Seit wann gibt es "Deutschland"?

Heraldik, Jagd, Pest, Kriegsführung, Ritter, Feuerwaffen, Burgen, Könige, Königreiche

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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dieter hat geschrieben: Lieber Dietrich,
natürlich muß man bei einem Herrscher anfangen, tatsächlich dürfte aber der Unterschied der Sprache der wichtigste Grund für das Entstehen von Frankreich und Deutschland sein. Es gab die Verträge von Verdun, Meersen und Ripemont. :wink:
Es gibt mehrere Stationen auf dem Weg zum römisch-deutschen Reich. Die genannten Verträge bilden eine Etappe. Andere Daten sind der Regierungsantritt des ersten nichtkarolingischen Königs Konrad, die Wahl des Ottonen Heinrich (erster Nichtfranke) oder die Krönung Ottos I. zum Kaiser in Rom. Vor allem gibt es nicht die EINE Zahl, denn es handelt sich um eine fließende Entwicklung.
Lia

Dieter hat geschrieben:Lieber Dietrich,
natürlich muß man bei einem Herrscher anfangen, tatsächlich dürfte aber der Unterschied der Sprache der wichtigste Grund für das Entstehen von Frankreich und Deutschland sein. Es gab die Verträge von Verdun, Meersen und Ripemont.
Nein, muss man nicht, wenn man Geschichte als vielschichtige Entwicklung betrachtet, weniger als Ereignis-Geschichte, in der ein deus ex machina erscheint. Gab sicherlich immer wieder gerade im MA, Persönlichkeiten, die prägender waren und sein konnten als Vorgänger oder Nachfolger. Die Entwicklung vom Ostfrankenreich mit ostfränkischem König und Westfranken mit einem westfränkischen König, bis hin zu hie deutsch, dort französisch brauchte viel Zeit. Jahrhunderte,
Wenn denn auf beiden Seiten aus der jeweiligen politischen Lage heraus versucht wurde, einen scharfen Strich zu ziehen, ist das eine Sache.
Nur nicht unbedingt dass, was Historiker heute , von den nationalen Brillen befreit, als historisch korrekt bestätigen.
Spannend zu lesen als ein Blick von außen, kleiner Einblick hier:
https://books.google.de/books?id=vC0gAw ... &q&f=false
Die Sache mit der Sprach-Auseinander-Entwicklung ist ziemlich komplex, schon innerhalb des westfränkischen Raumes, der wieder in sich nicht homogen war.
Die Straßburger Eide zeigen jedoch ziemlich deutlich, vielleicht sogar deutlicher und früher als anderes, dass unter dem Dach dem karolingischen Erbes- und sowohl Ost- als auch Westfranken verstanden sich als Erben- man sich nicht mehr so ohne weiteres verstand.
*An die Linguisten: Geht mir hier nur um die Tatsache, dass die Eide schon mehrsprachig abgelegt wurden, damit auch alle verstanden. Soweit kann jedenfalls dem zitierendem Chronisten trauen. Mir ist klar, dass aus Linguisten-Sicht die Überlieferung nicht so ganz lupenrein ist.
Dietrich
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Lia hat geschrieben: Die Sache mit der Sprach-Auseinander-Entwicklung ist ziemlich komplex, schon innerhalb des westfränkischen Raumes, der wieder in sich nicht homogen war.
Die Straßburger Eide zeigen jedoch ziemlich deutlich, vielleicht sogar deutlicher und früher als anderes, dass unter dem Dach dem karolingischen Erbes- und sowohl Ost- als auch Westfranken verstanden sich als Erben- man sich nicht mehr so ohne weiteres verstand.
*An die Linguisten: Geht mir hier nur um die Tatsache, dass die Eide schon mehrsprachig abgelegt wurden, damit auch alle verstanden. Soweit kann jedenfalls dem zitierendem Chronisten trauen. Mir ist klar, dass aus Linguisten-Sicht die Überlieferung nicht so ganz lupenrein ist.
Die Sprache ist tatsächlich nur sehr bedingt ein Indikator für die Entstehung eines "deutschen Bewusstseins". So gibt es das Althochdeutsche als Gruppe nah verwandter Mundarten bereits seit etwa 700 n. Chr., ohne dass jemand auf die Idee käme, zu dieser Zeit bereits "die Deutschen" zu verorten.

Die Straßburger Eide sind eine markante Stelle, die die sprachliche Auseinanderentwicklung im Frankenreich zeigt, indem sie auf Altfranzösisch und Althochdeutsch ausgefertigt wurden. Die Entwicklung des Altfranzösischen aus dem Sprechlatein der gallo-romanischen Bevölkerung hat natürlich schon viel früher begonnen. - Bekanntlich haben wir nur eine viel später entstandene und sprachlich nicht ganz korrekte Abschrift der Stra0burger Eide, doch mindert das nicht ihren historischen und linguistischen Wert.
Lia

Dietrich hat geschrieben:Die Sprache ist tatsächlich nur sehr bedingt ein Indikator für die Entstehung eines "deutschen Bewusstseins".
Ebenso wenig wie für ein spezifisch "franzisches".
Spartaner
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Dietrich hat geschrieben:
Lia hat geschrieben: Zutreffend, und so dachte und "fühlte" man auch.
Nicht zu vergessen, dass so manche Historiker-Generation sich dieses West- Ost- Verhältnisses bediente, um dem Bewusstsein der eigenen Nation zu dienen und sich möglichst früh vom Nachbarn abzugrenzen.
Das erinnert mich an den ewigen Streit in der ersten Hälfte des 20. Jh., ob Karl der Große nun "zu Frankreich" (notre Charlemagne) oder zu Deutschland gehört (unser Karl der Große). Inzwischen sind die Historiker auf beiden Seiten des Rheins vom Strahl der Erkenntnis getroffen worden und keine der Parteien beansprucht heutzutage den Herrscher für sich. Er war König und Kaiser des Frankenreichs und zu seiner Zeit schlummerten beide Nationen noch in der Wiege dieses multiethnischen Staates. :mrgreen:
Bis jetzt gibt es keinen gemeinsamen deutsch - französischen Kontext darüber, seit wann man die Geburtsstunde Frankreichs oder Deutschlands sieht. Eins scheint jedoch klar, es kann nur unter einen gemeinsamen detutsch-französischen Kontext geschehen. Ein zeitlich einseitig definiertes Niemandsland gibt es nicht. Solange das noch nicht definiert ist, bleiben getrennte historische Anschauungen weiterhin prägnant.
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Bis jetzt gibt es keinen gemeinsamen deutsch - französischen Kontext darüber, seit wann man die Geburtsstunde Frankreichs oder Deutschlands sieht.
Da es sich um einen längeren Transformationsprozess handelt ist es nicht möglich, ein exaktes Datum für die Entstehung der Franzosen oder Deutschen zu benennen. Es gibt eine Reihe markanter Daten auf dem Weg dieser Völker - mehr nicht.
Lia

Spartaner hat geschrieben:Bis jetzt gibt es keinen gemeinsamen deutsch - französischen Kontext darüber, seit wann man die Geburtsstunde Frankreichs oder Deutschlands sieht. Eins scheint jedoch klar, es kann nur unter einen gemeinsamen detutsch-französischen Kontext geschehen. Ein zeitlich einseitig definiertes Niemandsland gibt es nicht. Solange das noch nicht definiert ist, bleiben getrennte historische Anschauungen weiterhin prägnant.
Da sind wir uns ja auch einig,
Dietrich hat geschrieben:Da es sich um einen längeren Transformationsprozess handelt ist es nicht möglich, ein exaktes Datum für die Entstehung der Franzosen oder Deutschen zu benennen. Es gibt eine Reihe markanter Daten auf dem Weg dieser Völker - mehr nicht.
Auch in der Zusammenarbeit der Historiker ändert sich einiges, manche "Voreinstellungen" sind nicht mehr aktuell.
Macht richtig Spaß, Geschichte heute.
Beispiel:
http://www.perspectivia.net/content/pub ... en/francia
Suebe
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Das ist aber mal ein schöner Link

Dankeschön
Lia

Suebe hat geschrieben:Das ist aber mal ein schöner Link

Dankeschön
Gern geschehen, aber pass auf- kann süchtig machen! :mrgreen:
Suebe
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Lia hat geschrieben:
Suebe hat geschrieben:Das ist aber mal ein schöner Link

Dankeschön
Gern geschehen, aber pass auf- kann süchtig machen! :mrgreen:
Ich habe gestern Abend mal in die Prophyläen Weltgeschichte geschaut.
Nitschke ist der Autor für die betreffende Zeit.
Er schreibt es wäre eine alte Streitfrage unter den Historikern ob sich im 10. Jahrhundert schon ein "deutsches Empfinden" entwickelt hätte. Wir befinden uns demnach in keiner schlechten Gesellschaft. :lol:
Seine Meinung: Es könnte schon eines gegeben haben, mit Nachweisen würde man sich allerdings sehr schwer tun, insbesondere in der Literatur gibt es in der Zeit wohl fast gar nichts, im Gegensatz zu 100 Jahren zuvor.
Soweit Nitschke
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dieter
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Dietrich hat geschrieben:
Spartaner hat geschrieben: Bis jetzt gibt es keinen gemeinsamen deutsch - französischen Kontext darüber, seit wann man die Geburtsstunde Frankreichs oder Deutschlands sieht.
Da es sich um einen längeren Transformationsprozess handelt ist es nicht möglich, ein exaktes Datum für die Entstehung der Franzosen oder Deutschen zu benennen. Es gibt eine Reihe markanter Daten auf dem Weg dieser Völker - mehr nicht.
Lieber Dietrich,
das ist sicherlich so. Außerdem ändert sich die heutige Sprache in Deutschland und Frankreich noch immer. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Suebe
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dieter hat geschrieben: Lieber Dietrich,
das ist sicherlich so. Außerdem ändert sich die heutige Sprache in Deutschland und Frankreich noch immer. :wink:

Lieber Dieter,

da hast du sehr recht.
In der Feuerzangenbowle will einer seine Mitschüler verschuften und sagt "Wegen dem Schild" worauf er eine gewaltige Rüge einfängt, es heißt nämlich "Wegen des Schildes"

Heute würde die Verschufterei so ablaufen: "Hey Alder, Klo brennt Licht, war böhse Suebe der gemacht hat"

Kein Schimmer wie die Rüge lauten würde. :wink:
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