Entstehung der Leibeigenschaft, Abgrenzung zur Sklaverei

Heraldik, Jagd, Pest, Kriegsführung, Ritter, Feuerwaffen, Burgen, Könige, Königreiche

Moderator: Barbarossa

Paul
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Die Leibeigenschaft ist nicht ganz sicher von der Sklaverei abzugrenzen.
Leibeigene waren sicherlich ursprünglich Kriegsgefangene. In Germanien gab es sogar Halbfreie. Das waren in der Regel Stammesangehörige, die sich verschuldet hatten und ihre Schuld abarbeiten mußten.
Warum begaben sich so viele Freibauern in Hörigkeit? Meist wird die Kriegsdienstpflicht angeführt. Es wurden aber nie so riesige Heere aufgeboten, wie es der Zahl der Wehrpflichtigen entsprechen würde. Gegen die Ungarn wurden nur an die 10000 Bewaffnete aufgeboten. Im Frankenreich soll Kart Martell 50000 Krieger gegen die Mauren aufgeboten haben, bei größerer Bevölkerung. Dies war das größte Heer, welches im Frankenreich mobilisiert wurde. Selbst nachdem die Hörigkeit so um sich gegriffen hatte, gab es sicherlich noch hunderttausende freie Bauern und Hunderttausende freie Bürger und das bei stark wachsender Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Im Osten waren die Deutschen Kolonisten ja alle frei. Es wurde berichtet, das oft mehrere Bauern einen Bewaffneten ausrüsteten, der für sie in den Krieg zog. Das ist für mich auch ein bischen unverständlich. Einen Bogen und ein Schild aus Holz/Leder konnte sich doch jeder selbst herstellen. Das teuerste wäre dann ein Schwert o. eine Axt. Aber Äxte hatten die Bauern doch wahrscheinlich sowieso für ihre Arbeit auf dem Hof z.B. um Feuer- u. Bauholz zu gewinnen.
Oft begaben sich die Bauern in die Hörigkeit von Klöstern. Eigentlich sollten diese dann Bewaffnete im Kriegsfall stellen. Die Zahl der Bewaffneten hätte dann gleich bleiben müssen.
Bei z.B. 23 Millionen Einwohnern hatte das HRR etwa 5 Millionen erwachsene Männer. Davon müßten sicherlich über 1 Millionen frei und damit wehrpflichtig gewesen sein. Für weitere Millionen Hörige hätten die Landherren die Ersatzkräfte stellen müssen. Die Klöster hatten gar nicht die Männer, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
Eigentlich kann der Druck auf die Freien Bürger und Bauern nicht so groß gewesen sein. Es gab scheinbar nicht die Verwaltungsstrukturen, um die Wehrpflicht durchzusetzen. Der Deutsche Ritterorden hat größere Heere im Konflickt mit Polen aufgestellt, als das HRR z.B. gegen Ungarn u. Awaren.
Gegen die Mongolen gab es aus Zeitgründen nur eine Minimalst - Teil-Mobilisation in Schlesien, wahrscheinlich hauptsächlich auf Freiwilligenbasis. Im Konflickt mit den Türken vor Wien wurde die Wehrpflicht überhaupt nicht mehr eingefordert. Das hätte der Kaiser natürlich noch nachholen können.
Die Kriege waren aber eigentlich kein Problem, welches massenhaft Leute betraf.
Wenn Karl der Große vielleicht mal mit 5000 bis 10000 Kriegern gegen die Sachsen zog, dann war doch fast niemand davon betroffen, etwa jeder tausendsde Mann im Reich, meist auch noch Adlige mit ihrem Gefolge. Das kann doch nicht wirklich ein Massenproblem für die Bauern gewesen sein, weswegen man sich in Abhängigkeit begeben sollte. Als es wirklich noch Volksheere gab, da waren wirklich bestimmte Bevölkerungsgruppen stark betroffen z.B. wenn die relativ wenigen Burgunder gegen die Hunnen kämpfen mußten, da waren fast alle erwachsenen Burgunder betroffen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Paul
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Heute habe ich einen Artikel in der Geo gelesen, der reiserisch betitelt war. Afrikanische Sklavenjagden in Europa. In dem Artikel wurde beschrieben, das wahrscheinlich über 1 Millionen Europäer bei Sklavenjagden gefangen wurden und in Nordafrika auf Sklavenmärkten verkauft wurden.
Zum Teil handelte es sich um Menschen, die sich auf von Seeräubern gekaperten Schiffen befanden, teilweise machten Nordafrikaner solche Sklavenjagden auch bei Überfällen auf die Küstenbevölkerung, überwiegend in Spanien, Portugal und Italien. Einmal soll es sogar eine Sklavenjagd auf Island gegeben haben. Wieviele Seeräuber diesen Überfall überlebt haben, wurde in diesem Artikel aber nicht beschrieben.
Tatsächlich waren Sklavenjagden in Europa früher häufig. Sie waren wohl ein Motiv für viele Kriege und Überfälle auch der Römer. Schon die Germanen verkauften Sklaven an die Römer. Die Wikinger steigerten dies mit ihren Raubfahrten. Die Mauren gingen als Seeräuber ähnlich vor. Die Türken agierten so auf Schiffen und auf Land z.B. dem Balkan.
viele Grüße

Paul

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Peppone
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Paul hat geschrieben:Tatsächlich waren Sklavenjagden in Europa früher häufig.
So häufig, dass die Slawen ihre Bezeichnung dieser Häufigkeit verdanken... :shock:
Peppo
Dietrich
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Paul hat geschrieben: Warum begaben sich so viele Freibauern in Hörigkeit?
Dir ist aber klar, dass Hörigkeit und Leibeigenschaft zwei verschiedene Dinge sind?

Hörigkeit war eine Form der dinglichen Abhängigkeit. Der Hörige bearbeitete den Boden selbstständig, war aber an ihn gebunden. Er war zu persönlichen Leistungen auf dem Fronhof verpflichtet. Im Gegensatz zum Leibeigenen konnte ein Höriger bewegliches Eigentum, jedoch keinen Grundbesitz erwerben.

Der Leibeigene hingegen war unfrei, allerdings kein privatrechtliches Eigentum wie der Sklave. Er gehörte zum Gesinde des Herrenhofs, musste seinem Leibherrn eine jährliche Kopfsteur zahlen und ungemessenen Frondienst leisten. Auch sein Privatleben war unfrei, er durfte nicht ohne Genehmigung heiraten und nach seinem Tod hatten die Erben dem Leibherrn besondere Abgaben zu leisten. Die Leibeigenschaft liegt etwa zwischen Sklaverei und Hörigkeit.

Oftmals wurden Freie durch Schuldknechtschaft zu Hörigen oder sie unterstellten sich freiwillig dem Schutz eines Grundherrn, da sie den Kriegsdienst - ein Merkmal der Freien - nicht mehr leisten konnten.
Zu beachten ist der Unterschied zwischen Hörigkeit und Leibeigenschaft, was häufig zu Verwirrung führt. Als Leibeigene werden Diener des Grundherren bezeichnet, die dessen Land und Gut bewirtschaften. Ehemals freie Bauern, die sich freiwillig dem Grundherren unterstellt und ihm ihr Land übergeben haben, werden hingegen als zu diesem Land gehörend, als Hörige, bezeichnet. Während Leibeigene personenbezogene Abgaben an ihre Herren zahlen müssen, sind die Abgaben der hörigen Bauern gutsbezogen.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Oftmals wurden Freie durch Schuldknechtschaft zu Hörigen oder sie unterstellten sich freiwillig dem Schutz eines Grundherrn, da sie den Kriegsdienst - ein Merkmal der Freien - nicht mehr leisten konnten.
Dazu kommt noch, dass der Grundherr sowohl Hörigen wie auch Leibeigenen gegenüber schon auch Pflichten hatte, den Schutz nämlich.
Ging´s etwa um ein Grundstück, war der Herr für den Hörigen Rechtsvertreter (denn eigentlich gehörte ja dem Herrn der Grund). Hatte der Hörige Ernteausfälle, sprang der Herr ein (er wollte ja seine Hörigen nicht verlieren, das war quasi eine Investition für den Herrn).

Dieses Rechte-Pflichten-Verhältnis verschwand immer mehr, je mehr Macht die Herren gewannen. Die wurden ja immer reicher, waren immer weniger auf den einzelnen Hörigen oder gar Leibeigenen angewiesen und dementsprechend gingen sie auch mit ihren Hörigen/Leibeigenen um. Diese schauten immer mehr "mit dem Ofenrohr ins Gebirg"...

Peppo
Paul
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Peppone hat geschrieben:
Paul hat geschrieben:Tatsächlich waren Sklavenjagden in Europa früher häufig.
So häufig, dass die Slawen ihre Bezeichnung dieser Häufigkeit verdanken... :shock:
Peppo
Das ist wahrscheinlich umstritten, denn Wort heist im Polnischen Swowo( Slowo), es konnte also als Selbstbezeichnung ein ähnliches Wort im frühen Slawisch gegeben haben, welches bedeutet, die die sprechen.
Ich habe die These auch anders herum gehört, das die Selbstbezeichnung der Slawen dann zum Wort Sklaven geführt hat.
Im westlichen Germanien stellten aber Germanen die meisten Kriegsgefangenen der Germanen und später dann vielleicht auch die Kelten. Die Ostgermanen haben wahrscheinlich Raubzüge zu den Slawen und Balten östlich der Weichsel gemacht, um diese zu fangen, während die Nordgermanen solche Raubzüge auch ohne Schiff zu den Samen und Finnen machten.
viele Grüße

Paul

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Paul
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Der Stand der Halbfreien entstand wahrscheinlich hauptsächlich aus Freigelassenen, die trotzdem in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu früheren "Herrn" blieben und für ihn praktisch als Pächter Land bewirtschafteten. Da sie kein eignes Land besaßen und abhängig waren, durften sie auf dem Thing nicht mitbestimmen.
Die Frage ist, ob sie im Verteidigungsfall zum Kriegsdienst mußten/durften. Im Mittelalter gingen Kriegsknechte mit in den Krieg, also sogar Unfreie und Angestellte(Halbfreie).
Die eignen Stammesangehörigen konnten grundsätzlich nur zu Halbfreien werden, also nicht unfrei werden.
viele Grüße

Paul

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Harald
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Wenn du so willst, entstand die Ritterschaft aus dem Uradel und den Ministerialen, die ihren fürstlichen Herren dienstpflichtig und somit auch nicht vollständig frei waren. Diese Ritter wurden dann auch Landesherren.

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Spartaner
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Paul hat geschrieben:Die Leibeigenschaft ist nicht ganz sicher von der Sklaverei abzugrenzen.
Eine der Hauptursachen der Bildung sozialer Schichten in der frühgeschichtlichen Gesellschaft, war die Tatsache, das ein großer Teil des Landes Eigentum, der jeweiligen aufstrebenden Herrscherkaste geworden ist.
Die Menschen hatten keinerlei Bodenrechte. Im alten Babylonien mussten sich die Menschen in Abhängigkeitsverhältnisse begeben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Viele, die keine ausgewählten Berufe wie z.B. Goldschmiede, Schreiber hatten , nämlich die sogenannten Tagelöhner., die sich in den Palästen und auf den Feldern verdingen mussten, verloren ihre Freiheit.
Sie mussten sich in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben und zu den Konditionen, der herrschenden Klasse arbeiten. An der Spitze des sozialen Gefüges standen die freien Menschen, ganz unten die Sklaven. Dazwischen aber gab es noch eine Schicht von Menschen, die weder Sklaven noch im Besitz der vollen Bürgerrechte waren, sie werden von Geschichtswissenschaftlern entweder Halbfreie - oder auch Leibeigene genannt.
Im Codex des Hammurapi werden diese Stände in zahlreichen Textpassagen erwähnt. In diesen Codex werden die Rechte und Pflichten der freien Bürger: (awilum ) der Halbfreien: (muskenum) und der Sklaven: (wartum(männl.) bzw. antum (weibl.) ) ausdrücklich hervorgehoben. http://books.google.de/books?id=96O8Qff ... um&f=false
Paul
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Mich würde ja interessieren, seit wann Stadtluft im mittelalterlichem Deutschland o. sogar schon in Germanien frei machte o. gab es vielleicht in Ubien gar keine Leibeigenschaft, außer später im Rheinland unter den Römern?
Es ist belegt, das im römisch beherrschten Köln auch Sklaven gehandelt wurden. Wurden sie frei, wenn sie fliehen konnten?
Die Ubier übernahmen ja sogar teilweise die Mode des kurzen Haares von den Römern. Das war eigentlich das Zeichen für Unfreie. Das wäre ein Indiz dafür, das Leibeigenschaft schon früh in Köln und vielleicht seit jeher in Ubien keine Rolle spielte?
viele Grüße

Paul

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Dietrich
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Paul hat geschrieben:Mich würde ja interessieren, seit wann Stadtluft im mittelalterlichem Deutschland o. sogar schon in Germanien frei machte o. gab es vielleicht in Ubien gar keine Leibeigenschaft, außer später im Rheinland unter den Römern?
Es ist belegt, das im römisch beherrschten Köln auch Sklaven gehandelt wurden. Wurden sie frei, wenn sie fliehen konnten?
Die Ubier übernahmen ja sogar teilweise die Mode des kurzen Haares von den Römern. Das war eigentlich das Zeichen für Unfreie. Das wäre ein Indiz dafür, das Leibeigenschaft schon früh in Köln und vielleicht seit jeher in Ubien keine Rolle spielte?
Meines Wissens entstand der Grundsatz "Stadtluft macht frei" mit dem Aufkommen größerer Städte im Hohen Mittelalter, etwa seit dem 12. Jh. Allerdings erkannte das der Adel vielfach nicht an, sodass es ständig zu Prozessen kam. Auch als dieser Grundsatz vom Reichsrecht verworfen wurde, konnte der Adel seine Forderung meist nicht durchsetzen.
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Marek1964
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Peppone hat geschrieben:
Paul hat geschrieben:Tatsächlich waren Sklavenjagden in Europa früher häufig.
So häufig, dass die Slawen ihre Bezeichnung dieser Häufigkeit verdanken... :shock:
Peppo
Umgekehrt ists richtig: Die Slawen hatten die Bezeichnung bevor man ihre Völkerbezeichnung in diesem Sinne umdeutete.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Meines Wissens entstand der Grundsatz "Stadtluft macht frei" mit dem Aufkommen größerer Städte im Hohen Mittelalter, etwa seit dem 12. Jh.
Ich würde eher sagen, mit dem Aufkommen der Stadtrechte, seit dem 10./11.Jh. also. Denn dadurch wurden die Städte mit eigenem Stadtrecht auch eigene Rechtsbezirke, und nur dadurch konnte man, indem man von einem Rechtsbezirk in den anderen wechselte, auch andere Rechte (und damit Freiheiten) bekommen.
"Stadtluft macht frei" heißt ja, dass man, wenn man das Recht erworben hatte, ein Stadtrecht für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, damit die vorherigen Rechstverhältnisse, die einen unfrei machten, abgelegt hatte.

Beppe
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Das Stadtrecht betrifft doch wohl die jüngeren Städte und nicht diejenigen Städte, welche das Stadtrecht praktisch von "Anfang an" hatten. Ich wüßte nicht, das Wetzlar noch einmal die Stadtrechte verliehen worden wären. Wetzlar war schon immer eine Reichsunmittelbare Stadt. Das Recht als Bürger wurde doch wohl auch nur informell von der Bürgerschaft akzeptiert und nicht verliehen o. erworben wie die Zunftzugehörigkeit in späterer Zeit?
Wenn gerade in der Frühzeit kein Bürgerrecht formell erworben wurde, dann würde man doch gerade in einer großen Stadt wahrscheinlich schon immer frei gewesen sein, wenn man sie erreichte und seinen Unterhalt auf legale Weise bestreiten konnte, also nicht durch betteln o. Diebstähle auffiel. Wichtig war ja das Wehrrecht. Wenn einer auf einer Wetzlarer Volksversammlung auftrat und nicht rausgeschmissen wurde, war er Bürger?
viele Grüße

Paul

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Paul hat geschrieben:Das Stadtrecht betrifft doch wohl die jüngeren Städte und nicht diejenigen Städte, welche das Stadtrecht praktisch von "Anfang an" hatten. Ich wüßte nicht, das Wetzlar noch einmal die Stadtrechte verliehen worden wären.
Darum geht es doch auch gar nicht. Das Recht, sich Stadt zu nennen, ist was anderes als das Rechtssystem, das innerhalb einer Stadt gültig ist, auch wenn natürlich eine Verbindung zwischen beidem besteht.
Es geht darum, dass irgendwann vor 1160 in Soest zum ersten Mal ein Stadtrecht kodifiziert wurde. Ab diesem Zeitpunkt konnte jeder nachlesen, unter welchen Umständen er Stadtbürger werden konnte. Die mittelalterliche Stadt, nur zur Erinnerung, definierte sich aus der Existenz eines eigenen Rechtssystems (neben der Existenz von Stadtmauern, dem Recht, Märkte abhalten zu dürfen und der Existenz von Stadtbürgern, die einen Rat einrichten und wählen durften). Ab diesem Zeitpunkt war klar, wer sein Rechtssystem des Dorfes, in dem er lebte (und damit üblicherweise die Leibeigenschaft bzw. den Hörigenstatus) verließ und in eine Stadt wechselte, wechselte auch in das städtische Rechtssystem - er wurde damit Stadtbürger und war eben kein Höriger oder Leibeigener mehr.

Beppe
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