Kelten und Germanen

Moderator: Barbarossa

Paul
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dieter hat geschrieben:Lieber Paul,
kann man Ubier und Chatten in einem Atemzug nennen :?: Die Chatten hatten Hessen bis zum Vogelsberg und Taunus besetzt, von den Ubiern ist da nichts mehr bekannt. Sind diese in den Chatten aufgegangen :?:
Zahlenmäßig sind eher die Chattischen Einwanderer in den Ubiern aufgegangen. Die neue Bevölkerung wurde aber oft als Chatten bezeichnet. Sie haben die Latenekultur übernommen. Die Dünsberg Stadt wurde nach der Zerstörung durch die Römer zwar nicht weiter genutzt, aber die meisten anderen Städte blieben erhalten: Wetflaria, Limburg, Weilburg, Butzbach, Bad Nauheim...

Die Römer haben wohl den Ubischen Großstamm aufgelöst und die Autorität des Ältestenrates untergraben. Die Teilstämme haben sich neu formiert und im Norden und Nordosten eher mit den Chatten vereint. Andere Gebiete blieben noch lange unter römischen Einfluß o. direkter Herrschaft.
viele Grüße

Paul

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[quote="Kohlhaas"]
Römische Quellen (Tacitus) sagen auch explizit, dass die Volksversammlung (oder eine noch diffusere "Obrigkeit") nicht die Befugnis hatte, zu "strafen". Stattdessen sagt Tacitus, dass selbst Mord (meinetwegen auch Totschlag) durch "Geldzahlung" gesühnt werden konnte. Also durch eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Sippen. Die Alternative zu "Geldzahlung" kann eigentlich nur "Blutrache" gewesen sein. Damit wären "Gerichtsverhandlungen" vor dem Thing sowas wie der Versuch, weiteres Blutvergießen durch eine "gütliche Einigung" in der Volksversammlung zu vermeiden. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass das Thing berechtigt gewesen wäre, einen "Streitfall" für beendet zu erklären oder einen Urteilsspruch zu fällen. Oder gar "Zuwiderhandlungen" gegen einen Thingbeschluss irgendwie zu ahnden. Es gab keine "Obrigkeit"! Welchen Grund hätte eine "interessiert handelndes" Individuum haben sollen, sich einer "Mehrheitsentscheidung" zu unterwerfen? Die Leute haben für sich ganz selbstverständlich das Recht in Anspruch genommen, ihre individuellen Interessen selbst zu vertreten. Das war nämlich das einzige Recht, das damals in der "egalitären" Gesellschaft galt: das Recht des Stärkeren.[quote="Kohlhaas"]

Die Volksversammlung war die Obrigkeit. So wurde Erik der Rote wegen Tötung zweimal in Verbannung geschickt. Seine Sippe ging jeweils mit.
viele Grüße

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Barbarossa
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Kohlhaas hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Es ist einfach nicht richtig, dass ein Stamm nur in Kriegszeiten zusammenkam und danach "auseinanderfiel". Man geht natürlich davon aus, dass es in einem Stamm auch noch Untereinheiten gab. Aber auch die Stammesgemeinschaft traf sich in regelmäßigen Abständen - nämlich zum Thing/Ding.
Das meinte ich, als ich schrieb, dass es natürlich Kontakte zwischen den Siedlungsgemeinschaften gab. Die Frage bleibt nur: Welche Funktion hat der "Stamm" für die "interessiert Handelnden"? Welche individuellen Interessen konnten die Individuen nur durch ihre Zugehörigkeit zum "Stamm" verwirklichen?
Wie ich bereits schrieb, der Stamm bot Schutz vor Angreifern und man konnte mit dem Stamm auf Raubzug gehen.
Zudem war das Stammesheiligtum ein sprirituelles Zentrum des Stammes. Siehe dazu:
http://geschichte-wissen.de/antike/90-d ... haine.html
Kohlhaas hat geschrieben:
Hier wurden wichtige Beschlüsse den gesamten Stamm betreffend gefasst (natürich auch, ob man in den Krieg zog, aber doch nicht nur), Gericht gehalten und religiöse bzw. kultische Handlungen durchgeführt und den Göttern geopfert und ihnen zu Ehren Feste gefeiert.
Woher wissen wir das? Die römischen Quellen besagen, dass es keine germanische Priesterschaft gab. Mir ist nicht bekannt, dass römische Quellen irgendwas über "kultische Handlungen" im Zusammenhang mit Volksversammlungen aussagen.
+
Kohlhaas hat geschrieben:
Gerade auch der religiöse Aspekt scheint für einen Stamm der "Kitt" gewesen zu sein, der ihn zusammenhielt.
Diese Aussage lehne ich völlig ab. Erstens gibt es dafür weder achäologische noch auch nur historiografische Belege. Und zweitens ist der Vormarsch des Christentums in Europa unter anderem damit zu begründen, dass das Christentum "missionarisch" tätig sein wollte, die heidnischen Religionen hingegen NICHT! Es scheint so zu sein, dass jede Gemeinschaft, jeder "Stamm" einen ganz eigenen "Kult" gepflegt hat. Ohne Anspruch, diesen Kult "exportieren" zu wollen. Wir wissen ja nichtmal, welche "Götter" die "Germanen" vor der Jahrtausendwende angebetet haben.
Es gibt durchaus Überlieferungen solcher Feste. Schau hier:
http://geschichte-wissen.de/antike/90-d ... ennia.html
Kohlhaas hat geschrieben:
So ging man schließlich dazu über, Stammesverbände zu bilden - hauptsächlich ab dem 2. Jh. n. Chr., wobei es auch Ausnahmen gab, denn der Stammesverband der Sueben existierte z. B. schon zur Zeitenwende.
Meinst Du die Gruppe um Ariovist?
Nein, ich meine den Stammesverband, der um die Zeitenwende an der Elbe siedelte und dessen Hauptstamm die Semnonen waren.
Kohlhaas hat geschrieben:Wir reden hier auch immer über Verschiebungen, die sich im Laufe der Zeit ergaben. Im 1. Jahrhundert n.Chr. begann bei den (nunmehr zweifelsfrei "germanischen") Stämme ein Strukturwandel: Die Stammesstrukturen lösten sich auf und wurden zunehmend überlagert von Gefolgschaftsstrukturen. Aus diesen Gefolgschaftsstrukturen entwickelte sich der Übergang von einer "egalitären" Gesellschaft zu einer "aristokratisch beherrschten" Gesellschaft...
Nein, Auflösungsprozesse sind im 1. Jh. n. Chr. nicht erkennbar, wohl aber verstärkt Wanderungen und Verdrängungen von Stämmen.
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Kohlhaas hat geschrieben:

Der Unterschied zwischen keltischer und germanischer Lebensweise, den Du behauptest, ist den Kelten und Germanen damaliger Zeit offenbar völlig entgangen. Diese Leute haben sich selbst nie als unterschiedliche Völker betrachtet. Das haben nur die Römer getan.
Komisch ist dann nur, daß ca.1000 Jahre später, die Wikinger (nichts anderes als Nordgermanen) eine nahezu identische Lebensweise wie die Germanen führten. Diese Lebensweise unterschied sich eindeutig von der der Kelten.
Nach Deiner Defintion dürfte es auch nur einen unbedeutenden Unterschied zwischen Römern und Kelten gegeben haben. Beide kannten ein Verkehrswegesystem, Handel, Städte, Münzsystem, .....und lebten in Italien auch nebeneinander.

Die Kelten und Germanen konnten sich damals schon unterscheiden, auch wenn es Nachbarvölker waren. Natürlich gab es bei grenznahen Stämmen auch durch Vermischung auch Gemeinsamkeiten, die atypisch waren. Aber Deine Behauptung, daß sie untereinander keinen Unterschied machten, ist nur Deine Meinung. :wink: :mrgreen:
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Kohlhaas hat geschrieben:
Cherusker hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben: Die Theorie, dass dies ab 200 v. Chr. passiert sei, muss doch irgendwie begründbar sein. Es liefert aber niemand irgendwelche Belege, die dieses Szenario glaubhaft machen würden. Wo sind die archäologischen Belege dafür, dass es einen irgendwie gearteten Konflikt zwischen "Kelten" und "Germanen" gegeben hat?
Es gibt die archäologischen Befunde und zwar in den Funden der von mir genannten Wallanlagen. Dort hat es zweifelsfrei kriegerische Auseinandersetzungen gegeben, die sich über mehrere Dekaden hinzogen. Letztendlich sind die Wallanlagen erobert worden und nach dem Zeitraum gibt es in dem Gebiet keine "keltischen" Funde mehr. D.h. eine keltisch-beeinflußte Bevölkerung hat es nicht mehr gegeben, sondern jetzt tauchen verstärkt germanische Funde auf.

Und nur weil es darüber keine Schriftquellen gibt (beide Germanen und Kelten kannten keine schriftliche Historie), kann man das nicht in Zweifel ziehen.
Ich habe nicht in Zweifel gezogen, dass an der Stelle gekämpft wurde. Und nicht nur dort. Auch auf dem Dünsberg ist eine Schlacht ausgetragen worden. Trotzdem gibt es keine Belege für ein großflächiges "Verdrängen" keltischer Gruppen durch Germanen ab 200 v.Chr. Hätte es so eine Verdrängung gegeben, müssten die Archäologen im Fundgut Hinweise auf einen "Zerstörungshorizont" finden. Sowas gibt es aber nur punktuell und ohne dass klar wäre, wer da gegen wen gekämpft hat.
Nach der Zerstörung gab es keine weiteren Funde für diese "keltische" Kultur, d.h. es wurden keine neuen Wallanlagen gebaut bzw. wieder aufgebaut. Die Germanen kannten keine großen Wallanlagen, weil sie sich meist bei Gefahr in die Wälder zurückzogen. Einzelne Adlige hatten "Burgen", aber das waren wohl eher befestigte Höfe.
Ab 200v.Chr. endet die keltische Kultur in dem Gebiet.....was soll denn noch als Beweis herhalten? :wink:
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Paul hat geschrieben:Die Volksversammlung war die Obrigkeit. So wurde Erik der Rote wegen Tötung zweimal in Verbannung geschickt. Seine Sippe ging jeweils mit.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist Erik der Rote wegen Totschlags für friedlos erklärt worden. Das heißt nicht, dass die Volksversammlung ihm eine Strafe auferlegt und diese auch durchgesetzt hätte. Es wurde damit lediglich ausgesagt, dass niemand sich zur Blutrache verpflichtet fühlen würde, wenn Erik von irgendwem umgebracht werden sollte. Es blieb aber der Familie des Opfers überlassen, Erik für den Totschlag zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem spielte sich das tausend Jahre nach der vorrömischen Eisenzeit ab.
Zuletzt geändert von Kohlhaas am 04.07.2015, 13:30, insgesamt 1-mal geändert.
Kohlhaas
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Barbarossa hat geschrieben:Nein, Auflösungsprozesse sind im 1. Jh. n. Chr. nicht erkennbar, wohl aber verstärkt Wanderungen und Verdrängungen von Stämmen.
Ich hatte geschrieben, dass die Auflösungserscheinungen im 1. Jahrhundert begonnen haben. Bis sie so weit fortgeschritten waren, dass Gefolgschaftsstrukturen dominierend wurden, vergingen noch mindestens 150 Jahre. Die zunehmenden Übergriffe fränkischer Gruppen ab etwa 250 nach Christus hatten dann schon deutlich gefolgschaftlichen Charakter. Für diese Plünderungszüge schlossen sich Kriegergruppen aus verschiedenen Stämmen zusammen. Sie taten dies "auf eigene Rechnung". Es handelte sich nicht mehr um Stammesaufgebote.

Begonnen hat der Prozess im 1. Jahrhundert, Anstoß dafür war der Versuch der Römer, Germanien zu erobern. Spätestens diese Zeit ununterbrochener Kriege zwang die Stämme, sich fester zusammenzuschließen. Im Laufe der Kriege gewannen die Gefolgschaften dann eine immer bedeutsamere Stellung, weil sie die besten Krieger stellen konnten. Die Gefolgschaften waren sozusagen die Stammeselite. Und je wichtiger sie wurden, desto mehr konnten sie (zuerst) Stammesentscheidungen beeinflussen und (später) unabhängig von Stammesentscheidungen eigene Interessen verfolgen.

In einer Dissertation über die Genese des fränkischen Reichs ist das gut beschrieben. Ich suche gern Autor und Titel raus, wenn es Dich interessiert.
Kohlhaas
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Cherusker hat geschrieben:Nach der Zerstörung gab es keine weiteren Funde für diese "keltische" Kultur, d.h. es wurden keine neuen Wallanlagen gebaut bzw. wieder aufgebaut. Die Germanen kannten keine großen Wallanlagen, weil sie sich meist bei Gefahr in die Wälder zurückzogen. Einzelne Adlige hatten "Burgen", aber das waren wohl eher befestigte Höfe.
Ab 200v.Chr. endet die keltische Kultur in dem Gebiet.....was soll denn noch als Beweis herhalten? :wink:
Zunächst mal stimmt es einfach nicht, dass es ab 200 v.Chr. keine keltischen Spuren mehr gab. Das Oppidum Dünsberg ist schon erwähnt worden. Das bestand bis zur Gründung der Römerstadt Waldgirmes kurz vor dem Jahr Null. Selbst in den latènezeitlichen Anlagen in Nordhessen und Thüringen lassen sich bis in die 2. Hälfte des 1. vorchristlichen Jahrhunderts eindeutig keltische Spuren archäologisch nachweisen.

Wenn Deine These richtig ist, müsste es - von Norden nach Süden fortschreitend - zeitlich aufeinanderfolgend Zerstörungsspuren an den Oppida geben. Das wäre ein Beleg. Es gibt solche Spuren aber nicht. Vielmehr endet die keltische Kultur abrupt mit Ende des gallischen Kriegs und dem Beginn der römischen Okkupationsphase in Germanien.
Dietrich
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Kohlhaas hat geschrieben:
Ich behaupte nicht, dass es nicht zu einer "germanischen Ethnogenese" gekommen ist. Ich behaupte, dass diese Ethnogenese durch innere Differenzierung entstanden ist und nicht durch einen "Clash of cultures".
Wie es zu einer germanischen Sprach- und Kulturgemeinschaft kam, wissen wir nicht. Wir können lediglich sagen, dass sie aus einem indoeuropäischen Kontinuum hervorging, dessen ethnische Zusammensetzung nicht bestimmbar ist. Da das historische Germanentum nicht vollständig aus der Jastorf-Kultur abgeleitet werden kann, hat sich die germanische Ethnogenese vermutlich unter Beteiligung sowohl von Trägern der Jastorf-Kultur als auch von anderen eisenzeitlichen Kulturgruppen außerhalb dieser vollzogen, wobei sicher auch keltische Restgruppen in Mitteleuropa eine Rolle spielten. Inwieweit dieser Fusionsprozess nun immer friedlich oder partiell kriegerisch verlief, wissen wir nicht.
Kohlhaas hat geschrieben:Die Träger der Kultur, die wir heute "germanisch" nennen, und die Träger der Kultur, die wir heute "keltisch" nennen, sind damals offensichtlich nicht auf die Idee gekommen, dass die Angehörigen der jeweils anderen Gruppe "Fremde" waren.
Das sind Spekulationen, die sich nicht beantworten lassen. Die keltische Sprache hat sich mit Sicherheit vor der Latène-Zeit aus dem indoeuropäischen Kontinuum ausgegliedert. Und wer eine fremde Sprache spricht, wird in der Regel als "Fremder" betrachtet. Es ist müßig zu spekulieren, bis zu welchem Zeitraum prä-keltische und prä-germanische Sprachen noch in engerer Verbindung standen, also sich der indoeuropäischen Ursprache näherten. Im allgemeinen nehmen Indogermanisten an, dass sich die indoeuropäischen Sprachen etwa 3000-2500 v. Chr. aus der indoeuropäischen Grundsprache ausgliederten. Mit der Abspaltung eines Prä-Germanischen und Prä-Keltischen rechnen die Forscher etwa um 2000 v. Chr., das Urgermanische soll mit der ersten Lautverschiebung etwa um 600 v. Chr. entstanden sein.
Kohlhaas hat geschrieben: Das hast Du jetzt falsch dargestellt. Oder falsch verstanden. Archäologen stellen immer nur fest, dass sie "keltische" oder "germanische" Sachkultur vor sich haben. Sie ordnen diese Sachkultur immer "Kulturkreisen" zu, nie "Ethnien" oder gar "Völkern".
Das tun die Archäologen durchaus. Die Latène-Kultur wird als originäre keltische Kultur betrachtet, deren Träger Kelten waren. Ob man die nun als Kultur- und Sprachgemeinschaft, als "antike Volksgruppe" oder als "Ethnie" bezeichnet, ist nicht erheblich. Die Kelten bieten ein ähnliches Bild wie die Germanen, d.h. eine übergreifende "keltische Identität" hat es vermutlich nicht gegeben. Aber so ganz genau wissen wir das nicht, denn die Druiden waren z.B, durchaus ein verbindendes Glied zwischen den keltischen Stämmen.
Kohlhaas hat geschrieben: Zur Verdeutlichung: Wenn Kelten und Germanen unterschiedliche "Völker" gewesen wären (Kelten in Mitteleuropa entstanden, Germanen von Norden oder Osten zugewandert), woran würde man dann erkennen, dass ein "germanischer" Stamm, der aufgrund von Handelsbeziehungen keltische Sachkultur übernommen hatte, trotzdem ein "germanischer" Stamm war?
Du greifst hier Sonderfälle heraus, die sich nicht verallgemeinern lassen. Es existiert auf jeden Fall ein keltisches Kerngebiet in Ostgallien und Süddeutschland und ein germanisches nördlich der deutschen Mittelgebirge. Zahlreiche zeitgenössische Quellen berichten von germanischen und kelltischen Stämmen und auch die Sachkultur gibt da eindeutige Hinweise. Zwischen diesen beiden Kulturkreisen gab es eine breite Übergangszone, wo eindeutige Zuordnungen oft nicht möglich sind.

"Der seit der Zeitenwende fassbare, von Germanen getragene archäologische Formenkreis reicht von den römischen Reichsgrenzen an Rhein und Donau im Westen und Süden bis ins Weichselgebiet im Osten. Nach regionalen Sondererscheinungen innerhalb dieses Verbreitunsgebietes lassen sich mehrere Fundgruppen unterscheiden." (Lexikon des MA, Band IV, Stuttgart 1999/2002, S. 1339)
Kohlhaas hat geschrieben: Es hat noch niemand eine plausible Erklärung dafür geliefert, warum "Germanen" die "Kelten" hätten verdrängen sollen.
Sie sind aber verdrängt worden, denn die keltische Latène-Kultur reichte bis zu den Mittelgebirgen. Den süddeutschen Raum haben germanische Stämme nachweislich erst spät besetzt.
Cherusker
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Kohlhaas hat geschrieben:
Cherusker hat geschrieben:Nach der Zerstörung gab es keine weiteren Funde für diese "keltische" Kultur, d.h. es wurden keine neuen Wallanlagen gebaut bzw. wieder aufgebaut. Die Germanen kannten keine großen Wallanlagen, weil sie sich meist bei Gefahr in die Wälder zurückzogen. Einzelne Adlige hatten "Burgen", aber das waren wohl eher befestigte Höfe.
Ab 200v.Chr. endet die keltische Kultur in dem Gebiet.....was soll denn noch als Beweis herhalten? :wink:
Zunächst mal stimmt es einfach nicht, dass es ab 200 v.Chr. keine keltischen Spuren mehr gab. Das Oppidum Dünsberg ist schon erwähnt worden. Das bestand bis zur Gründung der Römerstadt Waldgirmes kurz vor dem Jahr Null. Selbst in den latènezeitlichen Anlagen in Nordhessen und Thüringen lassen sich bis in die 2. Hälfte des 1. vorchristlichen Jahrhunderts eindeutig keltische Spuren archäologisch nachweisen.

Wenn Deine These richtig ist, müsste es - von Norden nach Süden fortschreitend - zeitlich aufeinanderfolgend Zerstörungsspuren an den Oppida geben. Das wäre ein Beleg. Es gibt solche Spuren aber nicht. Vielmehr endet die keltische Kultur abrupt mit Ende des gallischen Kriegs und dem Beginn der römischen Okkupationsphase in Germanien.
Der Dünsberg ist in Hessen !!! Und nicht in Niedersachsen. Dort in Niedersachsen, am Rande der deutschen Tiefebene, hat es keltische Wallanlagen gegeben, die 200v.Chr. zerstört wurden. Teils selbst, wie die Schnippenburg, die eine Kultstätte darstellt, teils durch Kämpfe, wie z.B. Amelungsburg, Barenburg, ....
Und der Dünsberg war keltisch besiedelt und die Römer haben dort die letzten keltischen Gruppen bekämpft. Neben Ubier usw. waren es die Chatten die als germanischer Stamm in Südniedersachsen und Nordhessen dort noch auf Kelten traf.

Man kann nicht annehmen, daß das heutige Gebiet der Bundesrepublik zur Zeitenwende nur von Germanen besetzt war. Die Germanen hielten sich in Norddeutschland (eingerechnet noch Ruhrgebiet) und Ostdeutschland auf. Erst nachdem unter Augustus kurz vor der Zeitenwende die Kelten in Süddeutschland besiegt wurden, konnten die Germanen viel später in diese Gebiete nachrücken. Die keltische Kultur hat also nicht mit Cäsar geendet. Sondern nur in Gallien, aber nicht in Süddeutschland. Selbst zu Augustus Zeiten haben keltische Krieger Raubzüge über die Alpen nach Norditalien
unternommen !

Fazit: die Kelten sind zwischen Germanen und Römern aufgerieben worden. Der Druck vom Norden und Süden war so groß, daß sich ein eigenständiger keltischer Lebensraum nicht erhalten ließ.
Kohlhaas
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Hallo Dietrich. Wieder stimme ich Dir in weiten Teilen zu.
Dietrich hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben:Die Träger der Kultur, die wir heute "germanisch" nennen, und die Träger der Kultur, die wir heute "keltisch" nennen, sind damals offensichtlich nicht auf die Idee gekommen, dass die Angehörigen der jeweils anderen Gruppe "Fremde" waren.
Das sind Spekulationen, die sich nicht beantworten lassen. Die keltische Sprache hat sich mit Sicherheit vor der Latène-Zeit aus dem indoeuropäischen Kontinuum ausgegliedert. Und wer eine fremde Sprache spricht, wird in der Regel als "Fremder" betrachtet. Es ist müßig zu spekulieren, bis zu welchem Zeitraum prä-keltische und prä-germanische Sprachen noch in engerer Verbindung standen, also sich der indoeuropäischen Ursprache näherten.
Nein, das sind keine Spekulationen. Wir haben handfeste Belege dafür, dass Gruppen, die von Caesar später als germanisch bezeichnet wurden, keine Berührungsängste gegenüber Gruppen hatten, die Caesar den Galliern zurechnet. So haben Kimbern und Teutonen während ihres durchaus kriegerischen Zugs nach Süden ganz unvoreingenommen die zweifellos "keltischen" Ambronen aufgesammelt und mitgenommen. Selbst Caesar räumte ein, dass er nicht so genau wusste, ob die Völker entlang des Rheins nun germanisch oder gallisch waren. Irgendwo gibt er sogar zu, dass auch links des Rheins Germanen und rechts des Rheins Kelten lebten. Schon die Bezeichnung "Germanen" weckt Zweifel an der ethnischen Zugehörigkeit. Frühe griechische Geschichtsschreiber/Geografen haben die Auffassung vertreten, dass es eine keltische Bezeichnung sei und dass sie grob als "echte Gallier" übersetzt werden könne.

Noch ein Nachsatz zur Sprache: Sprachen die Leute denn wirklich fremde Sprachen? Ich hatte ja schon gesagt, dass in der Jastorf-Kultur sicherlich eine ganz andere Sprache/Dialekt gesprochen wurde als am Oberrhein. Nur: Wo verlief die Sprachgrenze? Gab es eine solche Grenze überhaupt oder war das ein langsamer und fließender Übergang? Ich halte es für plausibel, dass benachbart lebende "Stämme" sich problemlos miteinander verständigen konnten.


Dietrich hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben: Das hast Du jetzt falsch dargestellt. Oder falsch verstanden. Archäologen stellen immer nur fest, dass sie "keltische" oder "germanische" Sachkultur vor sich haben. Sie ordnen diese Sachkultur immer "Kulturkreisen" zu, nie "Ethnien" oder gar "Völkern".
Das tun die Archäologen durchaus. Die Latène-Kultur wird als originäre keltische Kultur betrachtet, deren Träger Kelten waren. Ob man die nun als Kultur- und Sprachgemeinschaft, als "antike Volksgruppe" oder als "Ethnie" bezeichnet, ist nicht erheblich.
Widerspruch. Ob man von "Kulturgemeinschaft" oder von "antiker Volksgruppe" spricht, ist von entscheidender Bedeutung. Es ist in unserer Diskussion sogar "des Pudels Kern". Betrachtet man Kelten und Germanen als unterschiedliche antike Volksgruppen, dann verleitet es zu der Deutung, die im 19. Jahrhundert entstanden ist und sich bis heute hält - nämlich dass von Norden eine neue Gruppe nach Mitteleuropa eingewandert ist und dank ihrer größeren kriegerischen Tugenden die ansässigen Völker verdrängt/vertrieben habe. Die These eines großen germanisch-keltischen Krieges ist aber archäologisch nicht zu belegen.

Moderne Archäologen vertreten auch nicht mehr die These, dass die Sachkultur mit einer Ethnie verknüpft werden kann. Dies tun Historiker, die sich bemühen, die Sachkultur mit Informationen aus alten Schriftquellen in Einklang zu bringen. Was immer wieder zu der Erkenntnis führt, dass Befunde der Geschichtswissenschaften und der Archäologie in Widerspruch geraten.
Dietrich hat geschrieben:Du greifst hier Sonderfälle heraus, die sich nicht verallgemeinern lassen. Es existiert auf jeden Fall ein keltisches Kerngebiet in Ostgallien und Süddeutschland und ein germanisches nördlich der deutschen Mittelgebirge. Zahlreiche zeitgenössische Quellen berichten von germanischen und kelltischen Stämmen und auch die Sachkultur gibt da eindeutige Hinweise. Zwischen diesen beiden Kulturkreisen gab es eine breite Übergangszone, wo eindeutige Zuordnungen oft nicht möglich sind.

"Der seit der Zeitenwende fassbare, von Germanen getragene archäologische Formenkreis reicht von den römischen Reichsgrenzen an Rhein und Donau im Westen und Süden bis ins Weichselgebiet im Osten. Nach regionalen Sondererscheinungen innerhalb dieses Verbreitunsgebietes lassen sich mehrere Fundgruppen unterscheiden." (Lexikon des MA, Band IV, Stuttgart 1999/2002, S. 1339)
Volle Zustimmung. Die entscheidenden Worte habe ich in Deinem Zitat besonders markiert. Dass "seit der Zeitenwende" ein unzweifelhaft germanischer Formenkreis (Sachkultur) fassbar ist, habe ich nie bezweifelt. Ich bin bloß der Auffassung, dass dieser Formenkreis in dem benannten Gebiet nicht dadurch dominant wurde, dass germanische Zuwanderer die keltische Vorbevölkerung verdrängt hätten. Das ist eine These, die der Denkstruktur des 19. Jahrhunderts entstammt.

Diese Entwicklung hat sich eingestellt, ohne dass ein einziger Mensch gewandert sein muss. Sie hat sich dadurch eingestellt, dass das europaweite Handels- und Kommunikationsnetz der Oppida-Kultur von den Römern zerschlagen worden ist. Der Zusammenbruch der Oppida-Kultur wirkte sich auf alle damit verbundenen "Ethnien" gleich aus - egal ob sie als germanisch oder als keltisch eingestuft werden können.


Dietrich hat geschrieben:
Kohlhaas hat geschrieben: Es hat noch niemand eine plausible Erklärung dafür geliefert, warum "Germanen" die "Kelten" hätten verdrängen sollen.
Sie sind aber verdrängt worden, denn die keltische Latène-Kultur reichte bis zu den Mittelgebirgen. Den süddeutschen Raum haben germanische Stämme nachweislich erst spät besetzt.
Wie weiter oben dargelegt, sieht es eher so aus als wären sie nicht verdrängt worden, sondern als hätten sie aufgrund des Zusammenbruchs der Oppida-Kultur eine neue Wirtschaftsweise entwickeln müssen. Allerdings wollte ich mit meiner Anmerkung darauf nicht hinaus. Ich wollte deutlich machen, dass die "germanischen" Gruppen gar kein Interesse daran haben konnten, "keltische" Gruppen zu "verdrängen". Sie lebten in der Nachbarschaft zu "Reichtumszentren" und haben - genau wie später in der Nachbarschaft zum römischen Reich - ein hohes Interesse daran gehabt, mit den reichen Nachbarn zu kooperieren und so an deren Reichtum teilzuhaben.
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Kohlhaas hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Nein, Auflösungsprozesse sind im 1. Jh. n. Chr. nicht erkennbar, wohl aber verstärkt Wanderungen und Verdrängungen von Stämmen.
Ich hatte geschrieben, dass die Auflösungserscheinungen im 1. Jahrhundert begonnen haben. Bis sie so weit fortgeschritten waren, dass Gefolgschaftsstrukturen dominierend wurden, vergingen noch mindestens 150 Jahre. Die zunehmenden Übergriffe fränkischer Gruppen ab etwa 250 nach Christus hatten dann schon deutlich gefolgschaftlichen Charakter. Für diese Plünderungszüge schlossen sich Kriegergruppen aus verschiedenen Stämmen zusammen. Sie taten dies "auf eigene Rechnung". Es handelte sich nicht mehr um Stammesaufgebote.

Begonnen hat der Prozess im 1. Jahrhundert, Anstoß dafür war der Versuch der Römer, Germanien zu erobern. Spätestens diese Zeit ununterbrochener Kriege zwang die Stämme, sich fester zusammenzuschließen. Im Laufe der Kriege gewannen die Gefolgschaften dann eine immer bedeutsamere Stellung, weil sie die besten Krieger stellen konnten. Die Gefolgschaften waren sozusagen die Stammeselite. Und je wichtiger sie wurden, desto mehr konnten sie (zuerst) Stammesentscheidungen beeinflussen und (später) unabhängig von Stammesentscheidungen eigene Interessen verfolgen.
...
Vor allem durch Kriegszüge kam es zur Herausbildung von Stammesverbänden. Das ist soweit klar. Ob das mit den Gefolgschaften tatsächlich so war, wie du beschreibst, kann ich nicht beurteilen - dss wäre mir jetzt neu. Ich weiß auch gar nicht, ob das schon so eingehend erforscht ist. Fest steht aber, dass es einen Stammesadel schon zur Zeit des Arminius gab. Warum sich die Stammesfürsten durch eine völlig neue Art von Eilte das Heft aus der Hand hätten nehmen lassen, ist mir auch nicht so ganz klar.
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Kohlhaas
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Cherusker hat geschrieben:Der Dünsberg ist in Hessen !!! Und nicht in Niedersachsen. Dort in Niedersachsen, am Rande der deutschen Tiefebene, hat es keltische Wallanlagen gegeben, die 200v.Chr. zerstört wurden.
Na und? Der Dünsberg liegt nördlich der "Grenze", die Du zwischen Germanen und Kelten postulierst. Das Oppidum Altenburg (Niedenstein) liegt noch weiter nördlich und östlich an der niedersächsischen Grenze. Das Oppidum Altenburg (Arnstadt) liegt in Thüringen, ebenso die Oppida Steinsburg und Milsenberg sowie Staffelburg (Nordbayern). Alles weit nördlich des späteren römischen Limes und alles weit über das Jahr 200 v.Chr. hinaus belegt. Nochmal: Es ist einfach nicht wahr, dass latènezeitliche Funde ab 200 v.Chr. abreißen würden. Sie bleiben bis fast zur Zeitenwende konstant im gesamten Bereich bis hinauf zur Jastorf-Kultur. Es ist sogar erkennbar, dass die Gruppen der Jastorf-Kultur eigene Versionen "keltischer" Schmuckstücke entwickelt haben. Das deutet auf ungebrochen andauernde Kontakte und Handelsbeziehungen hin. Eine einzelne zerstörte Anlage im südlichen Niedersachsen ist kein Beleg dafür, dass schon 200 Jahre vorher ein germanisch-keltischer Krieg tobte.
Kohlhaas
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Barbarossa hat geschrieben:Vor allem durch Kriegszüge kam es zur Herausbildung von Stammesverbänden. Das ist soweit klar. Ob das mit den Gefolgschaften tatsächlich so war, wie du beschreibst, kann ich nicht beurteilen - dss wäre mir jetzt neu. Ich weiß auch gar nicht, ob das schon so eingehend erforscht ist. Fest steht aber, dass es einen Stammesadel schon zur Zeit des Arminius gab. Warum sich die Stammesfürsten durch eine völlig neue Art von Eilte das Heft aus der Hand hätten nehmen lassen, ist mir auch nicht so ganz klar.
Ob das wirklich so war, kann auch ich nicht beurteilen. Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber selbst ich war damals nicht selbst dabei. :wink:

Offenbar lassen sich die geschilderten Entwicklungen am Beispiel des fränkischen Reichs verhältnismäßig gut ablesen, weil hierfür schon eigene Schriftzeugnisse vorliegen. Meine "Weisheiten" habe ich dem folgenden Werk entnommen: "Metamorphosen der Macht", Untertitel: "Die Entstehung von Herrschaft, Klassen und Staat untersucht am Beispiel der germanisch-fränkischen Gesellschaftsgeschichte". Autor: Hans Peter Drexler, erschienen im Tectum Verlag 1995. Es handelt sich um eine Dissertation, die an der Uni Freiburg vorgelegt wurde.

Zu den archäologischen und historischen Bezügen in der Arbeit kann ich nur Laienmeinungen abgeben. Ich kann allerdings sagen, dass all dies aus Sicht der Soziologie (mein Fachgebiet) durchaus plausibel ist.

Und eine These des Werks lautet: Zu Zeiten des Arminius gab es keinen Stammesadel! Stammesgesellschaften sind "egalitäre" Gesellschaften. Das heißt nicht, dass alle Menschen gleich sind. Sicher gab es Personen, die reicher, angesehener und sogar mächtiger waren als andere Personen. Die Stellung dieser Personen war aber nicht in der Gesellschaftsstruktur begründet. Sie konnten die Position nicht "vererben". Wir reden über eine Gesellschaft, in der jedes Individuum sich sein Recht selbst verschaffen musste - bevorzugt mit Gewalt, denn Gesetze gab es ja nicht.

Welchen Grund sollte ein auf sich selbst (und seine Sippe) angewiesenes Individuum gehabt haben, einem "Adeligen" Gehorsam zu leisten? Was wäre denn die "Gegenleistung" gewesen? Da kommen nur Schutz und Unterstützung in Frage. Dafür hat das geschützte Individuum im Gegenzug die Pflicht, den "Adeligen" bei Bedarf zu unterstützen. Das ist eine Art Vertragsverhältnis (Klientelverhältnis) zwischen den Beteiligten, das nur so lange gilt, wie es den Interessen beider Seiten dient. Was sollte nun aber einen germanischen Kleinbauern, der jederzeit bereit ist sein Recht mit der Waffe in der Hand zu verteidigen, dazu motivieren, die "Herrschaft" eines Adeligen zu aktzeptieren, der nie was für ihn getan hat?

Hier kommt der grundlegende Unterschied zwischen den Strukturen der Stammesgesellschaft und der Gefolgschaft zum Ausdruck: Die Stammesgesellschaft ist egalitär, die Gefolgschaft ist auf den Gefolgsherrn orientiert und demnach hierarchisch. Der "Adel" hat sich aus den Strukturen der Gefolgschaft entwickelt, nachdem die Stammesgesellschaften zusammengebrochen waren. Also Jahrhunderte nach Arminius.

Das lässt sich übrigens auch an den römischen Quellen ablesen. Tacitus sagt unmissverständlich, dass germanische "Adelige" und "Könige" nicht das Recht hatten, Befehle zu erteilen. Wichtige Entscheidungen wurden in der Volksversammlung getroffen, und da hatte jeder kleine Kleinbauer, der Waffen tragen konnte, das gleiche Stimmrecht wie jeder Mächtige.

Die Vokabel "egalitär" darf man übrigens nicht romantisch verklären. Sie besagt nur, dass alle Menschen die gleichen Rechte hatten. Nämlich gar keine. Das war nicht die reine Demokratie oder gar der Ur-Kommunismus, den manche Leute darin gesehen haben. Es war eine extrem gewalt-geprägte Form des Zusammenlebens. Wie die Leute das damals aus "harmonisch" und "verteidigenswert" empfinden konnten, ist aus heutiger Sicht kaum nachzuvollziehen.
Cherusker
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Kohlhaas hat geschrieben:
Cherusker hat geschrieben:Der Dünsberg ist in Hessen !!! Und nicht in Niedersachsen. Dort in Niedersachsen, am Rande der deutschen Tiefebene, hat es keltische Wallanlagen gegeben, die 200v.Chr. zerstört wurden.
Na und? Der Dünsberg liegt nördlich der "Grenze", die Du zwischen Germanen und Kelten postulierst. Das Oppidum Altenburg (Niedenstein) liegt noch weiter nördlich und östlich an der niedersächsischen Grenze. Das Oppidum Altenburg (Arnstadt) liegt in Thüringen, ebenso die Oppida Steinsburg und Milsenberg sowie Staffelburg (Nordbayern). Alles weit nördlich des späteren römischen Limes und alles weit über das Jahr 200 v.Chr. hinaus belegt. Nochmal: Es ist einfach nicht wahr, dass latènezeitliche Funde ab 200 v.Chr. abreißen würden. Sie bleiben bis fast zur Zeitenwende konstant im gesamten Bereich bis hinauf zur Jastorf-Kultur. Es ist sogar erkennbar, dass die Gruppen der Jastorf-Kultur eigene Versionen "keltischer" Schmuckstücke entwickelt haben. Das deutet auf ungebrochen andauernde Kontakte und Handelsbeziehungen hin. Eine einzelne zerstörte Anlage im südlichen Niedersachsen ist kein Beleg dafür, dass schon 200 Jahre vorher ein germanisch-keltischer Krieg tobte.
Es ist doch einfach....die Kelten haben sich in Europa in alle Himmelsrichtungen ausgebreitet. Ihre kriegerischen Landnehmerheere haben sie bis nach Griechenland und in die Türkei gebracht. Nach Norden kamen sie bis an die Grenze zur norddeutschen Tiefebene. Und es handelt sich nicht um einzelne Wallanlagen, sondern um mehrere (!!!) die in den besagten Zeitraum zerstört wurden und danach nicht mehr genutzt wurden. Warum hätten Kelten diese denn aufgeben sollen? :wink: Das ergibt überhaupt keinen Sinn....

Ob überhaupt Leute der Jastorf-Kultur "keltische" Schmuckstücke entwickelt haben, das ist auch nicht bewiesen. Es gibt ein paar Wissenschaftler die "keltische" Stücke der Jastorf-Kultur zurechnen, weil sie nicht so genau gearbeitet sind, wie es vergleichbare Stücke im Süden erkennen lassen. Aber kann es sich hierbei nicht auch um den "armen keltischen Norden" handeln? Weit entfernt von den gewinnbringenden südlichen Märkten.....

Irgendwie willst Du 2 Volksgruppen miteinander verbinden, die einer völlig unterschiedlichen Lebensart nachgingen. Dein Argument über fehlende schriftliche germanische und keltische Quellen ist in dem Fall nicht weiterbringend. Man kann sich nur auf die Texte der Römer beziehen, die eindeutig davon sprechen, daß es auch schon in früheren Zeiten häufige Kämpfe zwischen Germanen und Kelten gegeben hat und zwar mit wechselseitigen Erfolg. Es spricht keiner dagegen, daß es zur Zeitenwende auch noch keltische Stämme in Hessen und weiter südlich gegeben hat. Bloß waren die nach dem Alpenfeldzug von Tiberius und Drusus (dabei war auch ein gewisser Varus) militärisch und politisch völlig unbedeutend geworden. :mrgreen:
Nach der Eroberung Galliens durch Cäsar war Gallien römisch geworden, aber nicht der östlich des Rheins gelegene keltische Lebensraum ! Dieser fiel erst in der Zeit des Augustus an die Römer, weil keltische Überfälle in Norditalien für Unruhe sorgten und selbst ein Senator in Gefahr geriet. Erst da starteten die Römer einen großen Feldzug, der wiedererwartend schnell zum endgültigen Sieg über die Kelten südlich des Mains führte. Die Römer sprechen hier nicht von einem Sieg gegen Germanen. Beispiel: der Döttenbichl bei Oberammergau. Da ist nichts germanisch.... :mrgreen: :wink:
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