Kelten und Germanen

Moderator: Barbarossa

Ruaidhri
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Cherusker hat geschrieben:Und lies doch bitte die gesamte Germania von Tacitus. Dann wirst DU auch erkennen, daß z.B. bei der Heirat größtenteils als Mitgift Waffen mitgegeben wurden.
All das spricht für eine kriegerische Lebensweise......also nochmals Prof. Herwig Wolfram lesen, um das Handeln zu verstehen !
Du hast zar Kohlhaas angesprochen, aber sei versichert, dass ich die Germania des Tacitus mehrfach gelesen habe, - unter immer anderen Aspekten.
Auch und vor allem unter quellenkritischen Gesichtspunkten- das gehört nun schlicht zum grundlegenden Werkzeug.
Darum auch- nachvollziehbar, die neueste fachwissenschaftliche Diskussion auf allen Eenen um Kelten und Germanen/ Kelten oder Germanen, Organisation der germanischen Stämme.
Herwig ist eine Größe seines Faches- aber eben nur eine, und nicht die Größe.
Mal kleine Nachdenkanregung für alle:
Zitat:
"Einerseits besteht die Meinung einersich frei organisierten Gesellschaftsform derGermanen mit freien Bauern und nur imnotwendigen Angriffsfall gemeinschaftlichbestimmten (temporären) Königstum (vgl.KROESCHELL 1998, 224–226). Anderseits vertritt besonders in jüngster Zeit die Forschung teils die Ansicht der Existenz eines germanischen Adels und Fürstentums, also eines präfeudalenGemeinwesen, was ebenfalls nicht im Gegensatz zuden fragmentierten Angaben in den schriftlichenQuellen steht. Beiden Thesen zurOrganisationsform der germanischen Gesellschaftdes 1.–5. Jhs. AD sind aber nur scheinbareGegensätze, da mit hoher Wahrscheinlichkeit eineeinheitlich-homogene Verwaltungsstruktur imgesamten germanischen Siedlungsgebiet in dieserZeitstellung als irreal anzusehen ist, auch wenn dieGruppen in diesem sehr großen Gebiet, aufgrunddes vorliegenden Fundmaterials, regional nichtgrundlegend unterschiedlich ausgeprägt waren. Umsich der historischen Realität zu nähern, bedarf eshierbei neuer Denkmodelle, die ohne ideologischeDogmen bisheriger Forschungen die offenenFragen zu Germanen neu beleuchten und diese inihrem politischen Zeitkontext verstehen sowiekritisch hinterfragen."
Aus:
Armin Volkmann
Die Germanen: Mythos und Forschungsrealität , Seite 8


veröffentlicht in academia. edu
https://www.academia.edu/1265844/Die_Ge ... lit%C3%A4t
Diter hat geschrieben:Habe zwar Bücher von S Fischer-Fabian," Bevor die Römer kamen", Die Wikinger und dann die Fernsehberichte im ZDF und in Phoenix, aber man kann auf diesem Gebiet immer noch etwas dazulernen und dafür bin ich Euch dankbar. :)
Das sind auch nicht die schlechtesten Bücher, auch bei "Profis" stehen die im Regal.
Nur- und dafür können die Autoren nichts- sind die auf dem Stand des Zeitpunktes der Veröffentlichung- und inzwischen weiß man sehr viel mehr. Da es aber ein Leichtes ist, selber nachzuhaken, wenn man einem Thema besonders interessiert ist, haben Pörtner und Fischer-Fabian und auch Ceram ihren Wert als Impulsgeber behalten.
Den TV- Sendungen stehe ich oft kritisch gegenüber, gibt viele gelungene, aber zunehmend auch viele allzu oberflächliche, zu sehr auf Entertain statt auf Docu ausgelegte 45 Minuten.

Wissen:
Die Archäologen geben den Historikern beinahe täglich Neues zum Überdenken. Und zu lernen, und vieles zerdeppert alte, tradierte Vorstellungen.
Die Fragestellungen sind anders, und man arbeitet international zusammen, ohne alten nationalen Helden- Ballast und Denken in starren zeitlichen, räumlichen und,ethnische, Abgrenzung. und das kommt dem, " wie es eigentlich gewesen ist", ziemlich nahe.
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Dietrich
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Cherusker hat geschrieben: Natürlich haben die Germanen auch Landwirtschaft (ziemlich rudimentär gegenüber anderen Völkern) betrieben, genauso gab es Handwerk (Schmiede, Töpferei,....), aber alles als Selbstversorgung und gar nicht vergleichbar mit Römern, Kelten und Griechen.
Dein Post ist zwar an Kohlhaas gerichtet, aber lass mich kurz auf dieses Thema eingehen.

Herwig Wolfram schreibt (H. Wolfram, Die Germanen, München 1997), es sei ein ethnografischer Gemeinplatz, den Barbaren und damit den Germanen als Nomaden oder Halbnomaden darzustellen, der hauptsächlich von Viehzucht und Jagd lebt. Das aber stimmt nur in den seltensten Fällen mit der Wirklichkeit überein.

Bereits in der als germanisch geltenden Jastorf-Kultur weit vor der Zeitenwende ernährte sich die Bevölkerung sowohl von der Viehwirtschaft als auch vom Pflanzenanbau. Dabei machte die Gerste mehr als 90 Prozent des archäologischen Befundes aus, ferner ließen sich Hafer, Weizen und Roggen nachweisen.

Unbestritten ist allerdings, dass die Viehzucht im germanischen Kosmos eine sehr große Bedeutung hatte, was - möglicherweise (!) - noch auf die nomadischen oder halbnomadischen indoeuropäischen Bevölkerungsgruppen zurückgeht, die im 3. oder 2. Jahrtausend v. Chr. aus den pontischen Steppen Südrusslands zuwanderten. Eine solche Spekulation gilt natürlich nur für Verfechter der indoeuropäischen Invasionshypothese.
Cherusker hat geschrieben: Und wenn Du meinen Bericht vom 17.7. um 8:37 Uhr gelesen und das auch verstanden hättest, dann dürfte Deine Differenzierung zwischen der Gefolgschaft und den Stamm doch für die Germanen widerlegt sein. :mrgreen:
Und der Bericht ist mit Quellenangabe von Prof. Herwig Wolfram. :wink:
Was die soziale Struktur betrifft, so gibt es eine Reihe prunkvoll ausgestatteter Gräber mit Schmuck und Trachtenbestandteilen aus Edelmetall sowie mit importiertem römischen Geschirr aus Silber, Glas und Bronze. Solche Gräner werden zweifellos zu Recht Personen zugesprochen, die auch in der Gemeinschaft der Lebenden einen hohen Rang eingenommen haben, zudem dort oft eine Ganzkörperbestattung erfolgte. Diese Gräber eröffnen einen Blick in die differenzierten Strukturen der germanischen Gesellschaft, die durch Sippenbildung und Familienzugehörigkeit, Kultgemeinschaften und militärische Gefolgschaft geprägt war. Neben den Grabfunden sind es in zunehmndem Maße auch die Siedlungsfunde, die aufgrund verbesserter Grabungsmethoden und verfeinerter Interpretation sozialgeschichtliche Einsichten vermitteln.

Wertvoll sind natürlich auch die Berichte antiker Geschichtsschreiber, wobei einem klar sein muss, dass sie oftmals Stereotype und Gemeinplätze enthalten, Diese Betrachtungsweise macht antike Berichte nicht von vornherein wertlos, sofern man das Interesse des Beobachters berücksichtigt. Zu solchen Gemeinplätzen zählt bekanntlich das verbreitete Barbarenbild vom "edlen Wilden", von "germanischer Treulosigkeit", von barbarischer Unfähigkeit, ein auf Recht und Gesetz beruhendes Staatswesen zu errichten, von "teutonischer Raserei" (Lucanus, : furor Teutonicus), vom Germanen, der generell "zornig" ist und vom ebenso "faulen" wie "freiheitsliebenden" Gemanen. Das moderne Germanenbild hat sich von all dem zum Glück entfernt oder betrachtet solche Aussagen zumindest kritisch.
Ruaidhri
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Cherusker hat geschrieben:Und der Bericht ist mit Quellenangabe von Prof. Herwig Wolfram
Na und? Auch hier ist doppelt quellenkritisches Arbeiten angezeigt.
Dietrich hat geschrieben:Neben den Grabfunden sind es in zunehmndem Maße auch die Siedlungsfunde, die aufgrund verbesserter Grabungsmethoden und verfeinerter Interpretation sozialgeschichtliche Einsichten vermitteln. *
Und genau ergeben ein etwas differenziertes Bild " der Germanen" als es bislang oft gezeichnet wurde.
Wertvoll sind natürlich auch die Berichte antiker Geschichtsschreiber, wobei einem klar sein muss, dass sie oftmals Stereotype und Gemeinplätze enthalten, Diese Betrachtungsweise macht antike Berichte nicht von vornherein wertlos, sofern man das Interesse des Beobachters berücksichtigt. Zu solchen Gemeinplätzen zählt bekanntlich das verbreitete Barbarenbild vom "edlen Wilden", von "germanischer Treulosigkeit", von barbarischer Unfähigkeit, ein auf Recht und Gesetz beruhendes Staatswesen zu errichten, von "teutonischer Raserei" (Lucanus, : furor Teutonicus), vom Germanen, der generell "zornig" ist und vom ebenso "faulen" wie "freiheitsliebenden" Gemanen. Das moderne Germanenbild hat sich von all dem zum Glück entfernt oder betrachtet solche Aussagen zumindest kritisch.
Natürlich hat Tacitus das nicht alles frei erfunden, sicherlich sind seine Angaben in der Germania unendlich wichtig, aber sie dürfen eben auch nicht unkritisch als die reine Wahrheit und als unantastbarer Stand des Wissens angesehen werden.
Bei allen Primärquellen muss immer der zeitliche Hintergrund, die Absicht, der Auftraggeber, und auch der tatsächliche Wissensstand hinterfragt werden. Desgleichen gilt auch für die Sekundär-Literatur.
Geschichte ist eine dynamische Wissenschaft, die vor neuen Erkenntnissen nicht gefeit ist.
* Das ist einmal den Fortschritten der Archäologie zu verdanken, aber auch neuen Fragestellungen, die über das so lange vermittelte Germanenbild hinausgehen. Übrigens auch Forschungsauftrag für die Ur- und Frühgeschichte, die ihre Fragen wie die Befunde in einen anderen Kontext stellt als noch vor Jahrzehnten.
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Cherusker
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Ruaidhri hat geschrieben:
Cherusker hat geschrieben:Und der Bericht ist mit Quellenangabe von Prof. Herwig Wolfram
Na und? Auch hier ist doppelt quellenkritisches Arbeiten angezeigt.
Diese Angabe bezog sich auf die von Kohlhaas geäußerte Kritik, daß nur er Quellen angeben würden, während die anderen es anscheinend aus den Fingern sogen. :wink:
Zuletzt geändert von Cherusker am 23.07.2015, 20:36, insgesamt 1-mal geändert.
Cherusker
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Ruaidhri hat geschrieben: Auch und vor allem unter quellenkritischen Gesichtspunkten- das gehört nun schlicht zum grundlegenden Werkzeug.
Darum auch- nachvollziehbar, die neueste fachwissenschaftliche Diskussion auf allen Eenen um Kelten und Germanen/ Kelten oder Germanen, Organisation der germanischen Stämme.
Das Schöne an der Quellenkritik ist, daß sich so manch ein Experte mit seinen eigenen Thesen verwirklichen kann, selbst rumspekulieren kann und dann doch wieder aufs Töpfchen gesetzt wird. :mrgreen: Beispiel gefällig? Was wurde alles über Tacitus und Cassius Dio kritisiert, weil dort Hinweise auf zivile römische Ansiedlungen und Militärposten an den Flüssen angegeben wurden. Das sei doch alles nur römisches Wunschdenken gewesen und hätte nur die Größe der Kaiser darstellen sollen. Tja, ....und dann findet man Waldgirmes. :wink:
Natürlich darf man nicht alles 1 zu 1 übernehmen. Und vielfach schmückt Tacitus einige Geschehnisse mit römischen Phrasen aus, z.B. das stundenlange Töten des Gegners. Auch läßt er eine Sympathie für Germanicus erkennen und will Rom in seinen Werken deren Dekadenz vorwerfen. Manche seiner römischen Berichte lesen sich wie eine Klatschpresse. Aber letztendlich haben sich Tacitus und die anderen römischen Schreiberlinge sich anhand von heute größtenteils verschollenen Berichten und Werken bedient. Und auch ein Paterculus lebt zwar seine Tiberius-Sympathie offen aus, muß aber gleichzeitig als Zeitzeuge mit evtl. zeitnaher Kritik leben. :mrgreen:
Cherusker
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Ruaidhri hat geschrieben: Aus:
Armin Volkmann
Die Germanen: Mythos und Forschungsrealität , Seite 8


veröffentlicht in academia. edu
https://www.academia.edu/1265844/Die_Ge ... lit%C3%A4t
Ich wußte gar nicht, daß durch die Germanicus Feldzüge ein römischer Landgewinn ermöglicht wurde? :mrgreen: :shock: Überspringt da Armin Volkmann nicht ein paar Dekaden? :wink:
Kohlhaas
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Ruaidhri hat geschrieben:Ich habe nicht nur Delbrück gelesen, sondern auch die Auseinandersetzung der Historker mit ihm und der Geschichtsschreibung allgemein.
" Jenseits der Schwachsinnsgrenze" ist eine genauso schwache Formulierung, ohne zu bestreiten, dass dieser verdiente Historiker sich oft genug vergaloppiert hat und neuere Forschungen ganz sicher relevanter sind.
Ja, okay, das war wohl etwas krass ausgedrückt. Wenn ich lese, was Dellbrück so über die Ursachen der erwiesenen Kriegstüchtigkeit germanischer Gruppen schreibt, dann kommt mir allerdings als erstes der Kommentar "Schwachsinn" in den Sinn. Wie ich schon geschrieben habe, unterstelle ich damit nicht dem Herrn Dellbrück, dass er schwachsinnig war. Ich unterstelle nur, dass er eine Wertschätzung für alles Militärische, die in Deutschland nach 1871 vorherrschend war (beachte: ich habe nicht "Militarismus" geschrieben!), zur Grundlage für seine Theorie gemacht hat, dass die Germanen den Krieg "geliebt" hätten. Und diese Theorie ist einfach schw....

...hoppla, da konnte ich mich gerade noch bezähmen...

Meiner Meinung nach hat es in der gesamten Geschichte der Menschheit keine Gesellschaft gegeben, die Krieg um des Kriegs willen geführt hat. Die Leute hatten alle sachliche Gründe, warum sie Krieg jeweils für den besten/einzig gangbaren Weg hielten. Eine Gesellschaft, die "kriegsgeil" war - die also Krieg zum "Lustgewinn" geführt hat - so eine Gesellschaft hätte aus Psychopathen bestehen müssen!

Zu allen Zeiten mussten sich menschliche Gesellschaften religiöse oder quasi-religiöse Begründungen dafür einfallen lassen, warum es "sinnvoll" sein sollte, eine Waffe in die Hand zu nehmen und auf einen völlig unbekannten anderen Menschen einzuprügeln - mit dem Risiko, dass der ähnlich bewaffnete Unbekannte vielleicht mehr Glück hat oder einfach besser prügeln kann.

Wir können lange über Krieg diskutieren. Aber ich behaupte, dass es in der Geschichte der Menschheit nie eine Mehrheit von Individuen/eine Gesellschaft gab, die Krieg für einen erstrebenswerten Zustand gehalten hat. Auch die "Germanen" waren so nicht gestrickt. Sonst wären es mehrheitlich Psychopathen gewesen. Die selbsternannten Nachfolger der Germanen haben alles menschen-/psychopathenmögliche getan, um diese Theorie zu erhärten. Ich behaupte trotzdem: Die Germanen wollten lieber leben als Krieg zu führen.

Und Dellbrück behauptet was anderes. Deshalb halte ich seine Darstellung der germanischen Kriegslust oder Kriegskunst für schwachs.... uups, gerade noch gebremst!

Dellbrücks Aussage ist sehr stark geprägt von der historischen Entwicklung der deutschen Nationalstaatsbildung. Deutschland ist nur deshalb im Jahre 1871 zu einer "Nation" geworden, weil Armeen unter der Führung von Hohenzollern drei siegreiche Kriege geführt haben. Und hier betone ich nochmal: Ich habe das nicht "Militarismus" genannt!

Die Idee, dass Krieg eine Art "heiliger Selbstzweck" sein könnte, die sollte eigentlich seit Clausewitz zum alten Eisen (alternativ: Schwachsinn) gehören.

Und trotzdem hält sich bis heute die Theorie, dass man die Germanen wegen ihrer "angeborenen Kriegslust" bewundern müsse. Dass andere Stammesgesellschaften sich als ähnlich "kriegstüchtig" erwiesen haben/leider erweisen mussten, wird ignoriert. Es waren Kelten, die Norditalien erobert haben. Es waren vietnamesiche Reisbauern, die die Weltmacht USA vertrieben haben. Es waren afghanische Opium-Bauern, die die Weltmacht UDSSR vertrieben haben...

Anstatt uns zu fragen, welche Gründe es für die "Kriegslust" der Germanen gab, begnügen wir uns einfach mit der Behauptung, dass es im Wesen der Germanen gelegen hätte, Krieg zu führen. Und wenn es jemand wagt, diese Meinung nicht zu teilen oder sie gar zu hinterfragen, dann wird das als Beleidigung empfunden. Damit meinte ich jetzt nicht Dich.
Kohlhaas
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Cherusker hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben:
... und wie Tacitus schon schrieb, gilt es eher durch Raub und Plünderung Beute zu machen als es durch eigene Arbeit zu erreichen.
Das hat Tacitus tatsächlich geschrieben und Tacitus hat das vermutlich sogar mit gutem Recht getan. Tacitus beschreibt allerdings eine Situation, die gut hundert Jahre nach dem Zusammenleben von "Germanen" und "Kelten" bestand. Außerdem muss man dabei berücksichtigen, dass Raub und Plünderung die Existenzbasis der GEFOLGSCHAFTEN war, nicht aber die Existenzbasis der STÄMME. Von Raub und Plünderung kann man nur leben, wenn es jemanden gibt, der - in blöd marxistischer Weise - einen "Mehrwert" erzeugt, den jemand rauben kann.

Die Idee, dass "kriegslüsterne Germanen" (DEIN Zitat!) nichts "erzeugt" sondern nur "geraubt" hätten, ist deshalb nahe an der Schwachsinnsgrenze anzusiedeln. Wenn niemand Werte schafft, die "des Raubens wert sind", dann gibt es auch keinen Raub.
Irgendwie kannst Du es mit den Beleidigungen nicht lassen. :twisted:
Zunächst mal: Wo soll ich eine Beleidigung ausgesprochen haben? Wenn Du meinst, dass ich DEINE Aussage als "schwachsinnig" bezeichnet hätte, dann ist das DEIN Problem. Ich habe die Idee als "schwachsinnig" bezeichnet, dass Raub in einer Gesellschaft, die keine Werte schafft, überhaupt möglich ist.

Nochmal: Raub macht nur "Sinn" wenn etwas da ist, was zu "rauben" sich lohnt. Und wo sollen solche Wertgegenstände herkommen, wenn alle Menschen nicht produzieren sondern nur rauben? Du darfst es gerne beleidigend finden, dass ich diese Frage stelle. Du wirst aber schon erkären müssen, wie ein ökonomisches System, das allein auf Raub beruht, überhaupt funktionieren soll.
Du verstehst die Meinungen der anderen Teilnehmer an dieser Diskussion einfach nicht, weil Du es nicht richtig liest ! :crazy:
Entschuldige, aber das war jetzt Schwachsinn! Ich verstehe die Meinung anderer Teilnehmer sehr wohl. Ich TEILE sie nur nicht. Weil die von Dir so benannten "anderen Teilnehmer" sich nicht die Mühe gemacht haben, mal zu erklären, woher Raubgut kommen soll, wenn alle nix herstellen sondern nur rauben.

Das ist nicht mein Problem, sondern Deins! Und Dein Problem könnte sein, dass Du zwar richtig liest, aber nichts verstehst.
Natürlich haben die Germanen auch Landwirtschaft (ziemlich rudimentär gegenüber anderen Völkern) betrieben, genauso gab es Handwerk (Schmiede, Töpferei,....), aber alles als Selbstversorgung und gar nicht vergleichbar mit Römern, Kelten und Griechen. Und stelle nicht alles, was Deiner Meinung nicht entspricht als "an der Schwachsinnsgrenze" dar. Du merkst es einfach nicht !!! :crazy: Deine Argumentation wirkt dadurch ziemlich kindlich. :wink:
Na, da schwafelt aber der Richtige!

Was heißt denn "Landwirtschaft, aber rudimentär"? Wenn ein Bauer sein Feld bestellt hat und dann Räuber kommen, die das Getreide wegfressen, dann verhungert der Bauer. Und dann können die Räuber im nächsten Jahr nicht wiederkommen. Besser: Können sie natürlich doch, aber sie finden dann NIX MEHR ZUM FRESSEN!

Ein Wirtschaftssystem, das auf Raub basiert, funktioniert nur gegen "äußere" Gegner. Z.B. Piraten in Somalia. Dass sowas eine "Binnenwirtschaft" möglich machen sollte, ist völlig absurd!

Und wenn Du meinen Bericht vom 17.7. um 8:37 Uhr gelesen und das auch verstanden hättest, dann dürfte Deine Differenzierung zwischen der Gefolgschaft und den Stamm doch für die Germanen widerlegt sein. :mrgreen: Also lesen bildet......bevor Du wieder anderen Leuten "Schwachsinn" unterstellst.
Und der Bericht ist mit Quellenangabe von Prof. Herwig Wolfram. :wink:[/quote]
Ruaidhri
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Anstatt uns zu fragen, welche Gründe es für die "Kriegslust" der Germanen gab, begnügen wir uns einfach mit der Behauptung, dass es im Wesen der Germanen gelegen hätte, Krieg zu führen.
Dabei ist die Frage, was sie zwang, so kriegerisch zu sein, viel interessanter.
Dellbrücks Aussage ist sehr stark geprägt von der historischen Entwicklung der deutschen Nationalstaatsbildung. Deutschland ist nur deshalb im Jahre 1871 zu einer "Nation" geworden, weil Armeen unter der Führung von Hohenzollern drei siegreiche Kriege geführt haben. Und hier betone ich nochmal: Ich habe das nicht "Militarismus" genannt!
Sicherlich schwingt bei ihm, bei aller späteren Distanz, das nationale Pathos mit, aber genauso sein Faible für Militärgeschichte.
Wie schnell kurzfristig sicher geglaubte Ergebnisse, nach redlichem Wissen und Gewissen dargestellt, über den Haufen geworden werden können, weil neue Quellen auftauchen, neue Fragen gestellt werden, weiß ich ziemlich gut. Oder weil endlich gedacht werden kann, was vorherigen Generationen nicht einfiel oder schlicht, bei aller Offenheit und wissenschaftlichen Korrektheit, nicht auf dem Schirm war.
Kein Historiker ist auf ewig unantastbar. Dafür sorgen, wo schriftliche Quellen fehlen, auch die Archäologen im Verbund mit allen begleitenden Naturwissenschaften. :mrgreen:
Aber ich behaupte, dass es in der Geschichte der Menschheit nie eine Mehrheit von Individuen/eine Gesellschaft gab, die Krieg für einen erstrebenswerten Zustand gehalten hat.
Es gab und es gibt sie immer noch-Gesellschaften, in denen Sterben für die Ehre durchaus eine Rolle spielt(e).
Nur eben: Das ist nicht genetisch bedingt, sondern z.B. durch religiöse Vorstellungen bedingt.
Ob ich die Germanen und Kelten als kriegerischer empfinden soll denn die Römer oder andere Völker? Mag mir nicht so richtig gelingen.
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Kohlhaas
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Ruaidhri hat geschrieben:Dabei ist die Frage, was sie zwang, so kriegerisch zu sein, viel interessanter.
Ganz genau! Aber diese Frage darf man ja offenbar gar nicht stellen, weil Leute wie Dellbrück sie längst beantwortet haben. Und weil andere Leute sich beleidigt fühlen, wenn jemand solches "Grundlagenwissen" anzweifelt...

Für mich liegt hier der Grund, mich mit Geschichte zu befassen. Ich möchte wissen, warum menschliche Gesellschaft in dieser oder jener spezifischen Weise funktioniert - oder früher mal funktioniert hat.
Es gab und es gibt sie immer noch-Gesellschaften, in denen Sterben für die Ehre durchaus eine Rolle spielt(e).
Nur eben: Das ist nicht genetisch bedingt, sondern z.B. durch religiöse Vorstellungen bedingt.
Ob ich die Germanen und Kelten als kriegerischer empfinden soll denn die Römer oder andere Völker? Mag mir nicht so richtig gelingen.
Mein Verdacht: Die Idee, für Gott oder für die Ehre oder für das Vaterland sterben zu wollen, steht in krassem Widerspruch zu menschlichen Grundbedürfnissen (Instinkten). Menschliche Gesellschaften haben sich aber immer wieder vor das Problem gestellt gesehen, unter Missachtung dieser Grundbedürfnisse kämpfen zu müssen. Deshalb haben menschliche Gesellschaften zu allen Zeiten Mechanismen entwickelt, wie sie das zentrale Grundbedürfnis eines Individuums (Selbsterhaltungstrieb) "ausschalten" konnten, um vermeintliche oder tatsächliche Gemeinschaftsinteressen (kriegerisch) zu verwirklichen. Ein mögliches Mittel dazu war Religion. "Wer auf dem Schlachtfeld den Heldentod stirbt, wird von den Walküren nach Asgard erhoben und lebt dort an der Seite der Götter ewig..." Diese oder ähnliche religiöse Vorstellungen waren nicht die Ursache dafür, dass Menschen in den Krieg gezogen sind. Vielmehr war die Tatsache, dass Menschen generationenlang unter Kriegsbedingungen leben mussten, die Ursache dafür, dass sich solche religiösen Vorstellungen herausgebildet haben. Das Elend im Diesseits ist schließlich besser zu ertragen, wenn man es als gottgewollt betrachten und auf "Belohnung" im Jenseits hoffen kann.

Dass die Germanen (und vor ihnen die Kelten) sehr kriegerisch waren, kann niemand bezweifeln. Dafür gibt es genügend Belege. Ich mag mich nur nicht mit der von Dellbrück vorgetragenen These zufrieden geben, dass das eben so war, weil die Germanen Germanen waren.
Kohlhaas
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Cherusker hat geschrieben:Das Schöne an der Quellenkritik ist, daß sich so manch ein Experte mit seinen eigenen Thesen verwirklichen kann, selbst rumspekulieren kann und dann doch wieder aufs Töpfchen gesetzt wird. :mrgreen: Beispiel gefällig?
Und das Unschöne ist, dass manch ein "Experte" nichtmal merkt, wenn er schon wochenlang auf einem Töpfchen sitzt. Beispiel gefällig?

Caesar schreibt in seinem Germanenexkurs, dass es unter Ariovist üblich gewesen sei, dass der "Magistratus" der Germanen den Kriegern Land zugewiesen und sie im folgenden Jahr zum Weiterziehen gezwungen habe. Daraus ziehen gewisse "Experten" den Schluss, dass Germanen kein "persönliches Eigentum" kannten sondern ihr Land jeweils vom Stamm zugewiesen bekamen.

Nur blöd, dass Caesar auch anmerkt, dass es in Friedenszeiten gar keinen "Magistratus" der Germanen gab. Was ist - wenn man quellenkritisch denken will - also von der These der besitzlosen urkommunistischen Germanen zu halten?

Noch ein Beispiel gefällig? Du hast Tacitus zitiert, dass "der Germane" lieber mit Blut erringt, was zivilisierte Römer mit Schweiß erarbeiten. Jetzt mal ganz "quellenkritisch": Waren die Römer wirklich weniger kriegerisch als die "Barbaren"? Mein Eindruck ist, dass der Krieg die Grundlage des ganzen römischen Reichs war. Kein Volk jener Zeit hat mehr Kriege geführt.

Noch ein Beispiel gefällig? Du zitierst Tacitus´ Aussage, dass - verkürzt - die Germanen ununterbrochen auf der faulen Haut gelegen und sich nur zu Kriegszwecken erhoben hätten. Eine "Volkswirtschaft", die nur aus Kriegern und Räubern besteht, ist aber nicht existenzfähig. Müsste jemand, der den Sinn des Wortes "Quellenkritik" begreift, dann nicht auf die Idee kommen, dass Tacitus nicht den gemeinen germanischen Bauern gemeint hat, sondern die Vertreter einer bestimmten "Klasse" von "Berufskriegern"?

Hier könnte man noch Tacitus´Anmerkungen über die Chatten anführen. Du weißt schon: Die Jungs, die ihre Bärte wachsen ließen, sich mit Eisenringen schmückten, nie arbeiteten und sich in jedem Haus einquartieren konnten das auf ihrem Weg lag... Jetzt mal ganz quellenkritisch gefragt: Wenn so ein bärtiger eisenberingter wandernder Chatte zu einem Haus kam und dort Bewirtung verlangte, warum soll der dortselbst wohnende und ebenso bärtige und eisenberingte Chatte den Besucher gefüttert haben? Noch verwirrender: Warum hatte der überhaupt ein Haus???? Die sind doch alle finster-blickend und schwer bewaffnet durch die Gegend gewandert und haben Leute gesucht, von denen sie sich füttern lassen konnten.

Sowohl Caesar als auch Tacitus beschreiben "Sonderfälle". Und Leute wie Dellbrück und Du glaub(t)en, das seien die "Normalfälle" gewesen.
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Kohlhaas hat geschrieben:
Nochmal: Raub macht nur "Sinn" wenn etwas da ist, was zu "rauben" sich lohnt. Und wo sollen solche Wertgegenstände herkommen, wenn alle Menschen nicht produzieren sondern nur rauben? Du darfst es gerne beleidigend finden, dass ich diese Frage stelle. Du wirst aber schon erkären müssen, wie ein ökonomisches System, das allein auf Raub beruht, überhaupt funktionieren soll.
Irgendwie verstehst Du es nicht ganz....liegt vielleicht auch an Dir persönlich. Mag muß keinen von Dir erreichten produzierten marxistischen Mehrwert als Grundlage nehmen. Die germanischen Auseinandersetzungen gingen daher auch Gefangene zu machen, die dann ausgelöst werden konnten, d.h. z.B. mit Rindern, wertvollen Gegenständen, anderen Gefangenen. Selbst Arminius soll zeitweise in der Gewalt von Segestes gewesen sein. Diese gemeinen Gefangenen mußten ansonsten als Unfreie z.B. auf den Feldern arbeiten. Wenn Du richtig lesen würdest, dann hättest Du schon längst feststellen müssen, daß es die Frauen, Jugendlichen, Alten und Unfreien waren, die die Felder, Haus und Hof bewirtschafteten. Übrigens findet man das so auch bei den Wikingern. Unfreie waren nicht auf Lebenszeit Sklaven, sondern konnten sich durch herausragende Leistungen wieder die Freiheit erlangen.
Und es gab auch Kämpfe um bestimmte Gebiete, z.B. Salzgewinnung.

Wer weiterhin glaubt, daß der Germane ein Bauer gewesen ist, dessen Haupttätigkeit die Landwirtschaft war, der vertritt eher die Ansichten des 19./20.Jh. Die Nazis brauchten diese Ansicht, damit sie die Bevölkerung über die Anerkennung der Landwirtschaft "ernähren" konnten. Dort wurden große Erntedankfeste (Bückeberg bei Hameln) abgehalten. Das wurde dann auch den Germanen übergestülpt. Der fleißige germanische Bauer, der friedlich auf seiner Scholle saß und treu Frau und Kinder gegen den bösen Römer verteidigte , der sie in Knechtschaft zwingen wollte. Na, wenn das Dein Bild von den Germanen ist? :mrgreen:
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Kohlhaas hat geschrieben:
Hier könnte man noch Tacitus´Anmerkungen über die Chatten anführen. Du weißt schon: Die Jungs, die ihre Bärte wachsen ließen, sich mit Eisenringen schmückten, nie arbeiteten und sich in jedem Haus einquartieren konnten das auf ihrem Weg lag... Jetzt mal ganz quellenkritisch gefragt: Wenn so ein bärtiger eisenberingter wandernder Chatte zu einem Haus kam und dort Bewirtung verlangte, warum soll der dortselbst wohnende und ebenso bärtige und eisenberingte Chatte den Besucher gefüttert haben? Noch verwirrender: Warum hatte der überhaupt ein Haus???? Die sind doch alle finster-blickend und schwer bewaffnet durch die Gegend gewandert und haben Leute gesucht, von denen sie sich füttern lassen konnten.

Sowohl Caesar als auch Tacitus beschreiben "Sonderfälle". Und Leute wie Dellbrück und Du glaub(t)en, das seien die "Normalfälle" gewesen.
Und Du hast noch nicht einmal Ahnung, daß es solche Kriegerkasten auch bei den Kelten gab, die wurden Fenians genannt. :wink:
Du hast das Sippenwesen überhaupt nicht verstanden. Irgendwie vergleichst Du die Antike mit der heutigen Denk- und Lebensweise. :crazy: Du versuchst immer nach heutiger Lebensanschauung zu erklären, warum das so nicht sein konnte. :mrgreen:
Hallo....aufwachen, das war eine ganz andere Zeit mit ganz anderer Weltansicht. Tod, Hungersnöte, Gewalt, usw. waren keine anormale Erscheinungen. Der Aberglaube, die Religion, die Denkweise, das Handeln kann man nicht mit heutigen Maßstäben vergleichen. So sieht es auch Prof. Wolfram. Nur weil wir seit über 60Jahren in Deutschland in Frieden leben, muß das nicht heißen, daß es in Deutschland immer friedlich war, weil Krieg keinen Sinn erbringt. Früher hat es keine 20 Jahre gedauert und schon stand wieder eine kriegerische Auseinandersetzung an.
Die Ritter des Mittelalters, die wir heutzutage als Raubritter bezeichnen, hatten anscheinend ihre Lebensaufgabe darin gefunden, permanent neue Fehden anzuzetteln. Leidtragende davon waren größtenteils die Bauern und Kaufleute. Auch hier ist die kriegerische Auseinandersetzung im Vordergrund zu sehen, alles andere tritt in den Hintergrund.

Und schon gar nicht kann man die Germanen in heutige politsche Anschauungen von links oder rechts einordnen. Wär sowas macht, der ist schon recht naiv. Daher ist Dein "urkommunistischer" Einwand der Landverteilung völliger Blödsinn und zeigt nur, daß Du erhebliche Probleme hast Deine heutige Denkweise außen vor zu lassen.
Dietrich
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Caesar berichtet, dass die Stämme mit einer Volksverfassung im Frieden keine einheitliche oberste Spitze hatten (Caesar, Bell. Gall. VI. 23). Die Führer der Unterverbände des Stammes und sonstige bewährte Adlige bildeten einen Führerrat, der weniger wichtige Angelegenheiten selbstständig erledigte, wichtigere Angelegenheiten aber vor die Volksversammlung zur Entscheidung brachte. In der Volksversammlung hatten die Stimmen der Anführer ein besonderes Gewicht.

Von der erst später bekannten Königsverfassung berichtet Caesar noch nichts. Zur Zeit des Tacitus war die Königsherrschaft im wesentlichen auf die Ostgermanen beschränkt.

Im Kriegsfall musste ein Heerführer bestimmt werden: der Herzog (dux, ahd. herizogo). Die Wahl des Herzogs erfolgte in der Volksversammlung mit einer Schilderhebung des Gewählten (vgl. Tacitus). Das germanische Heerwesen beruhte auf dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht; die Gliederung wurde ncht durch militärische Gesichtspunkte bestimmt, sondern durch die Verwandtschaft, d.h. es gliederte sich nach Sippen und Familienschaften. Da der germanische Krieger für seinen Unterhalt und seine Ausrüstung selbst zu sorgen hatte, war es nicht besonders schwierig, eine Streitmacht aufzustellen - sofern man sich auf der Volksversammlung nach oftmals langen Debatten überhaupt einigen konnte. Da das germanische Heer unter dem Schutze des Kriegsgottes stand, galt für das Heer wie auch für die Volksversammlung ein sakraler Frieden (Heerfrieden).

Da nur die politisch berechtigten freien Männer das germanische Heer bildeten, blieben die Unfreien im Kriegsfall auf dem Grund und Boden des Herrn zurück. Sie kümmerten sich darum, dass die Äcker bearbeitet und die Ernte eingefahren wurde, dass es also bei Krieg zu keiner Hungersnot oder einer Verwilderung der Anbaugebiete kam.

Der Stammesadel entstand nicht aus der Notwendigkeit heraus, dass man ihn brauchte. Vielmehr entwickelte sich ein solcher Adel, weil er Besitztümer anhäufte und Unfreie sammelte, und somit ein bedeutender ökonomischer Faktor wurde. Wer große Gefolgschaften ins Feld führen konnte, zeichnete sich - vielleicht auch durch persönliche Tapferkeit - im Krieg gegen benachbarte Stämme aus. So entstand automatisch eine führende Schicht, die die Geschicke des Stammes lenkte und bestinnte. Solche Eliten werden als Adel bezeichnet, tragen bei anderen Völkern andere Namen, doch ist der Inhalt des Begriffs identisch.

Die politische Führung eines Stammes hatte der Gentiladel (nobiles, principes, reges, duces, proceres, praepositi) inne, aus dem der Stammesführer als Repräsentant der Gemeinschaft und der Kriegsführer (dux) gewählt wurden. Aus dem Gentiladel kamen sicher auch die Priester (sacerdotes); z.B. war der Sohn des Segestes, Segimund, römischer Priester (Tacitus, Ann. 1, 57). Damit versuchten die Römer, den germanischen Adel über den Kult an sich zu binden. In der Struktur des Gentiladels und seiner Macht bestanden sicher Unterschiede zwischen den Stämmen. Tacitus betont jedoch nachdrücklich, dass die "reges" keine unbegrenzte willkürliche Macht besaßen und dass die "duces" nur duirch ihr Vorbild wirken mussten.

Die adlige Schicht erweiterte in den letzten Jahrzehnten vor der Zeitenwende ihre Macht zunächst bei kriegerischen Ereignissen. Raub und Tributerhebung führten über eine ungleichmäßige Verteilung zu ihrer Bereicherung. Auf den Bestattungsplätzen im Elbe-Oder-Gebiet sind diese Krieger (Waffen, Tracht) in gesonderter Lage beigesetzt worden.

Die wirtschaftliche Kraft des Gentiladels und ähnlicher Schichten gründete sich u.a. auf Abgaben der eigenen und fremden Stammesbevölkerung (Tribute, Ehrengeschenke), auf Ausbeutung Unfreier in Verbindung mit einer ungleichen Bodenverteilung und auf die mögliche Bindung eines Teils der handwerklichen Produktion an seinen Hof. Dass bedingte, dass diese sich immer mehr von ihrer manuellen Tätigkeit lösen konnten und in Raub, Krieg und Verwaltung ihre Aufgaben sahen (dazu auch Tacitus, Germ. 14-15).

Vermutlich besaß der Stammesadel eigene abgesonderte Höfe, die durch Palisaden und Gräben befestigt sein konnten. Ahnliches lässt sich aus dem Bericht des Tacitus schließen, wonach der Cherusker Segestes eine Zeitlang von den Kriegern des Arminius belagert und erst durch die Römer befreit wurde (Ann. 1, 57). Da er Verwandte und Gefolgsleute aufgenommen hatte, muss sein Gehöft auch entsprechend groß gewesen sein.

Rom sah in dieser Schicht bereits eine herrschend Elite und versuchte, direkt oder indirekt seine eigenen Interessen durchzusetzen und die Stammesführung zu schwächen. Die Verleihung römischer Bürger- und Ritterwürden unterstützte den Prozess der Absonderung des Stammesadels von der Masse der Stammesbevölkerung.

Unter anderem wird auch im Elbe-Oder-Gebiet für den Beginn unserer Zeitrechnung ein Stammesadel nachgewiesen. Erwähnt sind bei den Hermunduren zwischen 21 (Tacitus, Ann. 2, 63) und 49 n. Chr. Vibilius (Hermundurorum rex: Ann. 12, 29) und bei den Semnonen Masyos (rex). Für die Rugier, Goten und Lemovier erwähnt Tacitus sogar einen stärkeren Einfluss des Adels.

Eine solche Stammesaristokratie ist vor allem in den so genannten Fürstengräbern vom Lübsow-Typ zu erkennen. Ihre Grabplätze sind durch eine isolierte Lage von den übrigen Friedhöfen gekennzeichnet. Aufwendige Grabkammern aus Steinen und ein Erdhügel bedeckten den Toten. Auffallend ist die reiche Ausstattung der Gräber mit römioschem Geschirr, Gerät und Edelmetallschgmuck. Verschiedentlich bestatteten die adligen Familien ihre Toten seit Generationen immer an derselben Stelle (z.B. Lubieszewo und Hagenow). https://de.wikipedia.org/wiki/Prunkgr%C ... %C3%BCbsow

Peter Heather sagt zur sozialen Schichtung der Germanen:
Auch wenn die materiellen Relikte der germanischen Welt aus den letzten vorchristlichen Jahrhunderten keinen Hinweis auf Statusunterschiede geben, heißt das noch lange nicht, dass keine vorhanden waren ...

Fest steht, dass sich die soziale Ungleichheit in der Phase der Kontakte mit dem Römischen Reich dramatisch verschärfte. Archäologisch bestätigen lässt sich der Aufstieg der Militärkönige und ihrer Gefolgschaften durch Bestattungsriten und durch Siedlungsreste ... Opulent ausgestattete Gräber, so genannte Fürstengräber, häufen sich am Ende des 1. Jh. (die so genannte Lübsow-Gruppe) sowie im späten 3. Jh. (Leuna-Haßleben-Gruppe). Da es unwahrscheinlich ist, dass es nur zu dieser Zeit eine soziale Elite gab, wurde die These aufgestellt, die Fürstengräber kennzeichneten Perioden sozialer Spannungen, in denen neue Ansprüche auf einen höheren sozialen Status erhoben wurden ...

Auch die Siedlungsarchäologie bestätigt diesen Wandel. Besonders genau erforscht wurden die Höhensiedlungen der alemannischen Könige und Fürsten. Eine der bekanntesten Höhensiedlungen ist der Runde Berg bei Bad Urach, wo sich Ende des 3. Jh. ein 70 x 50 Meter großes Areal befand, umgeben von einem aus Holz und Erde errichteten Wall. Innerhalb der Umfriedung standen etliche Holzgebäude, darunter wahrscheinlich ein Festsaal zur Bewirtung von Gefolgsleuten und/oder befreundeten Königen. An den Hängen lagen weitere Häuser, u.a. mit Werkstätten für Handwerker und möglicherweise Unterkünften für Bedienstete. Auf dem Runden Berg befanden sich deutlich mehr importierte römische Keramik und andere Objekte, die der Elite vorbehalten waren.

Das alles fügt sich zu einem klaren Bild: Siedlungen und Grabbeigaben belegen eine zunehmende soziale Ungleichheit, und man kann sich leicht vorstellen, dass militärische Macht den Königen und damit auch ihren Gefolgsleuten privilegierten Zugang zu dem neuen Wohlstand ermöglichte.

(Peter Heather, Invasion der Barbaren, 2011 Stuttgart, S. 65 ff.)
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Cherusker hat geschrieben:
Ruaidhri hat geschrieben: Aus:
Armin Volkmann
Die Germanen: Mythos und Forschungsrealität , Seite 8


veröffentlicht in academia. edu
https://www.academia.edu/1265844/Die_Ge ... lit%C3%A4t
Ich wußte gar nicht, daß durch die Germanicus Feldzüge ein römischer Landgewinn ermöglicht wurde? :mrgreen: :shock: Überspringt da Armin Volkmann nicht ein paar Dekaden? :wink:
Lieber Cherusker,
Germanicus wollte Rache für die Niederlage in der Varusschlacht, am Liebsten Arminius in Ketten nach Rom schaffen, das ist ihm nicht gelungen, auch kein Landgewinn. Er wurde von Tiberius abgelöst. :)
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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