Wie entstand die germanische Sprache?

Moderator: Barbarossa

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DasKarlchen
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Ich finde einer der interssantesten Fakten, die bei diesen sprachwissenschaftlichen Diskussionen immer untergehen, ist, dass die germanischen Stämme echt Schwierigkeiten gehabt haben müssen, sich gegenseitig zu verstehen. Durch die verschiedenen Dialekte dürfte es für weit auseinanderliegende Stämem quasi unmöglich gewesen sein sich zu unterhalten ( Quelle).
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dieter
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DasKarlchen hat geschrieben:Ich finde einer der interssantesten Fakten, die bei diesen sprachwissenschaftlichen Diskussionen immer untergehen, ist, dass die germanischen Stämme echt Schwierigkeiten gehabt haben müssen, sich gegenseitig zu verstehen. Durch die verschiedenen Dialekte dürfte es für weit auseinanderliegende Stämem quasi unmöglich gewesen sein sich zu unterhalten ( Quelle).
Liebes Karlchen,
das brauchten sie auch nicht, wenn sie räumlich weit von einander siedelten :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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DasKarlchen
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Naja, trotzdem ist die Vorstellung seltsam, findest du nicht? Oder lass mich einschränkend sagen: Zumindest kontraintuitiv ;-)
Paul
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DasKarlchen hat geschrieben:Ich finde einer der interssantesten Fakten, die bei diesen sprachwissenschaftlichen Diskussionen immer untergehen, ist, dass die germanischen Stämme echt Schwierigkeiten gehabt haben müssen, sich gegenseitig zu verstehen. Durch die verschiedenen Dialekte dürfte es für weit auseinanderliegende Stämem quasi unmöglich gewesen sein sich zu unterhalten ( Quelle).
Ich habe mal Sprachproben des Vater Unser in verschiedenen südgermanischen Dialekten um 400 n Chr. gelesen. Da waren die Dialekte sich ähnlich und gegenseitig leicht verständlich. Um Chr. Geburt soll Germanisch sogar sehr einheitlich gewesen sein.
Das westliche Urindogermanisch, Prägermanisch, Urgermanisch bis zum Germanischen hat sich also gar nicht auseinander entwickelt. Der Unterschied zum Nordgermanischen war wohl immer der größte Unterschied und wurde erstmal immer weiter eingeebnet.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
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Peppone
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Paul hat geschrieben:
DasKarlchen hat geschrieben: Durch die verschiedenen Dialekte dürfte es für weit auseinanderliegende Stämem quasi unmöglich gewesen sein sich zu unterhalten ( Quelle).
Um Chr. Geburt soll Germanisch sogar sehr einheitlich gewesen sein.
Das westliche Urindogermanisch, Prägermanisch, Urgermanisch bis zum Germanischen hat sich also gar nicht auseinander entwickelt. Der Unterschied zum Nordgermanischen war wohl immer der größte Unterschied und wurde erstmal immer weiter eingeebnet.
Sehe ich auch so. Schon aufgrund der räumlich eng umgrenzten Ausbreitung der Germanen vor Christi Geburt dürften sich die germanischen Dialekte nicht mehr unterschieden haben wie heutzutage z.B. Schwäbisch, Fränkisch und Bairisch. Signifikante Unterschiede, aber noch klar verständlich.
Zu ersten Problemen in Sachen Verständlichkeit dürfte erst die Bildung der Benrather Linie geführt haben (Herausbildung des Althochdeutschen südlich der Linie bzw. des Plattdeutschen nördlich davon, Zeitpunkt etwa 5./6.Jh.). Eindeutig nur noch schwer verstanden haben dürften sich dann allerdings erst die Sprecher des Mittelhochdeutschen und des Niederdeutschen (ab ca. 1000; Trennung wieder an der Benrather Linie). Die heute noch feststellbaren Ähnlichkeiten zwischen den aus dem Altsächsischen/Altniederdeutschen entstandenen Sprachen/Dialekten (Alt-)Englisch, Friesisch und Niederdeutsch/Plattdeutsch dürften dazu geführt haben, dass sich bspw. Holländer, Engländer und Hamburger seit dieser Zeit besser verstanden als bspw. Hamburger und Frankfurter, Schwaben oder Baiern.

Beppe
james
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Also so wie ich das sehe, gab es im 2-3. Jahrtausend 2 große Gruppen, die der Glockenbecher und die der Schnurkeramiker. Beide sind vermutlich Träger des Indogermanischem gewesen. Das macht die Urheimat in der Ukraine meiner Meinung nach unwarscheinlich.
Von dem abzugrenzen ist das Südöstliche Indogermanisch das im griechisch-anatolischem Sprachraum wohl verbreitet war und somit in Wechselwirkung mit dem Semitisch aber eben auch mit den Glockenbechern und Schnurkeramikern stand. Von denen weiss man relativ früh relativ viel.
Der Norden Europas der hier so gerne als isoliert betrachtet wird, ist im Fall von England mit Glockenbechern überrannt und im Fall von Skandinavien mit Schnurkeramikern geflutet. Eine anderssprachige Enclave im äußersten Norden ist daher unwarscheinlich. Zu unwirklich für eine Welt in der es derart viel freies Land gab.
Slawische Sprachen haben dagegen viel von mittelalterlichem Deutsch entlehnt, in Asien ist viel Indoarisch drin.
Sie sind zumindestens als Europäer wohl eher ein Produkt das am Ende der Völkerwanderung entstand. Dies macht ein Protoslawisch vor der Völkerwanderung unwarscheinlich. Dieser Raum gehört vielmehr zu den Schnurkeramikern und baltisch könnte noch sehr viel von dieser uralten Sprache bewahrt haben.
Zu der Theorie eines Prä-Italischem oder Prä-Keltischem fehlt vor allen Dingen eines: der Prä-Kelte und auch mit dem Prä-Römer harpert es gewaltig. Prä-Germanen finden sich stattdessen haufenweise. Ein Geschichte der Landnahme ist dagegen weit und breit nicht zu finden.
Die anderen tauchen alle erst um ca. 1000 v. Chr. auf, zumindestens fehlt bis heute ein Fund der älter als sagen wir 1300 v. Chr. und eindeutig per yDNA direkter Vorfahre eines antiken Römers oder Kelten ist der Latene-Zeit ist. (Da die Römer ja die Sabinerinnen raubten, weist darauf hin das sie sich einheimische Frauen nahmen, daher fällt die mtDNA aus).
Das fällt genau mit der Hallstatt-Kultur, den Seevölkern, der Phönizisch und griechischen Kolonisierung und dem Zusammenbruch der Großreiche im Orient zusammen. Ein bisschen viel Zufall finde ich.
Vielmehr gehe ich von einer massiven Veränderung der Sprachwelt des damaligen Europas aus.
Das heisst es gab vor der 1. Germanischen Lautverschiebung noch mehrere davor, die mit großer kulturelleb Veränderung einher gingen.

Dazu kommt das Sprachen mit zunehmendem Alter immer mehr Lehnworte aufnehmen. Und da Germanen auch noch besonders viel umher wanderten, wird das besonders viel gewesen sein. Im täglichem Sprachgebrauch benutzten wir ca. 12.000 Worte, ein bronzezeitlicher Bauer kam vermutlich locker mit der Hälfte oder noch weniger aus. Prä-Germanisch muss also in dem Teil der Sprache stecken, der von anfang an Teil der Umwelt war.

Zum Thema begrenztes Gebiet der Germanen muss ich sagen das diese Sicht zwar allgemein akzeptiert wird, aber deswegen nicht stimmen muss.

Der "begrenzte" germanische Raum wurde vorwiegend erst von Caesar definiert. Dazu hat er erstmal in Gallien 1 Mio Menschen umgebracht, darunter ganze Stämme. Im Osten wurde die Grenze "Germaniens" erst Jahrhunderte später "gefunden", als sie die Ostsee fanden (Mare Suebicum). Ingesamt sind die griechisch/römischen Vorstellungen über Osteuropa äußerst dürftig, sofern es nicht an ihren Grenzen lag. Mit anderen Worten, eigentlich kannten sie nur die Grenzstämme entlang des Limes richtig. Bei den Stämmen dahinter hört es schon wieder auf.
Und leider ist vom Ostgermanischem praktisch nichts außer ein bisschen Gotisch übrig. Dieses Gotisch wird als das älteste Germanisch angenommen und von einigen auf 1500 v. Chr. geschätzt. Andere sagen das Protogermanisch 2500 v. Chr. entstanden ist und einige meinen Germanisch wanderte ein und entstand erst 500 v. Chr. Also such dir was aus...
Dietrich
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james hat geschrieben:Also so wie ich das sehe, gab es im 2-3. Jahrtausend 2 große Gruppen, die der Glockenbecher und die der Schnurkeramiker. Beide sind vermutlich Träger des Indogermanischem gewesen. Das macht die Urheimat in der Ukraine meiner Meinung nach unwarscheinlich.
Die Herkunft der Glockenbecherleute ist umstritten und unbekannt. Sie wurde früher in Spanien vermutet, heute an vielen Stellen Europas. Eine Herkunft aus der Ukraine nimmt niemand an und schon gar nicht eine indoeuropäische Identität. Hingegen werden die Schnurkeramiker häufig mit indoeuropäischen Gruppen identifiziert.
james hat geschrieben:Der Norden Europas der hier so gerne als isoliert betrachtet wird, ist im Fall von England mit Glockenbechern überrannt und im Fall von Skandinavien mit Schnurkeramikern geflutet.
Die Archäologen haben an vielen Stellen Europas Überreste der Glockenbecherkultur gefunden. In Spanien, Frankreich, Mitteleuropa und in Britannien. https://de.wikipedia.org/wiki/Glockenbe ... europe.jpg
james hat geschrieben:Slawische Sprachen haben dagegen viel von mittelalterlichem Deutsch entlehnt, in Asien ist viel Indoarisch drin.
Sie sind zumindestens als Europäer wohl eher ein Produkt das am Ende der Völkerwanderung entstand. Dies macht ein Protoslawisch vor der Völkerwanderung unwarscheinlich. Dieser Raum gehört vielmehr zu den Schnurkeramikern und baltisch könnte noch sehr viel von dieser uralten Sprache bewahrt haben.
Slawisch ist ein eigenständiger Hauptzweig der indoeuropäischen Sprachfamilie. Die Ethnogenese der Slawen liegt genauso im Dunkeln wie die der Germanen, Griechen oder Kelten. Vermutlich entwickelte sich die slawische Sprache in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende. Mit den Schnurkeramikern hat das allerdings wenig zu tun, die lebten etwa 1500 Jahre vor der vermuteten Entstehung slawischer und germanischer Identitäten.
james hat geschrieben: Zu der Theorie eines Prä-Italischem oder Prä-Keltischem fehlt vor allen Dingen eines: der Prä-Kelte und auch mit dem Prä-Römer harpert es gewaltig. Prä-Germanen finden sich stattdessen haufenweise. Ein Geschichte der Landnahme ist dagegen weit und breit nicht zu finden.
Die anderen tauchen alle erst um ca. 1000 v. Chr. auf, zumindestens fehlt bis heute ein Fund der älter als sagen wir 1300 v. Chr. und eindeutig per yDNA direkter Vorfahre eines antiken Römers oder Kelten ist der Latene-Zeit ist. (Da die Römer ja die Sabinerinnen raubten, weist darauf hin das sie sich einheimische Frauen nahmen, daher fällt die mtDNA aus).
Das fällt genau mit der Hallstatt-Kultur, den Seevölkern, der Phönizisch und griechischen Kolonisierung und dem Zusammenbruch der Großreiche im Orient zusammen. Ein bisschen viel Zufall finde ich.
Vielmehr gehe ich von einer massiven Veränderung der Sprachwelt des damaligen Europas aus.
Das heisst es gab vor der 1. Germanischen Lautverschiebung noch mehrere davor, die mit großer kulturelleb Veränderung einher gingen.
Es ist wirres Zeug, was du hier erzählst.

Die indoeuropäischen Sprachen gliederten sich seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. aus dem Proto-Indoeuropäischen aus, wobei ihr Eintritt in die schriftliche Überlieferung sehr unterschiedlich ist. Als früheste schriftliche Quelle einer indoeuropäoschen Sprache finden wir das Hethitische etwa um 1600 v. Chr., wenig später das mykenische Frühgriechisch, überliefert in den Täfelchen in Linear-B-Schrift.

Archäologisch wird die keltische Kultur frühestens mit der Hallstatt-Kultur ab etwa 800 v. Chr. fassbar, obwohl es sich dabei noch nicht um eine typisch keltische Kultur handelt. Die entwickelt sich erst ab etwa 450 v. Chr. mit der Latène-Kultur. Die früheste germanische Kultur wird mit der Jastorf-Kultur etwa um 600 v. Chr. in Norddeutschland identifiziert. Indoeuropäische italische Völker werden seit etwa 1300 v. Chr. auf der Apennin-Halbinsel angenommen (obwohl das umstritten ist). Erste Schriftzeugnisse liegen im Latein der latinischen Bevölkerungsruppe vor. Die früheste Form des Lateinischen, das Frühlatein, ist nur in einigen Inschriften wie dem Lapis Niger oder der DUENOS-Inschrift aus dem 6. oder 5. Jh. v. Chr. greifbar.

Was die Seevölker betrifft, so ist deren Identität unbekannt und umstritten. Ihr Einfall in die östliche Mittelmeerwelt fällt zusammen mit dem Zusammenbruch einiger Reiche und Kulturen wie vor allem dem Untergang des Reichs der Hethiter und dem Ende der mykenischen Stadtstaaten und ihrer feudalen aristokratischen Kultur. Die Ursachen, die zum Untergang dieser Staaten führten, sind umstritten und werden kontrovers diskutiert. Genannt werden Bürgerkriege, klimatische Ursachen verbunden mit Dürreperioden, Implosion staatlicher Strukturen, Aufstände unterdrückter Bevölkerungen, Einbruch fremder Völker usw. Heute nimmt die Forschung an, dass ein komplexes Bündel dieser Faktoren den Untergang besiegelt hat. - Einige vermuten, dass die Umwälzungen in Anatolien Ursache für die Flucht einiger Bevölkerungsgruppen waren, die später als "Etrusker" in Italien siedelten. Diese Hypothese lässt sich allerdings nicht erhärten und wird durchaus bestritten.
james hat geschrieben:ein bronzezeitlicher Bauer kam vermutlich locker mit der Hälfte oder noch weniger aus. Prä-Germanisch muss also in dem Teil der Sprache stecken, der von anfang an Teil der Umwelt war.
Welche Sprache ein "bronzezeitlicher Bauer" in Mitteleuropa sprach, ist völlig unbekannt. Vermutlich sprach er ein indoeuropäisches Idiom, doch wie sich das zusammensetzte, weiß niemand. Alle diesbezügliche Spekulationen sind Kaffeesatzleserei. Wie und wann sich Proto-Keltisch oder Proto-Germanisch aus dem indoeuropäischen Kontinuum herauskristallisierten, ist unbekannt.
james hat geschrieben:Der "begrenzte" germanische Raum wurde vorwiegend erst von Caesar definiert.
Der germanische Kulturraum wird von den Funden der Archäologen bestimmt. Welche Verbreitung dieser Kulturraum hatte, lässt sich in jedem guten Geschichtsatlas nachlesen.
james hat geschrieben:Und leider ist vom Ostgermanischem praktisch nichts außer ein bisschen Gotisch übrig. Dieses Gotisch wird als das älteste Germanisch angenommen und von einigen auf 1500 v. Chr. geschätzt. Andere sagen das Protogermanisch 2500 v. Chr. entstanden ist und einige meinen Germanisch wanderte ein und entstand erst 500 v. Chr. Also such dir was aus...
Welche germanische Sprache die älteste ist, vermag niemand zu sagen. Sie reichen alle in graue Vorzeiten zurück, aus denen keine schriftliche Überlieferung vorliegt.
Paul
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Dietrich hat geschrieben:
james hat geschrieben:Und leider ist vom Ostgermanischem praktisch nichts außer ein bisschen Gotisch übrig. Dieses Gotisch wird als das älteste Germanisch angenommen und von einigen auf 1500 v. Chr. geschätzt. Andere sagen das Protogermanisch 2500 v. Chr. entstanden ist und einige meinen Germanisch wanderte ein und entstand erst 500 v. Chr. Also such dir was aus...
Welche germanische Sprache die älteste ist, vermag niemand zu sagen. Sie reichen alle in graue Vorzeiten zurück, aus denen keine schriftliche Überlieferung vorliegt.
Der gotische Dialekt ist der erste germanische Dialekt, der mit der Wulfilla Biebel in einem großen zusammenhängenden Text belegt ist. Davor gab es nur kurze ubische Inschriften auf Weihesteinen, die noch lateinisiert wurden. Diese definiert Peter Paul Schweitzer als Hochgermanisch.

Über die Entstehung des Germanischen und seine ursprüngliche Verbreitung gibt es vor allem 2 Theorien. Die ältere Theorie lautet, das sich das Germanische auf dem Gebiet der nordischen Kultur und der Jasdorf Kultur im benachbarten Norddeutschland entstanden ist und sich nach Süden ausgebreitet hat. Die neuere Auffassung ist, das sich Germanisch in einem sehr großen Gebiet in Mitteleuropa aus dem westlichen Urindogermanisch entwickelt hat, so das auch die südlichen Germanen, mit Hallstatt- und Latenekultur von Anfang an der Entwicklung der germanischen Sprache beteiligt waren.

Die Archäologie eignet sich nicht wirklich, um festzustellen, welche Sprache der Schöpfer o. Verwender einer Sache sprach. Aus der Zeit um Chr. Geburt kennen wir mehrere Sachkulturen, welche den Germanen zugeordnet werden. Warum soll das nicht auch schon vorher so gewesen sein?
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Dietrich
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Paul hat geschrieben: Die neuere Auffassung ist, das sich Germanisch in einem sehr großen Gebiet in Mitteleuropa aus dem westlichen Urindogermanisch entwickelt hat, ...
Natürlich hat es sich aus einem westlichen indoeuropäischen Sprachkontinuum entwickelt.

Aber doch nicht überall gleichzeitig. Es gibt zentrale Ursprungsräume und dazu zählt sicherlich Norddeutschland mit seiner Jastorf-Kultur.
Harald
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Die germanischen Völker haben sich vermutlich sehr lange noch sehr gut verstanden. Das Ostgermanische stand dem Nordgermanischen wegen seiner Abstammung wahrscheinlich sehr nahe. Aber auch die Westgermanen, grob vereinfachend die deutschen Stämme, hatten gute Beziehungen zu Nordeuropa, wie das im Mittelalter niedergeschriebene Nibelungenlied zeigt. Beweise genug.

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james
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Danke Paul...

Mein lieber Dietrich, du orientierst dich an dem was in 20 jahre alten Geschichtsbüchern drin steht.
Inzwischen hat man jede Menge einiges Neues herausgefunden...
Vor allen Dingen die Populationsgenetik schmeisst ein Standartwissen nach der anderen über den Haufen.
Stonehenge nicht von Kelten erbaut, die Anfänge der Astronomie nicht im Orient, Pferde von Nomaden der Steppe domestiziert usw.
Die Linguistik hinkt meiner Meinung nach völlig hinterher. Es gibt ein paar Leute die vorpreschen und
dafür viel Prügel beziehen. Aber die bringen neue Impulse.
Der Phönizische Einfluss auf Europa war zweifellos vorhanden, keltisch dagegen halte ich eher für eine Mode,
so wie Kaugummi, Fastfood und Jeans. Nicht jeder der eine Jeans an hat, ist ein Ami.
Die Frage ist nur, wie interpretiert man das richtig? Folgt man einer "allgemeinen Meinung" oder stellt
man sich die Frage: "Was spricht dafür und was dagegen?"
Das ist wie bei den Medien: Glaub ich das, weil es Profis geschrieben haben, oder les ich auch
Blogs von anderen, um mir mein Urteil zu bilden. :crazy:

Dietrich hat geschrieben: Die Archäologen haben an vielen Stellen Europas Überreste der Glockenbecherkultur gefunden. In Spanien, Frankreich, Mitteleuropa und in Britannien. https://de.wikipedia.org/wiki/Glockenbe ... europe.jpg
Wie man der Karte entnehmen kann, sind die Glockenbecher überwiegend in West- und Mitteleuropa und dort vorwiegend nördlich der Alpen im Südgermanischem oder Rheingermanischem Sprachraum, daneben in England, Rhönegebiet und Iberien verbreitet.

Das Glockenbecherphänomen entsteht archäologisch im äußersten Südwesten von Iberien, wird aber offenbar von Iberien über Südfrankreich an Mitteleuropa weiter gegeben. Da liegt noch einiges im Argen, z.B. wie sie nach Iberien gelangten und woher sie kamen.

Daneben entsteht in England eine große Präsenz, wo zuvor geringfügig Schnurkeramiker und sogar schon Trichterbecher einsickerten. (z.b. sind in England Bohlenwege aufgetaucht, die selben wie in Niedersachsen) Die Mitteleuropäer begannen also gerade England zu erschließen, als sie von Glockenbechern abgelöst wurden. Aber jemand aus Iberien war schon vor ihnen da.
Belegt ist auch z.B. das Stonehenge nicht von Glockenbecher, sondern einer vorhergehenden Kultur angelegt wurde, die (vermutlich) aus Mitteleuropa kam, wo Kreisgrabenanlagen schon seit den Linearbandkeramikern existierten.
Gerade in letzter Zeit gibt es aufregende Entdeckungen dazu. Der Bogenschütze der gefunden wurde kam ja aus dem Alpenraum. Das sind relativ neue Erkenntnisse.

Auch im Großraum Germanien wurden solche Anlagen punktuell von Glockenbechern übernommen. Ähnlich fasziniert waren Glockenbecher an Traditionen der Megalithzeit, belegt durch Nachnutzung mehrerer Megalithanlagen oder sie stellten selbst welche auf. England ist ja übersäht mit Zeugnissen der Megalithik. Die waren da echt fleissig.

Wir wissen dank Genetische Studien das Schnurkeramiker-Gruppen und Glockenbecher sich im Großraum Germanien mischten. Siehe "Tatort Eulau"
Glockenbecher übernahmen dabei zahlreiche Gebiete auf denen zuvor Schnurkeramiker saßen. In Mitteleuropa überlappen sich also Glockenbecher und Schnurkeramiker, benutzen die selben Kreisgrabenanlagen, erbauten oder nutzten die selben Megalithgräber und vermischten sich offenbar. Sie setzten einheimische Tradition an Kultorten fort, die sie selbst nicht angelegt haben, entwickelten sie weiter.
Das spricht für Kooperation und Integration der Glockenbecher in die bereits ansässigen Kulturen die sie dann nach und nach dominieren. Sicher nicht immer ganz friedlich.
Insofern ist anzunehmen das diese mitteleuropäische Glockenbecherkultur die Sprache der Schnurkeramiker übernommen und warscheinlich um ihre eigene Sprache erweitert haben. Und das verbreiteten sie.

Zur selben Zeit tauchen Pferde in Europa auf.
Meiner Meinung nach sind Glockenbecher daher vor allen Dingen eines - fahrende Händler.
Es tauchen Produkte von England (z.b. Zinn) und Iberien in Mitteleuropa auf, andersrum gelangen Produkte Mitteleuropas nach Iberien und England. Die enorme Verbreitung der Glockenbecher innerhalb kurzer Zeit spricht für ein Handelsnetz basierend auf neuartige Wagen und Pferde.

Gleichzeitig etabliert sich aber auch in Osteuropa ein Handelsnetz das von Schnurkeramikern getragen wird und von Mitteleuropa bis zum Schwarzem Meer und der Volga reicht, wo es auf Asiaten trifft und dort wenig später durch indoiranische Skythen ein Asiatisches Handelsnetz entsteht. Es überlagert auch die alte Donaukulturen, die sich nun ihrerseits entlang der Adria nach Italien, ins östliche Mittelmeer und Richtung Schwarzes Meer ausbreiten.
Die Genetik der Schnurkeramiker verbreitet sich in Osteuropa und bleibt bis zur Hallstattzeit relativ stabil.
Es gibt eine regelrechte Blüte von Höhenanlagen die offenbar Handelswege überwachten.

Händler transportieren Sprache, Neuigkeiten, Mythen, Erfindungen, Technologien. Und durch Lehnworte und Handelsniederlassungen, Bevölkerungszuwachs usw. entsteht in mitten in Europa ein indoeuropäischer Sprachraum der immer größer wird, je weiter die Handelsnetze wachsen.

Europa ist also in ein Ost- und ein Westliches Handelsnetz organisiert, das sich in Germanien überlappt und im Südosten an das Handelsnetz des östlichen Mittelmeeres stößt, wo die Protogriechen (Minoer, Mykener) Ideen aus der Levante und Anatolien übernehmen und das östliche Mittelmeer zum kulturellen Erblühen bringen. Vielleicht hatte auch Iberien seine Blüte denn es gibt Hinweise auf Handelskontakte mit Nordafrika.
Dietrich hat geschrieben: Slawisch ist ein eigenständiger Hauptzweig der indoeuropäischen Sprachfamilie. Die Ethnogenese der Slawen liegt genauso im Dunkeln wie die der Germanen, Griechen oder Kelten. Vermutlich entwickelte sich die slawische Sprache in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende. Mit den Schnurkeramikern hat das allerdings wenig zu tun, die lebten etwa 1500 Jahre vor der vermuteten Entstehung slawischer und germanischer Identitäten.
Ich bezweifle nicht das slawisch ein eigenständiger Hauptstamm der indoeuropäischen Sprachfamilie ist, davon gibts einige ;-) Ich versuche nur Licht ins Dunkel zu bringen, wie, wo und wann diese Hauptstämme entstanden. Und weil - wie du erwähnst - Slawen 2500 Jahre nach den Schnurkeramikern auftauchen, sind sie ein ausgesprochen junger Ast am indogermanischem Sprachbaum aus einer Zeit als es Indogermanisch gar nicht mehr gab.

Dietrich hat geschrieben:
james hat geschrieben: Das fällt genau mit der Hallstatt-Kultur, den Seevölkern, der Phönizisch und griechischen Kolonisierung und dem Zusammenbruch der Großreiche im Orient zusammen. Ein bisschen viel Zufall finde ich.
Vielmehr gehe ich von einer massiven Veränderung der Sprachwelt des damaligen Europas aus.
Das heisst es gab vor der 1. Germanischen Lautverschiebung noch mehrere davor, die mit großer kulturellen Veränderung einher gingen.
Es ist wirres Zeug, was du hier erzählst.
Na wenn du das so genau weisst, wirds natürlich stimmen...
Phönizier, griechische Kolonien, Seevölker, Zerstörungshorizonte - alles nur ausgedacht ;-)
Dietrich hat geschrieben: Die indoeuropäischen Sprachen gliederten sich seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. aus dem Proto-Indoeuropäischen aus, wobei ihr Eintritt in die schriftliche Überlieferung sehr unterschiedlich ist. Als früheste schriftliche Quelle einer indoeuropäoschen Sprache finden wir das Hethitische etwa um 1600 v. Chr., wenig später das mykenische Frühgriechisch, überliefert in den Täfelchen in Linear-B-Schrift.
Was natürlich beweist das sich Romanische, Keltische, Slawische und Indoiranische Sprachen im 3. Jahrtausend ausgliederten...Kannst du mir dafür einen Anlass, einen Grund, eine Ursache nennen?
Kannst du die Existenz verschiedener Sprachenstämme in Europa zu dieser Zeit eindeutig beweisen oder ist
der Beweis nur eine Theorie? Und wo siedelst du denn diese Ursprach-Regionen an?

Wissen ist nur der aktuelle Stand der Unwissenheit. Wissenschaft hat eine lange Tradition von Irrtümern.
Was "alle" glauben zu wissen, ist noch lange kein Beweis, sondern eher Glauben.
Ich denke das der wesentliche Schub der zur Aufspaltung des Indogermanischem in Europa führte, durch das massive Auftauchen neuer Völker ausgelöst wurde.
Dietrich hat geschrieben: Archäologisch wird die keltische Kultur frühestens mit der Hallstatt-Kultur ab etwa 800 v. Chr. fassbar, obwohl es sich dabei noch nicht um eine typisch keltische Kultur handelt. Die entwickelt sich erst ab etwa 450 v. Chr. mit der Latène-Kultur. Die früheste germanische Kultur wird mit der Jastorf-Kultur etwa um 600 v. Chr. in Norddeutschland identifiziert. Indoeuropäische italische Völker werden seit etwa 1300 v. Chr. auf der Apennin-Halbinsel angenommen (obwohl das umstritten ist). Erste Schriftzeugnisse liegen im Latein der latinischen Bevölkerungsruppe vor. Die früheste Form des Lateinischen, das Frühlatein, ist nur in einigen Inschriften wie dem Lapis Niger oder der DUENOS-Inschrift aus dem 6. oder 5. Jh. v. Chr. greifbar.
Das ist aber alles überwiegend im 1. Jahrtausend. Ich denke die sollen im 3. Jahrtausend entstanden sein?
Dietrich hat geschrieben: Was die Seevölker betrifft, so ist deren Identität unbekannt und umstritten. Ihr Einfall in die östliche Mittelmeerwelt fällt zusammen mit dem Zusammenbruch einiger Reiche und Kulturen wie vor allem dem Untergang des Reichs der Hethiter und dem Ende der mykenischen Stadtstaaten und ihrer feudalen aristokratischen Kultur. Die Ursachen, die zum Untergang dieser Staaten führten, sind umstritten und werden kontrovers diskutiert. Genannt werden Bürgerkriege, klimatische Ursachen verbunden mit Dürreperioden, Implosion staatlicher Strukturen, Aufstände unterdrückter Bevölkerungen, Einbruch fremder Völker usw. Heute nimmt die Forschung an, dass ein komplexes Bündel dieser Faktoren den Untergang besiegelt hat. - Einige vermuten, dass die Umwälzungen in Anatolien Ursache für die Flucht einiger Bevölkerungsgruppen waren, die später als "Etrusker" in Italien siedelten. Diese Hypothese lässt sich allerdings nicht erhärten und wird durchaus bestritten.
Das ist mir bekannt. Und deshalb glaube ich das dies die Ursache für die massive Aufspaltung des Indogermanischem ist.
Weil es einfach passt. Zudem taucht jede Menge Genetik aus diesen Regionen plötzlich überall in Europa auf.
Dietrich hat geschrieben:
james hat geschrieben:ein bronzezeitlicher Bauer kam vermutlich locker mit der Hälfte oder noch weniger aus. Prä-Germanisch muss also in dem Teil der Sprache stecken, der von anfang an Teil der Umwelt war.
Welche Sprache ein "bronzezeitlicher Bauer" in Mitteleuropa sprach, ist völlig unbekannt. Vermutlich sprach er ein indoeuropäisches Idiom, doch wie sich das zusammensetzte, weiß niemand. Alle diesbezügliche Spekulationen sind Kaffeesatzleserei. Wie und wann sich Proto-Keltisch oder Proto-Germanisch aus dem indoeuropäischen Kontinuum herauskristallisierten, ist unbekannt.
Und trotzdem weisst du das sich die indogermanischen Sprachstämme im 3. Jahrtausend in Proto-Keltisch, Proto-Germanisch, Proto-Romanisch, Proto-Slawisch usw. aufspalteten. Hast du das auch im Kaffeesatz gelesen?
Dietrich hat geschrieben: Welche germanische Sprache die älteste ist, vermag niemand zu sagen. Sie reichen alle in graue Vorzeiten zurück, aus denen keine schriftliche Überlieferung vorliegt.
Ah ja, stand das auch im Kaffeesatz?
Ich bin erstaunt was du so alles weisst. Ich glaube eben das es etwas anders war.
Das ist natürlich nur meine Theorie, geboren aus der Idee das alles eine Ursache haben muss - so auch Sprache.
Also nicht Rekonstruktion sondern archäologische Kulturausbreitung gekoppelt mit genetischem Austausch.

Wir können aufgrund der Sprachgesetze ein bisschen Urgermanisch restaurieren, aber das stellt
eine "Käseglocken-Idealversion" dar. Manche dieser Rekonstruktionen sind kaum auszusprechen...

Grundsätzlich gehen Linguisten von einer allmählichen Veränderung der Sprache aus, ein "Auseinander entwickeln"
nach Gesetzmäßigkeiten. So unterteilt man sie in Sprachstufen.
Sie schmeissen also alle indogermanischen Worte in einem Topf, rühren kräftig mit ihren Sprachgesetzen um
und fischen sich das das aus, was am ehesten dazu passt. Kling nach einem gutem Rezept...
In diesem Indogermanischem Topf landet z.B. jede Menge Romanisch. Gab es das schon?
Die römische Überlieferung beginnt mit einer Reise übers Mittelmeer und einer Ankunft bei den Latinern.
Das ist die Geschichte die uns von Menschen überliefert wurde, die vor mehr als 2000 Jahren Teil dieser Kultur waren.

Und eine mathematisch korrekte Sprachabstandsberechnung kann auch nur dann stimmen,
wenn man alle Sprachen einbezieht. Und genau darin liegt das Problem. Oft sind es nur Trümmer
von Sprachen vorhanden und es ist noch nicht mal sicher ob das Sprachen sind.
Beim Thrakischem wurde schon alles mögliche gefunden, vom albanisch, skythisch, griechisch und nun eben polnisch.
Und Rekonstruktionen nach dem Topfprinzip einzubeziehen verfälscht das Ergebnis weiter.

Die Schwaddish-Liste die für derartige Berechnungen des Sprach-Abstandes benutzt wird,
sieht nur ein einziges deutsches Wort für "Rad" vor.
Aber wir haben im Deutschen mehrere Möglichkeiten ein Rad zu beschreiben.
Es ist rund, es rollt, es kullert, ein überdimensionaler Diskus, ein Reifen, ein Ring usw.
Die slawische "Kuller" ist problemlos mit der griechischen und der germanischen Kuller zu verbinden.
Aber die ist in der Schwaddish-Liste nicht enthalten.
Stattdessen wird das deutsche Rad mit dem englische Wheel und der griechischen Kuller verglichen.
Und dann kommt eventuell sowas wie Kwellra heraus. Wendet man noch Sprachgesetze an, wirds noch
weiter verbogen.

Es gibt also durchaus Gründe diese Standartmethoden der Linguistik anzuzweifeln.
Neue Linguistische Methoden gibt es kaum, nur das Computer die Berechnungen übernehmen.

Sprache kann sich sehr sprunghaft verändern und dann lange Zeit relativ stabil bleiben.
So entwickelt sich das Tschecheslovakische erst seit 25 Jahren zu einem Slowakisch und Tschechisch auseinander.
Prompt werden sie als zwei Sprachen wahrgenommen und behandelt. Aber die verstehen sich genauso gut wie Österreicher und Deutsche und die gibt es schon einige Jahrhunderte länger und ist stabil.
Komischerweise sagt niemand "Österreicher sprechen Österreichisch".

Die deutsche Sprache hat regelrecht invasive Einbrüche von fremden Sprachen erlebt, von Jüdisch, von Hugenotten, von Römern, von Slawen und jeder dieser Einbrüche ist fast immer mit dem Auftauchen neuer Einwanderer verbunden.
Sie alle haben Deutsch zu dem gemacht was es heute ist, eine gigantische Ansammlung von Lehnworte die mittels einem Basiswortschatz miteinander verbunden werden. Das bedeutet aber nicht das die herum rannten und jedem Bach in Ostdeutschland ihren slawischen und jedem Bach in Süddeutschland ihren keltischen Namen drauf drückten und die armen Eingeborenen dann ihren Bach umbenennen mussten.
Und wieso sich das Wort "Ural" ausgerechnet aus Latein entwickelt haben soll, von dem die Römer praktisch keine Vorstellung hatten, ist mir äußerst dubios.
Also Ethymologie, Hydrotopographie usw. ist auch recht fehlerbehaftet.
Sicher gibt es da interessante Erkenntnisse aber auch viel Schwachsinn.

Diesen Methoden der Linguistik sind die Basis für eine glaubwürdige Rekonstruktion.
Nunja, ich weiss nicht ob das alles so stimmt...Ich bin kein Linguist. Aber es gibt zahlreiche
moderne Worte, würde man diese Methoden dort anwenden, käme man zu äußerst merkwürdigen Ergebnissen.

Aber nett das wir mal drüber geplaudert haben... :clap:
Dietrich
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james hat geschrieben: Vor allen Dingen die Populationsgenetik schmeisst ein Standartwissen nach der anderen über den Haufen.
Stonehenge nicht von Kelten erbaut, die Anfänge der Astronomie nicht im Orient, Pferde von Nomaden der Steppe domestiziert usw.
Was du hier erzählst ist ein alter Hut. Dass Stonehenge nicht von Kelten erbaut wurde, zählt zum Standardwissen jedes interessierten Laien. Das gilt ebenso für die Domestizierung des Pferdes in den Steppen nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meers durch nomadischen Bevölkerungsgruppen.
james hat geschrieben:Die Linguistik hinkt meiner Meinung nach völlig hinterher. Es gibt ein paar Leute die vorpreschen und
dafür viel Prügel beziehen. Aber die bringen neue Impulse.
Der Phönizische Einfluss auf Europa war zweifellos vorhanden, keltisch dagegen halte ich eher für eine Mode,
so wie Kaugummi, Fastfood und Jeans. Nicht jeder der eine Jeans an hat, ist ein Ami.
Die Frage ist nur, wie interpretiert man das richtig? Folgt man einer "allgemeinen Meinung" oder stellt
man sich die Frage: "Was spricht dafür und was dagegen?" Das ist wie bei den Medien: Glaub ich das, weil es Profis geschrieben haben, oder les ich auch .
Das sind alles nicht diskutierbare Gemeinplätze.
james hat geschrieben:Das Glockenbecherphänomen entsteht archäologisch im äußersten Südwesten von Iberien, wird aber offenbar von Iberien über Südfrankreich an Mitteleuropa weiter gegeben. Da liegt noch einiges im Argen, z.B. wie sie nach Iberien gelangten und woher sie kamen.
Die früher angenommene Herkunft der Glockenbecherkultur aus Spanien wurde von neueren Forschungen bezweifelt. Ihr Ursprung ist zumindest umstritten.

"Den Ursprung der Glockenbecherkultur suchen einige Forscher, wie E. Sangmeister, in Spanien und Portugal (Zambujal), andere in der Kontaktzone zur Schnurkeramik am Niederrhein] Wieder andere verweisen auf Ungarn, den östlichen Rand des Verbreitungsgebietes, und die Vučedol-Kultur."
james hat geschrieben:Belegt ist auch z.B. das Stonehenge nicht von Glockenbecher, sondern einer vorhergehenden Kultur angelegt wurde, die (vermutlich) aus Mitteleuropa kam, wo Kreisgrabenanlagen schon seit den Linearbandkeramikern existierten.
Gerade in letzter Zeit gibt es aufregende Entdeckungen dazu. Der Bogenschütze der gefunden wurde kam ja aus dem Alpenraum. Das sind relativ neue Erkenntnisse..
Im allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Britischen Inseln erst nach Abschmelzen des Eisschildes besiedelt werden konnten, also ab etwa 9000 v. Chr. Zu dieser Zeit gab es eine breite Landverbindung zwischen Britannien und dem Kontinent, auf der mesolithische Jäger, Sammler und Fischer vorwiegend aus dem westeuropäischen Raum (heutiges Frankreich und Spanien) einwanderten. Diese mesolithische Bevölkerung bildete also den Grundstock der britischen Bevölkerung, den in den späteren Jahrtausenden neolithische "early farmers", "Beaker people" (Glockenbecherleute), Kelten und andere Bevölkerungsgruppen überschichteten.

Es scheint demnach eine altansässige Bevölkerung gegeben zu haben, deren Grundstock bis in die frühe nacheiszeitliche Periode zurückgeht. Etwa um 4000 v. Chr. erfolgte dann die Neolithisierung Britanniens. Ob damals frühe Ackerbauern (early farmers) vom Festland auf die Insel einwanderten oder ob es lediglich einen Kulturtransfer gab, ist umstritten. Vor allem auch, ob es sich um eine zahlenmäßig größere Zuwanderung handelte.

Ab etwa 2500 v. Chr. gab es eine gut nachweisbare Einwanderung durch Leute der Glockenbecherkultur (Beaker-People), die die Kenntnis der Metallverarbeitung mitbrachten. Auch hier ist umstritten, in welcher Größenordnung man sich die Migration der Glockenbecherleute vorzustellen hat.

Was aus dieser Bevölkerungsfusion hervorging, repräsentiert die britische Bevölkerung, die Stonehenge errichtete
. Es mag jedoch sein, dass bereits die vorangehende jungsteinzeitliche Bevölkerung mit der Errichtung von Megalithbauten begann, denn die erste Phase von Stonehenge wird auf etwa 3000 v. Chr. datiert.
james hat geschrieben:Was natürlich beweist das sich Romanische, Keltische, Slawische und Indoiranische Sprachen im 3. Jahrtausend ausgliederten...Kannst du mir dafür einen Anlass, einen Grund, eine Ursache nennen?
Kannst du die Existenz verschiedener Sprachenstämme in Europa zu dieser Zeit eindeutig beweisen oder ist
der Beweis nur eine Theorie? Und wo siedelst du denn diese Ursprach-Regionen an?
Die Sprachwissenschaft geht davon aus, dass sich die indoeuropäischen Einzelsprachen ab dem 3. Jtsd. v. Chr. aus der indoeuropäischen Ur- oder Grundsprache ausgliederten. Der bekannte Sprachwissenschaftler Harald Haarmann sagt dazu:

"Die Ausgliederung der indoeuropäischen Sprachen in regionale Gruppierungen mit einer unterschiedlichen Zahl von Einzelsprachen war ein langwieriger Prozess, der im 3. Jahrtausend v. Chr. begann."
(Harald Haarmann, Lexikon der Sprachen, München 2001/2002, S. 172)

Ursache dafür ist die Ausbreitung indoeuropäischer Bevölkerungsgruppen über weite Teile Europas, wobei sich durch Vermischung der proto-indoeuropäischen Sprache mit regionalen Idiomen der autochthonen Bevölkerung die seit der Antike bekannten Einzelsprachen herausbildeten.
james hat geschrieben:Das ist aber alles überwiegend im 1. Jahrtausend. Ich denke die sollen im 3. Jahrtausend entstanden sein?
Die Sprachwissenschaft sagt, dass sich die Ausgliederung indoeuroäischer Einzelsprachen ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. vollzog und dass das ein "langwieriger Prozess" war (s. oben). Dabei ist das erstmalige Auftauchen einer Schriftquelle nicht identisch mit der Entstehung einer Sprache. So liegen hethitische Schriftquellen ab 1600 v. Chr. vor, obwohl die Hethiter bereits Jahrhunderte zuvor archäologisch fassbar sind. Die germanischen und keltischen Sprachen haben sich vermutlich erheblich später entwickelt, jedoch mi Sicherheit vor dem erstmaligen Auftreten schriftlicher Quellen.
james hat geschrieben:Das ist mir bekannt. Und deshalb glaube ich das dies die Ursache für die massive Aufspaltung des Indogermanischem ist.
Weil es einfach passt. Zudem taucht jede Menge Genetik aus diesen Regionen plötzlich überall in Europa auf.
Ob es "passt" oder nicht, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls, dass die Archäologie keinerlei Hinweise auf eine indoeuropäische Identität der Seevölker gefunden hat. Man könnte allenfalls vermuten, dass ein Bevölkerungsdruck von Norden ägäische Bevölkerungsgruppen - die so genannten "Seevölker" - zur Verlagerung ihrer Sitze und zu Raubuügen veranlasst hat. Aber auch das bleibt bloße Spekulation.
james hat geschrieben:Und trotzdem weisst du das sich die indogermanischen Sprachstämme im 3. Jahrtausend in Proto-Keltisch, Proto-Germanisch, Proto-Romanisch, Proto-Slawisch usw. aufspalteten. Hast du das auch im Kaffeesatz gelesen?.
Ich kann nur wiederholen, was ich bereits oben dazu sagte:

Die Sprachwissenschaft geht davon aus, dass sich die indoeuropäischen Einzelsprachen ab dem 3. Jtsd. v. Chr. aus der indoeuropäischen Ur- oder Grundsprache ausgliederten. Der bekante Sprachwissenschaftler Harald Haarmann sagt dazu:

"Die Ausgliederung der indoeuropäischen Sprachen in regionale Gruppierungen mit einer unterschiedlichen Zahl von Einzelsprachen war ein langwieriger Prozess, der im 3. Jahrtausend v. Chr. begann."
(Harald Haarmann, Lexikon der Sprachen, München 2001/2002, S. 172)

In diesem Zusammenhang gab es frühe und späte Sprachtransformationen, wobei genaue Zeitangaben natürlich hypothetisch bleiben.
james hat geschrieben:Wir können aufgrund der Sprachgesetze ein bisschen Urgermanisch restaurieren, aber das stellt
eine "Käseglocken-Idealversion" dar. Manche dieser Rekonstruktionen sind kaum auszusprechen...
Ab wann sich aus dem indoeuropäischen Sprachkontinuum ein Vorläufer des Germanischen herausbildete, ist ungewiss. Ein so genanntes "Urgermanisch" wird ab etwa 500 v. Chr. im Bereich der Jastorfkultur angenommen. Ein "Prägermanisch" - also den vorangehenden Sprachzustand - setzen manche bereits Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. an.

Die alte Tante Wiki sagt dazu:
Die "obere" (frühe) Grenze des Prägermanischen bildet dessen Ausgliederung aus dem westlich-indogermanischen Dialektkontinuum. Angesichts der großen Unterschiedlichkeit der italischen Sprachen bereits zu Beginn von deren Überlieferung etwa im 6. Jahrhundert vor Christus, muss sich diese Sprachgruppe bereits im frühen 2. Jahrtausend vor Christus in die drei Hauptzweige (Prä-)Italisch, (Prä-)Keltisch und Prägermanisch aufgegliedert haben. Aufgrund einer Reihe als alt erkennbarer italisch-keltischer Gemeinsamkeiten geht man davon aus, dass zunächst die spätere germanische Sprachgruppe sich aus diesem Verband löste, bevor ein paar Jahrhunderte später die italische und keltische Sprachgruppe eine je eigene Entwicklung nahm.

Als "untere" (späte) Abgrenzung des Prägermanischen gilt die Erste Lautverschiebung, die den Übergang vom Prägermanischen zum Protogermanischen (Urgermanischen) markiert. Dessen spätere Grenze schließlich ist die Aufgliederung in die germanischen Einzelsprachen um die Zeitenwende oder bald danach.
Prägermanisch ?
Es ist offensichtlich, dass ein auch nur annähernd genauer Zeitraum, in dem sich die Ausgliederung des Germanischen aus dem indoeuropäischen Sprachkontinuum vollzogen hat, nicht genannt werden kann. Als relativ gesichert kann lediglich gelten, dass etwa um 500 v. Chr. in Norddeutschland und Südskandinavien ein frühes Germanisch gesprochen wurde.
Ruaidhri
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Dietrich hat geschrieben:Die früher angenommene Herkunft der Glockenbecherkultur aus Spanien wurde von neueren Forschungen bezweifelt. Ihr Ursprung ist zumindest umstritten.
Interessant bis sogar erheiternd zu lesen, nicht ohne sich an die eigene wissenschaftliche Nase zu fassen:
http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jn ... e/view/112
Diese mesolithische Bevölkerung bildete also den Grundstock der britischen Bevölkerung, den in den späteren Jahrtausenden neolithische "early farmers", "Beaker people" (Glockenbecherleute), Kelten und andere Bevölkerungsgruppen überschichteten.
Dazu auch ganz aufschlussreich:
http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jn ... le/view/23
an gleichem Ort quite British:
http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jna/issue/view/24
Was aus dieser Bevölkerungsfusion hervorging, repräsentiert die britische Bevölkerung, die Stonehenge errichtete. Es mag jedoch sein, dass bereits die vorangehende jungsteinzeitliche Bevölkerung mit der Errichtung von Megalithbauten begann, denn die erste Phase von Stonehenge wird auf etwa 3000 v. Chr. datiert.
Sowie es aussieht, gab es Vorläufer, ein sehr erstaunliches Phänomen der Frühzeit, in der es einerseits Räume mit einer sehr spezifischen Entwicklung gab, andererseits aber kulturelle Querverbindungen wahrscheinlich waren.
James hat geschrieben:Der Norden Europas der hier so gerne als isoliert betrachtet wird, ist im Fall von England mit Glockenbechern überrannt und im Fall von Skandinavien mit Schnurkeramikern geflutet.
Von Flutung und Überrennen kann auch nach neuem Stand nicht die Rede sein.
Der Norden Europas wird weder hier noch in der Forschung isoliert betrachtet, allerdings ist die Periodisierung abweichend von der west/ mitteleuropäischen.
https://www.academia.edu/1191157/Die_ab ... andinavien
Was denn die Klärung der Dinge archäologisch wie linguistisch nicht einfacher macht.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben:
Dietrich hat geschrieben:Die früher angenommene Herkunft der Glockenbecherkultur aus Spanien wurde von neueren Forschungen bezweifelt. Ihr Ursprung ist zumindest umstritten.
Interessant bis sogar erheiternd zu lesen, nicht ohne sich an die eigene wissenschaftliche Nase zu fassen:
http://www.jna.uni-kiel.de/index.php/jn ... e/view/112
Besten Dank für den interessanten Link! :wink:

Wie ich oben schon schrieb, wird die alte Spanien-Hypothese zur Herkunft der Glockenbecherleute von der modernen Archäologie kaum noch geteilt.
Ruaidhri hat geschrieben:Sowie es aussieht, gab es Vorläufer, ein sehr erstaunliches Phänomen der Frühzeit, in der es einerseits Räume mit einer sehr spezifischen Entwicklung gab, andererseits aber kulturelle Querverbindungen wahrscheinlich waren.
Je intensiver Archäologen dort graben desto wahrscheinlicher wird es, dass die Region um Stonehemnge ein uralter Kultplatz war, dessen Verehrung weit in graue Vorzeiten hineinreicht.

Aber warum gerade dort? Diese Frage ist bis heute ungeklärt.
Ruaidhri
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Dietrich hat geschrieben:Aber warum gerade dort? Diese Frage ist bis heute ungeklärt.
Ob es an der Lage und der doch sehr eigenen Landschaft liegt?
Führt aber jetzt vom Thema zu weit weg.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
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