Rom und Karthago: verschiedene Mentalitäten

Mesopotamien, Babylon, China, Mongolen, Sumerer

Moderator: Barbarossa

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dieter
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Lieber Spartaner,
bei diesen Tatsachen, die Du schreibst, ist zu vermuten, dass Karthago nicht anders reagiert hätte als Rom. Hat nicht zur selben Zeit als Persien Hellas angriff Karthago Sizilien angegriffen und ist dort von Syrakus geschlagen worden :?:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Ruaidhri
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Mal zwischendurch an Dietrich, Carlos und den Spartaner:
Danke für die interessante, fundierte Diskussion!
" Unterschiedliche Mentalitäten" ist ein etwas schwieriger Begriff, ist Euch aber blendend gelungen, aus verschiedenen Perspektiven darzulegen, was damit gemeint sein kann! :clap:
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LG Ruaidhri
Dietrich
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Spartaner hat geschrieben:Im Kampf gegen die Griechen stellten sie den Hauptanteil der persischen Flotte und ihr Ziel war ganz eindeutig imperialistischen Charakters.
Karthago hat während seiner Existenz lediglich Handelsfaktoreien und Handelsstützpunkte besessen und mit den Stämmen des Hinterlands Handelsverträge abgeschlossen (die spanische Herrschaft nach dem 1. Punischen Krieg ist ein untypischer Sonderfall). Lediglich auf Sizilien besaß Karthago im äußersten Westen ein seit langer Zeit bestehendes kleines Territorium, was zu endlosen Auseinandersetzungen mit den Griechen führte, die den Hauptteil der Insel beherrschten.

Als "Imperialismus" kann man das kaum bezeichnen. Es ist die typische Einstellung einer Handelsnation, die friedlich und ungestört Handel treiben möchte. Im Vergleich zur gewaltsamen territorialen Ausbreitung Roms zeigt das einen gewaltigen Unterschied. Von einem "römischen Imperialismus" kann man sicher sprechen, von einem "karthagischen Imperialismus" kaum. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Karthager ihre Handelsinteressen militärisch verteidigten, wenn sie sie bedroht sahen.
Dietrich
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CARLOS hat geschrieben:Aber es sind eben nicht nur Mentalitätsunterschiede darin verborgen sondern auch geopolitische Faktoren, die die Herrschaftsbildung fördern.
Bis zu den Punischen Kriegen hat Karthago in den 600 Jahren seines Bestehens weder große Gebiete erobert noch weiträumige expansive territoriale Ziele erkennen lassen. Karthago war mit seinen mittelmeerischen Faktoreien und Handelsstützpunkten zufrieden und zog nur in den Krieg, wenn es seine Hegemonie zur See im westlichen Mittelmeer gefährdet sah.

Selbst die Scharmützel zwischen Karthagern und Griechen, die sich jahrhundertelang hinzogen, entzündeten sich stets an griechischen Provokationen und militärischen Vorstößen. Karthago war mit seinem kleinen Gebietsteil im westlichen Sizilien um die phönizisch-punische Gründung Motye zufrieden und reagierte - abgesehen von wenigen Ausnahmen - nur auf Angriffe der Griechen, die der festen Überzeugung waren, ganz Sizilien sei griechisches Eigentum.

Was an Reaktionen der Griechen und Römer über die Punier überliefert ist, bezeugt deutlich ein Gefühl der "Andersartigkeit" und des "Fremdseins". Dafür gibt es einleuchtende Gründe. Vor allem waren weder die Phönizier noch die ihnen stammverwandten Karthager Teil der hellenistischen Ökumene oder später der griechisch-römischen Kultur. Allein die angebliche Opferung ihrer lebenden Kinder - an der die Archäologen heute berechtigte Zweifel haben - stieß in der gesamten Mittelmeerwelt auf Ekel und Ablehnung.

Heute nehmen viele Archäologen an, dass die in Urnen gefundenen Überreste von Kindern Totgeburten oder früh verstorbene Kinder waren, die die Eltern opferten. Auf jeden Fall trug das zum ruinösen Ruf der Punier bei, ferner auch ihre Hegemonie zur See und ihr sprichwörtliches händlerisches Geschick, das bereits Homer in der Ilias erwähnt. Allerdings werden sich griechische Händler nicht sonderlich davon unterschieden haben. Hinzu kommen andere Götter wie Tanit, Baal oder Melkart, eine andere Sprache, andere Architektur usw. usw.

Auf jeden Fall war die die antipunische Propaganda Roms äußerst wirksam, die sich nach dem Sturz Kartagos nochmals verdichtete. Die Karthager haben sich dagegen nicht mehr wehren können. Heute würden wir vielleicht von "Rassismus" sprechen.
Spartaner
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Dietrich hat geschrieben: Karthago hat während seiner Existenz lediglich Handelsfaktoreien und Handelsstützpunkte besessen und mit den Stämmen des Hinterlands Handelsverträge abgeschlossen (die spanische Herrschaft nach dem 1. Punischen Krieg ist ein untypischer Sonderfall). Lediglich auf Sizilien besaß Karthago im äußersten Westen ein seit langer Zeit bestehendes kleines Territorium, was zu endlosen Auseinandersetzungen mit den Griechen führte, die den Hauptteil der Insel beherrschten.

Als "Imperialismus" kann man das kaum bezeichnen. Es ist die typische Einstellung einer Handelsnation, die friedlich und ungestört Handel treiben möchte. Im Vergleich zur gewaltsamen territorialen Ausbreitung Roms zeigt das einen gewaltigen Unterschied. Von einem "römischen Imperialismus" kann man sicher sprechen, von einem "karthagischen Imperialismus" kaum. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Karthager ihre Handelsinteressen militärisch verteidigten, wenn sie sie bedroht sahen.
Immerhin hatten sie das Monopol inne im Mittelmeer uneingeschränkte Handelsmacht zu sein. In den Anfangsjahrhunderten verhielten sich auch wie ein Händlervolk, dass will auch niemand bestreiten. Dies hatte auch mehrere Gründe. Zum einen waren die Phönizier nicht immer eine Volk was geeint war und auf Gefahren von außen im Stande war, präventiv zu antworteten. Vielmehr bestand es aus vielen Stadtstaaten (Tyros, Sidon, Akko, Arados, Byblos, Berytos und Karthago. Nur von Tyros aus wurde strategische vorrausschauende Politik gemacht. So wurde u.a. man nimmt an - 1200 v. Chr. Karthago gegründet und zielgerichtet immer weiter ausgebaut. Zum anderen waren die Phönizier wahrscheinlich als Landkrieger ungeeignet auch organisatorisch den Anderen unterlegen. Das änderte sich erst im Zeitraum von Hannibal . Auch war die Lage der Städte der ersten Stadtstaaten der Phönizier strategisch in einem unglücklichen Gebiet (heutiges Libanon) und sie waren anderen eroberungswilligen Völkern,( wie den Assyrer und Bayloniern) immer wieder hilflos ausgeliefert. Die Gründung der Stadt Karthago und die spätere Machtverlagerung dorthin war eine gute Wahl und die Vorraussetzung in der Geshcichte weiter mitzumischen.
520 vor Chr. wurden sie zu den Vasallen der Perser und von hier an, nahmen sie auch aktiv an Angriffhandlungen gegen fremde Völker teil. Was einen Schatten auf den Mythos eines so friedlichen Handelsvolkes wirft.
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Barbarossa
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Dietrich hat geschrieben:...

Auf jeden Fall war die die antipunische Propaganda Roms äußerst wirksam, die sich nach dem Sturz Kartagos nochmals verdichtete. Die Karthager haben sich dagegen nicht mehr wehren können. Heute würden wir vielleicht von "Rassismus" sprechen.
Ob Rassismus dabei war, weiß ich nicht. Einen anderen Aspekt halte ich für viel wichtiger.
Denn Karthago war eine enorm reiche Stadt. Und Reichtum weckt immer Begehrlichkeiten und zieht Neider an, die sich diesen Reichtum bei Möglichkeit aneignen möchten. Um eine Berechtigung dafür zu erzeugen, muss man den Gegner vor seinem eigenen Volk auf eine Weise diskreditieren, dass ein Angriff legitim erscheint. Das haben die Römer sehr geschickt gemacht und haben sicher auch wissentlich Falschmeldungen gestreut. Genau das scheint bei den Punischen Kriegen passiert zu sein.
Tja, und daher der Ausspruch: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." (Cato)
:roll:
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Ruaidhri hat geschrieben:Mal zwischendurch an Dietrich, Carlos und den Spartaner:
Danke für die interessante, fundierte Diskussion!
" Unterschiedliche Mentalitäten" ist ein etwas schwieriger Begriff, ist Euch aber blendend gelungen, aus verschiedenen Perspektiven darzulegen, was damit gemeint sein kann! :clap:
Liebe (r) Ruaidhri,
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Dietrich
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Spartaner hat geschrieben: Immerhin hatten sie das Monopol inne im Mittelmeer uneingeschränkte Handelsmacht zu sein.
Karthago besaß im westlichen Mittelmeer eine hegemoniale Stellung. Das ist aber etwas völlig anderes als die Herrschaft über halb Europa plus vorderasien und Nordafrika, wie Rom sie inne hatte.

Während Rom innerhalb von 200 Jahren Europa eroberte, begnügte sich Karthago im Verlauf von 600 Jahren mit einigen Stützpunkten im Mittelmeer und einem kleinen Drittel Siziliens im Westen der Insel. (Die großen spanischen Eroberungen erfolgten erst im Zuisammenhang mit den Punischen Kriegen).

Ganz zweifellos waren die Römer von einem starken Expansionsdrang beseelt, einem Hunger nach großen Territorien, was für die Regierung Karthagos nie eine große Rolle spielte. Karthago hätte bereits im 5. Jh. v. Chr. seine Armee aufrüsten und Italien, Südspanien und Südfrankreich besetzen können, woran offensichtlich kein Interesse bestand. Rom tat das dann an seiner Stelle. Es ist offensichtlich, dass die geopolitischen Ziele Roms und Karthagos weit auseinanderlagen und auch das Selbstverständnis beider Staaten differierte.
Spartaner hat geschrieben: In den Anfangsjahrhunderten verhielten sich auch wie ein Händlervolk, dass will auch niemand bestreiten. Dies hatte auch mehrere Gründe. Zum einen waren die Phönizier nicht immer eine Volk was geeint war und auf Gefahren von außen im Stande war, präventiv zu antworteten. Vielmehr bestand es aus vielen Stadtstaaten (Tyros, Sidon, Akko, Arados, Byblos, Berytos und Karthago.
Es ist typisch für die Phönizier, dass sie einen lockeren Verbund souveräner Stadtstaaten bildeten. Die Bedeutung Phöniziens erwuchs einzig aus dem Handel, der über das Mittelmeer hinaus bis zu den sagenhaften "Zinninseln" reichte, womit vermutlich Zinnminen auf den Britischen Inseln gemeint sind.

Nach der Eroberung durch die Perser und Griechen spielte Phönizien keine Rolle mehr Die handelspolitische Bedeutung ging auf Karthago über.
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Barbarossa hat geschrieben: Denn Karthago war eine enorm reiche Stadt. Und Reichtum weckt immer Begehrlichkeiten und zieht Neider an, die sich diesen Reichtum bei Möglichkeit aneignen möchten. Um eine Berechtigung dafür zu erzeugen, muss man den Gegner vor seinem eigenen Volk auf eine Weise diskreditieren, dass ein Angriff legitim erscheint. Das haben die Römer sehr geschickt gemacht und haben sicher auch wissentlich Falschmeldungen gestreut. Genau das scheint bei den Punischen Kriegen passiert zu sein.
Tja, und daher der Ausspruch: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." (Cato)
:roll:
Der Hauptgrund wird wahrscheinlich eher die militärische Bedrohung der phönizischen Flotte gewesen sein. Außerdem konnten die Römer nicht einschätzen, wann ein Karthager wie Hannibal erneut über die Alpen einen Vorstoss unternimmt. Diese militärische Bedrohung musste ausgeschaltet werden. Zutief saß noch die Angst der karthagischen Bedrohung vor den Toren Roms den Senatoren in den Knochen.
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Dietrich hat geschrieben:
Nach der Eroberung durch die Perser und Griechen spielte Phönizien keine Rolle mehr Die handelspolitische Bedeutung ging auf Karthago über.
Unter den Persern hatten einige phönizische Städte noch relative Vasallenfreiheit, so u.a. Tyros als wichtiger Flotten-und Handelsstützpunkt im Mittelmeer. Den Griechen unter Alexander verweigerte sich Tyros und wollte die Großzügigkeiten die sie unter den Persern genossen, weiter behalten. Sie sahen in Alexander eher einen Ursupator und verloren in folgedessen nach zeitaufwendigen und verlustreichen Eroberung ihre Stadt. Die Bevölkerung wurde zum großen Teilen versklavt oder getötet.
Dietrich
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Barbarossa hat geschrieben: Ob Rassismus dabei war, weiß ich nicht. Einen anderen Aspekt halte ich für viel wichtiger.
Denn Karthago war eine enorm reiche Stadt. Und Reichtum weckt immer Begehrlichkeiten und zieht Neider an, die sich diesen Reichtum bei Möglichkeit aneignen möchten.
Sicher ist, dass die Karthager einen äußerst schlechten Ruf genossen, manche sprechen sogar von einem Antisemitismus.

Antisemitische Reflexe würde ich bei den zeitgenössischen Urteilen über die Phönizier nicht sehen. Hebräer und Phönizier waren zwei verschiedene Völker, auch wenn eine enge sprachliche Verwandtschaft zwischen beiden nordwestsemitischen Sprachen besteht. Wenn Griechen auf die Phönizier schimpften, so ist da sicher Konkurrenzneid vorhanden, denn die griechischen und phönizischen Kolonien wandten sich schließlich beim Handel an den gleichen Kundenkreis.

Das so entschieden negative Bild, das die Karthager bei ihren römischen Nachbarn hervorriefen, teilten sie im übrigen mit ihren Ahnen und Stammesbrüdern, den Phöniziern im Ostmittelmeerraum, in deren Verhältnis zu den Griechen. Aufschlussreich ist der Vergleich mit der verächtlichen Charakterisierung der schon früh im ersten Jahrtausend v. Chr. im Mittelmeerraum aktiven und bekannten phönizischen Kufleute in der "Odyssee" Homers, wo diese als gewinnsüchtige Betrüger und ausdrücklich als Halunken beschrieben werden (14, 288-291; 15,415-422).

Zweifellos waren sowohl Phönizier als auch ihre karthagischen Brüder gewiegte Händler und ihre Städte waren reich und wohlhabend. Das schürte Hass und Konkurrenzneid. Hinzu kam, dass sich die Karthager nicht der im Mittelmeer verbreiteten hellenistischen Kultur öffneten, Römern als auch Griechen fremde archaische semitische Gottheiten anbeteten und eine ungebräuchliche Sprache sprachen. Das alles trug dazu bei, dass die Karthager stets ein Hauch der "Fremdheit" umwehte.

Da die punische Bevölkerungsbasis winzig war, musste Karthago Kriege nöglichst meiden. Wo dennoch welche zu führen waren, war Karthago - anders als Rom - auf Söldner angewiesen, die viel kosteten und unzuverlässig waren. Bürger wurden ab dem 4./3. Jh. v. Chr. nur noch in geringem Maße im Heer beschäftigt. Hauptsächlich wurden Kämpfer von den Numidern, Iberern, Libyern, Elymern und Sikelern rekrutiert, daneben auch Sarden, Italiker und Kelten sowie Griechen. Dass diese zusammengewürfelten Truppen den römischen an Kampfmoral unterlegen waren, versteht sich von selbst.
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