Deutsche Staatsbürgerschaft vs. Deutsche Volkszugehörigkeit

Grundgesetz, Gesetzesfragen, Wahlen, bundespolitische Ereignisse, Polizei

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Was du beschreibst, ist sehr interessant. Plötzlich gab es auch im Westen eine neue Situation durch die Friedliche Revolution in der DDR. Tatsächlich hatte auch ich damals den Eindruck, daß unser Nationalbewußtsein weit stärker ausgeprägt war, als im Westen. Wir haben ja sogar mit der Bundesdeutschen Fußball-Nationalmannschaft bei den EMs und WMs mitgefiebert und haben sie als unsere betrachtet. Die DDR-Mannschaft qualifizierte sich meist gar nicht. So war es kein Wunder, daß der Ruf nach der Einheit Deutschlands in der Wendezeit sehr schnell laut wurde.
Mit den neuen Freiheiten hatte natürlich auch die verstäkte Einreise der sogenannten "Übersiedler" zu tun. Auch sie kamen, weil sie mit den Verhältnissen in ihrem Land unzufrieden waren. Sie konnten durch den Fall des "Eisernen Vorhangs" nun nach Deutschland kommen, was vorher so nicht möglich war. Klar ist aber, daß es die Gesetze, die die Übersiedler aus der SU nutzten - also die rechtlichen Voraussetzungen (Volkszugehörigkeit), schon vorher gab.
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Renegat
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Barbarossa hat geschrieben: Mit den neuen Freiheiten hatte natürlich auch die verstäkte Einreise der sogenannten "Übersiedler" zu tun. Auch sie kamen, weil sie mit den Verhältnissen in ihrem Land unzufrieden waren. Sie konnten durch den Fall des "Eisernen Vorhangs" nun nach Deutschland kommen, was vorher so nicht möglich war. Klar ist aber, daß es die Gesetze, die die Übersiedler aus der SU nutzten - also die rechtlichen Voraussetzungen (Volkszugehörigkeit), schon vorher gab.
Das ist richtig, es gab auch schon vorher in den 70ern sog. Spätaussiedler aus Polen, die Beweggründe werden ähnlich gewesen sein. Diese haben, wie die damals Gastarbeiter genannten Migranten, das allgemeine Gemisch der westdeutschen Großstädte bereichert.
Um nicht falsch verstanden zu werden, für mich spricht nichts gegen Einwanderung aus wirtschaftlichen Gründen, es ist meistens die ehrlichste Begründung. Inzwischen wandern viele Deutsche aus denselben Gründen aus und das haben sie auch in der Vergangenheit getan, die letzte große Welle war in den 50ern. Diese Auswanderer und bes. ihre Nachfahren sind aber in meinen Augen keine Deutschen mehr, weil sie sich bewußt anders entschieden haben und auch in ihrer neuen Heimat bleiben wollen.
Barbarossa hat geschrieben: Was du beschreibst, ist sehr interessant. Plötzlich gab es auch im Westen eine neue Situation durch die Friedliche Revolution in der DDR. Tatsächlich hatte auch ich damals den Eindruck, daß unser Nationalbewußtsein weit stärker ausgeprägt war, als im Westen. Wir haben ja sogar mit der Bundesdeutschen Fußball-Nationalmannschaft bei den EMs und WMs mitgefiebert und haben sie als unsere betrachtet. Die DDR-Mannschaft qualifizierte sich meist gar nicht. So war es kein Wunder, daß der Ruf nach der Einheit Deutschlands in der Wendezeit sehr schnell laut wurde.
Willst du jetzt das Nationalbewußtsein an der Unterstützung für die Fußballnationalmannschaft festmachen?
Im Ernst, ich würde gerne wissen, was sich am Empfinden durch die Wiedervereinigung geändert hätte.
Vielleicht war es ein Gefühl der Überforderung. Ich denke, dass es in der BRD vor allem in den Großstädten ein gewisses Gleichgewicht gab, nationale Aspekte waren nicht besonders wichtig, eigentlich waren und sind wir eher Lokalpatrioten und lokal gehören eben alle dazu, egal welche Abstammung sie haben, weil man sich kennt. Die Menschen aus der ehem. DDR waren in den 90ern erstmal fremder als die türkischen Nachbarn.
Ich hoffe, du verstehst, was ich meine und fasst das nicht als Ablehnung auf. Inzwischen sind über 20 Jahre vergangen und das Obergebilde deutscher Staat ist zusammengewachsen. Wir dürfen darüber nur nicht vergessen, dass es inzwischen eben neue Deutsche gibt, die genau die gleichen Rechte haben von allen angenommen zu werden.
Deshalb kann von mir aus der Abstammungsartikel ausgesessen oder gestrichen werden, eine Relevanz für mein Nationalbewußtsein hat er nicht.
Das ist natürlich nur meine sehr subjektive Meinung und ich bin gespannt, wie andere das sehen.
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Barbarossa
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Renegat hat geschrieben:...Das ist natürlich nur meine sehr subjektive Meinung und ich bin gespannt, wie andere das sehen.
Ja ok, dabei würde ich es jetzt auch bewenden lassen und bin ebenfalls auf weitere Wortmeldungen gespannt.
:wink:
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Renegat
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Um hierüber eine weitere Diskussion in Gang zu bringen, möchte ich euch am Aha-Erlebnis teilhaben lassen.
Bis 2008 hieß die umgangssprachliche "Geburtsurkunde" offiziell noch "Abstammungsurkunde", wie ich letztlich feststellen mußte, als ich eine solche, in meinen Unterlagen suchte. Die Umbenennung erfolgte zwar nach Wiki aus anders gelagerten Gründen, zeigt mir aber, dass sich in Deutschland doch was ändert und wenn es nur die Anpassung einer Formulierung ist. Sprache lebt und ist Ausdruck des Bewußtseins oder hättet ihr nach einer Abstammungsurkunde statt einer Geburtsurkunde gesucht?
http://de.wikipedia.org/wiki/Abstammungsurkunde
http://de.wikipedia.org/wiki/Geburtsurkunde
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Barbarossa
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Da muß ich zugeben, daß das an mir völlig unbemerkt vorbei gegangen ist.
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Renegat
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Barbarossa hat geschrieben:Da muß ich zugeben, daß das an mir völlig unbemerkt vorbei gegangen ist.
An mir auch, so oft sucht man ja keine Geburtsurkunden. Zufällig war das kurz nach diesem Thema und so war ich ziemlich erstaunt, dass über dem Ding aus 1983 tatsächlich noch groß "Abstammungsurkunde" stand. Ich mußte erst googeln, um festzustellen, dass das gefundene Stück Papier tatsächlich mit der vom Amt geforderten Geburtsurkunde übereinstimmt.
In meiner Erinnerung war das schon immer die Geburtsurkunde, was zeigt, dass Volkes Verständnis einer Sache durchaus zeitgemässer sein kann als offizielle Gesetze und Durchführungsvorschriften. Deshalb sollten wir die Hoffnung auf die Änderung deutschen Denkens nie aufgeben.

Wie hiess das Papier eigentlich in der DDR, nur mal so interessehalber?
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Vergobret
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Renegat hat geschrieben:Willst du jetzt das Nationalbewußtsein an der Unterstützung für die Fußballnationalmannschaft festmachen?
Ist das aber nicht eher ein Protest gegen das eigene Regime, als Nationalbewusstsein?
Quasi denen da oben eins auswischen, weil man für den Klassenfeind fiebert.

Es gibt eine Szene im film Invictus (indem es um Südafrika und Mandela geht), in der deutlich gemacht wird, dass die schwarzen Gefangenen immer zu den Gegnern der Springbocks (südafrikanisches, weißes Rugbyteam) hielten, weil es die weißen Wärter ärgerte. Am Ende fiebert Mandela im Film bei der Rugby-WM mit den Springbocks um den Titel...
„In all den Jahren habe ich so viele junge Männer gesehen,
die der Meinung waren, auf andere junge Männer zuzulaufen.
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Barbarossa
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Renegat hat geschrieben:Willst du jetzt das Nationalbewußtsein an der Unterstützung für die Fußballnationalmannschaft festmachen?
Vergobret hat geschrieben:Ist das aber nicht eher ein Protest gegen das eigene Regime, als Nationalbewusstsein?
Quasi denen da oben eins auswischen, weil man für den Klassenfeind fiebert...
Ich denke, sowohl, als auch.
Ich habe jedenfalls schon häufiger festgestellt, daß bei den Ostdeutschen die Identifikation als Deutscher und auch der Nationalstolz viel stärker ausgeprägt ist, als im Westen Deutschlands.
Andereseits hat in der DDR eigentlich fast jeder auf den Staat geschimpft.
Das Fußballbeispiel war natürlich nur ein Beispiel, um die Aussage anschaulich darzustellen. Es war aber nur eines von vielen Beispielen, die man nennen könnte.
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Vergobret
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Barbarossa hat geschrieben: Andereseits hat in der DDR eigentlich fast jeder auf den Staat geschimpft.
Schade, dass sich viele daran nicht mehr erinnern, sondern sich so verfälscht an damals erinnern. Marke "es war nicht alles schlecht".

ich denke da immer: Selbst wenn nicht alles schlecht war, so war doch anderes derart schlimm, dass es völlig egal ist, wie gut anderes ist.
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Peppone
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Barbarossa hat geschrieben:Ich habe jedenfalls schon häufiger festgestellt, daß bei den Ostdeutschen die Identifikation als Deutscher und auch der Nationalstolz viel stärker ausgeprägt ist, als im Westen Deutschlands.
Andereseits hat in der DDR eigentlich fast jeder auf den Staat geschimpft.
GERADE deswegen haben sich die Leute in der DDR mit ihrem Staat teilweise (!) mehr identifiziert als wir im Westen - in der DDR haben sie mit ihrem Staat gekämpft um ihre Freiheiten!
Die Bewohner der DDR haben sich viel bewusster mit ihrem Staat auseinandergesetzt als wir im Westen!
Und nicht zuletzt mag auch die Propaganda vom "kleinen Land zwischen Bergen (Erzgebirge) und See (Ostsee)", das tapfer gegen den "bösen Feind im Westen" standhält, irgendwo verfangen haben.

Beppe
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Barbarossa
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Du meinst die Propaganda der SED?
An die hat (soweit ich zurückdenken kann) kaum einer geglaubt. Die Indoktrinationsversuche der SED liefen bei der großen Mehrheit der Bevölkerung ins leere. Das weiß ich aus Erfahrung (der 80er Jahre).
Viele hatten ja auch noch "Westverwandtschaft", die auch zu Besuch kam und schon deswegen konnten gerade diese Menschen den Westen gar nicht wirklich als "Feind" ansehen. Nein, es war im Grunde nicht verwunderlich, daß die Rufe nach einer Einheit Deutschlands in der Wende so früh laut wurden.
Viele fühlten sich tatsächlich als Deutsche, zahlenmäßig weniger als DDR-Bürger, denke ich, ohne jetzt konkrete Zahlen zur Hand zu haben.
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Peppone
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Barbarossa hat geschrieben:Viele fühlten sich tatsächlich als Deutsche, zahlenmäßig weniger als DDR-Bürger, denke ich, ohne jetzt konkrete Zahlen zur Hand zu haben.
Meiner Erfahrung nach (nur Hörensagen, aber meine Informanten steckten so richtig drin in der DDR) war man schon auch stolz auf das, was man trotz der Kleinheit des Landes auf die Beine gestellt hatte. Immerhin war man wenigstens in Bezug auf den Ostblock "Weltnivoo", hatte also Polen, Tschechen und vor allem Russen (was den Alltag betraf) technologisch überholt.

Lieber fuhr man Wartburg als Moskvich... :o

Beppe
Suebe
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Die Unterscheidung von Staatsbürgerschaft und Volkszugehörigkeit kennt man so nur in Deutschland.
Bis 1935 gab es gar keine deutsche Staatsbürgerschaft!
Es wurden von den Bundesländern die jeweiligen Staatsbürger gegenseitig anerkannt.

Staatsbürger eines Bundeslandes konnte nach dem Gesetz von 1913 aber einer nur werden, wenn keines der anderen Bundesländer Einspruch erhob.
Die andere Möglichkeit bot die "Verbeamtung", ein Beamter eines Bundeslandes wurde automatisch Staatsbürger. Und als solcher von allen anerkannt, ohne Einspruchsrecht.

Diese Regelung spielte 1932 innenpolitisch eine große Rolle, Hitler zuvor "Staatenlos" stellt sich zur Wahl als Reichspräsident, was ihm nur über die Verbeamtung in Braunschweig möglich war.

Nach der "Machtergreifung" haben die Nazis diese Möglichkeit sehr schnell abgeschafft, sie hatten ja gesehen, dass da nichts gescheites daraus werden konnte. (Ironie, Vorsicht!)
Da wurde dann die heute noch gültige Regelung geschaffen, zuerst "Staatsbürger dann Beamter"
Seit 1935 gibt es dann eine deutsche Staatsbürgerschaft.
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Barbarossa
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Peppone hat geschrieben:Meiner Erfahrung nach (nur Hörensagen, aber meine Informanten steckten so richtig drin in der DDR) war man schon auch stolz auf das, was man trotz der Kleinheit des Landes auf die Beine gestellt hatte. Immerhin war man wenigstens in Bezug auf den Ostblock "Weltnivoo", hatte also Polen, Tschechen und vor allem Russen (was den Alltag betraf) technologisch überholt.

Lieber fuhr man Wartburg als Moskvich... :o

Beppe
Das ist doch wohl auch klar. Wer ist denn nicht stolz auf seine eigene Arbeit, die er unter den damaligen Widrigkeiten trotzdem gut gemacht hat und etwas geschaffen hat? Und ja - das vom Staat und System DDR zu trennen fällt vielen schwer. Das mag auch ein Grund für die "Ostalgiewelle" zu sein.
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Peppone
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Barbarossa hat geschrieben:Das ist doch wohl auch klar.
Manche Sachen kann man nicht oft genug sagen... :mrgreen:
Barbarossa hat geschrieben:Wer ist denn nicht stolz auf seine eigene Arbeit, die er unter den damaligen Widrigkeiten trotzdem gut gemacht hat und etwas geschaffen hat?
Genau das meinte ich. Speziell das mit den "Widrigkeiten"... :)
Barbarossa hat geschrieben: Und ja - das vom Staat und System DDR zu trennen fällt vielen schwer. Das mag auch ein Grund für die "Ostalgiewelle" zu sein.
Sehr richtig.

Beppe
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