So eine Sache mit dem Benimm

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Moderator: Barbarossa

Ruaidhri
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Ich dachte an einen Aprilschrz, Lesestörungen oder Aussetzer im Gehirn, doch es hat tasächlich abgespielt.
Konzert in der Kölner Philharmonie.
Eigentlich weiß man, wenn man in solche Konzerte geht, was auf dem Programm steht.
Hier eben der vertrauter, aber auch nicht immer "leichter" Bach, Johann Sbastian und Sohn Carl Phillip Emmanuel.
Dazu zeigenössische Stücke, die nicht jedermanns Sache sein müssen.
Eines der Stücke fordert sicherlich, aber erstens sollte man als vorgeblicher Bildungsbürger darauf gefasst- informieren kann man sich nun wahrlich vorher.
Der Interpret, iranischer Herkunft, hatte zuvor auf Englisch erkärt, was mit dem Stück von Reich auf sich hatte.
Flog ihm zunächst an den Kopf: "Reden sie doch gefälligst Deutsch!" Daraufhin entwickelten sich die Dinge so, dass das Konzert abgebrochen werden musste.

Schon die Aufforderung, Deutsch zu reden, ist, pardon, fehl am Platze. Ich bin ja viel in Konzertsälen, und es ist Usus, dass ausländische Musiker Erklärungen auf Englisch abgeben und eigentlich weiß das elitäre :) Publikum auch, dass Musik der Moderne nunmal nicht die abgenudelten Werbe-Harmonie- Fetzen sind.
Köln war denn mal etwas Neues, in Teilen zumindest- und mit dem Vorspann" Reden Sie Deutsch" halt doch etwas anders als bekannte Publikumsschelte.
Gewiss, Buhrufe, Missfallensäußerungen und böse Kritik etc. gehören zur Kunst, gab es immer schon, das konservative Publikum, aber nicht in der Weise, dass ein Konzert abgebrochen werden musste.
Interessant die medialen Reaktionen-
im Kölner Stadtanzeiger :
http://www.ksta.de/kultur/koelner-toler ... t-23652182
Laut Spiegel hatte das keinen rassistischen Hintergrund,
http://www.spiegel.de/kultur/musik/koel ... 80145.html
andere Medien, vor allem die social medias, sehen das etwas anders, in jedem Falle war solch Ansinnen deplatziert wie das, was folgte.
Die Analyse in zon wieder ist wohl auch total überspannt, wenn denn überhaupt richtig ist, wo sie die unerzogenen Störer und deren Motive sehen.
zon
http://www.zeit.de/kultur/musik/2016-03 ... konzertDie Kolumnisten:
Bin nun auch nicht gegen Missfallensäußerungen nach Theater/ Konzertaufführungen, aber diesen Vorfall mit dem Vorlauf kann ich nicht wirklich einordnen. Ohne nun die Götterdämmerung für die freien Künste heraufziehen zu sehen, wie sie hie und da beschworen wird.
Wohltuend kritisch gegenüber übertriebener Besorgnis:
http://diekolumnisten.de/2016/03/02/wut ... m-konzert/
Wir spinnen gerade, wir Deutschen...
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
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Barbarossa
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Interessanter Bericht.
Nach kurzem Nachdenken glaube ich aber, dass das nicht unbedingt etwas mit "spinnen" zu tun haben muss. Oder vielleicht doch?
Ich glaube, das hat schon auch etwas mit der Überforderung im Zuge der Flüchtlingskrise - neben der zunehmenden Anglisierung der deutschen Sprache - zu tun, in der der eine oder andere befürchtet, in seiner eigenen Heimat sich immer schwerer mit seiner eigenen Muttersprache verständigen zu können. Ich gebe zu, auch mich beschleicht zunehmend dieses Gefühl - um nicht bereits von Furcht zu sprechen. Es gibt ja schon länger Werbespots oder auch Promis, die z. T. ganze Sätze auf Englisch von sich geben. Da muss ich dann schon passen. Und das in deutschen Fernsehen - hallo?
Insofern könnten solche Ereignisse eine Gegenreaktion dazu sein. - Ist zumindest so mein erster Gedanke dazu, zumal ich tatsächlich keiner weiteren Sprache mächtig bin, als deutsch, und zwar ausschließlich vieler Anglizismen.
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Paul
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Das Verhalten des Veranstalters ist unverständlich. Wenn der Musiker nichts zu reden hat, ist es unwichtig, ob er deutsch spricht. Wenn er redet, muß ein Dolmetscher übersetzen o. überhaupt die Rede halten. Wenn jemand nur auf englisch redet, muß das angekündigt werden. Dann brauchen die Leute nicht reingehen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Ruaidhri
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Das Verhalten des Veranstalters ist unverständlich. Wenn der Musiker nichts zu reden hat, ist es unwichtig, ob er deutsch spricht. Wenn er redet, muß ein Dolmetscher übersetzen o. überhaupt die Rede halten. Wenn jemand nur auf englisch redet, muß das angekündigt werden. Dann brauchen die Leute nicht reingehen.
Das ist bei dem Publikum, das solche Konzerte besucht, noch nie das Thema gewesen. Und ich kenne auch keinen Konzertbesucher im gehobenen Genre, der dies je erwartet hätte.
Glaub mal, ich war oft genug bei Konzerten der ganz großen Musiker dieser Welt, und wenn ein Lenny Bernstein Englisch sprach, war das eben normal, es gab keine Synchron-Übersetzung und auch keine Proteste.
Hoffentlich reißt solch Pöbel-Verhalten nicht beim SHMF ein.
Grins, in Wacken meckert auch niemand, wenn englischsprachige Musiker unübersetzt die Rede ans Volk halten. :mrgreen:
Nach kurzem Nachdenken glaube ich aber, dass das nicht unbedingt etwas mit "spinnen" zu tun haben muss. Oder vielleicht doch?
Ich glaube, das hat schon auch etwas mit der Überforderung im Zuge der Flüchtlingskrise
Genau das meinte ich- irgendwie sind wir leicht übereizt, auch dort, wo manches schlicht selbstverständlich ist. War.
Immer noch kein Grund, anderen, die ebenso bezahlt hatten, den Abend zu vederben- das ist und bleibt ein Pöbelverhalten, dass man nicht braucht.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
Paul
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[quote="Ruaidhri"Das ist bei dem Publikum, das solche Konzerte besucht, noch nie das Thema gewesen. Und ich kenne auch keinen Konzertbesucher im gehobenen Genre, der dies je erwartet hätte.
Glaub mal, ich war oft genug bei Konzerten der ganz großen Musiker dieser Welt, und wenn ein Lenny Bernstein Englisch sprach, war das eben normal, es gab keine Synchron-Übersetzung und auch keine Proteste.
Hoffentlich reißt solch Pöbel-Verhalten nicht beim SHMF ein.
Grins, in Wacken meckert auch niemand, wenn englischsprachige Musiker unübersetzt die Rede ans Volk halten. :mrgreen:
[quote]

Ich war noch nie auf Konzerten, aber das was du schreibst ist für mich eine Überraschung. Ich hätte mir das nicht vorstellen können, das es öffentliche Veranstaltungen gibt, bei denen die Landessprache nicht verwendet wird.
Wäre ich unvorbereitet auf so ein Konzert gegangen, wäre ich auch ein bischen vor den Kopf gestoßen.
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Ruaidhri
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Nicht einmal zu Zeiten, in denen Englisch nicht so etwas wie Zweitsprache war, waren Übersetzungen, so denn Dirigent, Solist oder Komponist etwas zum Werk erklärten, üblich. Und eigentlich auch nicht unbedingt nötig.
Außer in den Jugendkonzerten, wo wir uns allerdings um einiges besser benahmen als die paar Leute in Köln.
Ich stelle mir gerade vor, man hätte einen Menuhin oder Oistrach oder Aram so angepöbelt, wenn die ein paar Worte nicht in Deutsch ans Publikum richteten. Oder Leonard Bernstein oder oder. Gab es nicht- und das hatte weder mit mehr Bildung noch mit Ehrfurcht zu tun.
Wer etwas nicht verstand, fragte in der Pause oder nach dem Konzert.
Ich kenne es schon von dem ein oder anderen Konzert im Rahmen des SHMF, dass dem dann tatsächlich etwas anders zusammengesetzten, nicht immer so fachkundigen Publikum in den kleineren Spielstätten etwas erklärt wird, auch mal knapp übersetzt, wenn der Künstler halt kein Deutsch spricht. Dafür sind diese Konzerte auch gedacht. Wer mit Programmheft in die MuK oder ins Gewandhaus geht, erwartet(e) bislang derlei nicht als normal. selbstverständlich etc.
Pöbeln? Gar zum Abbruch zwingen? Nie dagewesen, weder aus dem Sprach-Anlass noch, wenn denn mal ein " schräger Moderner" nicht so ins Harmonie-Bedürfnis passte.
Gebuht wird am Ende, wenn es denn nicht gefiel, dabei kann es bitte auch bleiben.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
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