Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Die Frage ist, ob es nach den Zuasmmenbruch Roms eine römische Kontinuität gab und was davon blieb.

Und da ist festzustellen, dass besonders im Raum Gallien, Germanien und Britannien ein kultureller Niedergang erfolgte, der die gesamte Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Architektur u.a. erfasste. Aus diesem Grund ersannen Karl der Große und seine Berater das Programm der Karolingischen Renaissance, um den Zuasmennberuch des Wissens und der Kultur zu bremsen oder vielleicht sogar umzukehren. Und tatsächlich lässt sich feststellen, dass sich seit der Zeit der Karolinger und später der Ottonen das kulturelle Niveau langsam hob, auch wenn es längst noch nicht den Standard des Imperium Romanum erreichte. Immer wieder erfolgten dabei Rückgriffe auf die römische Antike, sodass ein Teil der Forschung von einem Prozess der Transformation spricht, was allerdings nicht unwidersprochen bleibt.

Allerdings gibt es auch personelle Kontinuitäten z.B. im Reich der Merowinger, wo die gallo-römische Senatsaristokratie den Fortbestand einer - wenn auch bescheideneren - Administration garantierte und die kirchliche Organisation am Leben hielt. Kontinuität beweist schließlich die nicht zerbrechende Romanisierung der Bevölkerung in Spanien, Frankreich und Rumänien.

Die gallo-römische Senatsaristokratie behielt zumeist nicht nur ihren Besitz und ihre Ämter, sondern wurde von Beginn an in das merowingische Frankenreich und dessen politisch-administrative Führung integriert. Die frühe Eingliederung der Senatsaristokratie in die kirchliche und weltliche Führungsschicht bewirkte eine sachliche und personelle Kontinuität, besonders in den Regionen südlich der Loire. Diese römisch inspirierte aristokratische personelle Basis trug entscheidend zum Aufstieg des Frankenreichs bei. Die "Historien" des Gregor von Tours vom Ende des 6. Jh. belegen das deutlich und zeigen das aristokratische Selbstbewusstsein dieser einstigen römischen Führungsschicht, die überwiegend im Süden Galliens ansässig war.

Bis zum 10. Jh. wurden die germanischen Franken von der romanisierten gallischen Bevölkerung assimiliert und vollzogen einen Sprachwechsel zum romanisch-französischen Idiom. Die zweisprachig abgefassten Straßburger Eide von 842 belegen diese Entwicklung. Sie sind auf westfränkischer Seite bereits in Altfranzösisch und auf ostfränkischer in Althochdeutsch abgefasst. Auch in Spanien und Portugal setzten sich romanische Idiome durch, was das Ergebnis einer tief greifenden Romanisierung ist.

In Britannien oder dem römischen Germanien hingegen war die Macht der Romanisierung geringer, sodass sich dort die autochthonen Sprachen durchsetzten. Das gilt auch für den Balkan, wo die seit dem 6. Jh. einströmenden Slawen die balkanromanische Bevölkerung teils verdrängte, teils assimilierte. Nur in Rumänien ergab sich eine erstaunliche Entwicklung, indem sich dort eine romanische Sprache weitab vom römischen Zentrum durchsetzen konnte.

Einen weniger starken Kulturbruch erlebte das Oströmiche Reich, wo sich im Bereich der Architektur, des Rechtswesens, der Religion, der Literatur oder der Philosophie alte Traditionslinien fortsetzten und im Lauf der Jahrhunderte evolutionär veränderten.
Suebe
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Natürlich gab es die.

Die Welt änderte sich. Und mit ihr Rom. Was einst die verfeinerte römische Oberschicht interessierte und beschäftigte, interessierte und beschäftigte die neue Oberschicht weniger. Die setzten andere Prioritäten.
Aber grundsätzlich ging nichts verloren. Im Gegenteil.

Der kulturelle "Niedergang" den du hier gefunden haben willst, gibt es nur in der Rückschau, so etwa ab Renaissance.

Ein "kultureller Niedergang" unterstellt zB ein "dümmer" werden der Menschheit. Was nun so ganz und gar nicht der Fall war. Mathematik zB ist klipp und klar von den Römern nicht beherrscht worden. Rechnen mit römischen Zahlen geht nur Addieren und Subtrahieren. Im Mittelalter konnte man das sehr wohl.
Dietrich
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Suebe hat geschrieben: Der kulturelle "Niedergang" den du hier gefunden haben willst, gibt es nur in der Rückschau, so etwa ab Renaissance.
.
Ich habe dazu schon an anderer Stelle geschrieben:

Mit dem Untergang des Römischen Reichs im 5. Jh. verließen die meisten Römer - Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer, Soldaten - die Provinzen und kehrten in ihre Heimat zurück. Die Römerstädte an Rhein, Donau und Rhone verödeten, römische Gutshöfe verschwanden, Straßen und Brücken zerfielen. Der Untergang der römischen Zivilisation führte bei den germanischen Völkern zu einem Niedergang des Wissens und der Kultur und bewirkte einen Rückfall in barbarische Verhältnisse.

Dieser Verfallsprozes war so tiefgreifend, dass Karl der Große und seine Berater den Plan fassten, alle Bereiche des Wissens und der Kunst zu erneuern, was mit einem modernen Begriff als Karolingische Renaissance bekannt ist. In diesem Zusammenhang kam es u.a. zu einer Erneuerung des Gottesdienstes und der Liturgie und eine erneuerte Fassung der Bibel, da sich in die zahlreichen lateinischen Bibelabschriften Fehler eingeschlichen hatten, die manche Bibelstellen völlig entstellten.

Der bekannte Historiker Henri Pirenne betont:

"Obwohl die Kirche so tief gesunken war, blieb sie die einzige kulturelle Macht ihrer Zeit. Durch sie allein setzte sich die römische Tradition fort und dies verhinderte Europas Rückfall in völlige Barbarei. Die weltliche Macht wäre unfähig gewesen, die kostbare Erbschaft der Antike aus sich selbst heraus zu bewahren. Trotz des guten Willens der Könige war ihre rohe Verwaltung den Aufgaben nicht gewachsen ... Die Kirche blieb also inmitten der Anarchie ihrer Umgebung, und trotz der zersetzenden Wirkung, welche diese Anarchie auch auf sie selbst ausübte, unzerstört".
(Henri Pirenne, Geschichte Europas, Frankfurt 1961, S. 47)

Der Untergang des Imperium Romanum markiert auch das Erlöschen der Spätantike, wobei hier natürlich kein festes Datum zu nennen ist. Es gibt einen allmählichen Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter, der von Historikern meist als breiter Grenzsaum gesehen wird, der von der Teilung des Römischen Reichs in einen Westen und Osten über das faktische Ende Westroms bis hin zur Expansion des Islam im 7. Jh. reicht. Manche sprechen dabei auch von einem "Transformationsprozess" der Antike.

Nach Auflösung der römischen Staats- und Ordnungsstrukturen erfolgte neben einem kulturellen Niedergang auch eine wirtschaftliche Verödung. Henri Pirenne berichtet vom Verschwinden der Städte und des Handels als Folge dieser Entwicklung:

"Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist das bedeutendste Phänomen, das in die Zeit zwischen den muslimischen Eroberungen und der Herrschaft der Karolinger fiel, die schnelle Verminderung und nachher das fast völlige Verschwinden der städtischen Bevölkerung ... Die soziale und verwaltungsmäßige Struktur verlor nun ihren dem städtischen Charakter des römischen Staates entsprechenden Charakter: ein Phänomen, das in Westeuropa ganz neu und sehr erstaunlich war. Das Ende des städtischen Typus im frühen Mittelalter ergab sich zumindest für die Verwaltung daraus, dass die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in der alten Form weiterfunktionieren zu lassen; denn nur die Institutionen des römischen Staates hatten in den durch Barbaren eroberten Provinzen - in Gallien, Spanien, Italien, Afrika und Britannien - einst die Existenz der Städte gesichert. Nur noch einige Städte an den Küsten des Mittelmeers trieben auch noch nach den Völkerwanderungen einen mehr oder weniger bedeutenden Seehandel."
(Henri Pirenne, a.a.O., S. 81)

Pirenne beschreibt sehr eindringlich, dass Wirtschaft und Handel nach den Eroberungen des Islam im Mittelmeerraum völlig versandeten:

"Daraus aber musste sich ein fast vollkommener Stillstand des Handels ergeben; auch das Gewerbe verschwand fast ganz, wenn man von einigen lokalen Erscheinungen wie der in Flandern noch aufrechterhaltenen Tuchweberei absieht. Der Umlauf von Geld hörte beinahe auf. Seitdem verfielen in den fast entvölkerten Städten die verlassenen Viertel und dienten den wenigen Einwohnern, die sich auf einen Winkel des früheren Stadtinnern beschränkten und dort hausten, als Steinbrüche ... In Gallien erlosch das städtische Leben so völlig, dass die Herrscher nicht mehr in den Städten residierten, denn der vollkommenen Mangel eines Handelsverkehehrs ermöglichte es ihnen nicht mehr, dort genügend Lebensmittel für den Unterhalt des Hofes zu finden. Sie verbrachten das Jahr auf den Domänen und zogen von einer zur anderen."
(Henri Pirenne, a.a.O., S. 83)

Große Teile des einst von Römern beherrschten Europas verödeten zwischen dem 5. und 8. Jh., der Handel versiegte und man kehrte zur Naturalwirtschaft zurück. Es entstanden riesige Domänen, die nahezu autark waren, da der Fernhandel weithin zum Erliegen gekommen war. Es waren also "Dark Ages", die weite Teile Europas nach dem Untergang des römischen Imperiums erfassten, was auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist, die einander bedingen und immer neue Auswirkungen haben. Dieser Zustand beginnt sich erst mit den Karolingern und später den Ottonen und Kapetingern zu wandeln.
Suebe
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Dietrich, du beziehst dich auf Henri Pirenne der 1936 starb.
Die Pirenne-These, dass das Römerreich nicht an dne Germanen sondern am Islam zu Grunde ging.
Und greifst dir seine Aussagen zum kulturellen Niedergang heraus.

Aber du negierst auf die Art und Weise 80 Jahre Forschung!

Was an Funden musste allein die letzten 20 Jahre rückdatiert werden? Was alles wurde neu gefunden? Auf Grund moderner Ausgrabungsmethoden deutlich exakter datierbar?

ZB war es zu Pirennes Zeit noch unbekannt, dass die "späten" Römer rein durch das Fehlen römischen Kleingeldes für die damalige Forschung "verschwunden" waren. Inzwischen hat man sie längst entceckt, die "späten" Römer. Nicht zuletzt, weil das Kupfergeld in den Grabbeigaben auch in (geographisch) Italien zur selben Zeit verschwand. Sie hatten keine Kleinmünzen mehr. Die sie in die Gräber schmeißen konnten.
Du begehst im Prinzip den selben Fehler wie Illig, und übersiehst das Datierungsproblem an dem Pirenne gescheitert ist.
Ruaidhri
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Pirenne konnte manches nicht wissen, manche Fragen oder auch Forschungsansätze waren ihm fremd, andere nicht genehm.
Wenn man unter Kontinuiät nicht die 1:1 Übernahme und Fortführung römischen Lebens auf allen Ebenen versteht, so gab es sie.
Dazu gibt es inzwischen neue Literatur, ob aus Historiker- oder Archäologen- Sicht, die sich teilweise mit sehr spezifischen Ausschnitten befassen.
Womöglich ist die Frage auch eher kleinräumig anzugehen statt eine weiträumige allgemeine Kontinuität im germanisierten Römerreich zu diskutieren.
Pirennes Aussagen werden nicht erst seit heute kritisch hinterfragt und in ihrer Absolutheit widerlegt.
Es gab herbe Brüche- und es gab ein mehr oder weniger manifestes Überdauern römischer Zivilisationserrungenschaften.
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Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben:Pirenne konnte manches nicht wissen, manche Fragen oder auch Forschungsansätze waren ihm fremd, andere nicht genehm.
Pirenne hat sicher seine Meriten, aber über einige seiner Vorstellungen zur Epoche zwischen Spätantike und frühem Mittelalter ist die Zeit ein wenig hinweggegangen. Ich habe ihn hier zitiert, um eine Diskussion in Gang zu bringen über die Phase zwischen dem Untergang Roms und dem Aufstieg der Karolinger und Ottonen. Da gibt es dann einige extreme Ansichten, wie man sich diese Phase besonders in Gallien, Spanien und dem ehemaligen römischen Germanien vorzustellen hat.

Sicher ist auf jeden Fall, dass Verwaltungsstrukturen zusammenbrachen, Römerstädte wie Köln, Mainz oder Regensburg weitgehend verödeten, denn die nachrückenden Germanen siedelten sich vorwiegend am Rande der alten Römerstädte an, deren Zentren verfielen. Es gab zwar eine gewisse Kontinuität, doch die war lückenhaft und brüchig. Das Münzwesen brach zusammen und man ging zur Naturalwirtschaft über.

Dieser Rückfall in teilweise barbarische Verhältnisse erfolgte allerdings nicht überall. So blieb in Italien das kulturelle und zivilisatorische Niveau hoch, was eingeschränkt auch für Spanien gilt. In Südgallien war auch nach dem Übergang der Herrschaft auf die Merowinger der gallo-römische Senatorenadel eine bestimmende Kraft, die von alten römischen Tugenden zehrte, und die staatlichen Strukturen zu bewahren suchte. Dieser mächtige senatorische Adel mit Großgrundbesitz verband sich bald mit der merowingischen Elite und nahm wichtige Positionen in der Verwaltung und in der Kirche ein. Zahlreiche Bischöfe jener Zeit gingen aus der gallo-römischen Aristokratie hervor.

Nicht zu vergessen sind die Klöster, die einiges vom römischen Erbe bewahrten. Ihnen ist es zu verdanken, dass viele literarische Werke der Antike nicht vernichtet wurden, sondern der Nachwelt erhalten blieben. In den Klöstern und allgemein in der katholischen Kirche überlebte ferner die Schriftlichkeit, die vielfach nördlich der Alpen verschwand.
Ruaidhri
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Habe sie gerade nicht griffbereit, aber ich bin u.a., mal wieder von Dir auf Abwege geführt, :mrgreen: auf eine Arbeit über Xanten gefallen, in der diese Frage angesprochen wird.
Oder- ich glaube, auf academia edu, über die Nutzung römischer Straßen in nachrömischer Zeit.
In der Limesforschung gibt es auch ganz interessante Neuigkeiten zum Thema Kontinuiät.
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dieter
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Suebe hat geschrieben:Natürlich gab es die.

Die Welt änderte sich. Und mit ihr Rom. Was einst die verfeinerte römische Oberschicht interessierte und beschäftigte, interessierte und beschäftigte die neue Oberschicht weniger. Die setzten andere Prioritäten.
Aber grundsätzlich ging nichts verloren. Im Gegenteil.

Der kulturelle "Niedergang" den du hier gefunden haben willst, gibt es nur in der Rückschau, so etwa ab Renaissance.

Ein "kultureller Niedergang" unterstellt zB ein "dümmer" werden der Menschheit. Was nun so ganz und gar nicht der Fall war. Mathematik zB ist klipp und klar von den Römern nicht beherrscht worden. Rechnen mit römischen Zahlen geht nur Addieren und Subtrahieren. Im Mittelalter konnte man das sehr wohl.
Lieber Schwabe,
ich muß Dir beipflichten. Die Klöster setzten die römische Kultur fort. Die Sprache der Bibel war bis zu Luther Latein und auch die Länderbezeichnung war auf Latein. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nannte sich Deutschland "Heiliges Römisches Reich" deutscher Nation. die meisten deutschen Könige waren auch Römische Kaiser. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Ruaidhri
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Genauso ist in vielen wissenshaftlichen Beiträgen genauso die Rede von " germanischer Kontinuität".
Ist wohl immer so, wenn verschiedene Kulturen aufeinandertreffen, das gewisse Kontinuitäten erhalten bleiben. Von allem des beste oder nützlichste und beides auch mal modifiziert.
Dieter hat geschrieben: Die Klöster setzten die römische Kultur fort. .....
Auch nicht so lupenrein, und das ist das nur ein Teil dessen, was man als Kultur bezeichnet und in Modifikationen.
"Heiliges Römisches Reich"
Die Sache mit der Heiligkeit stammt durchaus aus germanischem Denken, das geschickt genutzt wurde, um Machtpositionen zu begründen und zu befestigen.
Suebe hat geschrieben:Der kulturelle "Niedergang" den du hier gefunden haben willst, gibt es nur in der Rückschau, so etwa ab Renaissance.
Ja und Nein. Es gab sicherlich eine Phase, in der vieles, was römische Zivilisation und Kultur ausmachte, verlorenging.
Blieb aber trotz allem noch genügend übrig, dass man entweder Kontinuität oder auch Wiederaufnahme römischer "Tugenden" feststellen kann.
Insofern stimme ich Dir wieder zu, als dass der Blick zurück aufs Mittelalter in der Tat seit der Renaissance lange etwas getrübt war. Verklärung der Antike war angesagt.
So, wie spätere Zeiten einen verklärten Blck aufs Mittelalter hatten, die ebenso unrichtig waren und sind.
Weder glorios und noch gar romantisch, aber eben auch nicht das "finstere Mittelalter".
Abgeleitet von den " dark ages", die nur ganz anderes meinten.
Das Mittelalter selbst ist eben nicht Rom, sondern eine andere neue Epoche, die- wie Du richtig schreibst, ihre eigene kulturelle und ziviliatorische Blüte hatte, die es für sich zu betrachten gilt.
Geschieht ja auch in breitem Maße, dass vor allem die Übergangszeit zwischen dem Zusammenbruch Roms und dem Entstehen neuer politischer Strukturen und Kultur und mit anderem Blick erforscht wird.
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Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben: Die Sache mit der Heiligkeit stammt durchaus aus germanischem Denken, das geschickt genutzt wurde, um Machtpositionen zu begründen und zu befestigen.
Gemäß der mittelalterlichen Vorstellungswelt beruhte die Herrschaft im Reich auf Gottes heiligem Willen und der Herrscher verstand sich als Beschützer der Christenheit und Oberpriester - eine Gedankenwelt, die nach dem Investiturstreit ins Wanken geriet. Man kann davon ausgehen, dass dies tatsächlich zum Selbstverständnis der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gehörte. Jedenfalls in den ersten Jahrhunderten des Reichs.
Ruaidhri hat geschrieben: Ja und Nein. Es gab sicherlich eine Phase, in der vieles, was römische Zivilisation und Kultur ausmachte, verlorenging.
Blieb aber trotz allem noch genügend übrig, dass man entweder Kontinuität oder auch Wiederaufnahme römischer "Tugenden" feststellen kann.
Untergang der Römerstädte, Verschwinden der Schriftlichkeit und Rückkehr zur Naturalwirtschaft sind unzweifelhafte Kennzeichen eines kulturellen und zivilisatorischen Niedergangs. Die sogenannte "karolingische Renaissance", mit der Karl der Große und seine Berater in der Hofkapelle diese Entwicklung aufhalten wollten, legt davon sehr konkret Zeugnis ab.

"In der merowingischen Zeit war es zu einem Niedergang der antiken Stadtkultur und einem allgemeinen Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst gekommen. Das Schulwesen war seit dem Ende des 5. Jahrhunderts weitgehend zum Erliegen gekommen. Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten. Die Literatur der Antike, selbst der größte Teil der Literatur der christlichen Spätantike, war weitgehend in Vergessenheit geraten. Kein einziges Klassikerzitat lässt sich in der Zeit vom Ende des 6. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts in Kontinentaleuropa nachweisen. Dasselbe gilt für Abschriften von heidnischen Autoren der Antike."

https://de.wikipedia.org/wiki/Karolingische_Renaissance

Sicher gab es auch Kontinuitäten. So beruhte das Kaisertum Karls des Großen und Ottos I. auf antiken Wurzeln im christlichen Imperium Romanum. Vor allem aber war die christliche Kirche ein Garant für die Transformation von der Spätantike zum Mittelalter, wobei antike Traditionen gewahrt und tradiert wurden.
Ruaidhri hat geschrieben:Insofern stimme ich Dir wieder zu, als dass der Blick zurück aufs Mittelalter in der Tat seit der Renaissance lange etwas getrübt war. Verklärung der Antike war angesagt.
So, wie spätere Zeiten einen verklärten Blck aufs Mittelalter hatten, die ebenso unrichtig waren und sind.
Weder glorios und noch gar romantisch, aber eben auch nicht das "finstere Mittelalter".
Dass dem Renaissancemenschen das Mittelalter dunkel und unheimlich erschien, ist nur allzu verständlich. Die Trennung von kirchlich-religiöser Bevormundung und die Entfaltung des Individuums mit all seinen Fähigkeiten durch eigenständiges Denken, die Erforschung der Welt und Natur, sind den Denkweisen des Mittelalters diametral entgegengesetzt.
Paul
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Die "Römerstädte", so man sie so nennen will, haben etwas Einwohner verloren, dafür entstanden viele neue Städte und wuchsen bestehende kleine Städte zu neuer Größe heran. Die fränkischen und thüringischen Städte gaben ihre Latene-Römer-Kultur an andere Regionen weiter. Wir haben überhaupt keine Hinweise auf einen Niedergang der hessischen und thüringischen Städte in der Völkerwanderungszeit und gar der Zeit danach. Wetzlar erlebte erst während der Pest und Bauernkriege einen Rückschlag. Im Gegenteil, die Römer haben die Entwicklung der Städte an der Lahn eher behindert, da sie die alten Märkte verschlossen.
viele Grüße

Paul

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Ruaidhri
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Die germanischen Vorstellungen von Heil ließen sich durchaus mit den christlichen kompatibel machen und ausnutzen.
Die Idee, von Gott erwählt zu sein, kam nicht aus de Nichts, sondern war im Zuge einer etwas längeren Entwicklung entstanden.
In den römisch geprägten Teilen begann diese Entwicklung sicherlich früher und ging auch etwas andere Wege, grundsätzlich aber stehen sich alte, germanischen Vorstellungen germanisches Heil/ Königsheil und Heiligkeit im christlichen Sinne nicht im Wege.
So ein Heilig gesprochener König war immer eine gute Basis für die Heiligkeit der gesamten Sippe, und der schließlich in Europa verbreiteten von Gott gewollten Königsherrschaft.
Vgl.u.a.
Erich Hoffman
Die Heiligen Könige bei den Angelsachsen und den skandinavischen Völkern: Königsheiliger und Königshaus
Band 69 von Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins
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james
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Dietrich hat geschrieben:Die Frage ist, ob es nach den Zuasmmenbruch Roms eine römische Kontinuität gab und was davon blieb.

Und da ist festzustellen, dass besonders im Raum Gallien, Germanien und Britannien ein kultureller Niedergang erfolgte, der die gesamte Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft, Architektur u.a. erfasste. Aus diesem Grund ersannen Karl der Große und seine Berater das Programm der Karolingischen Renaissance, um den Zuasmennberuch des Wissens und der Kultur zu bremsen oder vielleicht sogar umzukehren.
Ah, ja der gute Onkel Karl hat völlig selbstlos gehandelt, als sein Vater sich die Krone der Franken auf den Kopf setzte und als er praktisch jeden Germanenstamm unterwarf und in sein Reich integriere. Und dann hat er die Restauratio Imperii ausgerufen, an derem Ende die Franken selbst den Titel des heiligen römischen Reiches übernahmen, ein Titel der ja verdammt rechts anrüchig ist, insbesondere weil es im frühem Mittelalter so viele Nazis gab.
Dietrich
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james hat geschrieben: Ah, ja der gute Onkel Karl hat völlig selbstlos gehandelt, als sein Vater sich die Krone der Franken auf den Kopf setzte und als er praktisch jeden Germanenstamm unterwarf und in sein Reich integriere. Und dann hat er die Restauratio Imperii ausgerufen, an derem Ende die Franken selbst den Titel des heiligen römischen Reiches übernahmen, ein Titel der ja verdammt rechts anrüchig ist, insbesondere weil es im frühem Mittelalter so viele Nazis gab.
So entstehen und vergehen Imperien, was aus historischer Sicht weder zu glorifizieren noch zu verteufeln ist.
Ruaidhri
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Einen Ansatz der Re-Zivilisierung und der Besinnung auf manch römisches Kulturgut gab es auch in Britannien und unter Alfred dem Großen, durchaus nach dem Vorbild Karls des Großen.
So wild die Zeiten auch nach dem Untergang des römischen Reiches waren, ganz tot waren Erinnerungen und auch handfeste Überlieferungen im einstigen Einwirkungsbereich Roms nie.
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