Gab es eine römische Kontinuität im Mittelalter?

Moderator: Barbarossa

CARLOS
Mitglied
Beiträge: 98
Registriert: 06.08.2015, 20:05

Code: Alles auswählen

"Die germanischen Vorstellungen  von Heil ließen sich durchaus mit den christlichen kompatibel machen und ausnutzen.
Die Idee, von Gott erwählt zu sein, kam nicht aus dem Nichts, sondern war im Zuge einer etwas längeren Entwicklung entstanden. Ruhaidri
Der Vorstellung des germanischen Königsheils liegen im Bereich germanischer Rechtsvorstellungen religiöse Vorstellungen zugrunde. Aber in der Form, dass die Macht und Kraft der Königs ihn den Göttern näher sein ließ als den Menschen. Gefolgschaftsführer bzw die späteren Heerkönige der german. Völkerwanderung wurden von der Heeresversammlung gewählt. Erwählt wegen ihrer geistigen und körperlichen Stärke. Ihr Blut war etwas Besonderes, weil sie eben diese Kraft nur von Gottheiten ihnen gewährt worden sein musste. Der König hatte sich aber deshalb auch im Kampf zu bewähren. Blieb er erfolglos, rein Zeichen der Götter, dass sie ihre Kraft von dem Erwählten abgezogen hatten. Darauf gründete das Recht der Gefolgschaft/Heeresversammlung den Anführer/König abzusetzen (Widerstandsrecht) oder ihn zu töten. Es sind Beispiel bekannt, dass Könige ermordet wurden, weil sie eine Schlacht verloren.

Das spätere Gottesgnadentum (bis 1918 in Dtld) beruhte auf der christlichen Tradition der Salbung (Altes Testament - Salbung des Erwählten, z. B. König David). Den Ausdruck "kompatibel", den du verwendest, vermittelt u. U, eine Wesensgleichheit. Königsheil und die Vorstellung des Gottesgnadentums (durch die Salbung) sind verschiedenen Ursprungs. Allerdings hat die Vorstellung einer göttlich wirkenden Kraft im Königtum dieser Institution göttliche Legitimation verliehen.

Wie tief und wie lange heidnische Vorstellungen von der unsichtbar wirkenden Kraft des königlichen Blutes auch nach der Christianisierung noch nachwirkten, zeigt der Bericht von der Absetzung des letzten Merowingerkönigs durch den karolingischen Hausmeier Pippin 754 (Vater Karls des Großen). Der kraftlose Merowingerkönig wurde jedoch nicht ermordet, sondern ihm wurden die langen Haare geschoren. Auch das ist eine Handlung mit großer Symbolkraft. Dann wurde er in ein Kloster verbracht. Die Haarespracht erinnert an die Erzählung im Alten Testament von dem riesigen Philister Samson, dessen langes Haar Sinnbild der kgl. Kraft war. Delilah gab ihm ein Schlafmittel zu trinken, dann wurde er geschoren und damit seiner kgl. (Zauber-)Kraft beraubt.

Jedenfalls scheint der Glaube (Aberglaube) an die Kraft des kgl. Blutes im Geschlecht der Merowinger (german. Königsheil) noch stark gewesen zu sein. Schließlich musste Pippi sich noch als König bestätigen lassen.

Das Christentum kam über Rom zu den Germanen. Ohne die Existenz des römischen Weltreiches hätte sich das Christentum nicht in der Weise ausbreiten können, wie es geschah.
Ruaidhri
Mitglied
Beiträge: 1901
Registriert: 06.05.2015, 18:09

Mir ging es nicht um das Gottesgnadentum, das sich erst später entwickelte, sondern um die Verschmelzung aus sehr unterschiedlichen Quellen entspringenden Vorstellungen.
VGL. Literaturangabe oben.
Wie bei den frühen Königsheiligen der Angelsachsen und skandinavischen Völker, bei denen christliche Vorstellungen sich mit alten Traditionen verbanden- oder verbunden wurden, um u.a. Ansprüche auf die Königswürde zu untermauern. Ein Verwandter ausder stirps regia, der ohnehin schon "Heil" gehabt und nun auch noch kirchlicherseits zum Heiligen deklariert wurde, war von Vorteil.
Über das durchaus römisch geprägte Christentum kam diese Vorstellung, wie auch so manch anderes im Zuge der Christianisierung, in die nördlicheren Gefilde.
Ob man von Kontinuität sprechen kann oder nur um Weiterleben oder Wiederbelebung römischer Traditionen, kann, so Aufassung mancher Historiker, eher klein- als großräumig beurteilt werden.
Ein bisschen Rom hat immer überlebt.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
Dietrich
Mitglied
Beiträge: 1755
Registriert: 04.05.2012, 18:42
Wohnort: Ostfalen

Ruaidhri hat geschrieben:n.
Wie bei den frühen Königsheiligen der Angelsachsen und skandinavischen Völker, bei denen christliche Vorstellungen sich mit alten Traditionen verbanden- oder verbunden wurden, um u.a. Ansprüche auf die Königswürde zu untermauern. Ein Verwandter ausder stirps regia, der ohnehin schon "Heil" gehabt und nun auch noch kirchlicherseits zum Heiligen deklariert wurde, war von Vorteil.
Es ist ja sehr typisch, dass die Germanen zum Christentum arianischer Prägung tendierten, da es ihrer Vorstellung von einer familiären Hierarchie besonders entsprach: Gott war der Vater, Christus der Sohn, und beide unterschiedliche Wesen (vereinfacht gesagt).

Auch das germanische Königsheil lebte bei den Merowingern und Karolingern fort und verband sich mit dem Sakralkönigtum des Heiligen Römischen Reichs. Allerdings ist das nicht ganz unumstritten.
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Die Germanen“