Reiseberichte

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Moderator: Barbarossa

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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:
RedScorpion hat geschrieben:In Sack und Asche muss auch niemand gehen oder sitzen;

aber man muss sich auch nicht unbedingt als Opfer darstellen, wenn man keins ist, nech?


Die Vorfahren sind tot? Ja, so kann's kommen.

Ich stimme darin überein, dass sie nicht besonders gern gestorben sein werden.


Aber: Sie hatten, ganz im Gegensatz zu besetzten Ländern und verfolgten Völkern, da genug Zeit, rechtzeitig dagegen vorzugehen bzw. dem zu entkommen, so mancher hat's ja auch versucht bzw. ist ja auch ausgewandert, mitunter mittellos.
Darauf ham's aber kein Lust ghabt...
So pauschal kann man das ja auch nicht sagen. Meine beiden Großmütter sind z. B. in dem Regime aufgewachsen. Als der Krieg zu Ende war, waren sie Anfang 20. Wie hätten sie da "rechtzeitig" weggehen sollen?
Lieber Barbarossa,
wohin weggehen :?: Sie waren alle in dem Land, egal ob für oder gegen Hitler. Zum Weggehen braucht man auch Geld, was sicherlich im ausreichenden Maße nicht vorhanden war. :wink:
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dieter
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Kuopio, Seenlandschaft, Sprungschanzen und Aussichtsturm
Kuopio war eine mittlere Kleinstadt, hatte eine Reihe von Läden. Man kam mit der deutschen Sprache gut zurecht. Kauften Let Kiss-Platen, dieser finnische Tanz war zu der Zeit gerade in Mode. Wir machten zwei Ausflüge mit Schiffen auf den vielen Seen und durchfuhren auch einen Kanal, der die Seen miteinander verband. Außerdem besichtigten wir die beiden Ski-Sprungschanzen, bei denen bis zum heutigen Tage im Winter internationale Skisprung-Konkurrenzen stattfinden. Auch die deutsche Nationalmannschaft springt dort am Anfang des Winters immer. Dann waren wir auf den Pujo, das ist ein Aussichtsturm mit Restaurant, von dem wir die ganze Seenlandschaft überblicken konnten.
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dieter
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Conzaliss hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:
Conzaliss hat geschrieben:Lieber Dieter,

mich würde interessieren mit welchem Flugzeug-Typ Condor damals Kurzstrecke flog!
Lieber Conzaliss,
kann ich Dir überhaupt nicht mehr schreiben, ist schon solange her. Nur, es war sehr eng im Flugzeug. :wink:
War es eine Propeller-Maschine oder schon ein Jet?
Lieber Conzaliss,
es war schon ein Jet. :wink:
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Barbarossa
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Dann will ich auch mal: :wink:


Zum Ende der 10. Klasse unternahm unsere Klassenleiterin, die auch Russisch unterrichtete, mit uns eine Klassenfahrt nach Moskau. Es muss im Februar 1985 gewesen sein, denn ich erinnere mich noch genau, dass es wenige Wochen vor dem Tod Tschernenkos war (gest. am 10. März 1985), dem letzten Staats- und Parteichef, nach dem Michail Gorbatschow die Regierung übernahm. (Anmerkung dazu hier: http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 858#p36858)
Wir flogen über Jugendtourist und für mich war es die erste und bisher auch letzte Reise, die ich mit dem Flugzeug unternahm. Auf dem Hinflug flogen wir mit einer recht großen Maschine von Аэрофлот (Aéroflot) - mit drei Sitzreihen, während wir auf dem Rückflug mit einer kleineren Maschine (mit nur zwei Sitzreihen) von Interflug flogen, einer Il-(irgendwas). Ab- und Anflug nach und von Moskau war jeweils von Berlin-Schönefeld. Die Flüge dauerten jeweils etwa 2 Stunden.
Und das auch noch einleitend, denn ich weiß nicht mehr, ob es nach der Ankunft in Moskau oder vor dem Abflug von Moskau war: Auf jeden Fall mussten wir alle einmal durch einen Metalldetektor gehen - das war ein etwa zwei Meter hoher rechteckiger Kasten, der ein Piep-Signal von sich gab, wenn jemand etwas Metallisches bei sich trug. Irgendetwas hatte eigentlich jeder - bei mir war es ein Schlüsselbund - das musste nach dem Durchgehen und dem "Piep" bei einem Flughafenangestellten abgegeben werden und man musste dann nochmal durchgehen. Bei einigen Fremden, die nicht zu uns gehörten, piepte es auch mehrmals und jedesmal zogen sie dann wieder etwas aus ihrer Kleidung hervor. Warum sie nicht gleich alles auf einmal herausgaben, ist mir heute noch nicht klar. Das zog die Prozedur natürlich unnötig in die Länge. :?
Aber nun der Reihe nach.

In Moskau angekommen, stiegen wir in einen Bus und wir fuhren ins Hotel. Ich weiß noch, dass ich beim Vorzeigen des Tickets bei einer recht hübschen Stewardess einen elektrischen Schlag bekam - eine statische Endladung. Ich lächelte sie an, sie verzog jedoch keine Mine. Das Hotel hieß Molodeshnaya (Jugend) und wurde 1980 für die Olymiade gebaut - war also zum damaligen Zeipunkt etwa 5 Jahre alt. Obwohl mir das Hotel recht gut gefiel, würde es keinem Vergleich mit einem Hotel heutigem Standarts standhalten. Allerdings war es auch das erste Hotel, in dem ich wohnte und hatte dem zur Folge auch keinen Vergleich. So hatten z. B. die Zimmer zwar eigene Duschen, jedoch entdeckten wir dort Kakerlaken, was wir auch an der Rezeption zu melden versuchten. Ob der ältere Herr uns verstand, weiß ich nicht, auf jeden Fall wurde meines Wissens in dieser Angelegenheit nichts unternommen - wie gesagt, 5 Jahre war das Hotel erst alt. Wir nutzten statt dessen die Gemeinschaftswaschräume, die es auch noch gab.
Das Essen war gut - ich erinnere mich noch, dass es häufig Fisch gab - die Beilagen waren für uns jedoch ungewöhnlich und nicht jedermanns Geschmack - meiner auch nicht. Darauf hatte uns unsere Lehrerin aber bereits vorher vorbereitet - wohl um Nörgeleien vorzubeugen.

(Fortsetzung folgt)
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dieter
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Lieber Barbarossa,
Kakerlaken in einem erst fünf Jahre alten Hotel, das ist schon gelinde gesagt sehr erstaunlich, das habe ich in einem griechischen Hotel, dass schon länger stand nicht angetroffen. :wink:
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dieter
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Noch einige Kleinigkeiten und Abflug aus Suomi
Zu der Zeit als wir in Finnland waren, war gerade die Fußball- Europameisterschaft. Wir konnten das Spiel sehen, mit schwedischen Untertiteln, da Finnland eine schwedische Minderheit hat. Ein Mitglied unserer Reisegesellschaft, zog mit einem einfachen Stock, den er als Angel benutzte eine Menge Fische aus dem See, an dem unsere Jugendherberge lag.
Im Wald sahen wir einem Mann durch das Dickicht brechen, anscheinend ein Sportler. in der Nähe unserer Jugendherberge lag ein Gelände mit Warnschildern. Da ich ein finnisches Wörterbuch dabei hatte, konnte ich übersetzt lesen, dass es eine Irrenanstalt war.
Wir sollten vor dem Abflug aus Finnland noch Brote geschmiert zur Reise bekommen, da wir früh weg mußten. Da das Personal nichts gemacht hatte, mußte die Reiseleitung die Brote schmieren. Dann ging es zum Flughafen von Kuopio, wir flogen ab zuerst nach Helsinki und von dort mit einem anderen Flugzeug nach Frankfurt/M.
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Barbarossa
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In jedem Hotelzimmer gab es ein Radio mit 3 voreingestellten Sendern, die auf Knopfdruck einzuschalten waren und ein Telefon. Das Telefon war für uns besonders interessant, denn damit machten wir Telefonstreiche - und das ging so:
Man wählte eine vierstellige Nummer und garantiert erreichte man irgendein Zimmer im Hotel. Nachdem sich jemand mit "Hallo?" meldete, sagte ich (ähmm - ja, meistens war ich das ) sowas wie: "Hallo, Wladimir Iljitsch Lenin po Telefonu, da Lenin..." (also Lenin ist hier am Telefon, ja Lenin...), oder "Hallo hier ist Tschingis Khan! Bolschoi Mongol, Tschingis Khan! Ich komme bald wieder!" oder meldete sich eine Frau, dann ging auch: "Ah! Buenos Dias Señorita! La Cucaracha! Si Señorita..." und so weiter. Natürlich legten die Angerufenen immer auf und wir hatten was zu lachen.
Aber wir übertrieben es damit nicht, so dass es hinterher auch keinen Ärger gab.

Das Hotel verfügte natürlich auch über Fahrstühle und ein Kumpel erzählte, dass er im voll besetzten Fahrstuhl meinte: "Ina cidit na Donnerbalken" (Ina sitzt auf dem Donnerbalken) - wohl in der Annahme, dass Russen das Wort Donnerbalken nicht verstehen und Deutsche nicht unbedingt alle Russisch verstehen. Aber einer scheint es wohl doch verstanden zu haben und der konnte sich das Lachen kaum verkneifen.

Etwas für mich damals ganz neues: Ein Telespiel gab es dort auch. Also dieses Spiel, mit einem Ball, den man mit einem Balken zu treffen hatte und bloß nicht durchlassen durfte. Das hat Spaß gemacht.

lch und ein paar Kumpels gingen auch einige male ein wenig in der Stadt bummeln. Auf einer Anzeige sah ich, dass es so -10°C war (klar, Moskau im Februar). Wir fuhren auch mit der Metro und sahen dabei einige der herrlichen Bahnhöfe. Auf den Rolltreppen musste man aufpassen, denn es gab ein ungeschriebenes Gesetz, dass man für diejeigen, die auf der Rolltreppe vorbeigehen wollten, links Platz zu lassen hatte. Man musste sich also auf der rechten Seite hinstellen. Da hielten sich auch alle sehr diszpliniert dran.
Bei unseren Ausflügen schauten wir uns auch den Roten Platz an. Insbesondere bei Dunkelheit sieht man, dass der Platz seinen Namen zu Recht trägt - es ist unbedingt zu empfehlen, ihn sich bei Dunkelheit anzuschauen, wenn man mal da ist.
Dann gingen wir noch in einen Laden, um Wodka zu kaufen. Die Verkäuferin hatte offenbar Schwierigkeiten, unser Schulrussisch zu verstehen, aber schließlich bekamen wir, was wir wollten. Zurück im Hotel leerten wir die Flasche zu dritt - für jeden ein Trinkglas etwa zu einem Drittel voll. Ich trank mein Glas gleich auf Ex - und meinte nur: "Hmm, kann man trinken." Die anderen beiden tranken dann auch. Dem einen bekam der Wodka nicht so gut - ihm wurde schlecht davon und übergab sich nur noch die ganze Zeit, wie ich etwas später erfuhr. Uns beiden anderen ging es besser, wir waren nur angeheitert und gingen gleich Tischfußball spielen und waren nur am lachen, ich jubelte auch ziemlich laut und erregte damit die Aufmerksamkeit anderer Hotelgäste, die dazu kamen um zuzuschauen und lächelten auch. Die Wirkung des Wodka hielt noch eine ganze Weile an. Wir lernten dann auch noch eine Familie aus Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) kennen, die im Hotel auf der Durchreise waren. Sie kamen aus dem Urlaub in Alma-Ata, der damaligen Hauptstadt Kasachstans.

Aber darüber mehr im 3. Teil.
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dieter
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Lieber Barbarossa,
wie viel Prozente hatte den Euer Wodka gehabt :?:
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Barbarossa:
Und das auch noch einleitend, denn ich weiß nicht mehr, ob es nach der Ankunft in Moskau oder vor dem Abflug von Moskau war: Auf jeden Fall mussten wir alle einmal durch einen Metalldetektor gehen - das war ein etwa zwei Meter hoher rechteckiger Kasten, der ein Piep-Signal von sich gab, wenn jemand etwas Metallisches bei sich trug. Irgendetwas hatte eigentlich jeder - bei mir war es ein Schlüsselbund - das musste nach dem Durchgehen und dem "Piep" bei einem Flughafenangestellten abgegeben werden und man musste dann nochmal durchgehen. Bei einigen Fremden, die nicht zu uns gehörten, piepte es auch mehrmals und jedesmal zogen sie dann wieder etwas aus ihrer Kleidung hervor. Warum sie nicht gleich alles auf einmal herausgaben, ist mir heute noch nicht klar. Das zog die Prozedur natürlich unnötig in die Länge.
Solche Metalldetektoren gibt es auf jedem Flughafen der Welt. Heute läuft die Kontrolle etwas anders ab. Der Passagier muss Tasche, Jacke, Mantel, den gesamten Inhalt der Hosentaschen abgeben und in einem Kasten packen. Dieser läuft separat auf einem Fließband durch ein spezielles Durchleuchtungsgerät. Der Fluggast geht dann durch den Detektor und meistens kommt es dann nicht mehr zu einem Fehlalarm. Man muss auch Gürtel mit Metallschnallen, Armbanduhren etc. vorher ablegen und in den Kasten packen.
Werden beim Durchleuchten Flüssigkeiten entdeckt, Haarwasser, Parfüm usw. wurden die meistens beschlagnahmt, wegen Verdacht auf Sprengstoff. Ich weiß nicht, ob das im Moment auch noch so gehandhabt wird.
ehemaliger Autor K.

Brasilien – Bei den Folterknechten von Rio de Janeiro,
Teil I


Im Jahre 1975 unternahm ich eine 12 Monate lange Reise durch Südamerika und kam unter anderem auch nach Brasilien, ein Land, von dem ich schon als Kind geträumt hatte. Leider wurde ich in Rio de Janeiro Opfer eines brutalen Raubüberfalls, niedergeschlagen und ausgeraubt. Anschließend hatte ich Gelegenheit, sechs Wochen lang die brasilianische Polizei bei ihren Verhörmethoden zu beobachten, die recht simpel sind, da sie solange auf die Verdächtigen einprügeln, bis diese gestehen oder nicht mehr vernehmungsfähig sind, was nach brasilianischer Auffassung einem Geständnis gleichkommt. Aber nun der Reihe nach.

Im Juli überquerte ich, von Bolivien kommend, die brasilianische Grenze und erreichte Corumba, eine freundliche, aber nicht weiter sehenswerten Grenzstadt. Dort nahm ich einen Zug nach Sao Paulo. Während sonst in Lateinamerika Züge und Eisenbahnen immer hoffnungslos überfüllt sind, war dieser erfreulicherweise nur zur Hälfte besetzt, sehr modern und mit bequemen Polstersesseln ausgestattet. Die sognannten ABC- Staaten (Argentinien, Brasilien Chile) sind sehr viel weiter entwickelt als der Rest von Südamerika, das hatte man mir schon häufig erzählt und schien sich zu bewahrheiten. Leider war Brasilien aber auch nicht mehr so preiswert, das Preisniveau lag deutlich höher als in den Anden Republiken, obwohl es längst nicht so teuer war wie in Deutschland.

Zwei Tage sollte die Fahrt dauern, der Zug fuhr nicht allzu schnell
und durchquerte zunächst das Pantanal, eine riesige Sumpf – und Waldlandschaft, von der man leider nicht viel sah und dann ging es weiter durch eine savannenartige Landschaft. In den Dörfern trugen die Leute weiße Kleidung und hatten einen Sombrero auf dem Kopf. Sie winkten uns freundlich zu. Manchmal hielt der Zug an kleinen Haltestationen und ich kaufte mehrere braun gebratenen Fische und staunte nicht schlecht. Es waren Piranhas! Diese Mistviecher bestehen zur Hälfte aus einem riesigen Maul mit messerscharfen Zähnen, schmeckten aber hervorragend. In dem Speisewagen lernte ich dann das brasilianische Nationalgericht kennen, schwarze Bohnen mit Reis. Manchmal gibt es dazu auch ein Stück fettiges Fleisch. Sieht eher eklig aus und schmeckt auch nicht besonders. Man muss sich daran gewöhnen, die Brasilianer essen das Zeug jeden Tag.

Als wir uns Sao Paulo näherten, pressten sich die Passagiere zu meiner Verwunderung nasse Tücher ins Gesicht. Schnell merkte ich den Sinn dieser Maßnahme, in der Luft war ein stechender Gestank, Man sah nichts, aber meine Augen brannten und die Nase fing an zu laufen. Fast eine halbe Stunde lang fuhren wir durch eine völlig verseuchte Gegend, die Umweltvergiftung hatte hier katastrophale Ausmaße angenommen. Dann rollten wir in eine gigantische Metropole hinein mit zahlreichen Hochhäusern, eine Megacity mit mehr als 11 Millionen Einwohnern, eine Stadt ohne Gesicht und ohne richtiges Zentrum, kein Ort zum wohlfühlen. Hier schlug das Herz des brasilianischen Wachstumsmotors, einer rasanten Wirtschaftsentwicklung, die von multinationalen Konzernen vorangetrieben wurde, deren Firmenzeichen allgegenwärtig waren. Angelockt von den Rohstoffen und einem sich entwickelnden Binnenmarkt zog es immer mehr Konzerne in dieses Land. Ich entschloss mich, mit dem Nachtzug gleich nach Rio de Janeiro weiterzufahren, um diese hektische Metropole zu verlassen.

In Brasilien hatten die Militärs 1964 die Demokratie beseitigt und damit begann ein zwanzigjähriger Albtraum von Gewalt, Unterdrückung, Terror und Folter. Linke Guerillakämpfer nahmen in den Städten den bewaffneten Kampf gegen die Gorillas auf, so nannte man die brasilianischen Generäle, doch sie blieben ohne Erfolg. Auch die heutige Präsidentin von Brasilien, Dilma Rousseff, gehörte zu einer maoistischen Untergrundbewegung, wurde verhaftet und gefoltert. Erst 1984 kehrten die Soldaten in die Kasernen zurück und Brasilien verwandelte sich wieder in eine, wenn auch ziemlich korrupte Demokratie.

Von 2003 bis 2011 regierte der linke Gewerkschafter Lula da Silva das Land mit seiner „Partei der Arbeiter“. (PT = Partido dos Trabalhadores). Bereits 1979 wurde er zum Anführer eines Arbeiterstreiks, am 18. April 1980 wurde er von der Polizei der Militärdiktatur verhaftet, im Mai jedoch wieder freigelassen, nachdem der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt dies zu einer Bedingung für einen Besuch gemacht hatte.

Lula hat das politische System zivilisiert und auf halbwegs europäisches Niveau gehoben. Er ist der mit Abstand populärste Präsident gewesen, versöhnte sich mit der Industrie, machte aus Brasilien ein Schwellenland, welches zunehmend außenpolitisch selbstbewusst wird. Dilma Rousseff ist in seine Fußstapfen getreten.

Als ich 1975 in Brasilien war, regierte dort Ernesto Geisel, Sohn des deutschen Immigranten Wilhelm August Geisel, der 1883 als 16-Jähriger aus Herborn nach Brasilien ausgewandert war. Also ein Hesse, ein Landsmann gewissermaßen. (Dieter wird sich darüber freuen). Er sprach auch ein wenig Deutsch. Das Konterfei von diesem General konnte man in öffentlichen Gebäuden bewundern.

Die Militärdiktatur hielt sich äußerlich zurück. Während in den anderen Ländern auf diesem Kontinent der Diktaturen, damals jedenfalls, überall Soldaten mit Maschinenpistolen standen, konnte ich sie in Brasilien nur selten sehen.

Der Nachtzug nach Rio war ebenfalls vom feinsten und brauchte 8 Stunden für die eigentlich recht kurze Strecke, doch er fuhr fast im Schritttempo. Die Sprache machte mir ein wenig Sorgen. Spanisch beherrschte ich ganz gut, Portugiesisch ist damit verwandt, die Wörter sind sich sehr ähnlich, doch die Aussprache ist völlig anders. Lange Zeit verstand ich kein Wort.

Früh am Morgen erreichte der Zug endlich Rio de Janeiro, die angeblich schönste Stadt der Welt, was ich persönlich nicht bestätigen kann.

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dieter
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Mit der ÖTV-Jugend nach Schweden
Über die Busreise bis nach Kopenhagen und die dortige Jugendherberge hatte ich schon im Thread Südschleswig und Dänemark berichtet. Wir fuhren dann von Kopenhagen mit der Fähre, über die auch schon Karlheinz berichtet hatte, nach Malmö. Zuerst blieb die Landschaft auch noch flach, bis sie dann anstieg und wir zu unseren Bestimmungsort Eskilstuna kamen, soll nach einem christlichen Bischof genannt worden sein und liegt auf der Höhe von Stockholm an der Seenplatte in Mittelschweden. Das Hotel war ziemlich nobel, wir hatten alle Zweibettzimmer. Wir wurden von der dortigen Gewerkschaftsjugendgruppe in Empfang genommen. Das Aussehen dieser Jugendgruppe war verschieden. Ich hatte gedacht, die meisten Jugendlichen hätten blonde Haare, aber weit gefehlt. Es gab alle Schattierungen von hellblond bis schwarz, von schmal bis groß und kräftig. Sie hatten nur eine ausgesprochene Blondine dabei, dazu komme ich sicherlich später noch. Wenn man nicht gewußt hatte, das sind keine Deutschen, man hätte es so nicht unterscheiden können. :wink: Eins fiel uns nur auf, eine Schwedin hatte ihr Kind dabei, was zu der Zeit in Deutschland noch nicht so üblich war. Sie freundete sich gleich mit einem von unseren Jungen an und der wurde von uns gefrotzelt, ob das Kind schon Papa zu ihm gesagt hätte :?: :wink: :mrgreen: (Vorsicht, Ironie)
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Brasilien – Bei den Folterknechten von Rio de Janeiro,
Teil II


In den frühen Morgenstunden rollte der Zug auf dem Bahnhof in Rio ein, ein sehr modernes Bauwerk. Eigentlich wollte ich nur drei Wochen in der Stadt verbringen, aber es wurden schließlich zweieinhalb Monate.

Rio besteht aus einer Ansammlung Granithügel, zwischen denen eine Reihe größere und kleinere flache Mulden liegen. Als Faustregel kann gelten: In den Tälern wohnen die Reichen und Schönen, der Mittelstand, liegen die Geschäfts- und Verwaltungsviertel. Auf den Hängen der Hügel befinden sich die Favelas, die wie bunte Farbklekse überall an den Erhebungen kleben und äußerlich einen malerischen Eindruck machen. Hier leben die Armen von Rio. Also unten reich, oben arm. Das ist wichtig zu wissen, denn die Favelas liegen nicht außerhalb der Stadt, sondern befinden sich mittendrin, sind überall verstreut, Reichtum und Armut liegen oft nur hundert Meter auseinander. Wenn man nicht aufpasst, landet man plötzlich in einem Slum, was man auf keinen Fall machen sollte. Schätzungsweise 500 solcher Elendsviertel gibt es, mitgezählt sind die, die es auch außerhalb der Stadt gibt, wo sie sich seit einigen Jahren ebenfalls ausgedehnt haben. Von den über 6 Millionen Einwohnern leben mindestens ein drittel in diesen Armutszonen, genaue Zahlen gibt es nicht.

Rio besteht aus zwei Teilen, Nord-Rio, dem größten Gebiet, in dem 4 ½ Millionen Menschen leben und Süd-Rio mit 1 ½ Millionen Einwohnern. Sie sind durch ein mächtiges Granitmassiv getrennt, in das man Straßentunnel gesprengt hat, um sie zu verbinden. Kommt man vom Norden in den Süden, landet man in dem weltberühmten Stadtteil Copacabana, bekannt durch den langen, wunderschönen Sandstrand und der Strandpromenade, die Avenida Atlantica mit ihren vielen Hotelbauten, an deren Ende der Hügel liegt, den man Zuckerhut nennt. Etwas abseits befindet sich auch noch der Berg Corcovado, auf dem die berühmte Christusstatue steht. Eine Seilbahn bringt einen herauf und fährt auf dem Weg dorthin durch die Reste eines Regenwaldes. Hinter Copacabana liegt ein weiterer berühmter Stadtteil, Ipanema, bekannt durch das Lied „The Girl from Ipanema“ und dort findet sich ebenfalls ein wunderschöner Strand mit einer ziemlich hohen Brandung, ideal für Surfer. Der Süden von Rio ist schöner als der Norden.

Am Bahnhof fand ich eine preiswerte Pension und mietete mich dort für eine Weile ein. Vom Bahnhof gelangte man schnell zum Hafen, in die zentralen Geschäftsviertel und mit Bussen leicht in den Süden der Stadt.

Offen gestanden konnte ich eigentlich nichts Besonderes an dieser Stadt finden, es war eine normale Großstadt, wie andere auch. Einen besonderen Flair, einen spezielle Note konnte ich nicht entdecken. Gut, die Cariocas, so nennt man die Bewohner der Stadt, waren eine wilde Farbmischung, die Hautfärbung reichte von ganz schwarz bis ganz weiß, dazwischen gab es alle möglichen Farbtöne, ein wildes Gemisch. Die Portugiesen hatten sich, anders als die Briten in Nordamerika, mit ihren Sklavinnen aus Schwarzafrika vermischt und deren Kinder dann wieder untereinander usw. Herausgekommen sind dabei die schönsten Menschen, die ich je gesehen habe. Die Brasilianer sagen: Gott hat die Weißen geschaffen, Gott hat die Schwarzen geschaffen, aber die Mischlinge haben die Portugiesen geschaffen.

In den nächsten Wochen sah ich mich überall in der Stadt um, besuchte verschiedene Samba-Schulen, doch diese Musik liegt mir nicht, legte mich immer wieder an den berühmten Strand von Copacabana, fand die Brandung aber zu wild und verzichtete auf Schwimmübungen. Immer wieder beobachtete ich die „Herren des Strandes“, so benannt nach einem Roman des Brasilianers Amado, männliche Jugendlich zwischen 10 bis 16 Jahren, die in Gruppen auftreten und Passanten anbettelten. Diese Kinder waren unglaublich gefährlich, jedenfalls in der Nacht überfielen sie die Spaziergänger am Strand. Man machte um sie lieber einen großen Bogen. Ansonsten gab es jede Menge nackte Haut zu sehen von atemberaubenden, exotischen Schönheiten, die Avenida Atlantica ist ein Laufsteg, ein Jahrmarkt der Eitelkeit.

Nur die Favelas mied ich vorsichtshalber, ein Besuch dieser Regionen ist lebensgefährlich. Ende der achtziger Jahre sind die Elendsviertel geradezu explodiert, als die schwerbewaffneten Drogenbanden diese Gebiete übernahmen und zu Festungen ausbauten. Der blutige Kampf zwischen den Banden forderte bald jeden Monat über 100 Todesopfer, auch die Polizei wurde immer brutaler, nahm von Verhaftungen bald Abstand und erschoss Verdächtige an Ort und Stelle. Es herrschte Krieg, richtiger Bürgerkrieg. Die Cariocas in den Tälern gewöhnten sich allmählich an die täglichen Schießereien auf den Hügeln. Sie waren davon in der Regel nicht betroffen, es war ein Krieg der Armen. Vor einigen Jahren begann die Armee damit, einzelne Favelas wieder zurückzuerobern, setzte dabei Panzer und Hubschrauber ein, es gab zahlreiche Tote. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft sollten die Viertel in der Nähe des Stadions sicherer werden. In den „befriedeten“ Gebieten geht es wieder zu wie in den Zeiten der Militärdiktatur. Verhaftete verschwinden spurlos, wer zur Polizei geladen wird, taucht nie wider auf, erneut gibt es viele „Verschwundene“. Vermutlich wurden sie von den Militärs ermordet, vielleicht findet man eines Tages ihre Leichen.

Nach zweieinhalb Wochen machte ich dann Bekanntschaft mit dem Krebsgeschwür dieser Stadt, der Kriminalität. Rio ist eine der gefährlichsten Städte der Welt. Das sollte ich auch zu spüren bekommen.
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dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
wie viel Prozente hatte den Euer Wodka gehabt :?:
Nach meiner Erinnerung hatte der 40% und war vergleichbar mit dem DDR - "Kristall Wodka" (der hatte auf jeden Fall 40%), der im Volksmund auch "Blauer Würger" genannt wurde - Blau, wegen der Farbe des Etiketts und der Geschmack - na ja, wie der Spitzname schon beschreibt.
:mrgreen:
Übrigens, auch preislich waren beide vergleichbar, denn in Moskau kostete die Flasche 2,nochwas Rubel und der "Blaue Würger" kostete etwas über 7 M, bei einem Umrechnungskurs Rubel : M = 1 : 3.
Karlheinz hat geschrieben:Solche Metalldetektoren gibt es auf jedem Flughafen der Welt. Heute läuft die Kontrolle etwas anders ab. Der Passagier muss Tasche, Jacke, Mantel, den gesamten Inhalt der Hosentaschen abgeben und in einem Kasten packen. Dieser läuft separat auf einem Fließband durch ein spezielles Durchleuchtungsgerät. Der Fluggast geht dann durch den Detektor und meistens kommt es dann nicht mehr zu einem Fehlalarm. Man muss auch Gürtel mit Metallschnallen, Armbanduhren etc. vorher ablegen und in den Kasten packen.
Werden beim Durchleuchten Flüssigkeiten entdeckt, Haarwasser, Parfüm usw. wurden die meistens beschlagnahmt, wegen Verdacht auf Sprengstoff. Ich weiß nicht, ob das im Moment auch noch so gehandhabt wird.
Ja, das wird nach dem 11. September 2001 überall noch viel schärfer geworden sein und in Russland selbst sicher seit den Terroranschlägen im eigenen Land.
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Barbarossa hat geschrieben:
dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
wie viel Prozente hatte den Euer Wodka gehabt :?:
Nach meiner Erinnerung hatte der 40% und war vergleichbar mit dem DDR - "Kristall Wodka" (der hatte auf jeden Fall 40%), der im Volksmund auch "Blauer Würger" genannt wurde - Blau, wegen der Farbe des Etiketts und der Geschmack - na ja, wie der Spitzname schon beschreibt.
:mrgreen:
Lieber Barbarossa,
40% das geht doch noch. Bei unserer Hochzeit in Niedersachsen, durfte kein Schnaps unter 40% auf den Tisch kommen. :wink: :mrgreen:
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Eskilstuna und die schwedische Jugendgruppe
Die Stadt Eskilstuna hatte mehrere deutsche Jugendgruppen zu Gast. Uns wurde in einem Vortrag das tolle schwedische System vorgetragen, nach der jemand bei Arbeitslosigkeit nur finanzielle Unterstützung bekam, wenn er Mitglied der Gewerkschaft ist. Außerdem wurde beanstandet, dass in Deutschland als einzigen Land das Fernsehen Fernsehen heißt und nicht Television. In einem Beitrag einer schwedischen Zeitung wurde geschrieben, der VW-Käfer in Schweden verboten werden soll, weil das rückwärtige Nummernschild nicht senkrecht angebracht worden war.
Bei Tanzveranstaltungen, dürfen mit einer Tänzerin nur zwei Tänze absolviert werden. Im Volkspark war es sowieso seltsam. Die Mädchen standen im Kreis rum, die Jungen waren innerhalb des Kreises, gingen an den Mädchen vorbei und bewegten ihren rechten Zeigefinger als Aufforderung zum Tanzen, entweder kamen die Mädchen oder sie schüttelten den Kopf und blieben stehen. Beim Tanzen wurden die Hinterteile rausgestreckt. :wink: :mrgreen:
Mir ist es bei einer Tanzveranstaltung der Gewerkschaftsjugend ergangen. Ich wagte mich an die tolle schwedische Blondine ran, das hatte sich bisher noch kein Deutscher getraut nur ihre schwedischen Landsleute, forderte sie zum Tanzen auf. Wir tanzten offen und sie ließ mich auf den Tanzboden stehen. Weiß nicht, ob als Ausgleich dafür mich eine Schwedin ansprach, die ich so als Schwedin nicht erkannt hatte, und sich mit mir unterhielt. Wir trafen uns noch an zwei weiteren Tagen, Ihr Vater war LKW-Fahrer und trank zu viel, wie ihre Mutter sagte. Wir verabredeten uns vor unserem Hotel, sie hat mich versetzt. Anscheinend war ich doch nicht ihr Typ. Unser Jugendleiter sagte noch, was ich nicht gut fand, dass ich Beamter mit Pensionsanspruch sei. Anscheinend war ich ihr zu bieder. :wink: :mrgreen:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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