Steckt hinter dem Sagenheld Sigurd der historische Arminius?

Moderator: Barbarossa

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Agrippa
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Die Varusschlacht war ein singuläres Ereignis der älteren römischen Kaiserzeit und hinterließ jahrzehntelang nachhaltigen Eindruck bei der antiken Weltmacht Rom (Tac. II. 88).
Daraus lässt sich ansatzweise erahnen, welche enormen Nachwirkungen die Taten des Arminius auf sein eigenes Volk, die Germanen, gehabt haben müssen.
Sogar Tacitus schreibt um 110 n.Chr.: "..., und noch immer besingt man ihn bei den barbarischen Völkern."(Tac. a.a.O.)

Es ist meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich, dass die außergewöhnlichen Taten des Arminius, zunächst gegen Varus und später gegen Germanicus, in der nordgermanischen Liederdichtung "Edda" ihren Widerhall gefunden haben.
Der isländische Abt Nikolas Bergson, der im 12. Jh. eine Pilgerfahrt nach Rom unternahm, vermerkte, dass sich zwischen Paderborn und Mainz zwei Orte befänden, Horus und Kiliandr, bei denen Sigurd einst den Lindwurm Fafnir erschlug.

Warum mag ein Abt aus Island diese Notiz in seinem Reisetagebuch bereits vor über 800 Jahren verzeichnet haben? Ausgerechnet in einem Gebiet, das nach heutigem Erkenntnisstand für den Ort der Varusschlacht in Frage kommt?
Weil in der germanischen Sagenwelt die römischen Legionen zum Lindwurm transformierten, der von Arminius (Sigurd) vernichtet wurde. Trotz dieser Heldentat wurde Sigurd nicht unverwundbar, weil ein Lindenblatt beim Bade im Drachenblut seine Schulter bedeckte.
An dieser Stelle traf ihn später hinterrücks der Speer des vermeintlichen Freundes Hagen. Ähnlich wie bei Arminius, der laut Tacitus auf Geheiß seiner Verwandten hinterlistig ermordet wurde.
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Agrippa
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Wenn sich Arminius in der germanischen Sagengestalt Sigurd der Edda und später Siegfried des Nibelungenliedes wiederfindet, wo wurde er dann ermordet?

Siegfried wurde in der Überlieferung während eines Jagdausflugs , genauer gesagt im Otenwald, hinterrücks von Hagen mit einem Speer ermordet. Es geschah, als sich Siegfried, von der Jagd ermüdet, über eine Quelle beugte, um zu trinken.

Von Arminius wissen wir nur, dass er auf Veranlassung seiner Verwandten hinterlistig ermordet wurde (Tac. II, 88) Aber wo?

Es gibt im Cheruskerland eine Quelle, die bei den Germanen jener Zeit von besonderer Bedeutung war. Mehr als jede andere. Die Opferungen an dieser Quelle begannen laut Befund um Christi Geburt, also zur Zeit der Varusschlacht.

Eine Quelle, die über Jahrhunderte besondere Verehrung genoss. Die im Jahr 1863 in Bad Pyrmont entdeckt wurde: der sog. „Hyllige Born“ („Heilige Quelle“).

Warum genoss ausgerechnet diese Quelle in jener Zeit eine solche Verehrung, dass man gut 1800 Jahre später über 200 römische Fibeln (Gewandnadeln) fand und ein Dutzend Münzen?
Was machte ausgerechnet diese Quelle bei den Germanen so verehrungswürdig?

Gab es einst an diesem Ort ein besonderes Ereignis, dem man durch eine Opfergabe seine Ehrerbietung Ausdruck geben wollte?

An diesem Punkt erinnert man sich, dass Siegfried ermordet wurde, als er an einer Quelle trank. Angeblich im Otenwald.
Unweit der Quelle von Bad Pyrmont befindet sich die Ottensteiner Ebene. War das der Ottensteiner (Odinstein) Wald?
Ist Arminius, der Sagenheld Siegfried, im Ottenwald bei Pyrmont, hinterrücks ermordet worden, als er an dieser Quelle trank? Wurde deshalb ausgerechnet diese eine Quelle von den Germanen so verehrt?
Haben deshalb die Germanen ihrem Helden noch zwei Jahrhunderte später römische Soldatenfibeln geopfert?

Es ist nicht beweisbar.
Nur wenn man bereit ist, das Nibelungenlied aus der Heimat des mittelalterlichen Autors in die tatsächliche historische Region des Weserberglandes zu verlagern, so bekommt die Pyrmonter Quelle eine immense Bedeutung, die nicht mehr zu ignorieren ist,
Cherusker
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Wenn man das Nibelungenlied betrachtet, so findet man im ersten Teil noch eine Welt vor, in der sagenhafte Gestalten auftreten, z.B. ein Drache/Lindwurm, Zwerge mit Tarnkappen, ... somit ein "heidnischer" Teil, der sich deutlich von den späteren Kapiteln unterscheidet, in denen mittelalterliche und christliche Lebensweise darstellen.
In diesem heidnischen Teil wird halt von einem Lindwurm berichtet, der einen Schatz bewacht und durch die Lande zum Wasser hinzieht. Betrachtet man nun römische Legionen, die kilometerlang Kolonnen bilden und die sich meist an den Flüssen orientieren, so findet man hier eine Übereinstimmung.

Weiterhin ist zu bemerken, daß bei den Cheruskern auch ein Brauch der Namenszuteilung innerhalb der Sippe gegolten hat. Der Vater von Arminius hieß Segimer und Namen mit "Segi-" kamen damals bei den Cheruskern und später bei den Franken vor. Es ist daher nicht auszuschließen, daß Arminius mit germanischen Namen Siegfried hieß.
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dieter
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Ihr Lieben,
der Lindwurm soll das römische Heer gewesen sein, dass sich durch den Urwald schlängelte. Außerdem hatten die Römer an ihren Standarten Drachenköpfe. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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dieter hat geschrieben:Ihr Lieben,
der Lindwurm soll das römische Heer gewesen sein, dass sich durch den Urwald schlängelte. Außerdem hatten die Römer an ihren Standarten Drachenköpfe. :wink:
Lieber Dieter , die Drachenstandarte ist erst später bezeugt .Das Drachensymbol als Feld - und Schildzeichen ist erst bei den Germanen seit der Zeit des Kaisers Trajan ( um 100 n. Chr.) bezeugt (Schramm , Herrschaftszeichen Bd. 2 s. 659)
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Cherusker hat geschrieben:Wenn man das Nibelungenlied betrachtet, so findet man im ersten Teil noch eine Welt vor, in der sagenhafte Gestalten auftreten, z.B. ein Drache/Lindwurm, Zwerge mit Tarnkappen, ... somit ein "heidnischer" Teil, der sich deutlich von den späteren Kapiteln unterscheidet, in denen mittelalterliche und christliche Lebensweise darstellen.
In diesem heidnischen Teil wird halt von einem Lindwurm berichtet, der einen Schatz bewacht und durch die Lande zum Wasser hinzieht. Betrachtet man nun römische Legionen, die kilometerlang Kolonnen bilden und die sich meist an den Flüssen orientieren, so findet man hier eine Übereinstimmung.

Weiterhin ist zu bemerken, daß bei den Cheruskern auch ein Brauch der Namenszuteilung innerhalb der Sippe gegolten hat. Der Vater von Arminius hieß Segimer und Namen mit "Segi-" kamen damals bei den Cheruskern und später bei den Franken vor. Es ist daher nicht auszuschließen, daß Arminius mit germanischen Namen Siegfried hieß.
Bei den alten Griechen, den Römern und den Germanen bedeutete der Begriff Drache (drago) schlichtweg Schlange. Den Drachenbegriff, wie wir ihn heute kennen, gibt es erst seit den Mittelalter. In der Edda kommt der Begriff als ormr - nadr oder orms vor (vielleicht auch damit in Zusammernhang der Stadtname Worms?); im Nibelungenlied wird die Schlange bezeichnet als linttrache oder trache (dazu auch mhd. Lintwurm ). "Do von des trachen wunden vloz das heize Blut" oder "Si sprach :min man ist kuehne, dar zu starc genuoc, do er den linttrachen an dem Berge fluoc"
Die alten Germanen waren keineswegs Analpapeten oder schreibunkundig, sondern ritzten ihre Sagen und Geschichten auf Rindentafeln bzw.Holztafeln auf. Vieles wurde aber auch mündlich von Generation zu Generation weitergegeben . Runenzeichen wurden aber auch an Bäumen eingeritzt und dienten als Wegzeichen usw. . Was wir heute an Sagengut der Germanen kennen, beträgt vielleicht nicht einmal ein Prozent. Dadurch, dass die Materialien auf denen die Germanen ihre Geschichten "zur Rinde oder zum Holz brachten " nicht lange Zeit überdauern konnten, vermischten sich die alten Sagen und Geschichten mit Neueren. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn altes Sagengut sich in dem Nibelungenlied wiederspiegelt bzw. überdauert hat. Wir wissen z.B. gesichert das auch einige altisländische Sagen einen Bezug auf die Edda haben.

Aus https://archive.org/stream/imnibelungen ... g_djvu.txt habe ich folgendes mal hier reinkopiert :
"Derselbe Forscher
nimmt desshalb des Weiteren aus diesen Gründen, wozu
noch sprachliche kommen, welche eine Menge von
Wörtern und Formen der älteren Edda aus dem angel-
sächsischen Dialekte erklären lassen (so auch Forscher wie
Lüning, Rühs, denen sich Schierenberg anschliesst), an,
dass die Lieder der Edda schon vor der Völkerwanderung
in Deutschland gesungen und durch deutsche Auswanderer
nach dem Norden gebracht wurden. Erzählt doch die Ein-
leitung der Snorri-Edda selbst, wie Odin mit den Äsen nach
Schweden auswanderte, eine Stadt Sigtuna (Tune auch am
Osning, ist das jetzige Zaun = Grenze) erbaute, und wie
er in Romaburg zwölf Statthalter einsetzte, dann in das
Land Seming reiste und seinem Sohn das Land, welches
jetzt Noreg heisst, übergab. Sollten auch nicht die Funde
der zweiten Eisenzeit im Norden die Einwanderung eines
eisenkundigen Stammes bezeugen, der die Erzbereitung unter
südhchem Einflüsse kennen gelernt hatte? 2

Es bedarf allerdings sehr viel Vorstellungskraft und Fantasie, wenn man aus den Erzählungen des Nibelungenliedes, welche in der Zeit der Völkerwanderungdes 4 -5 Jhd sich abspielten, Personen und Gebenheiten der Varusschlacht herauslesen möchte .

Eine Gegebenheit wäre sicherlich der Begriff Lintwurm, bei dem es sich entweder um eine tautologische Bezeichnung- (das heisst Begriffswiederholung- zweimal Wurm) handelt oder Lind (Schild ) = Schildwurm bedeutet.
Wie in einem etymologischen Wb ( Sauerhoff ) gefunden für Linde: "mhd. mnl. Linde=gemeingermanischer Name des Baums -in germanischer Kriegersprache über Lindenschild zu Schild entwickelt -dazu nhd. mundartl. Lind "Bast" annord. lindi "Gürtel" -aus Lindenbast"
Der lintwurm könnte also als Methapher für die sich durch die Landschaft schlängelnden römischen Schilde gestanden haben.
Dazu auch aus dem Buch :Kommentar zu den Liedern der Edda(Carl Winter Universitätsverlag ) S. 119
zu dem Begriff Lindhvito : versteht das nur hier belegte Adjektiv lindvitr als linden(blüten)weiß -Klingenberg 1990 s. 161 dagegen interpretiert (Linden-) Schildweiß - so auch schon Strutevant (1911-1914a 158 Anm.)
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Agrippa
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Spartaner hat geschrieben: Es bedarf allerdings sehr viel Vorstellungskraft und Fantasie, wenn man aus den Erzählungen des Nibelungenliedes, welche in der Zeit der Völkerwanderungdes 4 -5 Jhd sich abspielten, Personen und Gebenheiten der Varusschlacht herauslesen möchte .
Mitnichten. Wie sollen sich die Erzählungen konkret abgespielt haben? Im Nibelungenlied befindet sich Dietrich von Bern als Recke am Hofe des Hunnenköniges Etzel (Attila). Allerdings ist Attila bereits 453 gestorben und Theoderich um 451 geboren worden. Dann wäre Theoderich am Hofe des Hunnenkönigs noch ein Kleinkind gewesen. :lolno: Außerdem findet zuvor ein Streit zwischen Kriemhild und Brunhild vor dem Wormser Dom statt. Dieser wurde allerdings erst ab 1130 gebaut....

Das Nibelungenlied ist lediglich eine Ansammlung von Heldengeschichten aus verschiedenen Zeiten, die zu einem Epos zusammengefügt wurden. Der erste Teil, der die Geschichte um Siegfried und den Lindwurm beschreibt, geht wahrscheinlich auf die Taten des Arminius in den römisch-germanischen Kriegen (9-16 n.Chr.) zurück. Die Geschichte um Brundhild, Hagen und Gunther ist wahrscheinlich historisch in der Völkerwanderungszeit anzusiedeln. Auch aus dem höfischen Hochmittelalter sind deutlich Elemente enthalten.
Dass Arminius (Sigurd), Attila (Etzel) und Theoderich (Dietrich von Bern) keine Zeitgenossen waren, störte den Autor offensichtlich wenig.

Es wäre so, als wenn heute ein Autor auf die Idee kommen würde, die Napoleonischen Kriege, den Ersten Weltkrieg und den Zweiten Weltkrieg in einer einzigen Geschichte zusammen zu fassen. Dann könnte es schon mal vorkommen, dass Napoleon gegen Hitler kämpft, wenn es zur Spannung beiträgt. Spätere Leser würden sich jedoch darüber wundern, dass zu Beginn des Epos Napoleon auf einem Schimmel reitet und am Ende der Geschichte mit einem Düsenjet durch die Gegend fliegt.

Cherusker hatte auf diesen "Zeit- und Kultursprung" innerhalb des Nibelungenliedes bereits hingewiesen:
Cherusker hat geschrieben:Wenn man das Nibelungenlied betrachtet, so findet man im ersten Teil noch eine Welt vor, in der sagenhafte Gestalten auftreten, z.B. ein Drache/Lindwurm, Zwerge mit Tarnkappen, ... somit ein "heidnischer" Teil, der sich deutlich von den späteren Kapiteln unterscheidet, in denen mittelalterliche und christliche Lebensweise darstellen.
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Agrippa hat geschrieben: Mitnichten. Wie sollen sich die Erzählungen konkret abgespielt haben? Im Nibelungenlied befindet sich Dietrich von Bern als Recke am Hofe des Hunnenköniges Etzel (Attila). Allerdings ist Attila bereits 453 gestorben und Theoderich um 451 geboren worden. Dann wäre Theoderich am Hofe des Hunnenkönigs noch ein Kleinkind gewesen. :lolno: Außerdem findet zuvor ein Streit zwischen Kriemhild und Brunhild vor dem Wormser Dom statt. Dieser wurde allerdings erst ab 1130 gebaut....
Wie hast du dir das denn vorgestellt ? Wer sollen dann deiner Meinung die Römer sein? Etwa diejenigen, die Siegfried das Schwert Nibelungs schenkten oder die 700 Recken, die er aus dem Nibelungenland bezwang samt den 12 Männern, die mutige Riesen waren? Sollte die Tarnkappe vielleicht eine Maske eines erschlagenen römischen Feldherren gewesen sein?
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Agrippa
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Gerade die Tatsache, dass sich im ersten Teil des Nibelungenliedes allerlei seltsame Wesen herumtreiben, wie z.B. Zwerge und Riesen, ist ein Indiz dafür, dass sich der historische Hintergrund in uralter Zeit zugetragen hat. Die Germanen besangen die Taten des Arminius noch sehr lange, obwohl sich mittlerweile erneut Kämpfe untereinander und gegen die Römer zugetragen hatten.
Die Taten des Arminius waren aber so einzigartig, dass sie im kollektiven Gedächtnis blieben. Und zwar nicht in Form von Geschichtsbüchern, wie bei Griechen und Römern, sondern in der mündlichen Überlieferung.
Mit der Zeit wurde die Kernhandlung ausgeschmückt mit allerlei Fabelwesen. In einer Zeit, die voller Aberglauben und Magie war, ist das nicht verwunderlich. Diese Erzählungen waren so fesselnd, dass sie sich auch weit im germanischen Norden verbreiteten, wie zum Beispiel auf Island.

Wo die Römer in der Edda bzw. im Nibelungenlied auftauchen? Ganz einfach. Der Lindwurm, also ein das Land heimsuchende Untier, steht sinnbildlich für den Zug der römischen Legionen.
Und die Tarnkappe? Die Tarnkappe machte Siegfried bei Bedarf unsichtbar.

Für die historische Parallele gibt es z.B. eine Möglichkeit:

Es sei daran erinnert, dass es Arminius bei Idistaviso gelang, aus der Umzingelung zu entkommen (eventuell durch die Hilfe der gegnerischen Chauken). Angeblich rieb er sich sein eigenes Blut ins Gesicht und war für die Feinde nicht mehr zu erkennen. Auch eine Form von „Tarnkappe“.
Für seine Verbündeten grenzte das an Zauberei, die im Heldengesang Erwähnung finden musste.
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dieter
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Lieber Agrippa,
ich glaube auch, dass der Lindwurm das röm. Heer durch den Urwald war. :wink:
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Peppone
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Und ich glaube, dass ihr dabei den Symbolgehalt des Drachen unterschätzt. Und einige historische Feinheiten.

Erst mal zum Drachen: In der hochmittelalterlichen Ikonographie steht der Drache für das Böse, den Teufel. Siegfried als Drachentöter steht also für den Kämpfer gegen das Böse, analog zu St.Georg - man ist sich darin einig, dass der Verfasser des Nibelungenlieds Siegfried dadurch in die Nähe von Christus stellen wollte (vgl. Tötung Siegfrieds und Martyrium Christi!). Der Drache im Nibelungenlied hat ein Vorbild in der Sigurdsaga. Fafnir ist dort ein Mensch, der, weil er einen von den Göttern als Buße an seinen Vater gegebenen Schatz (den Odin, Loki und Honir ihrerseits einem Zwerg raubten, der den Schatz verfluchte) für sich haben wollte, erst zusammen mit seinem Bruder den Vater erschlug, danach den Schatz für sich allein haben wollte und sich darum in einen Drachen verwandelte, der den Schatz bewachte (daher wohl auch der Name: "Fanfir" heißt soviel wie "Umklammerer"). Wir sehen: Der Drache steht für einen Mörder, habgierigen Menschen und Heiden. Also, aus Sicht eines christlichen Autoren des 13.Jhs.: Für das Böse.
Dass in der Sigurdsaga Sigurd den Drachen erschlägt, muss dem Nibelungenlied-Verfasser wie ein Wink des Schicksals erschienen sein, die Geschichte zu verwenden und dabei christlich umzudeuten.

Später wird bekannt, dass Hagen ausgerechnet 144 Wagenladungen Gold im Rhein versenkt, als er besagten Schatz verbergen will. In der Zahlensymbolik der Bibel steht die 144 = 12x12 für die Gesamtheit der Christen bzw.der Gläubigen (12 Stämme Israels mal 12, wobei die Christen hinter der zweiten 12 die 12 Apostel sahen). Der Hort hat also plötzlich christliche Bedeutung erlangt! Ob dadurch, dass (der unausgesprochene Christ - wie hätte er sonst Kriemhild heiraten können, deren auch für Siegfried schicksalhafte Begegnung mit Brunhild immerhin vor einem Dom stattfand?) Siegfried ihn erlangte, aber nicht mehr wie Fafnir eifersüchtig bewachte , wird nicht erklärt.

Weiter zum Historischen:
Der heutige Wormser Dom hat einen karolinigischen, wahrscheinlich auch einen merowingischen Vorgängerbau. Da "Dom" nichts anders bedeutet als "Hauskirche eines Bischofs", kann in Worms schon lange vor den Zeiten der Verfassung des Nibelungenlieds (zwischen 1200 und 1250 - also wenige Jahrzehnte nach Bau des jetzigen Doms...) ein "Dom" gestanden haben.

Pilgrim von Passau, im Lied Onkel der Kriemhild, stammte aus dem Geschlecht der Sighardinger, die ursprünglich aus dem Rhein-Neckar-Gebiet stammten. Auch Pilgrims mütterliche Verwandtschaft, die Aribonen, lassen sich im Gebiet um Worms und Trier zuerst lokalisieren. Gut möglich, dass der wahrscheinlich in Passau ansässige Dichter des Nibelungenlieds dem im 12. und 13.Jh. als Heiligen verehrten Pilgrim ein Denkmal setzen wollte und dazu Sagen aufgriff, die in der Heimat von dessen Familie im Umlauf waren.

Auch war Sigurd/Siegfried offenbar in Nord- und Südeuropa so bekannt, dass kleinere Andeutungen genügen, um ihn in eine Geschichte einzuführen. Nach Nordeuropa kam die Sage offenbar erst später, aber auch die deutsche Thidreks-Saga ist nur ein Zusammenschrieb älterer Geschichten. Siegfried taucht in der Liederedda auf, in der Snorii-Edda, im Thidrekslied, in der Wälsungen-Geschichte, wobei unklar ist, wo noch "originale" Sprengsel der Sage erhalten sind und wo nur voneinander abgeschrieben wurde bzw. wo die gleiche Geschichte in etweas anderer Form neu verbraten wurde.

Kern der Sage scheint zu sein, dass ein strahlender, jugendlicher Kriegsheld einen Drachen tötet, dessen verfluchten Schatz erbeutet und eine Kriegerheldin heiratet. Am Ende seines Lebens wird er gemeuchelt. Scheint alles auf Arminius hinzudeuten, inklusive der "Sig-"-Vorsilbe, die in Arminius´ Familie üblich gewesen zu sein scheint.
Aber: Arminius wird nur von wenigen antiken Autoren erwähnt. Tacitus war in der Antike ein wenig gelesener Autor, und erst seine Wiederentdeckung im 15.Jh. brachte auch Arminius wieder ins "Gedächtnis" der Deutschen, dann aber sofort als "Nationalheld". Wäre Arminius als Siegfried durch die deutschen und vordeutschen Sagen gegeistert - warum nennt sich dann bis ins 7.Jh. kein einziger bekannter germanischer Fürst so oder so ähnlich? Es muss doch Nachkommen des Arminius gegeben haben, die dann seinen Namen weitertrugen. Bei der Verbreitung der "Sig-"-Vorsilbe in Arminius´ Familie müsste es ein Fürstenhaus gegeben haben, in dem der Name häufig war. die Cherusker gingen in den Sachsen auf - dort heißen die Fürsten ganz anders. Wäre Arminius wirklich der Überfürst der Cherusker gegewesen, wäre es für einen Fürsten eine Ehre gewesen, seinen Namen zu tragen. Dem war aber nicht so, im Gegenteil: Arminius galt eher als Unblücksbringer unter den Cheruskern,
Wichtigster Einwand der Kritiker der Arminius-Siegfried-Hypothese: Alles Annahmen, kein einziger gesicherter Hinweis.
Das Thidrekslied ist mitnichten älter als das Nibelungenlied, sondern stellt eine niederdeutsche Parallelbearbeitung gemeinsamer oberdeutscher (= bairischer) Quellen dar, wobei die Handlung ins Westfälische verlegt worden ist.

Das Nibelungenlied stellt also quasi die oberdeutsch-bairische Bearbeitung der Sigurdsaga dar.

Dazu kommt: Das Nibelungenlied noch mehr als die Sigurdsaga stellen ein Sammelsurium an historischen und unhistorischen Gestalten auf. Gunther, Giselher, Attila, Theoderich, Chilperich (Sigrudsaga) und Siegmund (Sigurdsaga; Vater Sigurds) sind historische Personen, richtig, aber was ist mit Brunhild, Kriemhild/Gudrun (in der Sigurdsaga), den Schmieden Mime/Mimir, Reginn (in der Thidrekssaga Reginns Bruder) und Wittich, was ist mit Hagen von Tronje (eventuell ist mit dem Ortsnamen das niederländische Drongen gemeint; als "Högni" ist Hagen in der Edda Gunthers Bruder, in der Thidrekssaga nur sein Halbbruder, weil Hagens und Gunthers Mutter Uta von einem bösen Geist verführt wurde (!)), was ist mit König Isung von Bertanga-Land (= Britannien, Sigurdsaga), was mit den Nibelungen-Nebenfiguren Rüdiger, Hildebrand, Volker, Dankwart, Wolfhart...
Wir hätten dann eine Mannschaft an unhistorischen Figuren plus Sagengestalten (Fafnir, die Schmiede...nicht zu vergessen die Pförringer "Meerweiber" Hadeburg und Sieglind (!)) plus historische Figuren der Völkerwanderungszeit plus Siegfried/Arminius als einzigen (!) Vertreter des 1.Jhs.n.Chr. Und das nicht nur im Nibelungenlied, sondern auch im Sigurdlied!

Klingt alles sehr verlockend, besonders wenn man die Parallelen zwischen Arminius und Siegfried betrachtet, aber wenn man mal in die Tiefe geht, bleibt sehr wenig Überzeugendes übrig...

Beppe
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Agrippa
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Peppone hat geschrieben: Klingt alles sehr verlockend, besonders wenn man die Parallelen zwischen Arminius und Siegfried betrachtet, aber wenn man mal in die Tiefe geht, bleibt sehr wenig Überzeugendes übrig...

Beppe
Das sehe ich anders.
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Peppone hat geschrieben:
Auch war Sigurd/Siegfried offenbar in Nord- und Südeuropa so bekannt, dass kleinere Andeutungen genügen, um ihn in eine Geschichte einzuführen. Nach Nordeuropa kam die Sage offenbar erst später, aber auch die deutsche Thidreks-Saga ist nur ein Zusammenschrieb älterer Geschichten. Siegfried taucht in der Liederedda auf, in der Snorii-Edda, im Thidrekslied, in der Wälsungen-Geschichte, wobei unklar ist, wo noch "originale" Sprengsel der Sage erhalten sind und wo nur voneinander abgeschrieben wurde bzw. wo die gleiche Geschichte in etweas anderer Form neu verbraten wurde.
Dem Dichter des Nibelungenliedes müssen wahrscheinlich alte Quellen bekannt gewesen sein, woraus er diesen Namen für seine Sabreimdichtung erschloss. Der Name Siegried lehnt sich wahrscheinlich an alte nicht mehr verfügbare Überlieferungen an. " Bekannt ist, dass von acht Mitgliedern der cheruskischen Königssippe fünf die Vorsilbe Segi (Sieg) im Namen trugen. Der Vater nannte sich Segimer, der Schwager Segimund." Es ist anzunehmen, dass der Name Siegfried, der Wahrheit ziemlich Nahe kommt.
Bei den Römern bekam Siegfried - den Namen "Arminius" übergstülpt. Seine wahren Namen scheint er aber nie vergessen zu haben und für die Cherusker war er immer noch der Siedfried, Segimund, Segimer, Segifridus, Sigurd oder wie auch immer, der richtige Name lautete.
Der Name Arminius den er von den Römern bekam, verdeutschte sich im 18. Jahrhundert zu "Hermann der Cherusker "
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Agrippa
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Der isländische Abt Nikolaus Bergsson reiste im Jahre 1172 von Bremen über Paderborn nach Mainz. In seinem Reisebericht macht er von den berühmten Orten besondere Notizen. So schreibt er u.a.:

„Þa er .ij daga for til poddu brunna þar er byskups stoll ath Liborius kirkiu þar huilir hann. Þá er .iiij daga för til Meginzo-borgar, þar í milli er þorp, er Horus heitir, annað heitir Kiliandur, og þar er Gnita heiður, er Sigurður vó að Fáfni.“


“Von Paderborn (...) bis Mainz sind es vier Tagesreisen. Dazwischen liegen zwei Orte, Horus und Kiliandr, und dort ist auch die Gnitaheide, wo Sigurd den Fafnir erschlug.”

Was heißt das?

Ein isländischer Abt, in Kenntnis der Sigurd-Erzählung aus der Edda, reist quer durch Deutschland von Nord nach Süd.

Auf dem Abschnitt zwischen Paderborn und Mainz wird ihm eine alte Sage berichtet, dass hier ein gewisser Sigurd den Lindwurm Fafnir erschlug. Sofort wird dem Abt klar, dass diese Sage auch in seiner isländischen Heimat erzählt wird. Er notiert diesen Passus in seinem Reisetagebuch, um sein Erlebnis später in der Heimat zu schildern.

Im Hochmittelalter war diese germanische Sage um die Drachentötung folglich sogar in Island bekannt. Sie wurde jedoch nicht dort verortet, sondern in Deutschland.

Interessant wird es erst, wenn man die römischen Quellen zur Varusschlacht heranzieht. Die einzigen geographischen Hinweise gibt uns Tacitus. Wiederholt berichtet er vom Varusschlachtfeld resp. dem Grabhügel der Varuslegionen in einer gewissen Nähe zur Lippe.

Es handelt sich also um ein Gebiet, das auch Abt Nikolaus Bergsson etwa 1160 später bereiste und dort von Sigurd und Fafnir berichtete.

Alles nur Zufall?

Ich glaube nicht an solche Zufälle.
Für mich ist es ein wichtiger Hinweis, dass sich Varusschlacht und die „Drachentötung“ in derselben Gegend abgespielt haben.
Und das es sich um ein und dasselbe Ereignis handelt.
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Peppone
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Agrippa hat geschrieben:Ein isländischer Abt, in Kenntnis der Sigurd-Erzählung aus der Edda, reist quer durch Deutschland von Nord nach Süd.

Auf dem Abschnitt zwischen Paderborn und Mainz wird ihm eine alte Sage berichtet, dass hier ein gewisser Sigurd den Lindwurm Fafnir erschlug. Sofort wird dem Abt klar, dass diese Sage auch in seiner isländischen Heimat erzählt wird. Er notiert diesen Passus in seinem Reisetagebuch, um sein Erlebnis später in der Heimat zu schildern.
Kannte er nun die Sage oder nicht?
Wenn er sie nicht kannte, warum kann er dann die Erzählung der Einheimischen sofort einordnen?
Wennr er sie kannte, warum braucht er dann die Erzählungen von Einheimischen? Dann hätte allein die Nachricht, dass er sich in der Gnitaheide befindet ausgereicht, um seine Erinnerung zu aktivieren. Und so war es wahrscheinlich auch.

Und dann ist die Frage, aus welcher Quelle sich Bergsson erinnerte. Sigrud als Sagengestalt war wie gesagt von Island bis Spanien bekannt, auch wenn er nach Isalnd und Norwegen erst relativ spät gelangte. Für Bergsson war es also quasi eine "ausländische" Sage, und mit seiner Notiz tut er kund, dass er an einem Ort, von dem auch die "neue" "ausländische" Sigrudsage berichtet, gewesen ist. Mehr aber auch nicht. Wir erfahren also nur, dass 1172 die sigurdsage in Island bekannt war. Ist keine Neuigkeit.
Dass die Gnitaheide (heute "Knetterheide") am Nordrand des Teutoburger Waldes liegt, muss nicht bedeuten, dass Sigurd = Arminius. Wenn man andere Sagen anschaut, ist es naheliegender zu vermuten, dass die Drachensage mit Sigurd vorhanden war und ein nebulöses Wissen um eine Schlacht bei Kalkriese und diese beiden Tatsachen dann in Verbindung gebracht wurden. "Sigurd hat irgendwo mit einem Drachen gekämpft? Hier bei uns gibt es doch ein Schlachtfeld, wo viel Metall rumliegt. Bestimmt war dieser monstermäßige Sigurdkampf genau da!"

Im übrigen ist es alles andere als sicher, dass Bergssons "Gnitaheide" wirklich die heutige "Knetterheide" ist - dieser Flurname ist nämlich erst seit 1687 belegt und geht auf eine Familie "Knetter" zurück. (Klaus Rossenbeck: Siegfried, Arminius und die Knetterheide. Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 103. Bd., H. 4 (4th Quarter, 1974), pp. 243-248. Published by: S. Hirzel Verlag). Auch andere in der Gegend der Knetterheide häufige Orts- und Flurnamen mit dem Bestandteil "Knetter", sowie weitere Orte, die einen einheimischen Familiennamen als Präfix haben, die alle erst im 19.Jh. erstmals erwähnt sind, deuten darauf hin, dass wir es mit einer neuzeitlichen Namensbildung zu tun haben.
Der Schlüssel zur Verortung der "Gnitaheide" sind die beiden Orte "Horus" und "Kiliandr", von denen man aber nicht weiß, wo sie lagen. Also ist auch unbekannt, was Bergsson mit "Gnitaheide" meint. Und damit erübrigt sich die Identifizierung der "Gnitaheide" sowohl mit der heutigen "Knetterheide" wie auch mit dem Kalkrieser Schlachtfeld...

Beppe
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