Der Hildesheimer Silberschatz

Moderator: Barbarossa

Cherusker
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Im Jahre 1868 sollte am Galgenberg, in der Nähe von Hildesheim, ein neuer Schießstand errichtet werden. Bei den Erdarbeiten wurden prunkvolle silberne, teilweise vergoldete Tafel- und Trinkgegenstände (ca. 60 Stück) gefunden, die höchstwahrscheinlich aus der augusteischen Zeit der Antike stammen. Dieser sogen. Hildesheimer Silberschatz enthielt römisch-hellenistische und zum Teil auch gallorömische Gegenstände, die wohl einem vornehmen Römer gehört haben.
Bei Nachgrabungen (1869) wurden in der näheren Umgebung in anderen Bodenschichten neuere und mittelalterliche Gegenstände gefunden. In der gleichen Schicht, wie die des Silberschatzes, wurden noch in der Nähe 2 bronzene Gegenstände (u.a. eine römische Fibel) gefunden. 1897 und 1927 grub SCHUCHARDT an dem Platz am Galgenberg und fand in ca. 500m Entfernung eine germanische Siedlung mit merkwürdig erweiterten Kellergruben. Der Galgenberg selbst war keine germanische Kultstätte und in diesem Gebiet standen damals Bäume. Der Silberschatz selbst war nicht allzutief vergraben. Ferner ist anzunehmen, daß die Gegenstände lose in der Erde lagen, weil einige kleinere Gegenstände in die größeren hineingesetzt waren und es keine Spuren von römischen Transportkisten gab.
Der Fund zählt mit seinem Gewicht von 54kg zu einen der größten und bedeutendsten antiken Silberfunden. Nur der Fund von Bernay (Keltenschatz aus der Normandie) und Bosco Reale (die Ausstattung einer Villa eines reichen Römers vom Vesuv) sind vergleichbar.
Aufgrund fehlender Teile des Tafelgeschirrs (die nicht am Fundort waren), die aber dazugehören müssen, kann man davon ausgehen, daß der ursprüngliche Silberschatz (somit 120 anstatt 60 Teile) geteilt wurde.

Wem gehörte dieser Silberschatz?
Es muß sich um einen reichen und vornehmen Römer gehandelt haben. Hier kommen die verschiedenen römischen Feldherren ins Spiel, zu nennen sind in erster Linie Drusus, Tiberius und Varus. Drusus hatte bei Arbalo einige Probleme mit den Germanen, aber er wurde nicht besiegt. Ebenso Tiberius. Seine Feldzüge in Germanien sind nicht durch den Verlust eines Troßes aufgefallen. Es gibt nur 2 Römer, die ihren Troß in Germanien verloren haben: Caecina und Varus. Interessant ist hier Varus, weil er die Schlacht nicht überlebte und er sich vorher als Prokonsul in Afrika und Statthalter in Syrien ziemlich bereichert haben soll. Außerdem benötigte Varus Repräsentationsgegenstände um Roms Macht darzustellen. So hat er bei Empfängen mit Germanen, z.B. mit Segimer und Arminius, hier seinen Luxus zur Schau stellen können. Ferner ging Varus auch von einem befriedeten Germanien aus. Warum sollte er daher nicht seinen "Hausrat" bei sich haben?
Wer begrub diesen Silberschatz? K. LINDEMANN geht davon aus, daß ein Troßtier gerettet werden konnte und die Römer diesen Schatz schnell vergraben haben. Aber warum teilte man diesen Schatz auf? Wo war der Rest abgeblieben? Das Römer, egal ob Militär in der Varusschlacht oder ein römischer Händler, ihn vergruben ist sehr zweifelhaft. Zwar besagt eine Theorie, daß ein römischer Händler ihn vergraben hat. Aber welcher Händler ist so töricht und bringt so einen vermögenden Schatz (der auch in der Römerzeit Sammlerwert hatte, die Athena-Schale, sowie die Embleme der Herakles-, der Attis- und der Kybele-Schale sind auch in der Antike von großem Wert gewesen) nach Germanien, in dem es auf germanischer Seite keine Käufer gab? Die germanischen Fürstengräber waren nicht mit so wertvollen Gegenständen ausgestattet.
Und römisches Militär war es auch nicht, weil nur wenige "Experten" die Varusschlacht östlich von der Weser ansiedeln. Dann wäre wiederum auch alles vergraben worden.
O.SEECK geht von der Theorie aus, daß die Germanen den Varusschatz geteilt haben und der hier gefundene Teil der Anteil des Arminius war. Andere germanische Stämme hätten den Rest und die Legionsadler (Marser und Brukterer) erhalten. Der Schatz sei dann bei den Wirren und Kriegen innerhalb der Cherusker (also kurz vor bzw. nach dem Tod Arminius) vergraben worden.
Fazit: Dieser sehr wertvolle Silberschatz kann Varus gehört haben und wurde dann nach der siegreichen Schlacht aufgeteilt. Derjenige Germane, der diesen Teil erhielt, hat diesen später selbst bzw. durch seine Sippe erweitert.

P.S. Wer diesen Hildesheimer Silberschatz selbst einmal sich ansehen möchte, der muß für das Original nach Berlin fahren oder zumindest nach Hannover, da dort eine Kopie im Landesmuseum ausgestellt ist.
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Agrippa
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Zumindest die Stücke aus augusteischer Zeit, die zum Gesamtschatz gehören, sind Beutestücke aus der Varusschlacht.
Die besonderen Prachtstücke, wie z.B. die Athenaschale, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit einst zum Besitz des Varus gehört.
Die anderen Objekte, wie z.B. die mit Phalerae verzierten Objekte, waren Eigentum römischer Offiziere.

Hildesheim gehörte um Christi Geburt zum Kerngebiet des Cheruskerlandes. Ist es Zufall, dass der Schatz ausgerechnet dort vergraben wurde?
Es ist davon auszugehen, dass ein Anteil der Beute aus der Varusschlacht von einem der cheruskischen Anführer, evtl. sogar Arminius, verwahrt wurde.
Später, lange nach seinem Tod, fügten die Angehörigen und „Erben“ des Schatzes noch weitere Stücke aus flavischer Zeit hinzu.
Es könnte sich dabei um Beute handeln, die im Zusammenhang mit den Chattenkriegen des Domitian stehen, in die die Cherusker auch verwickelt waren.
Kurz darauf wurde der Schatz, aus ungeklärtem Grund vergraben und verblieb dort bis zu seiner Auffindung im Jahr 1868.
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Agrippa
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Spätestens seit Pernice und Winters Beitrag aus dem Jahre 1902 wurde der Hildesheimer Silberschatz mit Vorliebe spätdatiert.
Man konnte sich nicht damit anfreunden, dass der Ort der Varusschlacht mit dem Fundort des Schatzes in Hildesheim in Zusammenhang stehen könnte.
Das ist auch durchaus richtig.

Dass der Schatz in Hildesheim gefunden wurde, bedeutet keineswegs, dass in dieser Gegend die Varusschlacht stattgefunden hat.

Dennoch gibt es einen Zusammenhang. Denn die Beute aus der Varusschlacht wurde unter den Germanen verteilt. Dabei werden die cheruskischen, chattischen, brukterischen und marsischen Anführer jeweils ihren Teil erhalten haben. Diesen vergruben sie selbstverständlich nicht auf dem Varusschlachtfeld, sondern brachten ihn in ihre Heimat.

Der Fundort des Hildesheimer Silberschatzes liegt mitten im Cheruskergebiet. Auch dort wurde der Schatz, hauptsächlich ein sehr heterogenes Tafelservice, nicht sofort vergraben, sondern ganz selbstverständlich genutzt. Wahrscheinlich Jahrzehnte lang.

Die zum Teil immer noch verbreitete Annahme, ein römischer Offizier habe den Schatz im Angesicht nahender Gefahr vergraben, ist absurd. Der Wert der Athenaschale war schon damals derart hoch, dass ein römischer Offizier den Sold seiner gesamten Dienstzeit hätte aufbringen müssen, um allein dieses kostbare Stück zu erstehen. Dieses wertvolle Stück hätte er sicher nicht tief im Feindesland bei sich getragen.

Als Besitzer, zumindest der kostbarsten Stücke des Hildesheimer Silberschatzes, kommt nur eine Persönlichkeit von herausragendem Rang in Frage. Zur Auswahl stehen Drusus, Tiberius, Varus und Germanicus.
Drusus kam bei Arbalo in Gefahr, wurde allerdings nicht vernichtet. Tiberius war sehr diplomatisch unterwegs und wich großen Schlachten gegen die Germanen aus. Germanicus hatte einige Rückschläge zu erleiden, insbesondere sein Legat Caecina bei den Pontes Longi, infolge dessen er den Tross an die Germanen verlor. Allerdings wird Caecina wohl kaum ein derart kostbares Repräsentationsgeschirr auf einem Feldzug mit sich geführt haben.
Es bleibt also nur Varus, der 9 n.Chr. die Absicht hatte, den germanischen Fürsten den Luxus der römischen Lebensart vor Augen zu führen.

Es bleibt der Schluss, dass zwar nicht der gesamte Hildesheimer Silberschatz, wohl aber seine kostbarsten Stücke einstmals Eigentum des Varus waren.
Als sie in der Varusschlacht von Germanen erbeutet wurden, wurden sie tief in das Landesinnere verschleppt und irgendwann vergraben.
Cherusker
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Tacitus berichtet auch, daß Varus Germanen zum Gastmahl eingeladen hatte. So Arminius mit seinem Vater Segimer und auch Segestes, der bei so einer Gelegenheit den bevorstehenden Angriff verraten hat.
Und ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Statthalter von Gallien und Germanien einfaches Tongeschirr benutzt , wenn er zum Gastmahl eingeladen hat.
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