Entstehung der Leibeigenschaft, Abgrenzung zur Sklaverei

Heraldik, Jagd, Pest, Kriegsführung, Ritter, Feuerwaffen, Burgen, Könige, Königreiche

Moderator: Barbarossa

Paul
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Mir ging es ja hauptsächlich um das Rechtssytem in der Stadt. Was passierte, wenn ein "Leibeigener früher in die Stadt kam. Wurde er gefangen und verkauft o. an den "Besitzer" zurückgegeben o. war das von Anfang an in vielen Städten nicht so? Gab es einen Zeitpunkt ab dem ein Bauer von Solms nach Wetzlar kam und nicht mehr von den Bürgern ausgeliefert wurde o. wurde er noch nie ausgeliefert?
Hatten die Ubier überhaupt Sklaven? Was machten sie wenn sie Sueben gefangen nahmen, die ihre Orte angriffen? Wenn sie Leibeigenschaft kannten, was geschah dann wenn der Sohn eines solchen Leibeigenen, sein Dorf verlies und nach Wetzlar kam? Vielleicht arbeitete er schon als Schmidtknecht und fand dann schnell Arbeit bei einem Dahlheimer Schmiedt und wurde dann als frei akzeptiert?
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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Peppone
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Mensch, hör doch mal mit deinen Ubiern auf, wenn wir im Mittelalter sind!!

Die Leibeigenschaft in der unmenschlicheren Form, die wir üblicherweise im Kopf haben, ist eine Entwicklung des hohen Mittelalters, nicht des frühen Mittelalters.
Die schon in der Merowingerzeit vorhandene Zahl der Unfreien, die wie Dinge behandelt wurden, nahm im 9.Jh. sprunghaft zu, als immer mehr Freie oder Halbfreie sich mow "freiwillig" unter den Schutz von Adligen begaben. Aufgrund der steigenden Zahl und der immer härter werdenden Bedingungen, unter denen die Unfreien leben mussten, wurde es erst zu dieser Zeit überhaupt interessant, aus der Unfreiheit entfliehen zu können.
Zuvor hat man sich als geflohener Unfreier einfach durchgeschlagen und irgendwo anders ein neues Leben begonnen - aber ohne die rechtliche Absicherung, die man durch die Kodifizierung der Stadtrechte gewann.

Beppe
Paul
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Peppone hat geschrieben:Mensch, hör doch mal mit deinen Ubiern auf, wenn wir im Mittelalter sind!!
Beppe
Ich habe nichts von Mittelalter geschrieben. Ich habe gefragt, ab wann Stadtluft frei machte, also insbesondere auch ob Stadtluft schon in der Frühzeit der Städte frei machte. Das Stadtluft im Mittelalter frei machte wissen wir doch, das brauch man nicht zu besprechen. Was bringt es überall bekannte Umstände zu wiederholen? Das ist völlig uninteressant. Da könnte man genauso fragen, wie unsere Kanzlerin heißt.
viele Grüße

Paul

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Peppone
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Paul hat geschrieben:Ich habe nichts von Mittelalter geschrieben. Ich habe gefragt, ab wann Stadtluft frei machte, also insbesondere auch ob Stadtluft schon in der Frühzeit der Städte frei machte.
Na, dann sorry.

Stadtluft konnte erst frei machen, als die Städte eigene "Rechtspersonen" geworden sind. Das früheste Stadtrecht ist das von Soest, das vor 1160 verschriftlicht wurde und als Vorlage für das Stadtrecht von Lübeck diente. Der Prozess dürfte etwas gedauert haben, so dass wir auf einen Zeitpunkt einige Jahrzehnte vor 1160 kommen.

Beppe
Suebe
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Die Leibeigenschaft ist ein Teil der Steuergeschichte. Mit Sklaverei in dem Sinn hat sie wenig bis nichts zu tun.
Ob die Leibeigenschaft "drückend" war, oder nicht, ob der Leibeigene mehr oder weniger Vorteile daraus zog, ist wie bei der Steuer heute nur von Fall zu Fall zu entscheiden.
Nur ein Beispiel, der Vater von Abraham a Santa Clara, ein reicher Wirt, war und blieb Fürstenbergischer Leibeigener. Obwohl er sich lässig hätte "freikaufen" können.
Dietrich
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"Freiheit" ist im Mittelalter ein großes Wort, denn fast alle waren irgend einem Herrn untertan. Immerhin gab es in der Stadt des Mittelalters weder Hörigkeit noch Leibeigenschaft, was aber nicht bedeutet, dass es in den Städten keine soziale Schichtung gab. Ein bekannter Historiker sagt dazu:

Zitat:
Dem Ruf "Stadtluft macht frei", dem das Faktum "Landluft macht eigen" gegenübersteht, folgten viele, die in ihrem ländlichen Wohnsitz Lasten und Bindungen unterworfen waren. Dahinter verbirgt sich eine Revolution gar nicht zu überschätzenden Ausmaßes ... Die Bewohnerschaft der neuen Gebilde, der vor allem im 13. und 14. Jh. planmäßig gegründeten "stette", war rechtlich und sozial freilich gemischt ...

Wer von der Einförmigkeit und der vergleichsweise einschichtigen Lebensweise des Landes kommt - "Burg" und "Dorf" sind ständisch gesehen eindeutige Fälle -, steht in der Stadt vor einem mehrdeutigen Eindruck. Da ist neben dem ruhelosen, auf den Plätzen herumlungernden Volk der fahrenden Schüler, ... die überreiche Hochfahrenheit der Kaufmannshäuser, da sind die "schädlichen Leute", wie sie in den Chroniken heißen, Kuppler, Bauernfänger, Säckelschneider bis zum Landstreicher und falschen Pilgrim herunter, neben den würdigen Repräsentanten der Rats- und Zunftaristokratie ...

(Otto Borst, Alltagsleben im Mittelalter, Frankfurt 1983, S. 189, 203)
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dieter
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Marek1964 hat geschrieben:
Peppone hat geschrieben:
Paul hat geschrieben:Tatsächlich waren Sklavenjagden in Europa früher häufig.
So häufig, dass die Slawen ihre Bezeichnung dieser Häufigkeit verdanken... :shock:
Peppo
Umgekehrt ists richtig: Die Slawen hatten die Bezeichnung bevor man ihre Völkerbezeichnung in diesem Sinne umdeutete.
Ihr Lieben,
was stimmt wohl, kann das einer aufklären :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Aneri

WIKI:
Das Wort „Sklave“ wird häufig einer veralteten etymologischen Erklärung folgend vom griechischen Verb skyleúo, Nebenform skyláo ‚Kriegsbeute machen‘[2] hergeleitet. Die heute gängige Herleitung geht jedoch von der Entlehnung aus dem lateinischen sclavus für die ethnische Gruppe der seit dem Mittelalter so genannten Slawen aus (rumänisch şchiau, Plural şchei, und albanisch shqa[3] – beides veraltete Bezeichnungen für die (süd-)slawischen Nachbarn, insbesondere Bulgaren und Serben – stammen aus derselben Quelle; beide Wörter konnten einst auch ‚Diener‘, ‚Sklave‘ bedeuten). Einige Autoren neigen dazu, es in den Kämpfen der Ottonen gegen die Slawen im 10. Jahrhundert entstanden zu sehen,[4] zumal bereits bei Widukind von Corvey und in den Quedlinburger Annalen für Slawe anstatt slavus ‚sclavus‘ geschrieben wird. So wurde am 11. Oktober 973 einem Sklavenhändler eine in den Monumenta Germaniae Historica enthaltene Urkunde ausgestellt, in der anstatt des lateinischen servus zum ersten Mal sclavus für ‚Sklave‘ erscheint.[5]
Der in mittelalterlichen arabischen Quellen verwendete Begriff Saqaliba ‏صقالبة‎ / ṣaqāliba / ‚Slaven‘ bezieht sich ebenfalls auf Slawen und andere hellhäutige bzw. rötliche Völker Nord- und Mitteleuropas. Die Bezeichnung al-Ṣaḳāliba (sing. Ṣaḳlabī, Ṣiḳlabī) ist dem mittelgriechischen Σκλάβος entlehnt (der unmittelbaren Quelle von lateinisch sclavus). Hierbei handelt es sich um eine Variante von Σκλαβῆνος (Singular) bzw. Σκλαβῆνοι (Plural), das aus der slawischen Selbstbezeichnung Slovĕne (Plural) übernommen ist. Wegen der großen Zahl slawischer Sklaven hat das Wort in mehreren europäischen Sprachen die Bedeutung ‚Sklave‘ angenommen (engl. slave, it. schiavo, franz. esclave), so auch im Spanien der Umayyaden, wo Ṣaḳāliba alle fremden Sklaven bezeichnete.
Dass sich in bestimmten europäischen Gegenden zunächst auch andere Wörter für „Sklave“ einbürgern konnten, zeigte sich ab dem 10. Jahrhundert während des Verlaufs der Reconquista bis 1492 vor allem im christlichen westlichen Mittelmeerraum, wo die im Kampf erbeuteten und „Sarazene“ / „Sarazenin“ oder „Maure“ / „Maurin“ genannten Gefangenen zur Handelsware wurden und Sklavenarbeit zu verrichten hatten.[6] Auch wenn Sklaverei theoretisch und traditionell von Leibeigenschaft unterschieden wird, sind die Umstände oft nicht im heutigen Sinne des Wortes zu unterscheiden.
Lia

Noch immer sieht man sie, die alte Flagge Nordfrieslands und das alte Wappen.
Wie heißt es so schön unten im Schriftzug:
Lewer duad üs slav!

Mag das auch erst spät "Slogan" der freien Fiesen ( siehe Detlev von Liliencron: Pidder Lüng) geworden sein, mit Sicherheit war die Gleichsetzung von Slawe und Sklave schon lange in den Köpfen (nicht nur) der Friesen.

Zu "Stadtluft macht frei" mal mehr als Wikipedia:
http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=& ... 1339,d.ZWU
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Marek1964
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dieter hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:
Peppone hat geschrieben: So häufig, dass die Slawen ihre Bezeichnung dieser Häufigkeit verdanken... :shock:
Peppo
Umgekehrt ists richtig: Die Slawen hatten die Bezeichnung bevor man ihre Völkerbezeichnung in diesem Sinne umdeutete.
Ihr Lieben,
was stimmt wohl, kann das einer aufklären :?:
Aneris Artikel aus wiki zitiert sagt es. Um es aber plausibel zusammenzufassen: Keine Volksgruppe nimmt freiwillig ihre Bezeichnung als Sklaven als namen für sich an.
Paul
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Die Kriegsgefangenen waren wahrscheinlich immer erstmal Leibeigene. Sie konnten entweder auf dem Haupthof arbeiten o. wie ein Pächter Land bewirtschaften. Daraus wird sich im Mittelalter die Hörigkeit entwickelt haben.
Wir haben die Situation, das in einer Gesellschaft, die wenig Krieg führte die Leibeigenen verschwanden, also fast nur Freie lebten. Die Freien nahmen sich Nebenfrauen, die aber auch freie Kinder bekamen. Ubien hatte vor dem Krieg gegen die Sueben also wahrscheinlich fast keine Unfreien. Sie gründeten im Rheinland z.B. in Köln und Bonn also eine Gesellschaft ohne Unfreie. Daher könnte das Prinzip Stadtluft macht frei, aus dieser Gründungszeit stammen. Es gab nur das Problem, das die Römer die Sklaverei hatten und auch im Rheinland einführten.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
james
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Ich will euch kurz mal darüber aufklären wie Leibeigenschaft wirklich entstand. Die ursprüngliche Leibeigenschaft waren Schuldner.
In den Sumerstaaten gingen Menschen die sich nicht ernähren konnten zum Getreidespeicher des Königs oder der Tempel und bekamen dort Essen. Da das aber nicht nur 2 Tage sondern oft Wochen waren, schuldeten sie dem König oder Tempel eine Dienstleistung. Ihr Leib war für eine gewisse Zeit Eigentum der Tempel bzw. des Königs. Da es aber immer ungerechter zuging wurden diese immer länger Leibeigene von Tempeln und Königen. Wenn jedoch ein König starb und ein neuer an die Macht kam, ließ er alle Leibeigenen die Schulden streichen. So machte er sich beliebt und hatte im Volk einen gewissen Rückhalt. Kriegsgefangene machte man nicht. Später benutzte man Kriegsgefangene dazu Tempel zu bauen und ließ sie dann wieder laufen, wenn der Tempel stand. Dann mussten sie Tribute zahlen, und im Jahr darauf kämpfte man wieder gegen die Rebellion. Die waren durchaus beliebt um die Stärke des Herrschers zu beweisen. Erst mit den Hyksos in Ägypten wurde um 1500 v. Chr. eingeführt das Söhne von Kleinkönigen als Geiseln genommen wurden, um die Tributzahlungen sicher zu stellen. Nach und nach stellte die gesamte Elite eines Landes Geiseln, so auch die Israeliten, deren Geiseln in Babylon durchaus nicht wie Sklaven lebten, sondern sie wurden in der babylonischen Gesellschaft integriert. Richtige Sklaven gab es erstmalig unter den Persern, die sich an den Babyloniern und Assyrern rächten und diese zu niedrigen Arbeiten zwangen. Ansonsten beruhte ihre Macht auf das Heiraten aller möglichen Töchter einflussreicher Fürsten. Auch Alexanders Reich wurde nicht auf Sklaven aufgebaut sondern auf Kooperation und Gehorsam.
Das selbe System kannten auch noch die Griechen der Antike. Mehrere Staaten hatten sogenannte Staatssklaven, also Kriegsgefangene die der Stadt gehörten und die von Bürgern gemietet wurden.
Was wir heute unter Sklaven verstehen ist eigentlich eine Erfindung der Römer, die zu einer richtigen Sklavenhaltergesellschaft wurden. Etwa zeitgleich sieht man auch in China eine solche Entwicklung die eigentlich stark an die Mauer gebunden ist, denn der Kaiser benötigte immer mehr Menschen zum Bau der Mauer und erfand Steuern die weitere Schuldner erzeugte die er zum Bau seiner Mauer einsetzen konnte. Die Sklaverei ist also nicht -zig Tausende Jahre alt, sondern nur rund 2500 Jahre alt. Die Sklaverei wurde im Prinzip in Europa mit den Römern als unchristlich abgeschafft, und nur von den Heidnischen Wikingern als neuer Wirtschaftszweig zu den Arabern entdeckt. Doch mit der Christianisierung wurde sie auch hier unüblich, während sie im Araberreich direkt übernommen wurde und noch heute gibt es Berber und Afrikaner die Sklaven halten, obwohl das illegal ist.
Natürlich hatte man sich in Europa längst Ersatz verschafft und unter dem Deckmantel der Leibeigenschaft ging die Sklaverei weiter bis die Industrialisierung den Lohnsklaven erschuf und mittels Rasseneinteilung den Schwarzem zum minderwertigem Menschen erklärte, den man in seinem Land (z.b. Belgisch Kongo) ausbeutete oder eben per Sklavenschiff auf Zuckerrohr- und Schaffarmen verschleppte. Die letzten Sklaven in Deutschland gab es nach dem Krieg. Damals brachte man verwaiste Jugendliche der Kriege bei AlmBauern in Bayern und den Alpen unter, wo sie zum großem Teil misshandelt, missbraucht, unterernährt und ausgebeutet wurden, bis sie alt genug waren und den Pass beantragen konnten. Viele verstarben bevor sie ihr 21. Lebensjahr erreichten. Ähnlich schlecht ging es Kindern von Familien, die keinen Ernährer hatten.
Erst in den 70iger Jahren gab es ein Gesetz das Kinderarbeit in der BRD verbot. In der DDR wurde das bereits 1949 in die Verfassung aufgenommen. Inzwischen wird das Gesetz in der BRD wieder aufgeweicht.
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Hera
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Dem ist nix mehr hinzuzufügen :)
Der Kluge lernt aus allem und jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß schon alles besser.
(Sokrates, griechischer Philosoph)
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