Untergang des Römischen Reichs

Das römische Reich war maßgebend für die weitere Entwicklung Europas: Republik, Kaiserreich, Caesar, Augustus

Moderator: Barbarossa

Dietrich
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Der Untergang Westroms ist ein vielschichtiges und mehrdimensionales Problem, bei dessen Entwirrung Schlachten und Armeen nur einen Faktor von mehreren bilden.

In der Spätantike und im Mittelalter sah man mögliche Erklärungen im Verfall alter römischer Werte und Tugenden und in der Vergänglichkeit irdischer Macht. Ein Staat, so glaubte man, würde wie ein lebender Organismus nach der Geburt einen kraftvollen Höhepunkt erreichen, schließlich aber dem Zerfall und einem unaufhaltsamen Tod entgegengehen (Dekadenztheorie).

Dieses Denken in moralischen und christlichen Kategorien hat die moderne Geschichtswissenschaft natürlich in vieler Hinsicht erweitert. Heute besteht kein Zweifel daran, dass soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme des spätantiken römischen Staats ebenso für seinen Niedergang verantwortlich sind, wie die äußere Bedrohung durch die germanische Völkerwanderung.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Niedergang der Landwirtschaft und eine unerhörte steuerliche Belastung, die die Kosten der Reichsverteidigung und andere staatliche Leistungen aufbringen sollte. Die Steuerreform des Diokletian verstärkte den Druck auf die Reichsbewohner, die sich inzwischen einer übermächtigen Bürokratie und unerträglichen Steuerlast gegenüber sahen. Besonders hart traf es die Landpächter, die Kolonen. Zur Verhinderung der Landflucht fesselte sie der Staat durch Gesetze an die Scholle und erzwang damit - oft vergeblich - die Bebauung des Landes und Steuerzahlungen.

Die städtischen Eliten verarmten inzwischen, da der Staat alle Leistungen auf die Kommunen abzuwälzen suchte und dafür städtische Senate und Bürgermeister in Haftung nahm. Das führte schließlich dazu, dass sich niemand mehr für den römischen Staat verantwortlich fühlte, der nur noch als immense Belastung im täglichen Leben wahrgenommen wurde.

Als nach dem Hunneneinfall germanische Völker auf die Reichsgrenzen vorrückten, trafen sie im Raum des Weströmischen Reichs auf eine zerrüttete Landwirtschaft mit unzureichender Nahrungsbasis, stellenweise entvölkerte Regionen mit unbebauten Äckern sowie niedergehende Städte. Die Armee bestand sowohl diesseits als auch jenseits der Reichsgrenze aus vielfach unzuverlässigen Barbaren - abgesehen von den Führungskadern - , und an der Spitze des Staates standen entweder Kinderkaiser, die oft korrupte oder unfähige Vormünder hatten, oder rasch wechselnde Kaiser von Gnaden des Militärs.

Diese totale Desintergration Westroms, hervorgerufen durch unterschiedliche Faktoren, bewirkte damit zwangsläufig seinen Untergang. Es ist bezeichnend, dass das Oströmische Reich, das innenpolitisch und wirtschaftlich stärker gefestigt war, noch eine weitaus längere Lebensdauer hatte.
Cherusker
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Rom war auch schon vorher in der Gefahr "unterzugehen". Nur hatten es die Römer in den Jahrhunderten geschafft sich aus den prekären Lagen zu "befreien". So hatten die Kelten Rom geplündert oder Hannibal Italien verwüstet und die Armee mehrmals geschlagen, die Kimbern und Teutonen haben Italien verschont. Trotzdem verstanden es die Römer immer wieder die Risiken abzuwehren und daraus auch noch zu lernen.
Andere Stadtstaaten wären daran zu grunde gegangen.

Dadurch, daß es aber die Römer nie geschafft haben Germanien zu erobern, war eine permante Gefahr des Untergangs immer vorhanden. Ab dem 3.Jh. wurde der Druck seitens der Germanen so groß, daß man Zugeständnisse an einzelne germanische Stämme eingehen mußte.
Ferner kam durch die enorme Ausdehnung des römischen Imperiums man zur Teilung in West- und Ostrom (Byzanz). Westrom konnte sich aufgrund des "Germanenproblems" nicht länger halten. Ostrom dagegen konnte noch Jahrhunderte weiter existieren, da die Gefahren des Orients erst mit der weiten Verbreitung des Islam aufkamen.
Dietrich
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Cherusker hat geschrieben: Ferner kam durch die enorme Ausdehnung des römischen Imperiums man zur Teilung in West- und Ostrom (Byzanz). Westrom konnte sich aufgrund des "Germanenproblems" nicht länger halten. Ostrom dagegen konnte noch Jahrhunderte weiter existieren, da die Gefahren des Orients erst mit der weiten Verbreitung des Islam aufkamen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nicht allein militärische bzw. außenpolitische Gründe für den Sturz Westroms verantwortlich waren. Ganz entscheidend kommt eine innere Auflösung und Destabilisierung hinzu, die die Regierung und Administration sowie die Landwirtschaft und die Städte erfassten.

Die Desintegration des Römischen Reiches setzt meines Erachtens nach Theodosius (379–95) ein. Er war der letzte Kaiser, der die Zügel des gesamten Reichs in seiner Hand hielt, obgleich seine Alleinherrschaft kaum ein Jahr gedauert hatte. Auf seinen Tod fogte der Prozess des Niedergangs, der nie wieder rückgängig gemacht werden konnte. Insofern steht Theodosius "der Große" an einer ganz anderen Stelle der Entwicklung als Diokletian und Konstantin.

Die von Theodosius hinterlassene Dynastie regierte im Westen bis 455, im Osten bis 450. Die Herrscher dieser Zeit erwiesen sich als politisch unfähig: Honorius (395–423) und Valentinian III. (423–455) im Westen sowie Arcadius (395–408) und Theodosius II. (408–450) im Osten zählten als politische Potenzen überhaupt nicht, sondern waren Nullen. Zudem gelangten sie alle als Kinder und Jugendliche zur Regierung. Zeitlebens kamen sie kaum über die Gemächer ihres Palastes, geschweige denn über ihre Resiedenzstadt hinaus, also über Ravenna im Westen und Konstantinopel im Osten.

Ganz fern lag ihnen der Gedanke, an die Spitze eines Heeres zu treten, und das zu einer Zeit, als der Feind nicht mehr an der Grenze stand, sondern sein Lager mitten auf dem Reichsboden aufgeschlagen hatte.– Dieser unfähigen Familie war das Geschick des Römischen Reichs in der kritischsten Phase anvertraut, die es jemals erlebt hatte.

Zu dieser politischen Unfähigkeit – ja Lähmung – an der Staatsspitze kamen die verheerenden ökonischen Daten hinzu. Die Reichsbewohner sahen sich einer unerträglichen Steuerlast gegenüber, was besonders die Landpächter, die Kolonen, traf. Zwar hatte sie der Staat durch Gesetze an die Scholle gefesselt, doch flüchteten immer mehr Menschen, sodass um 400 weite Landstriche verödet waren.

Nimmt man das alles zusammen, so standen Wirtschaft und Gesellschaft am Rande Zusammenbruchs, oder befanden sich bereits mitten darin. Die finanzielle Situation des Reichs wurde immer hoffnungsloser und die Staatsflucht äußerte sich in einer völligen politischen Apathie der Bevölkerung.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Germanenreiche auf römischem Boden – Burgunder, Ostgoten, Westgoten, Wandalen usw. – den Sturz beschleunugten, da Widerstandskräfte kaum noch vorhanden waren. Die Absetzung des letzten (west)römischen Kaisers durch Odoaker im Jahr 476 markiert eigentlich nur noch das unspektakuläre Ende eines langjährigen Prozesses
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dieter
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Die Germanen entwickelten sich zum echten Problem für das Weströmische Reich. Sie stellten den weitaus größten Anteil an den Legionären von Rom. Das ging dann soweit, dass der römische Heerführer Ottoaker den letzten römischen Kaiser Romulus Augustulus abgesetzt hatte. Ottoaker wurde dann von dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen ermordet. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Barbarossa
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Zusammenfassung einiger verlorengegangener Beiträge:


Menander » 03.02.2015, 15:59

ich würde gerne ein paar ergänzungen machen:
die etwas verkürzt als reichskrise des dritten jahrhundert bezeichnete zeit der soldatenkaiser birgt meines erachtens bereits alle hier aufgezählten probleme (inkl. germanenkriege - stichwort markomannen)! was sie vom fünften jahrundert unterscheidet ist die dazwischenliegende umwälzung der gesellschaft durch die fortschreitende christianisierung und den für die römische gesellschaft nachteiligen folgen! denn die spätestens seit Diokletian (z.b. schon Aurelianus beanspruchte göttliche ehren) festgeschriebene gottgleiche stellung des kaisers stand in direkter konkurrenz zum weltbild der christen, deren glaube nur die anerkennung des einen gott zulässt! in dem maße, in dem sich das christentium als religion durchzusetzen vermochte, wurde dieser gegensatz vertieft. Konstantin der Große, der ja selbst kein christ war, erkannte als instinktsicherer politiker, der er war, dass eine toleranzpolitik gegenüber dieser religion politisch von vorteil für ihn war (v.a. im kampf gegen den ostkaiser Licinus) . tatsächlich ist er ja dann auch das "role-model" für die neuinterpretation der rolle des römischen kaisers als stellvertreter gottes auf erden! spätestens ab dem konzil von nicäa, in der Konstantin die organisation der kirche nach vorbild des römischen beamtenapparats einläutete, entstand dem "bürgertum" eine alternative zu dem festgefahrenen system der "bindung an die scholle" (die im übrigen schon im 3.jahrhundert beginnt und viele züge des frühmittelalters vorwegnimmt)! das christentum hatte aber keine auf dauer einigende kraft, denn spätestens mit Arianus beginnt der innerlirchliche kampf (und spätestens mit Priscillian die auseinandersetzung mit der häresie)! die fortschreitende verdrängung des heidnischen teils der bevölkerung schwächte ebenso die widerstandskraft wie auch die bindung an den staat! parallel dazu entstand dem weströmischen kaiser durch den aufstieg des papsttums ein direkter konkurrent (ein kampf, der eigentlich seit Leo dem Großen zugunsten der nachfolger Petrii entschieden war)! und zu guter letzt wurden die sozialen probleme immer größer (siehe bagaudenaufstände), sodass oftmals gegen die eigene bevölkerung krieg geführt werden musste. außerdem lag der schwerpunkt der politischen macht ab beginn des fünften jahrhunderts in konstantinopel und nicht mehr in rom bzw. ravenna! und trotz aller probleme war der osten durch die größere urbanisierung und der deutlich erfolgreicheren wirtschaftlichen entwicklung standfester! außerdem glaube ich, dass die ostgrenze zu den sassaniden das bestehen einer funktionierenden zentralgewalt begünstigte!
die anziehung, die rom auf die bewohner jenseits des rheins ausübte, hat meines erachtens eher zur verlängerung der existenz westroms beigetragen. wenn man sich biographien wie z.b. die des Alarich zu gemüte führt, stellt man fest, dass die idee "rom" eine ungeheure anziehung ausgeübt hat und gerade die germanen ganz besonders davon angetan waren. noch Chlodwig hat vom oströmischen kaiser den titel konsul nur zu gerne angenommen!

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Dietrich » 03.02.2015, 16:55
Menander hat geschrieben:i
die anziehung, die rom auf die bewohner jenseits des rheins ausübte, hat meines erachtens eher zur verlängerung der existenz westroms beigetragen. wenn man sich biographien wie z.b. die des Alarich zu gemüte führt, stellt man fest, dass die idee "rom" eine ungeheure anziehung ausgeübt hat und gerade die germanen ganz besonders davon angetan waren. noch Chlodwig hat vom oströmischen kaiser den titel konsul nur zu gerne angenommen!
Die Rheingrenze wurde mehrfach attackiert und brach immer wieder einmal zusammen. Köln, Mainz und andere Orte wurden weit vor dem Ende Westroms geplündert. Zu Beginn des 5. Jh. zeichnete sich der Zusammenbruch Galliens und Niedergermaniens ab und um 450 herum war das Ende der Römerherrschaft gekommen.

Die Anziehung, die Rom auf die Barbaren ausübte, trug entscheidend zu seinem Untergang bei. Die germanischen Völker wollten am Glanz und Reichtum des römischen Imperiums teilhaben und durcbrachen in diesem Bestreben die Reichsgrenzen. Dabei hatten sie es durchaus nicht auf die Vernichtung Roms abgesehen, denn das war für die barbarischen Völker eine unvorstellbare Idee. Dass sie es durch die Errichtung ihrer Völkerwanderungsreiche dennoch taten, ist eine Ironie der Geschichte.

Ob oder wann Kaiser Konstantin sich zum Christentum bekannte, ist unsicher und umstritten. Die tendenziösen zeitgenössischen Quellen lassen keine eindeutige Entscheidung pro oder contra zu.

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Menander » 04.02.2015, 17:34

lieber Dietrich!
ich denke, du lässt da einiges außer acht:
die germanen haben spätestens seit mitte des vierten(!) jahrhunderts entscheidend zur sicherung des römischen reiches beigetragen! Constantius II. z.b. hatte eine gotische garde, in gallien war ein franke heermeister! als Theodosius (der Große) 394 am frigidus über den ursupator Eugenius siegte, lobten die da schon enorm germanenfeindlich gesinnten zeitgenossen (denen schon zu dieser zeit macht und einfluss der germanen mehr als nur suspekt waren), dass der sieg vor allem die "barbaren" das leben gekostet hätte (und nannten es ein großes verdienst des Theodosius). zu diesem zeitpunkt war die reichsverteidigung (v.a. im westen) schon weitestgehend in den händen der germanen. ohne deren dienst im (west)römischen heer wäre das reich meines erachtens schon früher untergegangen! der beginn des tatsächlichen verfalls weströmischer macht lässt sich meines erachtens daher auch nicht zufällig mit der ermordung des Stilicho (und viele der ihn unterstützenden germanischen kommandeure, kriegern und deren familien) im zuge der "säuberung" von 408/409 ansetzen (an dieser stelle verweise ich auf Tilo Janßen "Stilicho: das weströmische reich vom tode des Theodosius bis zur ermordung des Stilicho" - marburg : tectum-verlag 2004)!

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Dietrich » 04.02.2015, 17:56
Menander hat geschrieben: lieber Dietrich!
das, was du schreibst ist nur die halbe wahrheit! die germanen haben spätestens seit mitte des vierten(!) jahrhunderts entscheidend zur sicherung des römischen reiches beigetragen!
Grundlegend ist hier zu sagen, dass das römische Heer zu dieser Zeit längst barbarisiert war. Und so standen sich an der Rheingrenze durchaus Germanen in römischen Diensten und Germanen aus dem freien Germanien rechts des Rheins gegenüber. Allerdings kann ich nicht erkennen, wieso die Germanen aus dem freien Germanien zum Erhalt der Reichsgrenze beigetragen haben sollen. Sie durchbrachen sie ganz im Gegenteil immer wieder, stießen teilweise bis weit nach Gallien hinein und richteten schwere Verwüstungen an.

Es erweckt einen etwas schiefen Eindruck zu sagen, Germanen hätten zum Erhalt Roms beigetragen, wenn man damit germanische Soldaten in römischen Diensten oder germanische Heermeister meint.

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Menander » 04.02.2015, 19:44
Dietrich schrieb: "Es erweckt einen etwas schiefen Eindruck zu sagen, Germanen hätten zum Erhalt Roms beigetragen, wenn man damit germanische Soldaten in römischen Diensten oder germanische Heermeister meint"
dass die römische reichsverteidigung spätestens seit dem vierten jahrhundert ganz wesentlich barbarisiert (und das meint in den allermeisten fällen germanisiert) war, ist unbestreitbar! dass so viele germanen im römischen heer dienten, ist auf die anziehung zurückzuführen, die rom auf sie ausübte (sicherlich zunächst wirtschaftlich, aber bald darauf auch kulturell). zunächst als söldner und schon wenige jahrzehnte später als inhaber wichtiger posten in verwaltung und heer, trugen sie wesentlich zur aufrechterhaltung der romanitas bei, der viele von ihnen sie selbst anhingen! insofern lässt die these, dass ohne dem germanischen element das römische reich schon früher dem ansturm der "barbaren" erlegen wäre, meines erachtens keine schiefe optik entstehen!

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dieter » 05.02.2015, 09:22

Ihr Lieben,
wenn das Römische Heer in der Spätzeit zum großen Teil aus Germanen bestand, dann kann man auch nicht mehr von den Werten sprechen, die Rom in Zeiten der Republik und Cäsars und Augustus ausgezeichnet hatte. Das Römische Reich barbarisierte ständig, bis Otoaker dem Spuk ein Ende bereitete und den letzten weströmischen Kaiser absetzte.

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Dietrich » 05.02.2015, 13:29
Menander hat geschrieben: dass die römische reichsverteidigung spätestens seit dem vierten jahrhundert ganz wesentlich barbarisiert (und das meint in den allermeisten fällen germanisiert) war, ist unbestreitbar!


Das ist eine verengte Sicht. Natürlich dienten nicht nur Germanen im römischen Heer, sondern auch Illyrer, Thraker, Geten, Iberer, britische Kelten und andere Bevölkerungsgruppen, deren Länder Rom unterworfen hatte. Wenn wir also von einer Barbarisierung des Heers sprechen, muss man all diese Ethnien einbeziehen, aus denen sich das römische Militär zusammensetzte.

In der frühen Kaiserzeit bestand die Hauptmasse der Legionäre noch aus Italikern und romanisierten Galliern und Spaniern. Bei den Prätorianern wurde der Prozentsatz an Italikern hochgehalten, da aus ihren Reihen ein Großteil der Zenturionen des Gesamtheeres hervorging, welche die Durchdringung mit italisch-römischen Geist gewährleisten sollten. Mit Kaiser Hadrian (117-138 n. Chr.) begann die Ergänzung der Legionen aus den Grenzgebieten, in denen sie stationiert waren, sodass z.B. an der Rheingrenze mehr Soldaten germanischer Herkunft stationiert waren, als beispielsweise an der Balkangrenze. Septimius Severus (193-211 n. Chr.) löste auch die italische Prätorianergarde auf, was eine rasche "Barbarisierung" des Militärs zur Folge hatte.
Menander hat geschrieben: dass so viele germanen im römischen heer dienten, ist auf die anziehung zurückzuführen, die rom auf sie ausübte (sicherlich zunächst wirtschaftlich, aber bald darauf auch kulturell). zunächst als söldner und schon wenige jahrzehnte später als inhaber wichtiger posten in verwaltung und heer, trugen sie wesentlich zur aufrechterhaltung der romanitas bei, der viele von ihnen sie selbst anhingen! insofern lässt die these, dass ohne dem germanischen element das römische reich schon früher dem ansturm der "barbaren" erlegen wäre, meines erachtens keine schiefe optik entstehen!
Der Wunsch, im römischen Heer Dienst zu tun, war unter vielen Männern nichtrömischer bzw. romanisierter Völker verbreitet. In den von Rom eroberten Ländern arrangierten sich die einheimischen Eliten meist rasch mit der neuen Besatzungsmacht. Dafür wurde diese Schicht in das provinziale System eingebunden, die einheimische Jugensd erlernte die römische Sprache der Besatzer und ahmte Sitten und Gebräuche der Römer nach - weil es Hipp und Chic war. Schon bald arbeitete die zweite oder dritte Generation in der provinzialen Administration und tat im römischen Heer Dienst. Das ist in großen Zügen der Verlauf der Romanisierung, die von römischen Verwaltungsbeamten, Offizieren, Gutsbesitzern auf den villae rusticae und den römischen Magistraten der neu gegründeten Römerstädte getragen wurde.

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Menander » 05.02.2015, 13:52
Dietrich schrieb:
"Das ist eine verengte Sicht. Natürlich dienten nicht nur Germanen im römischen Heer, sondern auch Illyrer, Thraker, Geten, Iberer, britische Kelten und andere Bevölkerungsgruppen, deren Länder Rom unterworfen hatte. Wenn wir also von einer Barbarisierung des Heers sprechen, muss man all diese Ethnien einbeziehen, aus denen sich das römische Militär zusammensetzte"
die von dir, lieber Dietrich, aufgezählten völker, sind mit ausnahme der geten, bereits seit langem teil des römischen reiches! das unterscheidet sie ganz(!) wesentlich von den germanen, die, um dienst im römischen heer machen zu können, über rhein oder limes oder donau kamen.

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Dietrich » 05.02.2015, 14:16
Menander hat geschrieben:
die von dir, lieber Dietrich, aufgezählten völker, sind mit ausnahme der geten, bereits seit langem teil des römischen reiches! das unterscheidet sie ganz(!) wesentlich von den germanen, die, um dienst im römischen heer machen zu können, über rhein oder limes oder donau kamen.
Das linksrheinische römische Germanien stand rund 400 Jahre unter römischer Herrschaft. Viele dieser Germanen - Cugerner, Treverer, Bataver, Ubier, Triboker und andere - taten Dienst im römischen Heer. Und sicher werden auch rechtsrheinische Germanen ihren Weg ins Heer gefunden haben.

Es ein besonderes Kennzeichen der Barbarisierung, dass sich an den Reichsgrenzen Krieger gleicher Völker gegenüberstanden.

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Menander » 05.02.2015, 17:58

treverer sind kelten!

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Dietrich » 06.02.2015, 14:46
Menander hat geschrieben: treverer sind kelten!
Im Gegensatz zu dem, was die alte Tante Wiki schreibt, ist die ethnische Identität der Treverer nicht ganz eindeutig. Dies aus folgenden Grund:

Vermutlich waren die Treverer ursprünglich ein keltischer Stamm, der in vorchristlicher Zeit aus der Bevölkerung der eisenzeitlichen Hunsrück-Eifel-Kultur entstanden ist. Nach der Zeitenwende breiteten sich jedoch germanische Stämme auch links des Rheins aus, sodass die Treverer germanisch überformt wurden.

Ihre Zwitterstellung wird u.a. daran festgemacht, dass sie sich einerseits ihrer germanischen Abkunft rühmten (Tac.Germ. 28), andererseits aber noch im 4. Jh. n. Chr. ein keltisches Idiom sprachen. Der keltische Kern muss also wohl sehr stark gewesen sein, denn alle kulturellen Überreste haben keltische und kaum germanische Prägung. Man denke z.B. an die Tempelbezirke und Quellheiligtümer, die bis in die Spätzeit bestanden (Martberg, Dhronecken, Möhn usw.), die Matronendarstellungen und Götterkulte.

Das Lexikon Alte Kulturen sagt unter dem Schlagwort Treverer:

"Germanisch-keltischer Volksstamm ... entstanden im 3. Jh. v. Chr. aus der Bevölkerung der eisenzeitlichen Hunsrück-Eifel-Kultur". [1]

[1] Lexikon Alte Kulturen, Band 3, Mannheim 1993, S. 557
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