Gefährlichste Feinde des Römischen Reichs:

Das römische Reich war maßgebend für die weitere Entwicklung Europas: Republik, Kaiserreich, Caesar, Augustus

Moderator: Barbarossa

Marvin

RedScorpion hat geschrieben:
Marvin hat geschrieben:Oder denkst du nach dem Zerfall des Römischen Reiches, zerfielen auch gleich alle Gebäude, Wegenetze, Städte und natürlich auch alle Werkzeuge.
...
Doch, eigentlich schon; das ist ja das Erschreckende an den Germanen und den Völkerwanderungen: der totale Kultur- und Zivilisationsverfall, welcher eben hammerhart auf Leben und Tod der Bev. durchschlug (u.a. auch praktisch in der Unfähigkeit organisierter Landwirtschaft). Bryan Ward-Perkins stellt das gut heraus anhand der durchschnittlichen Rindergrösse und des Keramik-Distriktes in La Graufesenque in Südfrankreich.



LG
Da sagt uns ja die Siedlungsgeschichte was anderes. Aber egal. Wenn du meinst - dann ist es wohl so.
Zuletzt geändert von Marvin am 31.05.2012, 14:54, insgesamt 1-mal geändert.
Dietrich
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Marvin hat geschrieben: Das kleine Volk, wie du es nennst, hat die Anlagen, Höfe etc. übernommen, weiter genutzt oder umgestaltet. Dazu gehören das Wegenetz oder auch die technischen und wirtschaftlichen Einrichtungen.
Oder denkst du nach dem Zerfall des Römischen Reiches, zerfielen auch gleich alle Gebäude, Wegenetze, Städte und natürlich auch alle Werkzeuge.
Der Menschen hat weiter gelebt und das was da war weiter benutzt. Sie vielen nicht in ein dunkles Loch.
Gerade anhand der Siedlungsgeschichte (Entstehung der Städte im Mittelalter) kann man sehr gute Rückschlüsse auf Funktionen, herrschaftliche Gestaltung und Sozialstruktur ziehen.
Nach dem Untergang Westroms zeigten sich vor allem in den Gebieten nördlich der Alpen - im römischen Germanien, Britannien und Gallien - unübersehbare Verfallsserscheinungen. Im 5. Jh. verließen die meisten Römer - so z.B. Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer, Soldaten - die Provinzen. Die Römerstädte an Rhein und Donau verödeten, römische Gutshöfe verschwanden, Straßen und Brücken zerfielen. Der Untergang der römischen Zivilisation führte bei den nur dünn romanisierten germanischen Völkern aber auch in Britannien und Gallien zu einem Niedergang des Wissens und der Kultur und bewirkte einen Rückfall in barbarische Verhältnisse.

Bezeichnenderweise siedelten sich die Germanen in Städten wie Köln oder Mainz nicht im verlassenen Stadtgebiet selbst an, da ihnen das nicht geheuer war. Sie errichteten ihre Fachwerkbauten am Rand solcher Römerstädte und benutzten die römischen Steinbauten lediglich als Steinbruch. Erst im Verlauf von 200-300 Jahren wurde allmählich das alte Stadtgebiet wieder besiedelt, das allerdings ein gänzlich anderes Aussehen und eine neue Straßenführung erhielt, die lediglich in einigen Magistralen den Verlauf des alten römischen Quadratnetzes erahnen lässt.

Man kann das u.a. schön nachlesen in: Heinz Günther Horn u.a., Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, Theiß-Verlag Unter der Vielzahl zeitgenössischer Quellen ist die Vita des heiligen Severin eindrucksvoll, die unter anderem beschreibt, wie die romanisierte Bevölkerung an der Donau ihre Gutshöfe und Städte verlässt, die von den im 5. Jh. vordringenden Germanen geplündert und zerstört werden.

Etwas anders war die Situation in Italien oder in Südfrankreich, wo eine alte gallo-römische Senatsaristokratie saß, die nicht oder wenig von plündernden Germanen behelligt wurde und später mit der fränkischen Aristokratie zusammenarbeitete und verschmolz. Auf dem Balkan allerdings hatte die romanisierte Bevölkerung einen schweren Stand und wurde von den im 6./7. Jh. vordringenden Slawen ihrer Identität beraubt.

Dieser Niedergang des Wissens und der Kultur veranlasste Karl den Großen zu seiner berühmten Karolingischen Renaissance, die alle Bereiche des Wissens und der Kunst erneuern und die verfallene Bildung heben wollte.
RedScorpion

Marvin hat geschrieben: ...
Wenn du meins - dann ist es wohl so.
Oha. Sagt wer?
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Peppone
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RedScorpion hat geschrieben:(u.a. auch praktisch in der Unfähigkeit organisierter Landwirtschaft)
Wieso hätten die Germanen sowas weiterführen sollen? Ging doch total in ihren Bedürfnissen vorbei, brauchte darüber hinaus ja auch noch die Vermarktungswege der Römerzeit, die mangels einheitlichem Reich nicht mehr existierten!

Beppe
RedScorpion

Peppone hat geschrieben:
RedScorpion hat geschrieben:(u.a. auch praktisch in der Unfähigkeit organisierter Landwirtschaft)
Wieso hätten die Germanen sowas weiterführen sollen? Ging doch total in ihren Bedürfnissen vorbei, brauchte darüber hinaus ja auch noch die Vermarktungswege der Römerzeit, die mangels einheitlichem Reich nicht mehr existierten!
Weil sie die faktischen Erben des Reiches waren? Dessen (und die eigene) Bev. zu versorgen hatten?

... und dass das Reich nicht mehr "einheitlich" war, lag aber an den Germanen; bzw. dass die Germanen selbst alles andere als einig waren, war ihr allergrösstes Problem.



LG
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Peppone
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RedScorpion hat geschrieben: Weil sie die faktischen Erben des Reiches waren? Dessen (und die eigene) Bev. zu versorgen hatten?

... und dass das Reich nicht mehr "einheitlich" war, lag aber an den Germanen; bzw. dass die Germanen selbst alles andere als einig waren, war ihr allergrösstes Problem.
Aber nicht ihre alleinige Schuld, weshalb ich "die" Germanen auch nicht zu den gefährlichsten Feinden Roms zählen will.
Tatsache ist, dass "die" Germanen als foederati das Römische Reich sogar noch eine Zeitlang stützten, als alles schon am Ächzen war...

Als die Germanen zu Erben Roms geworden waren, war übrigens nur noch ganz wenig römische Bevölkerung übrig, die sie zu versorgen gehabt haben (u.a. weil die römischen Truppen abgezogen worden sind - ja, daran waren die Germanen schuld), und auch diese Resrömer bzw. Romanen hatten schon auf Subsistenzwirtschaft umgestellt.

Beppe
RedScorpion

Peppone hat geschrieben: ...
Als die Germanen zu Erben Roms geworden waren, war übrigens nur noch ganz wenig römische Bevölkerung übrig, die sie zu versorgen gehabt haben (u.a. weil die römischen Truppen abgezogen worden sind - ja, daran waren die Germanen schuld), ...
...
In Germanien vielleicht.

Peppone hat geschrieben: ...
... und auch diese Resrömer bzw. Romanen hatten schon auf Subsistenzwirtschaft umgestellt.
Was katastrophale Auswirkungen hatte.



LG
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Nafets
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Peppone hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Lieber Beppe,
ins gemachte Nest setzen ist doch stark übertrieben. Als Karl der Große 800 Kaiser wurde, war schon seit Jahrhundertn von der römischen Herrlichkeit nichts mehr vorhanden. :roll:
Hast du eine Ahnung! Das Rechtssystem bspw. war noch weitgehend römisch, das Straßen- und Städtenetz ebenfalls, die Wirtschaft beruhte ganz überwiegend noch auf römischen Grundlagen.

Beppe
Ganz sicher? Karl hat doch alles neu gemacht, oder wie war das?
Zwischen Karls Krönung und dem letzten Zucken der Römer liegen über 300 Jahre.
Möglicherweise weißt du, dass Strassen gepflegt und gewartet werden müssen...
Nur ist in den Zeiten vor Karl, auch in denen zu Karls Zeiten diesbezüglich wenig gemacht worden, um nicht zu sagen, gar nichts.
Woher hast du denn diese Weißheiten? Von Alkuin, vielleicht von Einhard? Vielmehr gibts an der Stelle nicht.

Rechtssystem - hallo, genau das Gleiche.
Von woher stammen deine Informationen, dass es tatsächlich so war?

Beste Grüße
Fürchte nicht jene, die nicht mit dir übereinstimmen, sondern die, welche zu feige sind es dir zu sagen.
(Napoleon I. Bonaparte)
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Peppone
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Schon seit dem 3.Jh. tendierten die villae rusticae dazu, alles Benötigte selber herzustellen. Also in Subsistenzwirtschaft zu leben.
Überregionaler Handel mit landwirtschaftlichen Produkten war zwar noch vorhanden, aber längst nicht mehr in dem Ausmaß wie im 1. und 2.Jh.
Schon Henri Pirenne hat erkannt, dass mit dem Zusammenbruch des (West-)Römischen Reichs die Antike noch nicht endete, weil das Wirtschaftssystem der Römer noch weiter bestand. Erst der Einbruch der Araber in die Mittelmeerwelt habe ein vollständig neues Wirtschaftssystem geschaffen (auch in Europa), wodurch dann erst die Antike wirklich geendet hätte.
Die Handelsrouten über das Mittelmeer bestanden weiter. Die Westgoten in Spanien z.B. konnten ihr Reich deshalb so lange erhalten, weil sie sich nicht in die bestehenden HAndelsstrukturen einmischten, die auch nahezu bruchlos weiter existierten. Dieselben Leute handelten mit den selben Gütern auf den selben Handelsrouten wie vor der Eroberung Spaniens durch die Goten.
Auch wurde weiter mit römischem Geld gezahlt und gewirtschaftet.

Die Straßen der Römer blieben noch lange - auch ohne Pflege - besser als die Trampelpfade, die die Germanen selber anlegten. Nicht umsonst entstanden die ältesten germanischen Siedlungen entlang alter römischer Handelsstraßen. Die Salzstraße quer durch Bayern, die z.B. Salzburg und Augsburg verband, verlief über Traunstein, nördlich am Chiemsee entlang (dort hatte das mächtige frühmittelalterliche Geschlecht der Aribonen einen Herrschaftsschwerpunkt!), Rosenheim und (Unter-)Haching, weiter über Gilching und Gauting (den Namen nach alte Bajuwarenorte), Fürstenfeldbruck (!) nach Augsburg. Rein zufällig war das auch eine der Entwicklungsachsen des frühen Bayern. Auch die Straße vom Brenner nach Regensburg führte über Rosenheim und dann weiter über Haag i.Obb., Dorfen und Sandsbach nach Regensburg. Haag war Zentralort der einzigen Grafschaft in Altbayern, die erst 1567 in die Hände der Wittelsbacher kam, und schon vor dem Jahr 1000 Sitz eines mächtigen Adlesgeschlechtes.

Warum diese Straßen so wichtig waren? Weil sie auch in erbärmlichem Zustand einen stabilen Unterbau hatten und deshalb zumindest besser befahrbar waren als andere Straßen.
Allers im Übrigen auch archäologisch belegt. Noch heute zeichnen wichtige Bundesstraßen oft den Verlauf alter Römerstraßen nach. (z.B. die B17 bei Landsberg a.Lech verläuft auf der alten Via Claudia Augusta)

Auch das römische Rechtssystem hat bis KdG überlebt: Die Romanen in einem Germanenreich wurden nämlich üblicherweise NICHT nach germanischem Recht, sondern nach römischem Recht behandelt. Erst NACH Karl setzte sich im allgemeinen Rechtsgebrauch das germanische Recht durch, bis um etwa 1100 von Bologna aus ein erneuter Siegeszug des römischen Rechts stattfand.
Nicht zuletzt die Kirche hielt am römischen Recht fest und sorgte für die Weitervermittlung.

Beppe
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dieter
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Marvin hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Lieber Beppe,
ins gemachte Nest setzen ist doch stark übertrieben. Als Karl der Große 800 Kaiser wurde, war schon seit Jahrhundertn von der römischen Herrlichkeit nichts mehr vorhanden. :roll:
Hast du eine Ahnung! Das Rechtssystem bspw. war noch weitgehend römisch, das Straßen- und Städtenetz ebenfalls, die Wirtschaft beruhte ganz überwiegend noch auf römischen Grundlagen.

Beppe
Lieber Beppe,
davon hat aber das kleine Volk nichts gemerktl
Das kleine Volk, wie du es nennst, hat die Anlagen, Höfe etc. übernommen, weiter genutzt oder umgestaltet. Dazu gehören das Wegenetz oder auch die technischen und wirtschaftlichen Einrichtungen.
Oder denkst du nach dem Zerfall des Römischen Reiches, zerfielen auch gleich alle Gebäude, Wegenetze, Städte und natürlich auch alle Werkzeuge.
Der Menschen hat weiter gelebt und das was da war weiter benutzt. Sie vielen nicht in ein dunkles Loch.
Gerade anhand der Siedlungsgeschichte (Entstehung der Städte im Mittelalter) kann man sehr gute Rückschlüsse auf Funktionen, herrschaftliche Gestaltung und Sozialstruktur ziehen.[/quote]
Lieber Marvin,
das war aber 400 Jahre später, solange hält keine Straße. Außerdem die Gebiete östlich des Rheins waren keine römische Provinz. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Marvin

Lieber Dieter
Ich empfehle dir die neuste Forschung von Peter Heather zu lesen.

The Fall of the Roman Empire:
A New History of Rome and the Barbarians
2005

und

Empires and Barbarians:
Migration, Development and the Birth of Europe
2009

Selbstverständlich kann man über seine Forschung diskutieren, er zeigt die Migration nach dem Fall Roms ganz schön nach und darüber sollte man schon nachdenken. Ob man dann mit ihm einig wird oder nicht, das ist eine andere Frage.
Dietrich
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Peppone hat geschrieben: Die Straßen der Römer blieben noch lange - auch ohne Pflege - besser als die Trampelpfade, die die Germanen selber anlegten. Nicht umsonst entstanden die ältesten germanischen Siedlungen entlang alter römischer Handelsstraßen. Die Salzstraße quer durch Bayern, die z.B. Salzburg und Augsburg verband, verlief über Traunstein, nördlich am Chiemsee entlang
Nach dem Untergang Westroms zeigten sich vor allem in den Gebieten nördlich der Alpen - im römischen Germanien, Britannien und Gallien - unübersehbare Verfallsserscheinungen. Im 5. Jh. verließen die meisten Römer - so z.B. Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer, Soldaten - die Provinzen. Die Römerstädte an Rhein und Donau verödeten, römische Gutshöfe verschwanden, Straßen und Brücken zerfielen. Der Untergang der römischen Zivilisation führte bei den nur dünn romanisierten germanischen Völkern aber auch in Britannien und Gallien zu einem Niedergang des Wissens und der Kultur und bewirkte einen Rückfall in barbarische Verhältnisse.

Bezeichnenderweise siedelten sich die Germanen in Städten wie Köln oder Mainz nicht im verlassenen Stadtgebiet selbst an, da ihnen das nicht geheuer war. Sie errichteten ihre Fachwerkbauten am Rand solcher Römerstädte und benutzten die römischen Steinbauten lediglich als Steinbruch. Erst im Verlauf von 200-300 Jahren wurde allmählich das alte Stadtgebiet wieder besiedelt, das allerdings ein gänzlich anderes Aussehen und eine neue Straßenführung erhielt, die lediglich in einigen Magistralen den Verlauf des alten römischen Quadratnetzes erahnen lässt.

Man kann das u.a. schön nachlesen in: Heinz Günther Horn u.a., Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987, Theiß-Verlag Unter der Vielzahl zeitgenössischer Quellen ist die Vita des heiligen Severin eindrucksvoll, die unter anderem beschreibt, wie die romanisierte Bevölkerung an der Donau ihre Gutshöfe und Städte verlässt, die von den im 5. Jh. vordringenden Germanen geplündert und zerstört werden.

Etwas anders war die Situation in Italien oder in Südfrankreich, wo eine alte gallo-römische Senatsaristokratie saß, die nicht oder wenig von plündernden Germanen behelligt wurde und später mit der fränkischen Aristokratie zusammenarbeitete und verschmolz. Auf dem Balkan allerdings hatte die romanisierte Bevölkerung einen schweren Stand und wurde von den im 6./7. Jh. vordringenden Slawen ihrer Identität beraubt.

Dieser Niedergang des Wissens und der Kultur veranlasste Karl den Großen zu seiner berühmten Karolingischen Renaissance, die alle Bereiche des Wissens und der Kunst erneuern und die verfallene Bildung heben wollte.
Peppone hat geschrieben: Schon Henri Pirenne hat erkannt, dass mit dem Zusammenbruch des (West-)Römischen Reichs die Antike noch nicht endete, weil das Wirtschaftssystem der Römer noch weiter bestand. Erst der Einbruch der Araber in die Mittelmeerwelt habe ein vollständig neues Wirtschaftssystem geschaffen (auch in Europa), wodurch dann erst die Antike wirklich geendet hätte.
Henri Pirenne - Gott hab ihn selig - sagt genau das Gegenteil. Nach dem Untergang Westroms und verstärkt nach der Expansion des Islam verödeten die Städte in Gallien und im einst römischen Germanien. Der Handel reduzierte sich, der Fernhandel brach weitgehend zusammen und es entstanden autarke große Domänen.
Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist das bedeutendste Phänomen ... die schnelle Verminderung und nachher das fast völlige Verschwinden der städtischen Bevölkerung ... Das Ende des städtischen Typus ergab sich daraus, dass die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in alter Form weiterfunktionieren zu lassen ... Daraus aber musste sich ein fast vollkommener Stillstand des Handels ergeben; auch das Gewerbe verschwand fast ganz ... Der Umlauf des Geldes hörte beinahe auf ...

Das Verschwinden der Städte änderte die ganze Struktur der Wirtschaft ... Jetzt gab es nur noch eine Art des Reichtums: den Reichtum an Grundbesitz. Nur eine Art von Arbeitern bestand noch: die Bebauer des Landes ... Die Größe der Domänen wuchs, denn der kleine Bauer war seiner städtischen Absatzmärkte und also seiner Einkünfte beraubt; er war also gezwungen, sich der nächsten Domäne anzuschließen und ihrem Herrn sein Land abzutreten.

(Henri Pirenne, Geschichte Europas, Frankfurt/M. 1961, S. 81, 83, 84 f.)
Henri Pirenne beschreibt also das Bild eines Westeuropas (Gallien und römisches Germanien), das nach dem Untergang Westroms die Stadtkultur weitgehend, verliert, den Fernhandel einbüßt, zu einer autarken Landwirtschaft der Domänen und in weiten Teilen sogar zum Tauschhandel zurückkehrt, da der Münzumlauf stockt oder versiegt.
Aneri

Marvin hat geschrieben: Der Menschen hat weiter gelebt und das was da war weiter benutzt. Sie vielen nicht in ein dunkles Loch.
Die Infrastruktur war zerstört. Daher halten die Städte und Höfe nicht lange.

Nach meinen Verständnis waren es die Kloster, die stabilen Anhaltspunkte in der allgemeine Unruhe bieteten. Diese Kloster dienten auch als Bewahrer der intellektuellen Errungenschaften des vor- und Römischen Reiches. Die Religion müsste den Menschen etwas bieten, das ihnen geholfen hat in den unruhigen Zeiten. Auch die Expansion der Religion in diesem zeitraum weltliches Machtvakuums wird verständlich.

Wie sieht ihr die Bedeutung der Religion und ihre Institutionen in diesem Stadium des Zerfalls?
Dietrich
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Aneri hat geschrieben:
Wie sieht ihr die Bedeutung der Religion und ihre Institutionen in diesem Stadium des Zerfalls?
Es waren in der tat die Klöster, die altes Wissen und antike Handschriften bewahrten und ohne sie wären große Teile der antiken Literatur verloren. Im übrigen war allein die Geistlichkeit der Schrift mächtig, denn anders als die alten römischen Eliten legten die germanischen Eliten (Franken, Langobarden usw.) keinen Wert darauf, dass ihr Nachwuchs lesen und schreiben konnte. Auch die groß angelegte Bildungsreform Karls des Großen - bekannt unter dem Begriff Karolingische Renaissance - wurde von Geistlichen bzw. der "Hofkapelle" getragen, u.a. von Alkuin und Einhard.
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Peppone
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Dietrich hat geschrieben:Henri Pirenne - Gott hab ihn selig - sagt genau das Gegenteil. Nach dem Untergang Westroms und verstärkt nach der Expansion des Islam verödeten die Städte in Gallien und im einst römischen Germanien. Der Handel reduzierte sich, der Fernhandel brach weitgehend zusammen und es entstanden autarke große Domänen.
Hm.
Ich hab jetzt die Literatur nicht zur Hand. Vielleicht lässt sich der Unterschied in unserer Pirenne-Rezeption so erklären, dass meine Aussagen hauptsächlich auf das Mittelmeergebiet und hier wieder hauptsächlich auf das westgotische Spanien zutreffen? Ich hab hier - offenbar unzulässigerweise - von Spanien auf Gallien zurückgeschlossen.
Und das dann auch gleich mit Germanien in Verbindung gebracht.

War wohl ein Schnellschuss, mein obiges Mail.
Sorry.

Beppe
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