Krimgoten

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Paul hat geschrieben:Es ist auch möglich, das es auf der Krimm sogar mehrere germanische Dialekte gab.
Naja, "mehrere germanische Dialekte" - wo sollen die denn herkommen?

An der Schwarzmeerküste und auf der Krim saßen seit dem 3. Jh. Ostgoten, ganz im Süden um die Stadt Cherson Griechen. An der Schwarzmeerküste bzw. am Asowschen Meer siedelten relativ kurzzeitig auch ostgermanische Heruler, deren Sprache sich vermutlich nicht wesentlich vom Ostgotischen unterschied. In späterer Zeit gibt es dann Einflüsse von Turkstämmen, u.a. Onoguren, Bulgaren, Chasaren, Petschenegen, Kumanen und schließlich ab dem 13. Jh. Turkomongolen, die das mehrere Jahrhunderte überdauernde Krim Chanat gründeten. Diese turksprachige Ethnie ist besser unter dem Namen "Krimtataren" bekannt.
Paul
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Dietrich hat geschrieben:
Paul hat geschrieben:Es ist auch möglich, das es auf der Krimm sogar mehrere germanische Dialekte gab.
Naja, "mehrere germanische Dialekte" - wo sollen die denn herkommen?
Es gibt da vor allem 4 Dialektkandidaten:
- Echte Goten, die einen Dialekt sprachen, der auf dem Weichselgermanischen Dialekt aufbaute.
- Herulich, aufbauend auf den plattdeutschähnlichen Dialekt, von den heute dänischen Inseln.
- Ost-Nordgermanisch, auf den Dialekt der Rus aufbauend, die sich auf der Krim niederließen.
- Vandalisch/lugisch. Es werden sich den Goten bei der Südwanderung viele Vandalen/Lugier angeschlossen haben. Diese Latenegermanen müßten eine höhere Bevölkerungsdichte als die Goten gehabt haben. Später tauchte nur ein kleiner Bruchteil ihrer Bevölkerung im Westen auf.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Lia

Paul hat geschrieben: Herulich, aufbauend auf den plattdeutschähnlichen Dialekt, von den heute dänischen Inseln.
Da scheinst Du aber einen Fehler in der Chronologie zu haben. Plattdeutsch/ Niederdeutsch ist erstens nicht einheitlich, zweitens kein Dialekt, drittens sicherlich nicht Plattform für "herulisch", auf der Krim, weil wesentlich später entstanden, und auf den dänischen Inseln spricht und sprach man kein Plattdeutsch im heutigen Sinne.
Die Abgrenzungen einzelner Sprachen und Stämme so scharf ziehen zu wollen, ist ziemlich sinnlos und nicht mehr die aktuelle Ausgangsposition in der Forschung, den Rest schrieb Dietrich schon treffend.
Dietrich
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Paul hat geschrieben: Es gibt da vor allem 4 Dialektkandidaten:
Wo ist denn das sprachwissenschaftlich belegt? Die Sprachreste sind überaus dürftig. Krimgotisch ist eine so genannte "Trümmersprache", da kaum Material existiert.

Umstritten ist, ob es sich allein um einen gotischen Dialekt handelt oder - wie einige Forscher meinen - auch westgermanische Einsprengsel gibt. Wo aber sollen die angesichts der bekannten Bevölkerungsverhältnisse an der Schwarzmeerküste herkommen?
Paul hat geschrieben:Herulich, aufbauend auf den plattdeutschähnlichen Dialekt, von den heute dänischen Inseln.
Es gibt nicht die geringsten Sprachreste einer "herulischen Sprache". Woher also willst du wissen, welchem Sprachzweig sie angehörte?
Paul hat geschrieben:Ost-Nordgermanisch, auf den Dialekt der Rus aufbauend, die sich auf der Krim niederließen.
Die in der Kiewer Rus benutzte Sprache war altostslawisch bzw. altrussisch. Früheste Quellen kommen aus dem 10. Jh. Mit den Krimgoten kann sie also nichts zu tun haben. Und dass schwedische Waräger die Träger des Krimgotischen waren, halte ich für ziemlich fantastisch.
Paul
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Lia hat geschrieben:
Paul hat geschrieben: Herulich, aufbauend auf den plattdeutschähnlichen Dialekt, von den heute dänischen Inseln.
Da scheinst Du aber einen Fehler in der Chronologie zu haben. Plattdeutsch/ Niederdeutsch ist erstens nicht einheitlich, zweitens kein Dialekt, drittens sicherlich nicht Plattform für "herulisch", auf der Krim, weil wesentlich später entstanden, und auf den dänischen Inseln spricht und sprach man kein Plattdeutsch im heutigen Sinne.
Die Abgrenzungen einzelner Sprachen und Stämme so scharf ziehen zu wollen, ist ziemlich sinnlos und nicht mehr die aktuelle Ausgangsposition in der Forschung, den Rest schrieb Dietrich schon treffend.
Ich habe nicht geschrieben, das die Heruler vor 2000 Jahren heutiges Plattdeutsch sprachen. Um Chr. Geburt gab es 4 südgermanische und 1 nordgermanischen Dialekt. Das Herulich auf den heute dänischen Inseln gehörte zu einem westlichen Dialekt. Es ist erst später dänisiert worden. Auch die größeren Sprachunterschiede sind erst später entstanden. Das heutige Plattdeutsche ist relativ ursprünglich geblieben, deswegen gibt es logischerweise die größere Ähnllichkeit zum damaligen Heruler-Dialekt.
viele Grüße

Paul

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Paul
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Dietrich hat geschrieben: Die in der Kiewer Rus benutzte Sprache war altostslawisch bzw. altrussisch. Früheste Quellen kommen aus dem 10. Jh. Mit den Krimgoten kann sie also nichts zu tun haben. Und dass schwedische Waräger die Träger des Krimgotischen waren, halte ich für ziemlich fantastisch.
Zitat aus meinem 2. Beitrag oben:

Im Jahr 860 kam es wahrscheinlich zu Kontakten zwischen Warägern und Krimgoten. Die Waräger eroberten mehrere Städte auf der Krim und hielten die Stadt Tmutorakan längere Zeit besetzt. Hier könnte es zu realen Sprachbeziehungen und auch einer gewissen Zuwanderung gekommen sein.

Dies stand bei Wikipedia. Echte Waräger sollen die Stadt Tmutorakan auf der Krim erobert haben. Demnach gab es reale Sprachbeziehungen und vielleicht eine kleine Warägische Einwanderung.
viele Grüße

Paul

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[quote="Dietrich"]
Wo ist denn das sprachwissenschaftlich belegt? Die Sprachreste sind überaus dürftig. Krimgotisch ist eine so genannte "Trümmersprache", da kaum Material existiert.

Umstritten ist, ob es sich allein um einen gotischen Dialekt handelt oder - wie einige Forscher meinen - auch westgermanische Einsprengsel gibt. Wo aber sollen die angesichts der bekannten Bevölkerungsverhältnisse an der Schwarzmeerküste herkommen?[quote="Paul"]

Wir sind doch auf dieses letzte Thema gekommen, weil die trümmerhaften Sprachnachweise des Bischofs von Mogilew und des flämischen Gesandten sich etwas unterschieden. Das wäre der Hinweis auf 2 Dialekte.
viele Grüße

Paul

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Dietrich hat geschrieben: Die in der Kiewer Rus benutzte Sprache war altostslawisch bzw. altrussisch. Früheste Quellen kommen aus dem 10. Jh. Mit den Krimgoten kann sie also nichts zu tun haben. Und dass schwedische Waräger die Träger des Krimgotischen waren, halte ich für ziemlich fantastisch.
In der Anfangsphase sprachen die Rus aus Schweden schon noch den Nordgermanischen Dialekt bzw. die Nordgermanische Sprache. Erst nach einigen Generationen setzte sich das slawische durch.
viele Grüße

Paul

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Lia

Paul hat geschrieben:In der Anfangsphase sprachen die Rus aus Schweden schon noch den Nordgermanischen Dialekt bzw. die Nordgermanische Sprache. Erst nach einigen Generationen setzte sich das slawische durch.
Das ist eine Annahme, die mir gerade von sogenannten Skandinavistik- und Slawistik-Fachwissenschaftlern als unrichtig bestätigt wurde.
Paul
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Es wäre schon gut auf meine Beiträge einzugehen. Die Warägische Einwanderung um 860 nach Chr. ist ein sehr früher Zeitpunkt. Es kann sich hier auch um direkte Einwanderer aus Skandinavien gehandelt haben, genaueres geben die Quellen nicht her. Es war das Beispiel für eine, von mindestens 4 möglichen germanischen Einwanderergruppen, es war keine feststehende Behauptung.
Wer kann das ausschließen, das hier direkt Skandinavier auf die Krim eingewandert sind?
Was spricht gegen einwandernde Lugier/Vandalen und die oft in Quellen genannten Heruler?
Die Skiren und Bastarnen habe ich gar nicht genannt, da sie ja wahrscheinlich auch einen dem weichselgermanischen Dialekt nahestehenden Dialekt gesprochen haben werden. Möglicherweise war ihr Dialekt ein Übergangsdialekt zum Dialekt der Vandalen/Lugier.
viele Grüße

Paul

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dieter
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Ja die warägische Einwanderung ist unbedingt zu nenne, vorallem da der Name Russen von den "Rus" in Skandinavien stammt und die "Kiewer Rus" das erste Reich in dem Teil Osteuropas war. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Spartaner
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Einflüsse fremder Sprachen hat es auf das Krimgotische schon immer gegeben. Zum einen wäre da aufzuführen, das Wort sada für hundert (persisch sad = hundert, ossetisch sadda = hundert), welches wahrscheinlich im 5 oder 6. Jahrhundert von den Sarmaten übernommen wurde. Warum ausgerechnet das Wort hundert bleibt verborgen. Vieleicht haben die Krimgoten mit den hunnischen Verwaltern über Abgaben nur im hunderter Bereich verhandelt.
Desweiteren ist anzunehmen das die Krimgoten schon früh zu Christen und missioniert wurden und die Wulfila Bibel schon rechtzeitg in das Krrimgotische übersetzt hatten. Leider gibt es dafür aber keine Belege mehr. Christliche Míssionare und Kaufleute sind sicherlich auch in späterer Zeit noch auf die Krim gekommen und hier gab es sicherlich auch einen Austausch bzw. eine Übersetzung. Inwiefern dieser Austausch eine Sprache beeinflussen vermochte, kann ich von hieraus nicht beantworten.
Im täglichen Hausgebrauch hatten die Krimgoten wahrscheinlich sich ihrer eigenen Sprache bedient, während sie sich im Austausch mit den Tataren und den Griechen sich mit einer Mischsprache behalfen. 1
Die Annnahme das es sich bei dem Krimgotischen um einen plattdeutschen Dialekt handelte, kommt von einer fehlerhaften Feststellung des Erzbischofes von Mohilew Stanislaw Siestrezeńcewitz- Bohusz. Er bereiste 1780 die Krim und schildert über die Krimgoten in dem Bericht : "Historie de la Tauride (1800)"
Zitat: " daß er dort die letzten Reste der alten Goten besucht habe, einige armselige Familien, die in den Ruinen der alten Resistenzstadt ein kümmerliches Leben fristeten, die sich aber auch ihre Sprache von allen ihren Nachbarn deutlich abhoben"
1817 hat sich Mohilew Stanislaw Siestrezeńcewitz- Bohusz auf Anfrage des deutsches Forschers Johann Severin Vater genauer geäußert und hier hat sich auch die fehlerhafte Feststellung über eine mögliche Ähnlichkeit zum plattdeutschen eingeschlichen.
Dazu muss man betonen, dass Severin Vater wahrscheinlich zum Vergleich, nur zur der Zeit existierende deutsche Dialekte herangezogen hat und es kein wissenschaftlicher Vergleich in dem Sinne war.
Zitat:
"An dem mittäglichen schmalen Striche Landes und bey Sewasterpol herum, d.i. an den Orten, wo die Historie zeigt, daß die Gothen gewohnt haben, sind einige wenige Flecken, wo die Tataren eine Landessprache haben, die dem Plattdeutschen ähnlich ist; ich habe selber in Mangut einige verstanden. Sie sind alle mohametanisch und tatarisiert. Sie wissen eigentlich nicht, was sie für eine Sprache reden, und sagen nur, daß sie ursprünglich Christen und keine Mohmmetaner waren(St 19; Loewe 1896; 198)"

1 Buch: Die dialektgeographische de Krimgotischen .......
Zuletzt geändert von Spartaner am 16.10.2014, 14:58, insgesamt 5-mal geändert.
Dietrich
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Paul hat geschrieben:
Im Jahr 860 kam es wahrscheinlich zu Kontakten zwischen Warägern und Krimgoten. Die Waräger eroberten mehrere Städte auf der Krim und hielten die Stadt Tmutorakan längere Zeit besetzt. Hier könnte es zu realen Sprachbeziehungen und auch einer gewissen Zuwanderung gekommen sein.
Dass Waräger feste Siedlungen auf der Krim gründeten, ist weder archäologisch noch durch Schriftquellen bezeugt. Sie unternahmen lediglich Beutezüge im gesamten Schwarzmeerraum. Davon ganz abgesehen zählte Südrussland inklusive der Krim zur Zeit der Waräger zum Chasarenreich und nach dessen Zusammenbruch zum Herrschaftsbereich der Kumanen und Tataren. Was wir genau wissen ist lediglich die Ansiedlung von Griechen und Goten auf der Krim sowie später die von Turkstämmen.
Paul
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Herr Stanislaw Siestrezeńcewitz- Bohusz sprach muttersprachlich Plattdeutsch und konnte sich deswegen mit den Krimgoten verständigen. Die Ähnlichkeit reichte also für die Verständigung. Er legte auch eine Wortliste an.
Es gab noch einen venezianischen Kaufmann, der auch Kontakt zu Krimgoten hatte. Er lies sich die Gespräche von seinem deutschen Diener übersetzen.
In Istanbuler Archiven könnte man wahrscheinlich einiges über die Krimmgoten erfahren, denn sie mußten ja Steuern zahlen und wurden zum Militär eingezogen, außerdem haben wahrscheinlich auch Moschen eigne Aufzeichnungen gemacht.
Zur Zeit von De Busbeq war es noch eine größere Bevölkerung.

Hier kann man eine kleine Übersicht über die Geschichte der Krimgoten lesen. Hier wird auch die Rolle der Skandinavier erwähnt.

http://www.academia.edu/699565/Die_letz ... he_Public_
viele Grüße

Paul

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Paul hat geschrieben:Herr Stanislaw Siestrezeńcewitz- Bohusz sprach muttersprachlich Plattdeutsch und konnte sich deswegen mit den Krimgoten verständigen. Die Ähnlichkeit reichte also für die Verständigung. Er legte auch eine Wortliste an.
Es gab noch einen venezianischen Kaufmann, der auch Kontakt zu Krimgoten hatte. Er lies sich die Gespräche von seinem deutschen Diener übersetzen.
In Istanbuler Archiven könnte man wahrscheinlich einiges über die Krimmgoten erfahren, denn sie mußten ja Steuern zahlen und wurden zum Militär eingezogen, außerdem haben wahrscheinlich auch Moschen eigne Aufzeichnungen gemacht.
Zur Zeit von De Busbeq war es noch eine größere Bevölkerung.

Hier kann man eine kleine Übersicht über die Geschichte der Krimgoten lesen. Hier wird auch die Rolle der Skandinavier erwähnt.

http://www.academia.edu/699565/Die_letz ... he_Public_
Da sieht man wieder das du keine Ahnung hast und was reinpostet was nicht stimmt. Stanisław Bohusz Siestrzeńcewicz war geboren in Polen und seine Muttersprache war polnisch und nicht plattdeutsch.
http://pl.wikipedia.org/wiki/Stanis%C5% ... 5%84cewicz
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