Pegida. Hogesa als gesellschaftliches Phänomen

Grundgesetz, Gesetzesfragen, Wahlen, bundespolitische Ereignisse, Polizei

Moderator: Barbarossa

Aneri

Ich möchte in dem neuen Thread nicht die Fortsetzung der vorhandenen Threads, die mit Außenendersetzung der Ziele, der Religionen und ähnl. sich beschäftigen. Ich glaube, ich habe eindeutige Stellung gezogen. Die Richtung, die Diskussion dort angenommen hat, ist für mich nicht zufriedenstellend, da - nach mir - es eher vernebelt als klarstellt wirkliche Bedeutung dieser gesellschaftliche Bewegungen.

Geht es wirklich in demos, die Massen anzieht, um Islamofobie?! Das stelle ich in Frage. Es ist eine Unzufriedenheit, die durch bestimmte politischen Bewegungen artikuliert (formuliert) wird. So etwas ähnliches hat früher stattgefunden, wenn man die vorhandene Massenunzufriedenheit auf Juden als Ursache aller Übel gelenkt hat. Gerade wenn man ein diffuse Unzufriedenheit hat, hilft Einem, wenn man die Ursache dafür mit Finger gezeigt bekommt. Man muss nicht dafür selbst eine Erklärung suchen. Das Rezept ist schon da. So ähnlich, glaube ich, ist auch mit diesen neuen Bewegungen.

Einerseits muss man Erklärungsarbeit leisten, um den Werkzeug aus der manipulierenden Händen der islamophobistischen Politiker weg zu machen. Anderseits - und ich finde es nicht weniger wenn noch mehr - muss man die wirklicher Unzufriedenheit artikulieren.

Zum Einem die Massenzulauf hat aus der opportunistische Haltung zur offiziellen Politik. Den im Grunde überhaupt nicht wichtig, was auf der Fahnen geschrieben ist. Den ist die Wirkung wichtig: wir zeigen euch, wer das Volk ist.

Anderer Faktor ist das, was Titus als "fremd in eigenem Land" bezeichnet hat. Viele von den sind Christen, aber es muss nicht unbedingt religiöse Menschen sein. Übrigens zuletzt viel diskutierte Begriff Nation, nationale Identität gehören auch dazu. Man hat eine Geschichte, mit der man sich identifiziert, dann kommt ein Fremder dazu. Wie ich es mit meiner Identität vereinbare?. Jetzt sind wir (müssen) eine Nation sein. Was verbindet uns?!

Nach meiner Beurteilung, Politik macht sich leicht, wenn sie selbst alles auf Islamophobie reduziert. Muss man nach etwas suchen, was frühere Nationsbildner schon mal erfolgreich gemacht hatten.
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dieter
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Stimmt, liebe Aneri. :wink:
die demokratischen Anfänge in Deutschland beginnen mit Hambach, dann 1848/49 mit der Paulskirche und Natürlich 1949 mit dem Grundgesetz. Man muß erwarten können, dass sich alle Menschen in Deutschland an das Grundgesetz halten. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Renegat
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Deinen Eingangsbeitrag musste ich mehrfach lesen und bin immer noch nicht sicher, ob ich dich richtig verstanden habe.
Aneri hat geschrieben: Geht es wirklich in demos, die Massen anzieht, um Islamofobie?! Das stelle ich in Frage. Es ist eine Unzufriedenheit, die durch bestimmte politischen Bewegungen artikuliert (formuliert) wird. So etwas ähnliches hat früher stattgefunden, wenn man die vorhandene Massenunzufriedenheit auf Juden als Ursache aller Übel gelenkt hat. Gerade wenn man ein diffuse Unzufriedenheit hat, hilft Einem, wenn man die Ursache dafür mit Finger gezeigt bekommt. Man muss nicht dafür selbst eine Erklärung suchen. Das Rezept ist schon da. So ähnlich, glaube ich, ist auch mit diesen neuen Bewegungen.
Dann hätte Cohn-Bendit recht, der irgendwas von "Faschismus auf allen Seiten" gesagt haben soll. Ich erinnere mich nur an einen Radiohalbsatz. Einen religiös getarnten Faschismus muß man den IS-Terroristen zuschreiben, klar.
Aber was ist Pegida?
Nationalismus, Faschismus hat in der Vergangenheit meist mit einfachen Feindbildern gearbeitet, damit vorgeblich aus der Volksseele gesprochen und sich damit an die Honigtöpfe der Macht gebracht.
Populisten navigieren heute ähnlich.
Aneri hat geschrieben:Anderer Faktor ist das, was Titus als "fremd in eigenem Land" bezeichnet hat. Viele von den sind Christen, aber es muss nicht unbedingt religiöse Menschen sein. Übrigens zuletzt viel diskutierte Begriff Nation, nationale Identität gehören auch dazu. Man hat eine Geschichte, mit der man sich identifiziert, dann kommt ein Fremder dazu. Wie ich es mit meiner Identität vereinbare?. Jetzt sind wir (müssen) eine Nation sein. Was verbindet uns?!
Unter den vielen Stimmen nach den Pariser Terroranschlägen war ja der "Anschlag auf unsere Freiheit" oft zu vernehmen. Vielleicht ist es das, was uns verbindet und zwar europaweit.
Die Religion kann es nicht mehr sein, die hat zwar jahrhundertelang bis weit nach dem Mittelalter als sozialer Verbinder funktioniert, heute aber leben in Europa Christen, Muslime und andere Religionen der unterschiedlichsten Ausprägung miteinander. Die überwiegende Mehrheit befindet sich in einem sehr säkulisierten Zwischenstadium zwischen moderner Gläubigkeit und gemäßigtem Atheismus.
Die gleiche Abstammung kann es auch nicht mehr sein, denn die entspricht nicht mehr der Realität.

Verbindet uns heute unser Gesellschaftsmodell von Freiheit und Demokratie? Und schließt das alle ein?
Aneri

Renegat hat geschrieben:Unter den vielen Stimmen nach den Pariser Terroranschlägen war ja der "Anschlag auf unsere Freiheit" oft zu vernehmen. Vielleicht ist es das, was uns verbindet und zwar europaweit.
Ja und dies steht immer mehr in Konfrontation mit nationaler Identität. Nationale Identität war 2 Jahrhundert als leitende Kraft der gesellschaftliche Entwicklung. Zunehmend wird sie konservativer und steht in Wege zum Neuen. Im Grunde ganz normaler evolutiver Prozess. Die Frage ist, wie die Umwandlung möglichst schmerzfrei zu gestalten.

Zudem verbinden diese Werte (Freiheit, Demokratie) nicht nur europaweit. Europa muss sich noch in dieser Hinsicht profilieren.
Die Religion kann es nicht mehr sein, die hat zwar jahrhundertelang bis weit nach dem Mittelalter als sozialer Verbinder funktioniert, heute aber leben in Europa Christen, Muslime und andere Religionen der unterschiedlichsten Ausprägung miteinander. Die überwiegende Mehrheit befindet sich in einem sehr säkulisierten Zwischenstadium zwischen moderner Gläubigkeit und gemäßigtem Atheismus.
Ich denke schon, dass eine Religion als Gründer eines Kulturraumes - zuerst europäischen - kann als "Stammesgründer" der Europäer angesehen werden. Hier muss aber nicht vergessen werden, dass Islam eine Rolle in der Entwicklung des christlichen Raumes gespielt hat, abgesehen, das weiter Teile auch beherrscht von Islam waren. Es war die Zeit, wann die Europäer Barbaren im Sinne des Fortschritts waren, im Gegensatz zum christlichen Raum, blühte in Islam Wissenschaft und Kunst und in Toleranz war er nicht zu übertreffen. Dass es jetzt ein negativer Abbild sich herausstellt (Fortschrittlichkeit Europäer und Zurückgebliebenheit des islamischen Raumes), heiß es nicht, dass das Blatt sich nicht wieder wendet.

Überhaupt finde ich, dass die Überheblichkeit mancher Europäer im Sinne ihrer Fortschritts und Wirkungen auf globales Geschehen ist eher Einbildung, mit dem gekämpft werden müsse. Auch Geschichtekunde und Soziologie nehmen Abstand von solchen Anschauungen. Man stellt sich als Spitze des Pfeils der gesellschaftlichen Entwicklung, wenn in Wirklichkeit Gesellschaft evolviert eher nach "Rösselsprung" in Schachspiel. Der Fortschritt "fährt" zeitlang gerade, um dann zur Seite zu springen.
Verbindet uns heute unser Gesellschaftsmodell von Freiheit und Demokratie? Und schließt das alle ein?
Erinnerst du unsere Diskussion über die Hierarchie in Wertsystem? es könnte sein. Dennoch driftet die Diskussion mit Pegida und Co. nicht um die Erhaltung der Werte. Das Gegenteil ist der Fall. Islam wird beschuldigt diese Werte zu verletzen. So dass diese Bewegungen stehen angeblich hinter der Werten. Es ist eben Populismus pur.

Dass die führende politische Kräfte gegen dieses Populismus aussprechen, finde ich richtig. Dennoch ist auch festzustellen, dass die Spaltung des gesellschaftliches "oben" von dem "unten" wächst. Schon Diskussionen in betreffenden Threads zeigen, dass wir (ich, du und noch ein Paar User) sind in Minderheit. Dass man jetzt Diskussion auf der "Augenhöhe" führt und mit Islamfeindlichkeit sich auseinander setzt ist schon richtig, dennoch nicht ausreichend. Wie ich schon gesagt habe, denke ich die Ursachen sind viel tiefer gegraben, als es später durch spezielle politische Kräfte artikuliert wurde.

Nicht nur in Nazi Zeit, schon viel früher, waren Juden als Feind beliebtes Ventil für gesellschaftliche Spannungen. Zweifelllos auch, dass auf Grenze der zusammenhaltenden jüdischen Gemeinde (Religion, Esskultur, Kleider) auch Spannungen vorhanden waren. Dennoch würden sie "künstlich" vergrößert durch das Fingerzeigen als Ursache für alle Übel, wo die Juden überhaupt kein Einfluss hatten. Etwas ähnliches meine ich in Bezug auf Muslimen heute zu sehen.

Das Zusammenballen der (Fremd-)Kulturen, die objektiv für eine Abstoßung sorgen, ist auch heute zu beobachten. Ich denke, es ist ein objektiver gesellschaftlicher Prozess, der nicht zu unterschätzen ist. Es darf keine Ghetto bilden, die Emigranten müssen verstreut gesiedelt werden, wenn man eine schnelle Integration will. Auch dieses Problem haben wir schon ausführlich diskutiert.
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Barbarossa
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Da kann ich dir nur zustimmen, Aneri. Gerade in dem anderen Pfad schrieb ich etwas dazu - ich bringe es auch mal hier als Zitat:
Barbarossa hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:
Triton hat geschrieben: Das Ziel der Terroristen ist es, Muslime in säkularen Staaten auf ihre, radikale Seite zu ziehen. Es ist ihnen egal, ob es den Muslimen dann schlechter geht und sie unter Generalverdacht geraten, genau das wollen sie ja. Sie wollen, dass Muslime ausgegrenzt werden, sie wollen, dass Muslime sich nicht an die Annehmlichkeiten von demokratischen Recheitssaaten gewöhnen sondern verfolgt und ausgegrenzt werden.
Genau diese Frage stelle ich mir auch, welche Taktik verfolgen die Terroristen. Dabei muß man wahrscheinlich weiter gucken als nur nach F und D.
Und dabei fällt mir immer die römische Imperiumsstrategie ein "Divide et impera" teile und herrsche, wobei man heute divide besser mit spalte übersetzen könnte.
Ja richtig, denn früher war das Teilen vor allem territorial gemeint, heute soll dagegen die Gesellschaft gespalten werden. Beim IS hat das schon gut funktioniert. Dadurch ist der so stark geworden. Es ist folglich also kreuzgefährlich, wenn wir die Muslime in unserer Gesellschaft unter Terrorismus-Generalverdacht stellen und sie ausschließen. Genau das wollen die Hassprediger auf der einen Seite erreichen, genau das selbe tut aber auch Pegida - vermutlich ohne die Folgen zu berücksichtigen. Es geht schon lange nicht mehr darum, ob wir die Muslime in Deutschland und Europa wollen - das hätte man sich in den 60er Jahren überlegen müssen - sondern wie wir mit ihnen umgehen.
Genau solche Erklärungen müssten eigentlich von der Politik kommen - kommen sie aber nicht. Die Bundesregierung erklärt eben nicht, warum sie was tut, sondern gibt nur hole Phrasen heraus. Und ggf. Drohungen, wenn die Phrasen nicht mehr helfen. Das kann man aber in einer Gesellschaft mündiger Bürger nicht tun. Politische Entscheidungen müssen erklärt werden, tut man es nicht, kommen solche Bewegungen heraus wie Pegida und Hogesa. Insofern ist die Politik imho an dieser Entwicklung mit Schuld.
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Dietrich
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Aneri hat geschrieben: Ich denke schon, dass eine Religion als Gründer eines Kulturraumes - zuerst europäischen - kann als "Stammesgründer" der Europäer angesehen werden. Hier muss aber nicht vergessen werden, dass Islam eine Rolle in der Entwicklung des christlichen Raumes gespielt hat, abgesehen, das weiter Teile auch beherrscht von Islam waren. Es war die Zeit, wann die Europäer Barbaren im Sinne des Fortschritts waren, im Gegensatz zum christlichen Raum, blühte in Islam Wissenschaft und Kunst und in Toleranz war er nicht zu übertreffen. Dass es jetzt ein negativer Abbild sich herausstellt (Fortschrittlichkeit Europäer und Zurückgebliebenheit des islamischen Raumes), heiß es nicht, dass das Blatt sich nicht wieder wendet.
Das kann man so immer wieder in populärwissenschaftlichen Werken lesen, ist aber in dieser undifferenzierten Form falsch.

Die große Expansion der Araber begann im 7. Jh. Zu dieser Zeit waren sie kulturell nicht mehr als Kamelteiber und vielfach halbnomadisch lebende Stämme. Allerdings: Die eben erst muslimisch gewordenen Araber des 7. Jhs. waren wissbegierig und aufnahmefähig. Sie übernahmen kulturelle und zivilisatorische Impulse aller Völker und Länder, die sie eroberten, sodass byzantinische und persische Gelehrsamkeit in den neuen islamischen Zentren zusammenflossen, Naturwissenschaften, Astronomie, Heilkunst, Dichtung und Literatur aufblühten. Als schließlich noch Impulse aus Indien hinzukamen, hatten die Araber ihre Lehrmeister übertroffen. In der Zeit zwischen dem 9. und 13. Jh. erreichte die arabische Kultur ihren Zenit, während die abendländische Kultur noch auf einer primitiveren Stufe verharrte.

Das allerdings änderte sich ab etwa dem 14./15. Jh., als die Europäer zu weltumspannenden Entdeckungen aufbrachen und die islamische Welt ein politisch zerstückeltes Bild bot. Daran vermochte auch der große machtpolitische Faktor des Osmanischen Reichs nichts zu ändern: Die kulturelle Vorherrschaft ging mit Beginn der frühen Neuzeit auf die Europäer über, deren erste Glanzleistung die Kultur der Renaissance war.

Ähnliches spielte sich auch in al-Andalus ab, dem islamischen Spanien. Als die Araber das spanische Westgotenreich im 8. Jh. eroberten, trugen sie eine erheblich verfeinertere und raffiniertere Kultur ins Land. Impulse kamen zunächst aus dem Kalifenreich der Abbasiden in Vorderasien, später entwickelte sich unter dem Kalifat der spanischen Omaijaden eine autonome spanisch-islamische Kulturprovinz. Die ging im 13. Jh. unter, als die christlichen Könige von Aragon und Kastilien die letzten Reste von al-Andalus eroberten.

Man muss also die so genannte Vorherrschaft der arabischen Kultur differenziert betrachten und besonders auf Aufstiegs- und Verfallzeiten achten.
Renegat
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Barbarossa hat geschrieben:Da kann ich dir nur zustimmen, Aneri. Gerade in dem anderen Pfad schrieb ich etwas dazu - ich bringe es auch mal hier als Zitat:
Triton hat geschrieben: Das Ziel der Terroristen ist es, Muslime in säkularen Staaten auf ihre, radikale Seite zu ziehen. Es ist ihnen egal, ob es den Muslimen dann schlechter geht und sie unter Generalverdacht geraten, genau das wollen sie ja. Sie wollen, dass Muslime ausgegrenzt werden, sie wollen, dass Muslime sich nicht an die Annehmlichkeiten von demokratischen Recheitssaaten gewöhnen sondern verfolgt und ausgegrenzt werden.
Renegat hat geschrieben:Genau diese Frage stelle ich mir auch, welche Taktik verfolgen die Terroristen. Dabei muß man wahrscheinlich weiter gucken als nur nach F und D.
Und dabei fällt mir immer die römische Imperiumsstrategie ein "Divide et impera" teile und herrsche, wobei man heute divide besser mit spalte übersetzen könnte.
Barbarossa hat geschrieben:Ja richtig, denn früher war das Teilen vor allem territorial gemeint, heute soll dagegen die Gesellschaft gespalten werden. Beim IS hat das schon gut funktioniert. Dadurch ist der so stark geworden. Es ist folglich also kreuzgefährlich, wenn wir die Muslime in unserer Gesellschaft unter Terrorismus-Generalverdacht stellen und sie ausschließen. Genau das wollen die Hassprediger auf der einen Seite erreichen, genau das selbe tut aber auch Pegida - vermutlich ohne die Folgen zu berücksichtigen. Es geht schon lange nicht mehr darum, ob wir die Muslime in Deutschland und Europa wollen - das hätte man sich in den 60er Jahren überlegen müssen - sondern wie wir mit ihnen umgehen.
Genau solche Erklärungen müssten eigentlich von der Politik kommen - kommen sie aber nicht. Die Bundesregierung erklärt eben nicht, warum sie was tut, sondern gibt nur hole Phrasen heraus. Und ggf. Drohungen, wenn die Phrasen nicht mehr helfen. Das kann man aber in einer Gesellschaft mündiger Bürger nicht tun. Politische Entscheidungen müssen erklärt werden, tut man es nicht, kommen solche Bewegungen heraus wie Pegida und Hogesa. Insofern ist die Politik imho an dieser Entwicklung mit Schuld.
Teilweise kommen solche Erklärungen schon, es wird ja viel geredet in den letzten Wochen. Leider ist Politiker-Sprache oft schwurbelig indirekt, so dass schnell weggehört wird. Vielleicht leben manche Politiker in ihrer eigenen Parallelgesellschaft und es bestehen massive Verständigungsprobleme. :D
Nee, ernsthaft, ich halte nichts davon, nur "die Politik" für alles verantwortlich zu machen, der Staat sind wir und zwar wir alle, die hier leben. Also laß uns doch mal, wie von Aneri angeregt, nach den tieferen Ursachen gucken.
Renegat
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Zur Zeit gehen wieder viele Threads ineinander über, da dieser bisher am übersichtlichsten ist und sich mit den tieferen Ursachen beschäftigen wollte, habe ich von http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 132#p51132 rüberkopiert.

Barbarossa hat geschrieben:Ja richtig, denn früher war das Teilen vor allem territorial gemeint, heute soll dagegen die Gesellschaft gespalten werden. Beim IS hat das schon gut funktioniert. Dadurch ist der so stark geworden. Es ist folglich also kreuzgefährlich, wenn wir die Muslime in unserer Gesellschaft unter Terrorismus-Generalverdacht stellen und sie ausschließen. Genau das wollen die Hassprediger auf der einen Seite erreichen, genau das selbe tut aber auch Pegida - vermutlich ohne die Folgen zu berücksichtigen. Es geht schon lange nicht mehr darum, ob wir die Muslime in Deutschland und Europa wollen - das hätte man sich in den 60er Jahren überlegen müssen - sondern wie wir mit ihnen umgehen.
Genau so ist es, die Terroristen und extremistischen Hetzer waren bisher, auch in Paris, keine frischen Einwanderer, sondern höchstens deren Nachkommen in 2. oder 3. Generation. Es sind aber auch abstammungsreine Deutsche darunter, jedenfalls klingt Sven Lau und Pierre Vogel so. Ist es die abgehängte Generation, die extreme Perspektiven sucht?

dieter hat geschrieben: wir sind doch überhaupt nicht gefragt worden. In den 60er Jahren gab es Arbeitskräftemangel, da die Flüchtlingswelle am Ende war. Ein Arbeitgeber mußte an die Bundesanstalt für Arbeit pro Arbeitnehmer 40 DM bezahlen. Die damaligen Regierungen, vor allem die schwarz-gelbe Regierung ermöglichte mit Abkommen diese Möglichkeit. Es war den Regierungen anscheinend egal, wo die Arbeitskräfte herkamen. Man hat auch angenommen, die gingen nach einer Zeit wieder zurück, was sie aber nicht taten. :roll:
Die BRD war auch in den 60ern schon eine Demokratie. Niemand hatte damals und noch lange danach etwas gegen die Gastarbeiter, denn dann hätten sie an der Wahlurne anders entschieden.
Im Gegenteil, es war eigentlich allen klar, dass sie den Wirtschaftswunderwohlstand sicherten.
Und nicht nur das, sie ermöglichten den Kindern der Kriegsgeneration den Aufstieg. Die SPD unter Brandt sorgte mit einer breiten Bildungsoffensive dafür, dass die Gesellschaft in den 70/80er Jahren so schichtendurchlässig war, wie nie davor oder danach. Die Chancen zum Bildungsaufstieg konnten damals aber noch nicht die Gastarbeiter der 1. Generation nutzen, die mussten ja arbeiten.
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Gontscharow
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In der Tat : Nicht wenige Islamisten sind "unser Kinder", also ethnisch Deutsche, Franzosen, Briten etc.
Heute wurde in Dinslaken ein 24-jähriger Deutscher festgenommen, der nach Syrien gereist war und sich
dem IS angeschlossen hatte.
Pierre Vogel hat übrigens Abitur .... aber das hatte Dr. Goebbels ja auch !
Insgesamt stimme ich dir aber zu, Renegat, ich erlebe es auch so, daß die Jugendlichen, die sich
zu Extremisten jeglicher Couleur hingezogen fühlen, meist ein niedriges Bildungsniveau und
daraus resultierend wenig Perspektiven haben.Meistens haben aber auch die Jugendlichen selbst
daran nicht gerade wenig Mitverantwortung weil sie sich weigern, zu lernen.
Was soll man also mit diesen Jugendlichen anfangen ?
Aneri

Dietrich hat geschrieben:Man muss also die so genannte Vorherrschaft der arabischen Kultur differenziert betrachten und besonders auf Aufstiegs- und Verfallzeiten achten.
Warum muss man besonders auf Aufstieg und Verfallzeiten achten? Es ist alles gleichermaßen zu beachten - Aufstieg, Blütezeit, Verfallzeit. In moderne Zeit würde ich das Gegenteil sehen, man muss besonders die Blütezeit akzentuieren. Es ist zu wenig Europäern bewusst, wie die Kultur hat europäische angeregt, vieles übernommen und dann weiter entwickelt.
Renegat
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Gontscharow hat geschrieben: Was soll man also mit diesen Jugendlichen anfangen ?
Vielleicht muß man sogar noch breiter fragen und nicht nur nach einigen radikalen Jugendlichen. Darüberhinaus meine ich die ganze Generation der unter 35-Jährigen.
Dabei ist die Frage, ob dieser Generation mehr Bildung überhaupt zu einer Zukunftsperspektive verhilft. Guck doch nach Spanien, Griechenland, dort sind teilweise 50 % der jungen Generation arbeitslos oder prekär beschäftigt, trotz Hochschulabschlüssen. Probleme trotz hoher Bildungsabschlüsse einen Arbeitsplatz zu finden, der eine Lebensplanung erlaubt, haben aber auch Jüngere in D, wahrscheinlich in ganz Europa.
Andererseits, wer einen Arbeitsplatz ergattert hat, zahlt oft einen hohen Preis. Denn Familienplanung, überhaupt Privatleben wird meist zurückgestellt, bis es psychisch nicht mehr ausgehalten wird.
Wenn ich dann die Pegida-Argumente von der qualifizierten Zuwanderung höre, die ja auch von Arbeitgeberverbänden, anders formuliert, vorgetragen werden, frage ich mich, ob da nicht der Überblick über unseren Arbeitsmarkt fehlt.

Welche Arbeitskräfte brauchen wir denn in Massen?
Und kann man diese Arbeitsplätze nicht so aufwerten und absichern, dass auch jüngere Menschen sich mit ihnen weiterentwickeln können, eine Lebensplanung darauf aufbauen können? Denn damit wären sie viel weniger anfällig für extreme Parolen, dann hätten sie nämlich etwas zu verlieren.
Aneri

Ich denke, IS Zuwachs ist ein radikalisierende Entwicklung auf anderem Flügel der Gesellschaft. Dort hat auch zunächst eine diffuse Unzufriedenheit erst durch Kennenlernen der Parolen des fundamentalistischen Islam eine bestimmte Richtung angenommen, sich begrifflich und sprachlich artikulieren begann.

Als ein Ausdruck einheitliches gesellschaftliches Prozesses - ich meine Radikalisierung beider Flügel - könnte es sein, dennoch sehe ich zur Zeit keine Ursache-Wirkungs-Kette, die sie verbinden könnte, außer eben dieser "diffusen" Unzufriedenheit, die einen zur islamischen Terrorismus drängte, anderen - zum Protest gegen Islamisierung. Die Menschen, die auf die Straße gehen, gehen nicht wegen die Jugendlichen, die kulturell/religiös/extremistisch abgedriftet wurden (oder verpasse ich da etwas?). Da könnte man auch gegen andere Fehlentwicklungen in der Gesellschaft protestieren, die massenhafter auftreten...
Dietrich
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Aneri hat geschrieben: Warum muss man besonders auf Aufstieg und Verfallzeiten achten? Es ist alles gleichermaßen zu beachten - Aufstieg, Blütezeit, Verfallzeit. In moderne Zeit würde ich das Gegenteil sehen, man muss besonders die Blütezeit akzentuieren. Es ist zu wenig Europäern bewusst, wie die Kultur hat europäische angeregt, vieles übernommen und dann weiter entwickelt.
Die kulturelle Vorherrschaft ging zu Beginn der frühen Neuzeit auf das abendländische Europa über, während zuvor die Welt des Islam tonangebend war. Derartige kulturhistorische Prozesse beruhen stets auf Aufstieg, Blüte, Degeneration und Verfall - sei es im Fernen oder Nahen Osten, in Amerika oder Afrika.
Aneri

Eine provokative Frage in diesem Zusammenhang erlaubt: ob wir zur Zeit nicht die Degeneration unseres "kulturhistorisches Prozesses" erleben? Ich mein, dass der höchsten Punkt der Wellenberges der Entwicklung ist überschritten. So mache laufen von drohenden zum "sinken" Schiff, andere haften verzweifelt an dem schon Bewehrten. Die Zukunft ist aber in dem Neuen. Es ist der Naturgesetz der Evolution und wir sind Teil der Natur, obwohl möchten uns gern ausklammern und die Natur an unsrer Spielregeln drängeln. Bleiben wir beim Alten, werden wir in der Evolutionsnische gedrängt und werden zur Entwicklungs-Relikten.

Die Zukunft ist in dem Neuen. Sonst sind wir weg vom Fenster. Eigentlich triviale These. Nicht trivial dagegen - was man unter dem Neuen versteht, wohin steuern wir?
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Barbarossa
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Woran machst du das fest, dass wir Europärer oder die westliche Welt den Zenit überschritten haben?
Welche Anzeichen dafür siehst du?

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