Der römische Alpenfeldzug von 16/ 15 v.Chr.

Das römische Reich war maßgebend für die weitere Entwicklung Europas: Republik, Kaiserreich, Caesar, Augustus

Moderator: Barbarossa

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Agrippa
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Zur Eroberung des westlichen Alpengebietes veranlasste Augustus bereits 25 v.Chr. einen Feldzug gegen die keltischen Salasser. Ziel war es, die beiden wichtigen Alpenpässe Großer bzw. Kleiner Sankt Bernhard unter römische Kontrolle zu bringen.
16 v.Chr. wurde das östliche Alpengebiet, das damals selbständige Königreich Noricum, dem Römischen Reich wohl auf weitgehend friedlichem Wege angeschlossen.

Im Jahr 15 v.Chr. beauftragte Augustus seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius damit, das zentrale Alpengebiet und das nördliche Alpenvorland zu unterwerfen. Anlass waren wiederholte Raubzüge der dort lebenden keltischen Stämme auf gallisches und sogar italisches Gebiet.

Von diesen groß angelegten Feldzügen, die literarisch recht gut dokumentiert sind, traten in den letzten Jahren auch archäologische Zeugnisse auf. Zum Beispiel wurden am Septimerpass südlich von Chur in Graubünden einige römische Schleuderbleie gefunden, die auf dortige Kämpfe zwischen Römern und Kelten im Zusammenhang mit diesem Feldzug schließen lassen.
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Triton
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Auf der Via Claudia, die wohl Ergebnis des Feldzugs, war, bin ich auch schon gewandert. Man sieht noch ganz leicht Fuhrwerksrillen, allerdings waren die Abschnitte, auf denen ich unterwegs war(Fernpass in Tirol), sehr steil. Sehr merkwürdige Streckenführung teiweise.
Am Forggensee soll sie im Winter sichtbar sein.
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Agrippa
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Triton hat geschrieben:Auf der Via Claudia, die wohl Ergebnis des Feldzugs, war, bin ich auch schon gewandert. Man sieht noch ganz leicht Fuhrwerksrillen, allerdings waren die Abschnitte, auf denen ich unterwegs war(Fernpass in Tirol), sehr steil. Sehr merkwürdige Streckenführung teiweise.
Ja, auch der Serpentinerpass ist zwar kürzer, aber auch erheblich steiler als der alternative Julier-und Malojapass. Dennoch wurde er von den römischen Heeren gewählt.
Heute ist der Serpentiner bedeutungslos.

Man nimmt an, dass die römischen Legionen von Como aus nach Chur ins obere Rheintal zogen.
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Triton
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Agrippa hat geschrieben:Heute ist der Serpentiner bedeutungslos.
Der Fernpass ist zwar nicht bedeutungslos sondern stark befahren, aber die via claudia verläuft dort versteckt im Wald, so dass ich oft dachte, mich verlaufen zu haben.
Bild

Danke für den thread, dadurch habe ich erfahren, dass die via claudia heute eine schöne Radstrecke ist, muss ich mich mal schlau machen.
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Agrippa
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Danke für das interessante Foto!
Die Via Claudia ist allerdings der oben erwähnte Julier-und Majola-Pass. Diesen Weg hat wahrscheinlich das Gros des Drususheeres gewählt. Man geht davon aus, dass das Heer des Drusus in verschiedenen Gruppen die Alpen überwand, um nicht vom Feind eingeschlossen zu werden (wie z.B. an den Caudinischen Pässen 321 v.Chr. gegen die Samniten). So ist es denkbar, dass einige Kohorten den Befehl erhielten, alternative Pässe zu nehmen. Am steilen Serpentiner-Pass und am Crap Ses wurden etliche römische Funde entdeckt, darunter eine beachtliche Anzahl an Schleuderbleien. Es ist daraus zu schließen, dass es bei der Übersteigung dieser Pässe zu Kämpfen mit den dortigen Kelten kam.
Cherusker
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Auf der ältesten bekannten "Weltkarte" ("Tabula Peutingeriana") kann man anhand der eingetragenen Ortsnamen auf den Straßenzügen z.B. die Brennerstraße von Verona nach Augsburg verfolgen. An den letzten Alpenzügen kann man auch das Wort Parthanum (=Partenkirchen) finden. Ferner hat der damalige Dorfchronist Pfarrer Alois Daisenberger 1859 angenommen, daß die Römer durch das obere Ammertal (Kofel) zogen. In neuerer Zeit hat man dort einige römische Funde geborgen.
Besonders auf dem Döttenbichl (Oberammergau) wurden Metallfunde aus der Zeit von ca. 100v.Chr. -50n.Chr. gefunden. Hier hat es damals ein keltisches Heiligtum der Räter gegeben. Weiterhin gab es noch einen Kultplatz auf dem Unteren Kasten bei Unterammergau.
Auf dem Döttenbichl wurden vorwiegen einheimische Gegenstände geopfert. Besonders interessant bei den Funden auf dem Döttenbichl sind die römischen Funde, die vom Militär stammen. Es handelt sich hierbei vorwiegend um römische Angriffswaffen, d.h. abgeschossene Pfeilspitzen, Dolche (u.a. mit der Inschrift C.Antonivs.Fecit.), Lanzenspitzen und einem Katapultbolzen mit dem Stempel der XIX.Legion. (also die 19.Legion, die unter Varus diente). Ferner hat man beim Rainenbichl zahlreiche römische Funde entdeckt (u.a. eine Radnabe, Schabeisen für die Körperpflege, Zeltheringe,...). Man vermutet daher, daß dort die Römer ein Lager aufgeschlagen hatten. Die Münzfunde beziehen sich auf die Zeit vor 15 v.Chr.
Woher die römischen Funde stammen ist noch ungewiß. Sie könnten von einem römischen Lagerplatz stammen, der danach von der einheimischen Bevölkerung geplündert wurde. Vielmehr ist eher zu vermuten, daß es an einen unbekannten Ort einen Kampf zwischen Römern und Kelten gegeben hat und die Kelten die römischen Stücke ihren Göttern opferten, damit sie ihnen im Kampf gegen die Römer beistehen. Hat aber wohl nicht viel genutzt, da Tiberius und Drusus in nur einem Sommerfeldzug das gesamte heutige Süddeutschland erobert haben. Sie nahmen sich die keltischen Stämme einzeln vor.
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Agrippa
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Interessant ist, dass Varus am Feldzug 15 v.Chr. als Legat der Legio XIX. teilnahm. Nicht nur am Döttenbichl wurden Funde der Legio XIX. gemacht, auch im Lager Dangstetten gibt es entsprechende archäologische Funde.
Varus war damals etwa 30 Jahre alt und sammelte militärische Erfahrung. Zwei Jahre später bekleidete er zusammen mit dem späteren Kaiser Tiberius das Konsulat.
Varus war also keineswegs ein träger Verwaltungsbeamter, sondern hatte zum Zeitpunkt der Varusschlacht mindestens seit 24 Jahren militärische Erfahrung.
Cherusker
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Bemerkenswert ist, daß die Kelten aus dem süddeutschen Raum in den Dekaden vor der Zeitenwende immer noch in Oberitalien einfallen konnten. Erst als auch ein Senator von einem Überfall betroffen war, entschloß sich Augustus dem Spuk ein Ende zu setzen. Und wie in alter gewohnter Weise griff man jeden Stamm einzeln an. Und auch im süddeutschen Raum waren die Kelten nicht in der Lage Bündnisse zu gründen, um den römischen Angriff abzuwehren. Wie schon in Gallien war danach der Widerstand gebrochen und Rom hatte endgültig Ruhe vor den einst so angriffslustigen Kelten. Danach konnte sich Augustus den Germanen widmen. Aber da traf er auf anderen Widerstand. Die Germanen schafften unter Arminius sich mit mehreren Stämmen zusammenzuschließen und gemeinsam gegen die Römer vorzugehen. Das hatte eigentlich Vercingetorix in Gallien auch vorgehabt, aber die unterschiedlichen Interessen der einzelnen keltischen Stämme führten zu Verzögerungen, die letztendlich zur Niederlage des gallischen Aufstandes führten.
Fazit:
Die keltischen Stämme waren sich untereinander so uneins, sodaß sie zwar der selben Kultur angehörten, aber nicht eine nationale Identität besaßen. Ebenso wie die Germanen. Aber letztendlich war das Unvermögen der Kelten sich zu einem gemeinsamen Widerstand zusammenzuschließen ausschlaggebend für ihre Niederlage. :shock: Überall, wo die Römer auf Kelten trafen, haben sie letztendlich durch diese keltische Unfähigkeit gesiegt, z.B. Gallien, Süddeutschland und Großbritannien. Die Informationsweitergabe unter den keltischen Stämmen muß wohl sehr unzureichend gewesen sein. :wink:
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Agrippa
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Cherusker hat geschrieben: Die keltischen Stämme waren sich untereinander so uneins, sodaß sie zwar der selben Kultur angehörten, aber nicht eine nationale Identität besaßen. Ebenso wie die Germanen. Aber letztendlich war das Unvermögen der Kelten sich zu einem gemeinsamen Widerstand zusammenzuschließen ausschlaggebend für ihre Niederlage. :shock: Überall, wo die Römer auf Kelten trafen, haben sie letztendlich durch diese keltische Unfähigkeit gesiegt, z.B. Gallien, Süddeutschland und Großbritannien. Die Informationsweitergabe unter den keltischen Stämmen muß wohl sehr unzureichend gewesen sein. :wink:
Die Römer hatten es mit den Kelten auch erheblich leichter, obwohl die Ausrüstung der Kelten deutlich besser war, als jene der Germanen.
Bei den Kelten gab es eine adlige Kriegerkaste, die die militärischen Belange übernahm. Die zivile Gesellschaft wurde bei Bedarf zum Kriegsdienst mobilisiert. Stellten sich die Kelten den Römern zur Schlacht waren sie taktisch weit unterlegen. Nach einer Niederlage zog sich das geschlagene Heer zusammen mit der Zivilbevölkerung in ein Oppidum zurück und wurde dort von den Römern belagert und zur Aufgabe gezwungen. Auf diese Weise wurden Gallien, Süddeutschland und Britannien erobert.
Bei den Germanen gab es dagegen keine männliche Zivilgesellschaft. Krieger war kein Beruf, sondern Berufung. Es gab, anders als bei den Römern oder Kelten, kein staatliches Gewaltmonopol. Reinhard Wolters bezeichnete die Germanen als "ein Volk unter Waffen".
Ging eine Feldschlacht verloren, so zog sich das germanische Heer in Wälder oder Sümpfe zurück um sich neu zu formieren. Ebenso verbargen sich Frauen, Alte und Kinder in den undurchdringlichen Wäldern.
Für die Römer war diese Form der "asymmetrischen Kriegführung" eine nicht zu bewältigende Aufgabe.
Cherusker
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So haben die Römer die Germanen auch unterschätzt. Mit den germanischen Stämmen, die auf dem flachen Land wohnten, z.B. Friesen, Chauken, Bataver usw. hatten sie leichtes Spiel. Diese wurden einzeln von einer römischen Übermacht angegriffen, so wie sie es bei den Kelten auch taten. Die Sümpfe und Moore schützten nur bedingt. Aber sobald es ins bergige Land ging, in dem endlose Wälder existierten, war es mit der römischen Überlegenheit vorbei. Schon Cäsar erkannte die Gefahr der kampfentschlossenen Germanen. Sobald sich mehrere Stämme zu einem Bündnis zusammenschlossen, benötigten die Römer mehrere Legionen um nicht unterlegen zu sein. Drusus rettete sich gerade so in Arbalo, Varus ging unter und Germanicus verzeichnete enorme Verluste an Menschen und Material.
Obwohl die Kelten den Germanen kulturell Jahrhunderte vorraus waren, waren sie militärisch recht einfach gestrickt. Meist erfolgte ein Sturmangriff bei dem der Gegner überrannt werden sollte. Klappte das nicht und der Kampf zog sich in die Länge, so verging es manchen keltischen Krieger und er trat zum Rückzug an. Auch war der Zweikampf von entscheidender Bedeutung. Ein keltischer adeliger Krieger wollte sich später von seiner Kampfkraft messen lassen. Dafür gab es dann die Kopf-Trophäe, die als Beweis für den Mut und Sieg stand. Beim Kampf untereinander mag das funktioniert haben, aber gegen ein gut organisiertes römisches Heer, daß ebenso gepanzert war, war diese Kampftart unterlegen. :shock:
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Agrippa
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Bei Friesen, Chauken und Batavern kam wohl noch hinzu, dass sie sich der überlegenen römischen Flotte gegenüber sahen. Diese ermöglichte es den Römern, die Küste und die Flussmündungen zu kontrollieren und überraschend aufzutauchen. Außerdem wurde Versorgung und Nachschub über die See gesichert.
Feldzüge ins Innere Germaniens waren deutlich schwieriger, da die Wege bei schlechtem Wetter katastrophal waren und die Versorgung der Truppen aus dem Land heraus nicht möglich war.

Zurück zum Alpenfeldzug:
Die Kelten aus dem Alpenvorland führten einige Raubzüge gegen römisches italisches Gebiet durch. Sie fühlten sich wahrscheinlich nach Süden hin durch das Hochgebirge gut gegen Rachemaßnahmen der Römer abgesichert.
Dass Drusus die Alpenpässe mit einem großen Heer überquerte wird sie ebenso überrascht haben, wie einst Hannibals Zug die Römer. Drusus ist, wahrscheinlich wie Hannibal auch, nicht mit dem gesamten Heer über einen Pass gezogen, sondern in verschiedenen Heeresabteilungen über mehrere Pässe gleichzeitig (wie oben erwähnt z.B. Serpentiner-Pass, Crap Ses, Julier- und Majoler-Pass).
Somit war die Gefahr geringer, dass das Heer in einem gesperrten Pass steckenblieb, wie einst Xerxes an den Thermopylen 480 v.Chr.
Später werden sich diese Heeresabteilungen wieder vereint haben.
Die Eroberung des keltischen Voralpenlandes dauerte nur einen Sommer. Die Kelten waren auf eine Verteidigung wohl nicht eingestellt bzw. hatten nicht rechtzeitig die notwendigen Bündnisse untereinander geschlossen.
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