Wagner ist für viele Israelis noch ein rotes Tuch

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Balduin
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Tel Aviv (dpa) - Mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Holocaust ist der deutsche Komponist Richard Wagner für viele Menschen in Israel weiterhin ein rotes Tuch.
Den Artikel in der Schwäbischen Zeitung lesen: http://g-w.square7.ch/link/wagner
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
elysian
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Dass die Person Wagner negativ wahrgenommen wird, hat seinen guten Grund. Er war ein Antisemit schlimmster Sorte. Dies trotzdem er einen jüdischen Freundeskreis hatte. Diese Widersprüchlichkeit wird vermutlich ewig unklärbar sein.
Seine Musik jedenfalls ist sicherlich auch von den Nazis gebraucht worden. Sie ist aber an für sich nur Musik und enthält als solche gerade keine rassistischen Aussagen. Das gilt auch für die Verarbeitungen der germanischen Sagenwelt.
Gegen seine Musik sein zu wollen ist in etwa so unsinnig, wie ein Liebesgedicht ohne ideologischen Inhalt ablehnen zu wollen, weil es von dem einen Antisemiten geschrieben und von einem anderen Antisemiten geschätzt und bei schlimmen Handlungen verwendet wurde.
Aber die Kreise, die sich hier empören, sind dieselben, die damals gegen die Verwendung der deutschen Sprache durch einen deutschen Repräsentanten vor der Knesset waren...
Zum Inhalt des Artikels muss ich sagen, dass ich die Reaktionen und Bewertungen deutlich überhöht finde. Da wird Wagner zum geistigen Vater des rassischen Antisemitismus erklärt, obwohl er zwar Anhänger, aber bei der Entwicklung dieser Ideologie keine treibende Kraft war. Die Väter dieser Weltanschauung sind nachweisbar andere Personen.
Und dann von "Kapitulation" zu sprechen, ist nicht nachvollziehbar. Kapitulieren kann man nur bei Kämpfen und Kriegen. Da muss man dann schon kritisch nachfragen, welcher Kampf oder Krieg denn da eigentlich geführt wird!
Desweiteren finde ich es unmöglich, dass die Kritiker geradezu diktatorisch anderen vorschreiben wollen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Zumal wenn sie sich nicht mit dem konkreten Programm auseinander setzen. Immerhin soll das Orchester nicht nur Wagner spielen! Das läuft auf Formen von Sippenhaft und Erbschuld hinaus!
Der Schluss des Artikels offenbart die ganze Absurdität und Irrationalität der ablehnenden Haltung. Die Welt wird demnach schlechter, wenn ein israelisches Orchester auch Wagner in Bayreuth spielt!
Meines Erachtens hat Barenboim, als er Tristan und Isolde als Zugabe spielen ließ, keine kulturelle Vergewaltigung des Publikums begangen (was für ein unsinniger Gedanke, dass jemand mit Kultur vergewaltigt werden könnte...), sondern einen notwendigen und überfälligen Tabubruch begangen.
Ich darf an dieser Stelle nochmal auf das Schlechterwerden der Welt zurückkommen. Ich denke, die Welt wird durch das Konzert nicht schlechter, aber sie könnte durch eine konstruktive israelische Palästinapolitik besser werden und das Tabu Wagner als Synonym dessen, was dahinter steht, könnte, wenn es gebrochen und eine entsprechende Debatte und Geschichtsaufarbeitung in Gang gesetzt wird, auch letztlich Auswirkung auf die israelische Selbstwahrnehmung im Nahostkonflikt haben und vielleicht zu der Erkenntnis führen, dass gerade die eigene Vergangenheit dazu verpflichtet, die Unterdrückung der Palästinenser zu überwinden. Anders formuliert stehen die Kritiker mit ihrer Weltsicht für mich exemplarisch für das Schlechte in der Welt, soweit es durch die israelische Palästinapolitik betroffen ist.
sic transit gloria mundi
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