Private Selbstinzenierung von Politikern

Grundgesetz, Gesetzesfragen, Wahlen, bundespolitische Ereignisse, Polizei

Moderator: Barbarossa

Stephan
Mitglied
Beiträge: 157
Registriert: 28.10.2013, 23:53

Da das Thema mehrfach angesprochen wurde, warum nicht?
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 780#p44780
Gontscharow hat geschrieben:Wahrscheinlich hat man als Kanzler nicht mehr viel Privatleben, Ralph.
Ich selbst würde mein Privatleben auch schützen wollen.
Den Hinweis von Triton, einmal Frau Merkel und Herrn Kohl in dieser Hinsicht
zu vergleichen, finde ich gut. Scheinbar hat man auch als Prominenter sehr wohl die
freie Entscheidung, ob solche Homestories über die Familie gemacht werden oder nicht.
Niemand wird Helmut und Hannelore Kohl "gezwungen" haben, sich ein Rehkitz fütternd in
der idyllischen Landschaft des Salzkammergutes ablichten zu lassen und dabei
freundlich lächelnd direkt in die Kameras zu schauen ....
Ist man diesen Pakt mit der Presse erst mal eingegangen, ist es fast zwangsläufig, daß
eines Tages auch die Kehrseite der Medaille zum Vorschein kommt, spätestens dann, wenn
man nicht mehr in Amt und Würden ist sowie alt und gebrechlich und sich deshalb nicht
mehr so gut wehren kann ( insofern, moralisch betrachtet, meine Zustimmung, dieser Biograf
handelt egoistisch und es geht ihm ums Geld).
Angela Merkel verhält sich da geschickter.
Wirklich? Kaum zu glauben angesichts dieser Bilder. Und dass sich ein deutscher Kanzler wieder bei den Wagnerfestspielen feiern lässt, zeugt von fehlendem historischen Fingerspitzengefühl.
Freundliche Grüsse
Stephan
Benutzeravatar
Gontscharow
Mitglied
Beiträge: 363
Registriert: 14.09.2014, 01:14

Ist der Besuch der Wagnerfestspiele denn privat oder politisch ?
Du insinuierst beides, Stephan ....
Privat, weil sie dort mit ihrem Mann ist.
Politisch, wegen der Vorliebe der Nazis für Wagner.
Benutzeravatar
Marek1964
Mitglied
Beiträge: 1474
Registriert: 30.11.2013, 12:53

Stephan hat geschrieben:Da das Thema mehrfach angesprochen wurde, warum nicht?
...
Und dass sich ein deutscher Kanzler wieder bei den Wagnerfestspielen feiern lässt, zeugt von fehlendem historischen Fingerspitzengefühl.
Naja, so eng würde ich das mit den Wagnerfestspielen heute auch nicht mehr sehen. Dass sich seine Werke leider für den Missbrauch der Nazis eigneten, ist eine Sache, aber die Festspiele heute zu besuchen, halte ich nicht für so kritisch.

Aber richtig: Ein Bundeskanzler oder anderer Politiker muss sich immer fragen, wo hin er gehen darf und wohin nicht und was die Leute denken. Insofern ist nicht nur von Selbstinszenierung die Rede, aber auch von dem, wie frei man in seinen Entscheiden ist, welchen öffentlichen Auftritt man wählt, ohne Irritationen zu verursachen.

Und ja, diese Wagnerfestspiele, gutes Beispiel. Mich stört das jetzt nicht. Viel mehr würde mich stören, wenn sie eine Veranstaltung des BdV oder der Sudetendeutschen Landsmannschaften besuchen würde... also wohl gerade umgekehrt als bei Dir.
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Wagner kann nichts dafür, dass Hitler seine Musik liebte.
Die Bundeskanzlerin erhält wohl automatisch jedes Jahr eine Einladung und weil ihr Mann klassische Musik liebt, gehen sie eben hin. Wahrscheinlich auch, um allzu neugierigen Menschen ein Häppchen Privatleben zu servieren, der ihr nicht schwerfällt. Es gibt auch immer mal wieder Bilder von ihr beim Wandern, weil das sowieso nicht geheim zu halten ist.

Dass hier mit aller Gewalt das Blitzlicht gesucht wird, erkenne ich beim besten Willen nicht.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Lia

Stephan hat geschrieben:Und dass sich ein deutscher Kanzler wieder bei den Wagnerfestspielen feiern lässt, zeugt von fehlendem historischen Fingerspitzengefühl.
Wieso? Sehe ich für heutige Zeiten nunmal gar nicht. Zu Zeiten Winifred Wagners war es das sicherlich, heute überholt.
Ein Blick in die Liste der Regisseure reicht, um das zu sehen.
Die Medien und die Egendarstellung dort scheinen ansonsten inzwischen für viele Politiker und zur Sucht zu werden.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Gontscharow hat geschrieben:Ist der Besuch der Wagnerfestspiele denn privat oder politisch ?
Du insinuierst beides, Stephan ....
Privat, weil sie dort mit ihrem Mann ist.
Politisch, wegen der Vorliebe der Nazis für Wagner.
Lieber Gontscharow,
kann man nicht Wagner auch gut finden, wegen seiner Musik und nicht ein Nazi zu sein :?: :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Benutzeravatar
Gontscharow
Mitglied
Beiträge: 363
Registriert: 14.09.2014, 01:14

Ich habe in manchen Dingen den Geschmack von Adolf Hitler :
Ich esse gern vegetarisch, mag Schäferhunde und die Straßenlaternen an der
Straße des 17.Juni in Berlin finde ich ästhetisch schön.
Also, klar, Dieter, kann man die Musik von Wagner hören, ohne Nazi zu sein.
Deshalb würde ICH Frau Merkel auch nie vorwerfen, daß ihr (oder ihrem Mann)
diese Musik gefällt.
( Mir selbst gefällt Wagner übrigens überhaupt nicht , keine 10 Pferde würden mich zu solch
stundenlangen Darbietungen seiner Musik bringen ;-) )
Stephan
Mitglied
Beiträge: 157
Registriert: 28.10.2013, 23:53

Gontscharow hat geschrieben:Ich esse gern vegetarisch, mag Schäferhunde ...
Der war gut!Bild
Freundliche Grüsse
Stephan
Stephan
Mitglied
Beiträge: 157
Registriert: 28.10.2013, 23:53

Triton hat geschrieben:Wagner kann nichts dafür, dass Hitler seine Musik liebte.
Aber er kann etwas für seinen Antisemitismus. Aus Das Judenthum in der Musik:
Nach einleitenden Betrachtungen über eine vermeintliche übergroße Machtfülle der Juden („... der ‚Gläubiger der Könige‘ zum Könige der Gläubigen geworden.“) vertritt Wagner in seinem Aufsatz die These, dass „der Jude“ an sich „unfähig“ sei, „durch seine äußere Erscheinung, seine Sprache, am allerwenigsten aber durch seinen Gesang, sich uns künstlerisch kundzugeben“, ...
Man muss nicht so weit gehen wie Joachim Köhler, dass Wagner Hitler während der Wiener Jahre geprägt hat, hat bereits Joachim Fest nachgewiesen. siehe: http://www.zeit.de/1997/16/Hitlers_Wagner
Triton hat geschrieben:Die Bundeskanzlerin erhält wohl automatisch jedes Jahr eine Einladung und weil ihr Mann klassische Musik liebt, gehen sie eben hin.
Unbedarftheit? Zu Wagner geht man nicht eben hin! Das ist ein gesellschaftliches Ereignis. Im Gegensatz zum Füttern eines Rehkitzes.

Den Aufschrei der Medien und Linken hätte ich allerdings gerne miterlebt, wenn Dr. Kohl 1983 in Bayreuth aufgeschlagen wäre. Seinerzeit gestatteten man ihm nicht einmal den Besuch eines Friedhofs.

Wenn es Merkel nur um die Musik ginge, könnte man den Auftriff mit Sicherheit dezenter gestalten oder sich eine DVD zulegen. Wenn sogar nur ihr Mann der Liebhaber ist, könnte er auch solo erscheinen.
Freundliche Grüsse
Stephan
Benutzeravatar
Balduin
Administrator
Beiträge: 4215
Registriert: 08.07.2008, 19:33
Kontaktdaten:

Ich sehe mit dem Besuch bei den Festspielen von Bayreuth kein Problem - es ist sogar ein Traum von mir, dort einmal als Gast anwesend zu sein (auch wenn die Luft im Saal schrecklich sein soll).

Wagner selbst war ein schrecklicher Mensch - seine Musik ist es nicht. Sogar in Israel wird jüngst wieder Wagner gespielt: http://geschichte-wissen.de/nachrichten ... srael.html
Es gibt auch bereits einen Pfad im Forum dazu: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =33&t=2461
Herzlich Willkommen auf Geschichte-Wissen - Registrieren - Hilfe & Anleitungen - Mitgliedervorstellung

He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Lia

Das Lamento um Besuche von Merkel und Sauer in Bayreuth ist inzwischen anachronistisch, wäre es schon zu Kohls Zeiten, zumal 1983 gewesen.
Da hätte der arme Kerl eine total verrissene Inszenierung zu sehen und zu hören bekommen. Der Dirigent, wie etliche andere Dirigenten und Regisseure der Festspiele, war denn auch jeden Nazi-Wahns unverdächtig.
Stephan hat geschrieben:Unbedarftheit? Zu Wagner geht man nicht eben hin! Das ist ein gesellschaftliches Ereignis. Im Gegensatz zum Füttern eines Rehkitzes.
Generell nicht oder nicht nach Bayreuth? Bekenne mich schuldig, den gesamten Ring der Nibelungen und alle anderen Wagner- Opern an anderen Häusern erlebt zu haben. Und ich mag Schäferhunde nicht sehr, bin nicht konsequente Vegetarierierin und habe immer noch jüdische Freunde. ( Die Wagner hören.)
Gerade die Inszenierungen in Bayreuth sind wichtig, weil sie in neuerer Zeit schon Aufschluss über den Umgang mit dem Geist und Ungeist Wagner geben- über die kritiche Auseinandersetzung mit dem Wagner-Komplex.
Wenn Du den Zeitartikel zitierst, dann solltest Du die Schluss-Sätze nicht ignorieren:
http://www.zeit.de/1997/16/Hitlers_Wagner/seite-3
Zitat:
Richard Wagner kann man so wenig ausschließlich unter dem Tristan-Akkord und als genialen Erneuerer des Musiktheaters sehen wie vornehmlich unter dem Blickwinkel des verhängnisvollen Beiträgers zur Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts an ihrem Tiefpunkt, als der er zum Idol Hitlers wurde. Man wird Richard Wagner in seiner ganzen Bedeutung, also auch in seiner Wirkung als Hitler-Idol, heute ehrlich und ohne Verdrängung am ehesten gerecht, wenn man zum Beispiel sein Hauptwerk, die "Ring"-Tetralogie, um die auch Köhlers Buch kreist, adäquat in Szene setzt, wie das zuletzt in Brüssel/Frankfurt von Herbert Wernicke geschehen ist.
Wenn es Merkel nur um die Musik ginge, könnte man den Auftriff mit Sicherheit dezenter gestalten oder sich eine DVD zulegen. Wenn sogar nur ihr Mann der Liebhaber ist, könnte er auch solo erscheinen.
Das liegt nicht nur an ihr, das Blitzlichtgewitter gilt auch anderen Prominenten und solchen, die es sein möchten.
Eine DVD kann nie wiedergeben, was live eine Aufführung just an diesem kritischen Ort übermittelt. Oder eben nicht.
Die grundsätzliche Dämonisierung der Bayreuther Festspiele, der Wagner-Opern und des Besuchs der regierenden Dame ist im heutigen Kontext überholt.
Ralph hat geschrieben:Ich sehe mit dem Besuch bei den Festspielen von Bayreuth kein Problem - es ist sogar ein Traum von mir, dort einmal als Gast anwesend zu sein (auch wenn die Luft im Saal schrecklich sein soll).
Sieh zu, dass Du kanzler dieser Republik wirst! :)
Bayreuth ist ein Erlebnis für sich, sagen viele Musikliebhaber, die sich gleichzeitig gründlichst mit dem Thema Wagner/ Hitler auseinander gesetzt haben. Wobei musikalisch eben nicht nicht nur Highlights zu erleben sein sollen.
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Innenpolitik“