Worauf bezieht sich der karthagische Frieden?

Das römische Reich war maßgebend für die weitere Entwicklung Europas: Republik, Kaiserreich, Caesar, Augustus

Moderator: Barbarossa

Necron
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Auf welches historische Ereignis bezieht sicher der "karthagische Frieden"? Auf wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Karthagischer_Friede) wird es nicht ganz deutlich. Der Frieden nach der Schlacht von Zama 202 v.Chr war hart, aber trotzdem konnte Karthago in gewisser Weise wieder "aufblühen". Nach dem dritten Punischen Krieg wurde es zerstört.
Marianne E.
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Der Begriff "Karthagischer Friede" ist ein Synonym für einen Frieden, der dem besiegten Gegner einen Zwangsfrieden auferlegt, ihn damit aber zugleich in seinem Fortbestand stranguliert.
Man nennt das dann auch, der soll "nicht mehr auf die Beine kommen".

Rechtsnationale Kreise benutzten diese Formulierung auch für den Vertrag von Versailles.
Es gibt dazu eine Schrift von Eberhard Kolb aus dem Jahre 2002 mit dem Titel "Die Weimarer Republik", Wissenschaftsverlag Oldenburg.
Necron
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Danke für die Antwort. Aber: Wenn man als Blaupause für den karthagischen Frieden den Frieden nach dem zweiten Punischen Krieg nimmt, kann man den Versailler Vertrag ja auch als diesen bezeichnen. Denn wie Karthago kam auch das Deutsche Reich wieder auf die Beine.
Bezeichnet man die Zerstörung Karthagos nach dem dritten Punischen Krieg so, dann ist der Versailler Vertrag nicht als solcher zu bezeichnen, denn das Deutsche Reich kam wieder auf die Beine, Karthago wurde nach dem dritten Punischen Krieg vollkommen zerstört.
Marianne E.
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Ihrer Argumentationskette kann ich folgen, wenn auch nur bedingt.

Wenn man geschichtliche Ereignisse analysieren will, sollte das in einem ersten Schritt vergangenheitsbezogen geschehen. Bewertungen sind abhängig von der jeweiligen Epoche und den damaligen politischen Gegebenheiten.

Erst in einem zweiten Schritt kann bzw. darf der Bezug zu heutigem Wissen hergestellt werden.

Eine andere Vorgehensweise verfälscht nicht nur den geschichtlichen Hintergrund, auch das Verstehen wird schwierig.

Und zum Versailler Vertrag wäre noch zu sagen, der Begriff "Karthagischer Frieden" wurde nur von deutschen Revanchisten, Rechtspopulisten verwandt.
Necron
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Gehen wir aber einem davon aus, dass ein Rechtspopulist den Versailler Vertrag als einen "karthagischen Frieden" bezeichnet und sich auf den Friedensschluss von 201.v.Chr bezieht. Der Friedensvertrag von 201 v.Chr war in der Tat hart, letztlich hat es Karthago aber geschafft, insbesondere wirtschaftlich wieder an Kraft zu gewinnen. Auch das Deutsche Reich hat es geschafft, nach harten Friedensbedingungen wieder "zuzulegen". Somit ist der Vergleich doch in Ordnung?!
Bezöge diese Person sich aber auf die Zerstörung Karthagos 146 v.Chr., läge er falsch. Denn tatsächlich war Karthago nach 146 v.Chr. kein Vasallenstaat Roms mehr, sondern so gesehen vom Erdboden verschwunden. Es wurde zerstört. Das Deutsche Reich hingegen nahm wieder an Fahrt auf.
Ich finde es dementsprechend schon wichtig, ob man sich auf das Ende des zweiten oder dritten Punischen Krieges bezieht.
Feldwebel57
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Ich sehe zwischen beiden Verträgen keinen Zusammenhang .
Versailles sollte einen neuen Krieg verhindern .
Marianne E.
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Feldwebel57 bringt es auf den Punkt mit
Ich sehe zwischen beiden Verträgen keinen Zusammenhang .

Versailles sollte einen neuen Krieg verhindern .
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Balduin
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Hallo Necron,

Marianne hat die Begrifflichkeit völlig korrekt erklärt - beziehen dürfte sich der Ausdruck „karthagischer Frieden“ auf den 2. punischen Krieg.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde in der rechtsnationalen beziehungsweise rechtsextremen Propaganda das Schicksal Karthagos nach dem 2. punischen Krieg als Warnung verwendet: Kern war, dass Deutschland eine ähnliche Entwicklung bis hin zur Vernichtung wie Karthago drohen könnte.

Dabei ist aber bei der Auslegung und einem Vergleich zu beachten, dass die damaligen Kräfte gerade keinen historisch korrekten Vergleich vornehmen wollten - vielmehr wurde eine Instrumentalisierung betrieben.

Ich kann in diesem Zusammenhang für eine wirklich gründliche Recherche diese wissenschaftliche Schrift empfehlen: https://d-nb.info/969247559/34 - dort insbesondere S. 226 ff.
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Marianne E.
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Guten Abend Balduin und Danke für den Hinweis auf diese Schrift.
Ich kann in diesem Zusammenhang für eine wirklich gründliche Recherche diese wissenschaftliche Schrift empfehlen:https://d-nb.info/969247559/34- dort insbesondere S. 226 ff.
Ist es denkbar, das Kapitel 4.2 (Seite 212 - 226) hier zu veröffentlichen? Titel:  "Die Problematik des Ausbruchs des 2. Punischen Krieges vor dem Hintergrund der Kriegsschulddebatte der Weimarer Republik"
Eine saubere Recherche, wenn ich das einmal ohne jeden Hochmut so sagen darf.

Ich habe im Augenblick erfreulicherweise sehr viel Arbeit und komme leider nicht dazu, den Text zu erarbeiten und zu zitieren. Es würde sich unbedingt lohnen.
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Marianne E. hat geschrieben:Guten Abend Balduin und Danke für den Hinweis auf diese Schrift.
Ich kann in diesem Zusammenhang für eine wirklich gründliche Recherche diese wissenschaftliche Schrift empfehlen:https://d-nb.info/969247559/34- dort insbesondere S. 226 ff.
Ist es denkbar, das Kapitel 4.2 (Seite 212 - 226) hier zu veröffentlichen? Titel:  "Die Problematik des Ausbruchs des 2. Punischen Krieges vor dem Hintergrund der Kriegsschulddebatte der Weimarer Republik"
Eine saubere Recherche, wenn ich das einmal ohne jeden Hochmut so sagen darf.

Ich habe im Augenblick erfreulicherweise sehr viel Arbeit und komme leider nicht dazu, den Text zu erarbeiten und zu zitieren. Es würde sich unbedingt lohnen.
Hallo Marianne,
hierfür müsste man Kontakt mit der Autorin aufnehmen. 
Du kannst Dir ja die Schrift merken und - falls du irgendwann einmal Zeit und Lust finden solltest - die Erwägungen und Thesen zusammenfassen und vorstellen. Aber es ist ja bereits sehr erfreulich, dass die Arbeit vollständig auf der Webseite der Deutschen Nationalbibliothek veröffentlicht wurde. 
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Marianne E.
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Guten Morgen Balduin,
Du arbeitest am 1. Mai? Ich auch und werde gleich versuchen, die Arbeit zu speichern. Darf ich das?
Bisher war es immer so, dass die Verlage so etwas unter Umständen erlaubt haben; manchmal nur für 4 Wochen, aber das reichte auch.

Meine Literatur über die Weimarer Republik und den 1. Weltkrieg ist schon etwas älter, so dass ich auf Aktuelles neugierig bin. Bisher habe ich allerdings noch nicht festgestellt, dass die "Alten" inzwischen unrichtig sind.
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Balduin
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Marianne E. hat geschrieben:Guten Morgen Balduin,
Du arbeitest am 1. Mai? Ich auch und werde gleich versuchen, die Arbeit zu speichern. Darf ich das?
Bisher war es immer so, dass die Verlage so etwas unter Umständen erlaubt haben; manchmal nur für 4 Wochen, aber das reichte auch.
Für private und wissenschaftliche Zwecke dürfte das kein Problem darstellen. Auf der Webseite darf man die Arbeit allerdings nicht ohne Erlaubnis veröffentlichen - da wirkt dann das Urheberrecht. Aber eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zitaten dürfte ohne weiteres möglich sein.
Ich wünsche einen schönen Feiertag!
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