugänglich bist.
Wie kann man auch so nachhaltig die Geschichtsforschung eines ganzen Jahrhunderts seit 1914 ignorieren.

Preußen hat sich beim Wiener Kongress auf das Doppelte vergrößert??????????? nee, die haben das Reich geopfert weil sie bei den polnischen Teilungen noch einen Reibbach machen wollten, so wird doch ein Schuh draus....
Zusammen mit den Österreichern einen blödsinnigen Krieg anfangen, und als sie Schläge bekamen schnell abgehauen.... Sonderfrieden....
woanders hat man Fahnenflüchtige durch die Gasse gehetzt....
dann in konspiration mit Napoleon den Briten Hannover abgenommen (so groß wie im Frühling Sommer 1806 war Preußen nie wieder) die Schläge bei Jena haben richtig gut getan.... den Rest schenke ich mir....
es muss nur noch gesagt werden, daß die Berliner dann noch dem Napoleon zugejubelt haben.... dem Feind...
haben die Berliner gehofft, die Potsdamer-Militärkasper loszuhaben?????

Klar das HRR bestand aus über 300 Territorien deren Herrscher alle kleine Sonnenkönige waren, das Recht der ersten Nacht hatten, Herr über Leben und Tod aller Stubenfliegen und Besitzer des Schattens am Waldrand waren....
OK Dietrich du bist zwar zusammen mit Treischke und ein paar anderen Borussen der einzige der das weiß,
aber wenn es Dir reicht.....
Suebe
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Barbarossa hat geschrieben:
Suebe hat geschrieben:...
Es hat ja auch durchaus weiter "gelebt" der Rheinbund und in der Folge der Deutsche Bund sind ja nichts anderes als ein in der föderalen Struktur weiter lebendes HRR.
...
Das Menetekel des HRR war Preussen seit ca. 1740, Friedrich der II. von Preussen (wie man den einen "Großen" nennen kann ist mir eh nicht klar) und seine Nachfolger waren deFakto entscheidende Meuchelmörder.
Ich fürchte, da verwechselst du aber wohl irgendwas. Das HRRDN löste sich infolge der Gründung des Rheinbundes auf, der unter dem Protektorat Napolens I. stand. Preußen war daran nicht beteiligt. Daran sieht man schon, dass nicht nur die Preußen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit "das Reich" meuchelten, was Preußen bei aller Konkurrenz zu Habsburg eben nicht getan hat.
Und Friedrich II. "der Große" - ja er war eben "der Große" für Preußen, das nach dem Siebenjährigen Krieg zur 5. Großmacht in Europa wurde. Das "Reich" selbst spielte in dieser Machtkonstellation gar keine Rolle mehr - war längst nicht mehr maßgeblich. Vielleicht war es in seiner Struktur aber auch nur "seiner Zeit" zu weit voraus. Irgendjemand hat es glaube ich als eine vorweggenommene EU im Kleinformat bezeichnet. Mag sein, dass das stimmt, aber dann war die Zeit noch lange nicht reif dafür.

Die Auflösung des HRR war ein nicht ganz so kurzer Prozess, der Wiener hat sich schon zuvor als "Kaiser von Österreich" verkünden lassen. OK, will ich hier nicht näher darauf eingehen.
Preussen hat mit dem ungeheuerlichen Schritt der Besetzung Schlesiens die Lawine mehr oder weniger ins Rollen gebracht.
Zeit seines Lebens hat jener Friedrich mit allen möglichen Unterschleifen alle Reformbemühungen des Reichs höchstpersönlich torpediert.
Wobei, Russland hat Preußen am Ende des Siebenjährigen Krieges, 1807 und nochmals 1813 gerettet. Zum Unglück für Deutschland.
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Barbarossa
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Suebe hat geschrieben:Die Auflösung des HRR war ein nicht ganz so kurzer Prozess, der Wiener hat sich schon zuvor als "Kaiser von Österreich" verkünden lassen.
1804 in der Voraussicht, dass das Reich nicht mehr lange bestehen wird, stimmt.
Suebe hat geschrieben:Preussen hat mit dem ungeheuerlichen Schritt der Besetzung Schlesiens die Lawine mehr oder weniger ins Rollen gebracht.
Zeit seines Lebens hat jener Friedrich mit allen möglichen Unterschleifen alle Reformbemühungen des Reichs höchstpersönlich torpediert.
Friedrich II. hat die eigentlich traditionelle Treue der Hohenzollern zu den habsburgischen Kaisern beendet, allerdings begann diese "Untreue" zu einem Zeitpunkt, als sie nicht die Kaiserkrone trugen. Und eigentlich sind ja alle über Habsburg hergefallen nach dem Tod von Karl VI. Preußen war da nur am schnellsten, aber keineswegs der einzige Gegner im Österreichischen Erbfolgekrieg. Hier Preußen zu verteufeln, ist eine sehr einseitige Sichtweise, die ich nicht teilen kann.

Und eines sollte man auch nicht vergessen: Die Preußen haben zwischen 1740 bis 1867/71 das geschafft, wozu die Habsburger in 300 Jahren davor nicht in der Lage waren - Deutschland zu vereinigen.
Suebe hat geschrieben:Wobei, Russland hat Preußen am Ende des Siebenjährigen Krieges, 1807 und nochmals 1813 gerettet. Zum Unglück für Deutschland.
Vor allem zum Glück für Preußen.
Wie die Geschichte Deutschlands ohne Preußen verlaufen wäre, kann niemand wissen. Österreich hatte nach 1815 gar keine Ambitionen mehr, Deutschlands Einheit herbeizuführen. Da hätte es wohl nach 1848 noch einmal eine Revolution geben müssen...
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Suebe
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Barbarossa hat geschrieben:
Suebe hat geschrieben:Die Auflösung des HRR war ein nicht ganz so kurzer Prozess, der Wiener hat sich schon zuvor als "Kaiser von Österreich" verkünden lassen.
1804 in der Voraussicht, dass das Reich nicht mehr lange bestehen wird, stimmt.
Suebe hat geschrieben:Preussen hat mit dem ungeheuerlichen Schritt der Besetzung Schlesiens die Lawine mehr oder weniger ins Rollen gebracht.
Zeit seines Lebens hat jener Friedrich mit allen möglichen Unterschleifen alle Reformbemühungen des Reichs höchstpersönlich torpediert.
Friedrich II. hat die eigentlich traditionelle Treue der Hohenzollern zu den habsburgischen Kaisern beendet, allerdings begann diese "Untreue" zu einem Zeitpunkt, als sie nicht die Kaiserkrone trugen. Und eigentlich sind ja alle über Habsburg hergefallen nach dem Tod von Karl VI. Preußen war da nur am schnellsten, aber keineswegs der einzige Gegner im Österreichischen Erbfolgekrieg. Hier Preußen zu verteufeln, ist eine sehr einseitige Sichtweise, die ich nicht teilen kann.

Und eines sollte man auch nicht vergessen: Die Preußen haben zwischen 1740 bis 1867/71 das geschafft, wozu die Habsburger in 300 Jahren davor nicht in der Lage waren - Deutschland zu vereinigen.
Suebe hat geschrieben:Wobei, Russland hat Preußen am Ende des Siebenjährigen Krieges, 1807 und nochmals 1813 gerettet. Zum Unglück für Deutschland.
Vor allem zum Glück für Preußen.
Wie die Geschichte Deutschlands ohne Preußen verlaufen wäre, kann niemand wissen. Österreich hatte nach 1815 gar keine Ambitionen mehr, Deutschlands Einheit herbeizuführen. Da hätte es wohl nach 1848 noch einmal eine Revolution geben müssen...
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Der "böse" Berliner Fritz hat Kraft seines Gewichts als größter evangelischer Reichsstand alles was an Beschlüssen in Regensburg vorlag, und ihm nicht passte, zur "Religionssache" erklärt, womit "Einstimmigkeit" zur Beschlussfassung nötig war, und sich die Sache damit hatte. Leider haben ihn etliche andere evangelische Reichsstände immer wieder dabei unterstützt, da es etlichen schon lange "stank" dass die kath. Stände die stimmenmehrheit hatten. Leas Hinweis auf die Religion als politisches und auch sonstiges Problem hat schon eine Berechtigung.

Im späteren 18. Jahrhundert hat auch Österreich eine zunehmend egoistische Politik getrieben.
Als Reaktion hat sich langsam aber sicher das "Dritte Deutschland" gefunden, und Pläne zur Reichs-Reorganisation entwickelt. In Weimar, in München, in Anhalt hat man sich Gedanken gemacht und auch Lösungen entwickelt. Dalberg, Wieland und ein gewisser Goethe :mrgreen: waren führende Köpfe dieser Überlegungen. In diesem Kreis kam die Idee eines "ABS-Reichs" auf, Austria, Borussia und Corpus Principum Germanorum. Wobei der bundesstaatliche Charakter des Reiches erhalten bleiben sollte. Die Universität Göttingen mit Johann Stephan Pütter muss hier genannt werden. Hier war der Glaube an den Reichsföderalismus erhalten geblieben. Auch im Bürgertum war es vielen klar, dass die Freiheiten die der Deutsche genoss, höchstens überboten in Angland, eben mit der Staatenvielfalt zu tun hatten.
1785 reifete das ganze zum Fürstenbundprojekt, ausgehend von Sachsen-Weimar, Baden und Anhalt-Dessau.

Die Jahre zwischen 1790 und 1815 verliefen in Deutschland als "offener Prozess der Verfassungsgestaltung" (Diemar Willoweit) es wurde versucht, Altes und Neues zu verbinden, Klar wurde in dieser Übergangszeit, dass Deutschland auch in Zukunft nur ein Bundesstaat kein Einheitsstaat werden konnte.

Letztendlich beschleunigte und überstürzte die Politik Preussens und Österreichs diese Entwicklung, vorgeblich zu gunsten der Bourbonendynastie, in Wahrheit um Frankreich zu schwächen zu verkleinern und natürlich zu beerben, verständigte sich die beiden in der Pillnitzer Deklaration im August 1791.
Der weitere Gang der Geschichte ist bekannt, man bekam bei Valmy Schläge, als die Franzosen bei Mains standen, musste das Reich den Krieg 8den kaum ein Reichsstand gewollt hatte) erklären, Preußen schloß Frieden um sich zügig in Polen zu bedienen, dann auch Österreich das in Italien Schläge bekommen hatte. 1801 schließlich schloss der Kaiser, ohne Rücksprache mit dem Reichstag! den Frieden von Luneville.
Der Rheinbund war keine Erfindung Napoleons sondern die Fortsetzung des Reiches in der Form wie sie im Dritten Deutschland zuvor schon angedacht worden war.
"Eine Regeneration des Alten Reiches im Gehäuse einer neuen Staalichkeit" (Hans-Werner Hahn) Das von Dalberg onzipierte Rheinbundstatut war auch klar aus der alten Reichsverfassung abgeleitet.
Wobei es den Rheinbundfürsten mit diesem Bund ohne Monarchen an der Spitze eben um Autonomie ging, nicht um Souveränität!
In der Zeit began dann auch die bis heute dauernde Debatte um Staatenbund und Bundesstaat
Dietrich
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Suebe hat geschrieben:.
Preußen hat sich beim Wiener Kongress auf das Doppelte vergrößert???????????
Preußen gewann durch den Wiener Kongress 1815 Westfalen und das gesamte Rheinland bis hinunter nach Mainz. Das mag vielleicht keine doppelte Vergrößerung seines Territoriums gewsen sein, aber immerhin ein sehr beträchtlicher Zugewinn.
Suebe hat geschrieben:nee, die haben das Reich geopfert weil sie bei den polnischen Teilungen noch einen Reibbach machen wollten, so wird doch ein Schuh draus....
Das halte ich für eine etwa eigenwillige Sichtweise.
Suebe hat geschrieben:Zusammen mit den Österreichern einen blödsinnigen Krieg anfangen, und als sie Schläge bekamen schnell abgehauen.... Sonderfrieden....
woanders hat man Fahnenflüchtige durch die Gasse gehetzt....
Diplomatisches Ränkespiel und Kabinettspolitik waren zwischen den europäischen Großmächten gang und gäbe - das 18. Jh. war die klassische Zeit dafür. Die Ziele der Staaten waren allein interessengeleitet und sind nicht mit moralischen zwischenmenschlichen Maßstäben zu messen. Die Politk Preußens war im Fall des Baseler Friedens kühl kalkuliert: Ein Sieg seiner Truppen gegenüber der französischen Armee war zweifelhaft, zudem stand Preußen finanziell vor dem Ruin. So opferte es seine linksrheinischen Gebiete, die allerdings mit dem Hzt. Kleve und dem Hzt. Geldern keinen nennenswerten Umfang besaßen. Zudem wollte die preußische Regierung bei der dritten Teilung Polens im Oktober 1795 notfalls Truppen gegenüber Österreich und Russland in Bereitschaft haben.

Wenn man so will, kann man das als "Verrat" gegenüber dem Reich betrachten, das allerdings nur noch schattenhaft vorhanden war - ein "lebender Leichnam".
Suebe hat geschrieben:dann in konspiration mit Napoleon den Briten Hannover abgenommen
Ich glaube kaum, dass Preußen auch nur den mindesten Einfluss auf Napoleons politische und militärische Ziele hatte. Die Annexion Hannovers durch Frankreich brachte Preußen nicht den geringsten Vorteil. Ganz im Gegenteil saß ihm der Feind nun dicht gegenüber.
Lia

Hätte das "Ding" auch noch weiterhin so benannt werden sollen? HRR?
Als Identifikation für Deutschland? So wenig überlebensfähig wie das Gebilde an sich.
Dietrich hat geschrieben:Das Heilige Römische Reich war ein Kaiserreich mit hunderten großer und kleiner Territorien und Herrschaftsträger. Es ging im Jahr 1806 endgültig unter, als der letzte habsburgische Kaiser die Kaiserkrone niederlegte. Weder der Deutsche Bund noch das wilhelminische Kaiserreich sind damit vergleichbar.
Das ist einerseits richtig, dennoch blieb eine ausgeprägte Form der Territorialisierung erhalten.
Was Napoleon zu Fall gebracht hatte, wurde später durch Preußen endgültig abgetan, wäre meine Aufschlüsselung.
Barbarossa hat geschrieben:Und eines sollte man auch nicht vergessen: Die Preußen haben zwischen 1740 bis 1867/71 das geschafft, wozu die Habsburger in 300 Jahren davor nicht in der Lage waren - Deutschland zu vereinigen.
Zu preußischen Bedingungen und ganz und gar nicht immer auf Freiwilligkeit beruhend, Vertragsklauseln außer Kraft setzend (in Abstimmung mit Österreich) bis heute nachwirkende Kolateralschäden hinterlassend, die dann " Deutschland" zugeordnet werden.
Dietrich
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Lia hat geschrieben:Hätte das "Ding" auch noch weiterhin so benannt werden sollen? HRR?
Als Identifikation für Deutschland? So wenig überlebensfähig wie das Gebilde an sich.


Das Reich wurde auch damals schon als Anachronismus betrachtet und es war tatsächlich ein höchst sonderbares Gebilde. Wo gab es sonst noch Bischöfe und Äbte, die als autonome Herrscher Territorien regierten? Wo Grafen, Markgrafen, Kurfürsten, Herren und Reichsritter, die in hunderten Territorien nahezu souverän herrschten? Eine Umbenennung dieses vormodernen föderativen Gebildes z.B. in "Deutsches Reich" hätte seinem Charakter nicht entsprochen, denn seine staatliche Quintessenz war schließlich der übernationale Charakter und natürlich der Anspruch des Kaisers, Beschützer der Christenheit zu sein: Heiliges Römisches Reich. Allerdings war darüber die Zeit längst hinweggegangen.

Lia hat geschrieben:
Dietrich hat geschrieben:Das Heilige Römische Reich war ein Kaiserreich mit hunderten großer und kleiner Territorien und Herrschaftsträger. Es ging im Jahr 1806 endgültig unter, als der letzte habsburgische Kaiser die Kaiserkrone niederlegte. Weder der Deutsche Bund noch das wilhelminische Kaiserreich sind damit vergleichbar.

Das ist einerseits richtig, dennoch blieb eine ausgeprägte Form der Territorialisierung erhalten.
Was Napoleon zu Fall gebracht hatte, wurde später durch Preußen endgültig abgetan, wäre meine Aufschlüsselung.


Sicher. Das föderale Prinzip blieb über die Jahrhunderte erhalten. Es ist ein Kern deutscher Staatlichkeit von Beginn an.
Suebe
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Dietrich hat geschrieben:
Suebe hat geschrieben:.
Preußen hat sich beim Wiener Kongress auf das Doppelte vergrößert???????????
Preußen gewann durch den Wiener Kongress 1815 Westfalen und das gesamte Rheinland bis hinunter nach Mainz. Das mag vielleicht keine doppelte Vergrößerung seines Territoriums gewsen sein, aber immerhin ein sehr beträchtlicher Zugewinn.

Suebe hat geschrieben:nee, die haben das Reich geopfert weil sie bei den polnischen Teilungen noch einen Reibbach machen wollten, so wird doch ein Schuh draus....


Das halte ich für eine etwa eigenwillige Sichtweise.

Suebe hat geschrieben:Zusammen mit den Österreichern einen blödsinnigen Krieg anfangen, und als sie Schläge bekamen schnell abgehauen.... Sonderfrieden....
woanders hat man Fahnenflüchtige durch die Gasse gehetzt....
Diplomatisches Ränkespiel und Kabinettspolitik waren zwischen den europäischen Großmächten gang und gäbe - das 18. Jh. war die klassische Zeit dafür. Die Ziele der Staaten waren allein interessengeleitet und sind nicht mit moralischen zwischenmenschlichen Maßstäben zu messen. Die Politk Preußens war im Fall des Baseler Friedens kühl kalkuliert: Ein Sieg seiner Truppen gegenüber der französischen Armee war zweifelhaft, zudem stand Preußen finanziell vor dem Ruin. So opferte es seine linksrheinischen Gebiete, die allerdings mit dem Hzt. Kleve und dem Hzt. Geldern keinen nennenswerten Umfang besaßen. Zudem wollte die preußische Regierung bei der dritten Teilung Polens im Oktober 1795 notfalls Truppen gegenüber Österreich und Russland in Bereitschaft haben.

Wenn man so will, kann man das als "Verrat" gegenüber dem Reich betrachten, das allerdings nur noch schattenhaft vorhanden war - ein "lebender Leichnam".
Suebe hat geschrieben:dann in konspiration mit Napoleon den Briten Hannover abgenommen
Ich glaube kaum, dass Preußen auch nur den mindesten Einfluss auf Napoleons politische und militärische Ziele hatte. Die Annexion Hannovers durch Frankreich brachte Preußen nicht den geringsten Vorteil. Ganz im Gegenteil saß ihm der Feind nun dicht gegenüber.
Also doch keine "eigenwillige Sichtweise" :twisted:
Ich glaube kaum, dass Preußen auch nur den mindesten Einfluss auf Napoleons politische und militärische Ziele hatte. Die Annexion Hannovers durch Frankreich brachte Preußen nicht den geringsten Vorteil. Ganz im Gegenteil saß ihm der Feind nun dicht gegenüber
Nee Dietrich,
Doppelfehler - (Tennisdeutsch)
Preussen hatte freilich nur wenig Einfluss (zumindest so lange Österreich 1805 nicht besiegt war, dann gar keinen mehr) auf Napoleons Ziele,
aber Preussen, nicht Frankreich hat sich Hannover gekrallt.
Was nebenbei zum totalen Zusammenbruch des preußischen Seehandels führte, denn die Briten haben alles an preußischen Schiffen gekapert das sich nur auf den Meeren zeigte.
Aber Preußen hatte 1806, direkt vor Jena, seine allergrößte Ausdehnung erreicht, Warschau preußisch und Hannover auch.

Jedoch der preußische König war da dem Napoleon voll auf den Leim gegangen, Österreich und Russland von Napoleon geschlagen. England hatte man sich zum Feind gemacht. Stand er ohne Verbündete da, und hat den Lohn für sein Verhalten abbekommen. Richtig eine mordsmäßige auf die Fresse gekriegt.
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