Die Entstehung der vorneuzeitlichen Städte

Heraldik, Jagd, Pest, Kriegsführung, Ritter, Feuerwaffen, Burgen, Könige, Königreiche

Moderator: Barbarossa

Aneri

Hallo,
ich habe hier dein, Beppe, Beitrag kopiert, da ich denke, das Thema ein eigenes Thread wert ist.
Zu diesen Privilegien gehörte meist auch eine Art von Freiheit, mit besonderen Rechten, die die Stadt vom Landesherren verliehen bekam. Damit so ein Markt nämlich florieren konnte, musste man ihm Rechte zugestehen, die der Landesherr nicht mehr wahrnehmen konnte, weil er sich nicht mehr um alle Streitigkeiten selber kümmern konnte und auch keine Beamten abstellen konnte, die bspw. jeden einzelnen Markt überwachten. Die sogenannte "Brügerfreiheit" innerhalb der Stadtmauern gewährleistete auch, dass die Bevölkerung der Städte stieg, zu Lasten der Landbevölkerung (die oft im Gegensatz zu den Städten NICHT dem Landesherrn der Städte direkt unterstanden; in vielen Dörfern gab es verschiedene Grundbesitzer, die dann auch die Hörigen/Leibeigenen "besaßen"). Das war für den Stadtherren von Vorteil, weil dadurch die Städte besser florierten (= mehr Einnahmen brachten) und die Konkurrenz (= die Herren der Landbevölkerung) geschädigt wurde.
Da insbesondere die Kaiser, und hier wiederum besonders die Staufer, sich zunehmend in landesherrliche Streitigkeiten verstrickten, gleichzeitig immer mehr Städte gründeten oder erhoben (das brachte massig Einnahmen, die sich die Städte aber auch wieder in Form weiterer Rechte entgelten ließen), wurden die Städte immer selbstständiger.
Die späteren Freien Reichsstädte z.B. waren in der Mehrzahl Städte, die ursprünglich den Staufern quasi persönlich gehört hatten. Als die STaufer als Dynastie aufgehört hatten zu existieren, und bevor sich andere Dynasten diese Städte "krallen" konnten, beriefen sie sich darauf, dem Kaiser direkt zu unterstehen (was im Fall der Staufer ja auch zugetroffen hatte) und lösten sich nach Möglichkeit aus der Obhut des dem Kaiser formell untergebenen Landesherrn.

Auch die anderen Städte, die weiterhin einem Landesherrn unterstanden, wurden immer freier, da die Bürger auch hier zu immer mehr Reichtum kamen und dementsprechend selbstbewusst auftraten.
Ich versuche es mit meinen Wörtern zu beschreiben:

Wer von den Landesherren sich mehr behaupten könnte, mehr Annahmen hatte, könnte es auch in Statussymbolen (aufwendigeres Lebensstil und hervorhebende Bauwerke) ausdrucken wüsste. Dafür brauchte man die Handwerke, die sich in der Umgebung auf dem Land des Herrn ansiedelten und sein Schutz genossen haben. Diese Leute brauchten denn wiederum landschaftliche Erzeugnisse, die sie auf einem Markt erwerben könnten. Dagegen die handwerklichen Erzeugnisse brauchte man auf dem Land. Das ist das ursprüngliches Schema.
Die Rechte, die einmal ein kluger Herr seinen Stadtbürgern (es war nur ein Teil von den Bewohnern) einrahmte, brachten zu dem Wachstum der Stadt und auch seinen Annahmen. Jetzt benötigte er keine landwirtschaftlichen Annahmen und könnte nur aus den Steuern, die ihm die Stadt brachte, leben. Andere Landherren hatten übernommen, um ihren Einfluss in Umgebung zu erhöhen. Hier beginnt zu spielen der strategische Ort des zu bildenden Stadt eine große Rolle, da die Handwerker benötigten Händler, der auch Verbindung zu anderen Märkten brauchte. Dadurch müsste auch Stadtherr profitieren, da er über die Händler schnell den neusten Nachrichten über das Geschehen in weiterem Umfeld erhielt und seine Politik rechtzeitig anpassen könnte.

Die Befreiung der Städte von ihren Landherren und Unterordnung unter Kaisertum passiert in 13 Jahrhundert (?). Mich interessiert besonders aber die Entstehung der Städte in dem Frühmittelalter bis Hochmittelalter. Wie ich weiß, später waren kaum neue Städte gebildet (irre ich mich?).

Beppe, du hast es schön beschrieben. Jedoch bleiben die Fragen. Du schreibst: „Die sogenannte "Bürgerfreiheit" innerhalb der Stadtmauern gewährleistete auch, dass die Bevölkerung der Städte stieg, zu Lasten der Landbevölkerung“. Was bedeutet hier „zu Lasten“? Es läufte die Landbevölkerung in die Stadt? Könnte sie es machen? Sie besaß doch keine Freiheit. Und wenn es passierte, dann führte es automatisch zur Kollision des Stadtherren mit der Landherren. Es müsste nicht im Sinne der Stadtherren sein. Oder gerade diese Tatsache den anderen Grundbesitzer an den Stadtherren gebunden hat? Z.B. in dem eine Riegel vorgeschoben wurde, durch den nicht jeder in dem Stadt sich niederlassen könnte?

Wenn aber es die Versorgung der wachsenden Zahl der Bewohner angeht, dann diese „Last“ müsste als von Landbevölkerung als Erleichterung empfunden werden. Da das wenige Überschuss der landwirtschaftliche Erzeugnisse könnte sie in das Geld und später in das benötigte Werkzeug für die Gewinnung der landwirtschaftliche Produkte überführen, oder sich ganz befreit haben. Eine Art der Unabhängigkeit von dem Grundherren, oder?

Zudem das Schema nicht erklärt, warum die Entwicklung der Städte in anderen Kulturen nicht nach dieses sehr logisches Muster gegangen ist. Hier möchte ich anknüpfen an Diskussion über den Niedergang des Roms, osmanisches Reich und China. Warum da ging es anders, obwohl auch feudales System galt? Liegt es an römischem Reich, das obwohl seine Städte verfallen wurden, irgendetwas hinterlassen hat, was spätere Entwicklung der Städte beeinflusst hat. Römische Städte haben auch besondere Rechte genossen. Wie es in arabischen und asiatischen Raum gewesen war? Weis jemand Bescheid?

Meine Gedanke ist, dass religiösen Institutionen – Kirchen, Klöster – hier einen besonderen Einfluss haben müssten. Wenn auch den ersten Herren die Kirche als Hilfsmittel zur Beherrschung des Bevölkerung sahen, selbst aber keine religiösen Leute waren, Ihre Nachkommen waren schon religiös geprägt. Die zentralisierende – monotheistische Weltsicht des Christentums war hier sehr hilfreich. Im Unterschied zu islamischen Institutionen (Islam bekanntlich auch eine monotheistische Religion), entwickelten kirchliche eine hierarchische Struktur, die anscheint auch zu dem besonderen Verlauf der europäischen Entwicklung beibrachte. Die hierarchische Struktur stärkte auch die entfernteste Kirchen, da sie nicht allein agierten, sie gehörten s. z. zu einem großen Ganzen. Die Kirche, die erst nur als Hilfsmittel zur Machtbestrebung zugelassen wurde, wurde zu einem Partner der Macht. Mehr noch, obwohl sie nicht direkt an Verwaltung beteiligt war, ohne ihren Segen ging nichts. Ich denke, die Entstehung der Stadt müsste parallel mit der Konsolidierung mit der Kirche verlaufen. Daher ist vielleicht ein Fehler in dem oberen Schema der Entstehung der Stadt die Kirche aus dem Acht zu lassen.

Kennen Sie vielleicht die Literatur, die verschiedene Kulturen in ihren Entwicklungen vergleicht? Meine Empfehlung: Sammelbuch „Die Ursprünge der modernen Welt – die Geschichte in wissenschaftlichen Vergleich“ Hsgb. James A. Robinson und Klaus Wiegand 2008. Wobei hier es besonders auf die wirtschaftliche, technologische Entwicklungen eingegangen ist. Ich glaube, dass die Religionen und weltanschauliche Systeme (Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Christentum, Islam), die Hochkulturen hinterlassen haben, entscheidenden Einfluss auf den weiteren Entwicklungen haben.
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Aneri hat geschrieben:Hallo,
ich habe hier dein, Beppe, Beitrag kopiert, da ich denke, das Thema ein eigenes Thread wert ist.
Danke. Ich seh´s als Wertschätzung. :D
Aneri hat geschrieben:Du schreibst: „Die sogenannte "Bürgerfreiheit" innerhalb der Stadtmauern gewährleistete auch, dass die Bevölkerung der Städte stieg, zu Lasten der Landbevölkerung“. Was bedeutet hier „zu Lasten“? Es läufte die Landbevölkerung in die Stadt? Könnte sie es machen?
Sie konnte. Sie musste es nur bis innerhalb der Stadtmauern schaffen und dort eine bestimmte Zeit leben, dann wurde man zwar noch kein Bürger, aber immerhin "Einwohner" der Stadt. "Stadtluft macht frei" ist das hierher passende Schlagwort.
Aneri hat geschrieben:Sie besaß doch keine Freiheit. Und wenn es passierte, dann führte es automatisch zur Kollision des Stadtherren mit der Landherren. Es müsste nicht im Sinne der Stadtherren sein. Oder gerade diese Tatsache den anderen Grundbesitzer an den Stadtherren gebunden hat? Z.B. in dem eine Riegel vorgeschoben wurde, durch den nicht jeder in dem Stadt sich niederlassen könnte?
Ja, das kam auch vor, dass Grundbesitzer und Stadtherr bzw. Stadt in der Hinsicht zusammenarbeiteten.
War der Stadtherr aber ein anderer als der Grundbesitzer, und beide standen in Konkurrenz zueinander, schadete das dem Landherren und nutzte dadurch dem Stadtherren.

Oft wurde auch von einem Landesherren in Nachbarschaft einer florierenden Stadt (mit anderem Herren) eine zweite gegründet, die mit mehr Rechten und Privilegien ausgestattet war wie die ältere Stadt und die auch vom Stadtgründer entsprechend gefördert wurde. Dadurch erlebte die älteres Stadt einen Niedergang, die jüngere Stadt einen Aufschwung, und die Einnahmen sowie die strategische Position kamen an den Herrn der neuen Stadt.
So z.B. geschehen im Falle Freisings (Stadtherr: Bischof von Freising) und München (vom damaligen bayerischen Herzog Heinrich dem Löwen gegründet, mit Brücke und Zoll ausgestattet - die ältere Brücke bei Unterhaching, im Besitz des Freisinger Bischofs, wurde "heiß abgerissen" = zerstört, der Zoll aus dieser Brücke damit hinfällig). Die neue Gründung München wuchs und gedieh und wurde schon bald Hauptstadt zumindest eines Teilherzogtums, während Freising in eine Art Dornröschenschlaf fiel.
Aneri hat geschrieben:Wenn aber es die Versorgung der wachsenden Zahl der Bewohner angeht, dann diese „Last“ müsste als von Landbevölkerung als Erleichterung empfunden werden. Da das wenige Überschuss der landwirtschaftliche Erzeugnisse könnte sie in das Geld und später in das benötigte Werkzeug für die Gewinnung der landwirtschaftliche Produkte überführen, oder sich ganz befreit haben. Eine Art der Unabhängigkeit von dem Grundherren, oder?
Nur, wenn es die Landbevölkerung in die "freie Stadtluft" schaffte.
Aneri hat geschrieben:Zudem das Schema nicht erklärt, warum die Entwicklung der Städte in anderen Kulturen nicht nach dieses sehr logisches Muster gegangen ist. Hier möchte ich anknüpfen an Diskussion über den Niedergang des Roms, osmanisches Reich und China. Warum da ging es anders, obwohl auch feudales System galt?
Weil es bei Osmanen, Indern, Chinesen keine Chance gab, auf eigene Faust Städte zu gründen und diese dann auch zu beherrschen. In diesen Reichen gab es ein System von Steuereintreibern, die direkt dem Herrscher unterstellt waren und wussten, dass sie nicht lange über ein Gebiet herrschen würden. Daher fehlte der Anreiz, dauerhafte Strukturen wie eben Städte zu schaffen, die die Einnahmen des Landesherren steigern konnten. Durch Städte werden Länder auch leichter beherrschbar (ein Grund, warum gerade Staufer und Welfen, später auch Witterlsbacher als deren Nachfolger, so viele Städte gründeten: Sie wollten einen Flächenstaat schaffen. Den mussten sie aber auch beherrschen und gegen konkurrierende Adelsfamilien behaupten können. Das ging am besten über Städtegründungen).
Das konnte aber gerade NICHT im Interesse osmanischer, indischer, chinesischer Adliger liegen. Die waren eher an schwachen Herrschern interessiert, damit sie in den Provinzen tun konnten, was sie wollten. Vierle Bauern sind leichter zu beherrschen als viele Städter...
Aneri hat geschrieben: Liegt es an römischem Reich, das obwohl seine Städte verfallen wurden, irgendetwas hinterlassen hat, was spätere Entwicklung der Städte beeinflusst hat. Römische Städte haben auch besondere Rechte genossen. Wie es in arabischen und asiatischen Raum gewesen war? Weis jemand Bescheid?
s.o. Da war es anders, da waren Städte in erster Linie Bevölkerungskonzentrationen und Marktorte = Handelsstützpunkte.
Die römische Stadttradition mit eigener Verwaltung mag in Europa fortgewirkt haben, aber das Überleben der Römerstädte in der Phase der ländlich geprägten germanischen Staaten der Spätantike und des Frühmittelalters war auch ein Grund dafür, dass die Städte in Europa von Anfang an ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein hatten (s. Köln!).
Aneri hat geschrieben:Meine Gedanke ist, dass religiösen Institutionen – Kirchen, Klöster – hier einen besonderen Einfluss haben müssten.
Nur insofern, als die Bischöfe zumindest zum Teil einfach Städte brauchten, um ihre Diözesen verwalten zu können. Es gab natürlich auch Abtbischöfe, vor allem in der Frühzeit, aber auch die ließen sich vorwiegend in Städten nieder (z.B. Virgil und Rupert in Salzburg, Korbinian in Freising...). Eine Diözese brauchte einen Mittelpunkt. Da boten sich die Städte an. War ein Bischof mal in einer Stadt ansässig, wollte er natürlich auch Sonderrechte haben - die der Stadt zu Gute kamen. Vor allem, wenn sich später die Bürger auf dieser Rechtsbasis vom Bischof emanzipierten (z.B. Augsburg).
Aneri hat geschrieben: Im Unterschied zu islamischen Institutionen (Islam bekanntlich auch eine monotheistische Religion), entwickelten kirchliche eine hierarchische Struktur, die anscheint auch zu dem besonderen Verlauf der europäischen Entwicklung beibrachte.
Der Islam ist eine dezentral organisierte Religion, ohne Bischöfe bzw. Entsprechendes. Der braucht keine Städte, nicht unbedingt jedenfalls. Ausnahme: Eine Moschee steht üblicherweise in einer Stadt - ohne viele Gläubige reicht ein einfacher Gebetsraum.
Aneri hat geschrieben: Die hierarchische Struktur stärkte auch die entfernteste Kirchen, da sie nicht allein agierten, sie gehörten s. z. zu einem großen Ganzen. Die Kirche, die erst nur als Hilfsmittel zur Machtbestrebung zugelassen wurde, wurde zu einem Partner der Macht.
Das war dann aber nicht mehr Frühmittelalter. Das kam später.
Aneri hat geschrieben:Mehr noch, obwohl sie nicht direkt an Verwaltung beteiligt war, ohne ihren Segen ging nichts. Ich denke, die Entstehung der Stadt müsste parallel mit der Konsolidierung mit der Kirche verlaufen. Daher ist vielleicht ein Fehler in dem oberen Schema der Entstehung der Stadt die Kirche aus dem Acht zu lassen.
Nein, denn diese Rolle der Kirche kam erst im Hochmittelalter, zwischen 800 und 100 n.Chr., zu der Rolle hinzu, die oben beschrieben wurde.
Aneri hat geschrieben:Kennen Sie vielleicht die Literatur, die verschiedene Kulturen in ihren Entwicklungen vergleicht? Meine Empfehlung: Sammelbuch „Die Ursprünge der modernen Welt – die Geschichte in wissenschaftlichen Vergleich“ Hsgb. James A. Robinson und Klaus Wiegand 2008.
Das hast du schon mal zitiert, im Zusammenhang mit China. Kenn ich nicht (außer per Recherche bei Amazon), hört sich nach "Rundumschlag" an, mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen. Überblick über verschiedene Kulturen, Auch Zusammenhänge und Wechselwirkungen der Kulturen wahrscheinlich mindestens angedeutet, aber die wirklich interessanten Sachen können nur angerissen werden.

Schnapp dir eine beliebige, aber wissenschaftlich erarbeitete Stadtchronik (z.B. Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Hg. von Gunter Gottlieb, 1985), daiwrst du üblicherweise was zur Entstehung dieser Stadt finden, das Hand und Fuß hat (Achtung: Seitenzahl möglichst nicht weniger als 300 Seiten!).
Aneri hat geschrieben:Ich glaube, dass die Religionen und weltanschauliche Systeme (Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Christentum, Islam), die Hochkulturen hinterlassen haben, entscheidenden Einfluss auf den weiteren Entwicklungen haben.
Das ist eigentlich nur logisch.

Beppe
Aneri

Vielen Dank für Antwort,
Aneri hat geschrieben:Ich glaube, dass die Religionen und weltanschauliche Systeme (Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus, Christentum, Islam), die Hochkulturen hinterlassen haben, entscheidenden Einfluss auf den weiteren Entwicklungen haben.
Das ist eigentlich nur logisch.
Wenn das wäre so logisch, dann würden wir uns nicht so leichtsinnig in die Entwicklung anderer Kulturen eingreifen. Man kann nicht eine Demokratie einpflanzen da, wo auf die fundamentalste Ebene - Ebene der Weltanschauung - noch keine Basis für die Werte der Demokratie gebildet worden sind.
Schnapp dir eine beliebige, aber wissenschaftlich erarbeitete Stadtchronik (z.B. Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Hg. von Gunter Gottlieb, 1985), daiwrst du üblicherweise was zur Entstehung dieser Stadt finden, das Hand und Fuß hat (Achtung: Seitenzahl möglichst nicht weniger als 300 Seiten!).
Na ja, ich verstehe was du meinst. Aber in der Wissenschaft eine Spezialisierung nicht umsonst entstanden. Es interessieren mich nicht konkrete Fakten - ihre Veralgemeinerung. Eigentlich darum mochte ich in meiner Schulzeit die Geschichte nicht, weil sie für mich ein Sammelsurium von Daten und Namen war, die mir keinen Bild lieferten. Habe ich ihre Faszination nur viel später entdeckt.
Aneri hat geschrieben:Mehr noch, obwohl sie nicht direkt an Verwaltung beteiligt war, ohne ihren Segen ging nichts. Ich denke, die Entstehung der Stadt müsste parallel mit der Konsolidierung mit der Kirche verlaufen. Daher ist vielleicht ein Fehler in dem oberen Schema der Entstehung der Stadt die Kirche aus dem Acht zu lassen.
Nein, denn diese Rolle der Kirche kam erst im Hochmittelalter, zwischen 800 und 100 n.Chr., zu der Rolle hinzu, die oben beschrieben wurde.
Okey, formuliere ich dann anders. Könnte es sein, dass die Besonderheit der städtische Entwicklung verholfen zur Hierarchie der Kirche und dann ihre instututionelle Entwicklung koppelte an städtische Entwicklung zurück?
Aneri hat geschrieben:Zudem das Schema nicht erklärt, warum die Entwicklung der Städte in anderen Kulturen nicht nach dieses sehr logisches Muster gegangen ist. Hier möchte ich anknüpfen an Diskussion über den Niedergang des Roms, osmanisches Reich und China. Warum da ging es anders, obwohl auch feudales System galt?
Weil es bei Osmanen, Indern, Chinesen keine Chance gab, auf eigene Faust Städte zu gründen und diese dann auch zu beherrschen. In diesen Reichen gab es ein System von Steuereintreibern, die direkt dem Herrscher unterstellt waren und wussten, dass sie nicht lange über ein Gebiet herrschen würden.
Du sprichst über "normale" Zeiten. Es gab aber die Zeiten des Verfalls, dei mit dem römischen Zerfall zu vergleichen sind. Auf islamische Gebiet und Indien mag es diese Periode mit der europäischen Kolonisierung zu tun, so dass man kann über ein Unterbrechen des "natürlichen" Prozesses sprechen. Aber in China zur etwa gleichen Zeit hatte sich auch ein Verfall zu verzeichnet. Also entstanden die Gegebenheiten ähnlich der europäischen, kein zentraler Herrscher.
Vielleicht fehlte in Asien "die Zange" die von mehrerern Seiten den Kulturraum "gedruckt" hat. In europa waren es in Westen und Südosten expandierendes Islam und von Osten - die Mongolen. China hatte aber nur die Mongolen in Norden (oder?).
Aneri hat geschrieben:Wenn aber es die Versorgung der wachsenden Zahl der Bewohner angeht, dann diese „Last“ müsste als von Landbevölkerung als Erleichterung empfunden werden. Da das wenige Überschuss der landwirtschaftliche Erzeugnisse könnte sie in das Geld und später in das benötigte Werkzeug für die Gewinnung der landwirtschaftliche Produkte überführen, oder sich ganz befreit haben. Eine Art der Unabhängigkeit von dem Grundherren, oder?
Nur, wenn es die Landbevölkerung in die "freie Stadtluft" schaffte.
Müsste ein Gehörige alles dem Grundherrn liefern? Er könnte doch etwas verkaufen und evt. auch seine Schulden bezahlen. Also Freiheit erwerben.
Paul
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Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Städten war ein Produktivitätsfortschritt in der Landwirtschaft, um diese Menschen zu ernähren. Das war ein langwieriger Prozeß, mit vielen Erfindungen in der Landwirtschaftlichen Technik, der Züchtung neuer bzw. verbesserter Nutztiere und Pflanzen. Dazu gehörte natürlich auch die Einführung dieser Erfindungen, Tiere und Pflanzen.
Mit diesen Überschüssen wuchs auch ein Markt für neue Güter und verbesserte Güter. Dafür brauchte man wieder neue spezialisierte Handwerker u.a. Berufe.
In den Ländern der Hochkulturen gab es einen Entwicklungsvorsprung, der in anderen Regionen später nachgeholt wurde.
Aber auch in Germanien und erst recht bei den Kelten gab es schon vor den Römern Städte, wie wir in dem Disskussionsstrang Germanische Städte in vorrömischer Zeit disskutiert haben.
Das Mittelalter lag also nicht nur zeitlich zwischen Antike und Neuzeit. Hier hat z.B. Germanien und Deutschland langsam in seiner wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung aufgeholt. Ein totaler wirtschaftlicher Untergang von Städten wurde immer seltener.
Wichtige Entwicklungen in der Entwicklung der Landwirtschaft war die Einfuhr und Züchtung besserer und klimatisch angepassterer Getreidesorten, Gemüse, Obst, Erfindungen wie der Eisenpflug bzw. seine immer stärkere Verbreitung im Mittelalter, Die Verbreitung der Sense, die Züchtung schwerer Kaltblüter, die Dreifelderwirtschaft bzw. komplexerer Wechselfruchtfolgen, Düngemethoden....

Mit der Entwicklung immer größerer Überschüsse wuchs der Bedarf an neuen Produkten und damit das Ausmaß des Handels.
Die mittelalterlichen Landesherren erschwerten allerdings diesen Handel und lähmten teilweise auch die Produktion.
Die Ubier konnten vor dem mittelalterlichen Lehnssystem freier Erze fördern u. verarbeiten. Dies war wohl ein Grund für die Stagnation bzw. auch Bevölkerungsrückgang der Bevölkerung im Siegener Land und in Mittelhessen.
Den Grad der wirtschaftlichen Freiheit den die Ubier nach dem Abschütteln von eventuellen Adelsherrschaften und vor dem ausgreifen und den Auswirkungen der römischen Herrschaft hatten, haben sie als Westerwälder/Hessen erst in der Neuzeit wieder erreicht.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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Aneri hat geschrieben: Es interessieren mich nicht konkrete Fakten - ihre Veralgemeinerung. Eigentlich darum mochte ich in meiner Schulzeit die Geschichte nicht, weil sie für mich ein Sammelsurium von Daten und Namen war, die mir keinen Bild lieferten. Habe ich ihre Faszination nur viel später entdeckt.
Deswegen eben mein Tipp: Schnapp dir eine gute Stadtchronik und ließ dir durch, was da zur Stadtgründung oder -werdung und zur Rolle der Kirche dabei steht. Im Normalfall kannst du diese Erkenntnisse auf alle anderen gleichzeitig entstandenen Städte übertraqgen, abzüglich der lokalen Besonderheiten natürlich.
Aneri hat geschrieben:Könnte es sein, dass die Besonderheit der städtische Entwicklung verholfen zur Hierarchie der Kirche und dann ihre instututionelle Entwicklung koppelte an städtische Entwicklung zurück?
In gewisser Weise, ja. Einschränkung: Wenn du die Rolle der Kirche als Herrschaftsinstrument im frühen Mittelalter ansprichst, musst du noch berücksichtigen, dass es damals auch Bischöfe ohne klar abgegrenzte Diözese gab (z.B. Willibald in Eichstätt, der zu Anfang in einem Kloster bei einer kleinen, wohl auf keltische Ursprünge zurückgehenden Siedlung saß und zwar ein Bistum hatte, aber keine Diözese (=die territoriale Entsprechung zum Amtsbereich genannt Diözese). Die Diözese Eichstätt wurde erst nach dem Tod Willibalds geografisch genau abgegrenzt, als nach dem Ende des Bistums Neuburg a.d. Donau der Sualafeldgau (zwischen Eichstätt und der Donau gelegen) zum Bistum Eichstätt kam).
Diese "Abtbischöfe" residierten nicht in Städten, sondern in Klöstern. Erst nach der Einbindung der Bischöfe in das weltliche Herrschaftssystem entwickelten sich aus diesen Klostersiedlungen Städte.
Aneri hat geschrieben:Du sprichst über "normale" Zeiten. Es gab aber die Zeiten des Verfalls, dei mit dem römischen Zerfall zu vergleichen sind. Auf islamische Gebiet und Indien mag es diese Periode mit der europäischen Kolonisierung zu tun, so dass man kann über ein Unterbrechen des "natürlichen" Prozesses sprechen.
Aber LANGE nach dem Mittelalter, also für unsere Diskussion unerheblich.
Aneri hat geschrieben: Aber in China zur etwa gleichen Zeit hatte sich auch ein Verfall zu verzeichnet. Also entstanden die Gegebenheiten ähnlich der europäischen, kein zentraler Herrscher.
Aber immer noch keine Tradition städtischer Bürger mit Freiheiten im Vergleich zur ländlichen Bevölkerung. Und solange es keinen gab, der die Herrscher - auch die lokalen - nicht zur Übertragung von Privilegien an die Städte zwang, solang passierte auch nichts dergleichen. Auf die Idee kam in China offensichtlich niemand, sondern man hatte andere Wege, das Land zu beherrschen als die Förderung von Städten. Meist war das in China schlichte, rohe militärische Gewalt.
Aneri hat geschrieben:Vielleicht fehlte in Asien "die Zange" die von mehrerern Seiten den Kulturraum "gedruckt" hat. In europa waren es in Westen und Südosten expandierendes Islam und von Osten - die Mongolen. China hatte aber nur die Mongolen in Norden (oder?).
Das schon, nur sehe ich nicht, dass Islam und Mongolen (die noch dazu zu völlig unterschiedlichen Zeiten auf Europa "drückten") die Stadtentwicklung irgendwie beeinflussten - mal abgesehen davon, dass sie Städte auch mal zerstörten.
Die wesentlichen Entwicklungen liefen TROTZ der Bedrohung von außen. Die Fürsten gewannen durch die BEdrohungen an Stärke, wodurch die Städte erst einmal WENIGER Freiheiten gewährt bekamen. Erst, als sich die Fürsten wieder um dn inneren Ausbau ihrer Herrschaften kümmern konnten, ging es für die Städte wieder bergauf.
Aneri hat geschrieben:Müsste ein Gehörige alles dem Grundherrn liefern? Er könnte doch etwas verkaufen und evt. auch seine Schulden bezahlen. Also Freiheit erwerben.
Natürlich ging das. Es gelang nur sehr wenigen. Wer in die Stadt flüchtete, gab nichts direkt ab, er ließ es halt einfach zurück und der nächste Pächter oder Lehensmann übernahm den alten Besitzstand des geflüchteten Vorgängers.

Beppe
Aneri

Paul hat geschrieben:In den Ländern der Hochkulturen gab es einen Entwicklungsvorsprung, der in anderen Regionen später nachgeholt wurde.
Das Mittelalter lag also nicht nur zeitlich zwischen Antike und Neuzeit. Hier hat z.B. Germanien und Deutschland langsam in seiner wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung aufgeholt. Ein totaler wirtschaftlicher Untergang von Städten wurde immer seltener.
Es gab grundsätzlicher Unterschied. Die Städte der Hochkulturen waren eine Verschmelzung der Religion und Verwaltung, die sich nur nach und nach trennten. Die neuzubildenden Städte des frühen Mittelalter begannen sich zu entwickeln in einem vorhandenem Netz der religiösen Institutionen. Diese Institutionen werden nachträglich in die zu bildenden Staaten integriert. Zweitens war ein mittelalterliche Stadt noch kein Staat, wie es mit Hochkulturen-Städten der Fall ist.

Es hilft eine Analogie mit der makrokosmischen Welt. Die ersten Sterne, die auf dem Himmel sich entzündeten, endeten in einer gewaltigen Explosion s. g. Supernova. Der All würde angereicht mit schweren Elementen (vorher war nur der Wasserstoff und Helium) und es hinteblieb ein Schwarzes Loch, der den Anfang der Galaxien gelegt hat. Alle spätere Sterne entstehen in den Wirkungsraum des Schwarzes Lochs. Zu erinnerung: die ersten Sterne waren auf jungfräulichen Himmel erschienen. Es ist ein wesentliches Unterschied und muss als zwei Stadien der makrokosmischen Entwicklung angesehen werden und nicht wie etwas kontinuerlich sich wiederholendes.

Auch Hochkulturen haben eine Referenz für die entstehung späteren Staaten und Städte hintelassen. Es war die Religionen, bzw. ihr ähnlichen Weltanschauungen, die im stande waren ein Kulturraum zu bilden. Die Stadium der Hochkulturen wurde abgeschlossen, wenn nach einer Sequenz der Hochkulturen in Mittelmeerraum endlich eine Religion erschien, die als Referenz für weitere Entwicklung dienen könnte.

Alles was betrifft die Technologie etc. ist schon richtig. Nur muss man nicht vergessen, dass für eine Gemeinschaft eine Weltanschauliches System ist ihr Gefühl. Beknntlich fußt rationales Denken auf den Gefühle.

Mit freundlichem Gruß

PS: Noch ein wichtiges Merkmal der Städte des Mittelalters. Hier spielte die Sippenangehörigkeit untergeordnete Rolle. Ganz anders war es in Hochkulturen-Stadt-Staaten. Es bündeten sich immer mehr Sippen, die auch eine Religion gemeinsamer Abstammung schafften. Die Abstammungsfrage in fruhmittelalter in Europa war nicht wichtig. Wichtig war die Anerkennung der gemeinschaftlicher Regeln.
Zuletzt geändert von Aneri am 04.06.2012, 11:08, insgesamt 1-mal geändert.
Aneri

Peppone hat geschrieben:
Aneri hat geschrieben:Du sprichst über "normale" Zeiten. Es gab aber die Zeiten des Verfalls, dei mit dem römischen Zerfall zu vergleichen sind. Auf islamische Gebiet und Indien mag es diese Periode mit der europäischen Kolonisierung zu tun, so dass man kann über ein Unterbrechen des "natürlichen" Prozesses sprechen.
Aber LANGE nach dem Mittelalter, also für unsere Diskussion unerheblich.
Da ich denke, dass es gibt ein gewisses Entwicklungsmuster, dem die Kulturen unterworfen sind, es ist nicht unerheblich.
Der Zeitverlauf für jede Kultur ist eigens. Meiner Ansich nach erlebt z.B. das Islam ähnliches Stadium wie das Christentum in Mittelalter mit seinem Drang für Expansion.
Aneri hat geschrieben: Aber in China zur etwa gleichen Zeit hatte sich auch ein Verfall zu verzeichnet. Also entstanden die Gegebenheiten ähnlich der europäischen, kein zentraler Herrscher.
Aber immer noch keine Tradition städtischer Bürger mit Freiheiten im Vergleich zur ländlichen Bevölkerung. Und solange es keinen gab, der die Herrscher - auch die lokalen - nicht zur Übertragung von Privilegien an die Städte zwang, solang passierte auch nichts dergleichen. Auf die Idee kam in China offensichtlich niemand, sondern man hatte andere Wege, das Land zu beherrschen als die Förderung von Städten. Meist war das in China schlichte, rohe militärische Gewalt.
Doch, es beantwortet nicht die Frage. Vorher hast du geschrieben, dass gerade Abwesenheit der zentralen Macht sorgte für die Entstehung dieser Tradition in Europa. War es nicht in Wertsystem der Germanen auf höchste Stelle der Freiheit? Vielleicht gerade es für die Entstehung dieser Tradition sorgte. In China nach dem Zerfall eines Reiches und allmähliches entstehen des nächsten war auf das gleiches "Material" angewiesen, in dessen Gedächtnis die Angehörigkeit dem Reich geblieben ist. In Europa hat sich das Römische Reich s. z. verlagert. Mit Neuentstehung war "frisches Material" involviert, der nur nach Ruhm des Römisches Reiches sehnte und deswegen für seine Kultur, Rechtsystem etc. interessierte. Es war eine Fusion unterschiedlicher Kulturen, die zur Neuerfindungen führte. In China war es nur eine Interpretation des vorhandenen.

Gruß
Aneri
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Peppone
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Aneri hat geschrieben: [Die europäische Kultur des Frühmittelalters] war eine Fusion unterschiedlicher Kulturen, die zur Neuerfindungen führte. In China war es nur eine Interpretation des vorhandenen.
Da is was dran.

Beppe
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