Bewertung der Pariser Friedenskonferenz

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Moderator: Barbarossa

sebtreb

Hallo, ich habe versucht, die Pariser Friedenskonferenz für eine Prüfung zu bilanzieren. Habt ihr ein Feedback für mich?


Versucht man die Ergebnisse der PFK abschließend zu bewerten, so haben die Sieger in den Monaten von Januar bis Juni 1919 in Paris vieles erreicht: 
  • Verträge mit den Deutschen, Österreichern, Ungarn, Bulgaren und Osmanen fertiggestellt und weitgehend ausgearbeitet, welcher jeder für sich hoch komplexe Entscheidungen erforderte, die es unter dem Eindruck einer nie da gewesenen Katastrophe zu bewältigen galt. 
  • Sie haben einen Völkerbund und eine internationale Arbeitsorganisation geschaffen. Auch wenn die USA selbst und auch Russland und D nicht beitraten und der Völkerbund scheiterte, war er doch ein wichtiger Schritt in Richtung Kooperation. Denn so unvollkommen und fragwürdig die Realisierung des Völkerbundes in der Form von 1919 als Teil der Friedensverträge war, als übernationale Ordnungsidee wies er über das zu Ende gehende Zeitalter des europäischen Staatensystems hinaus. Dieser hatte bereits auf völkerrechtlicher Ebene bedeutsame Innovationen gebracht, die heute allgemein akzeptiert sind, wie die Ächtung des Angriffskrieges und die Idee der Vereinten Nationen als Instrument der Friedenswahrung. 
[justify]Allerdings wurde angesichts der Fülle der Aufgaben auch viele ungelöste Probleme zurückgelassen:[/justify]
  • Die deutsche Frage bildete weiterhin einen Unruheherd in Europa. Der alliierte Sieg war nicht vernichtend genug gewesen, und Deutschland stark geblieben. Russland war aus Mitteleuropa abgedrängt und D nun von mehreren kleineren schwachen Staaten umgeben. Anderer europäischen Großmächte waren nicht in der Lage, Deutschland und Russland durch ein Bündnissystem im Zaum zu halten. 
  • Die neu geschaffenen Grenzen, waren hoch umstritten und sorgte für viel Zündstoff und wachsenden Nationalismus in Mitteleuropa, im Nahen Osten und in Asien. 
  • Sieger bemühten sich zwar Regierungen zu verpflichten, Minderheiten gut zu behandeln, doch hatte der VB zu wenig Autorität, als dass er die Verwandlung der neuen Nationen in Mitteleuropa, die als parlamentarische Demokratien gegründet worden waren, in autoritäre oder diktatorischer Systeme verhindern konnte, in denen Minderheiten verfolgt, vertrieben und vernichtet wurden.
  • Der russische Bolschewismus war vielleicht eingedämmt worden, aber der lange Krieg zwischen dem kapitalistischen Westen und kommunistischen Osten hatte gerade erst begonnen
  • Zwar hat die Konferenz zum Anfang des Dekolonialisierungsprozesses beigetragen, doch Rassengleichheit bestand noch lange nicht.
  • Durch eine nur beiläufige Behandlung der nichteuropäischen Welt, wurden Ressentiments hervorgerufen, für die der Westen noch heute zahlt (Asien, arabische Welt).
[justify]Sieger waren überzeugt, alles für einen Frieden gegeben zu haben, aber waren sich auch bewusst, die Weltprobleme nicht gelöst zu haben.[/justify]
  • Als Führer der stärksten Weltmacht wollte Wilson in Paris zugleich Sieger und Schiedsrichter sein, doch wurde er von Frankreich und GB stark herausgefordert, mit Motiven welche teilweise komplett gegensätzlich zu den 14 Punkte waren. 
  • Man könnte Fragen, was Wilson anstelle der „Neuen Diplomatie“ einerseits und der traditionellen Machtpolitik hätte tun sollen, um Frieden zu wahren. Darauf gibt es keine einfache Antwort. Sicherlich hätte im Detail einiges anders laufen können, aber grundsätzliche Alternativen waren damals und sind auch heute schwer erkennbar.
  • (Und wenn man die europäische-atlantische Perspektive erweitert, wird deutlich, dass überall auf der Welt das ökonomische, politische und auch militärische Gewicht der USA wahrgenommen, wurde die innen- und außenpolitische Entwicklungen überall auf dem Globus von seinen Prinzipien beeinflusste.)
  • Mann muss den Staatsmännern in Paris zugute halten, dass auch heute auf die Frage, wie man mit irrationalen Leidenschaften des Nationalismus oder der Religion umgehen kann oder wie Kriege zu ächten, keine einfachen Antworten zu finden sind?  
  • Jedoch ist 1919 die Idee einer neuen globalen Ordnung in die Welt gekommen, die allerdings erst nach dem Scheitern des radikal nationalsozialisitischen Gegenentwurfs zum tragen kommen konnte. Der Imperialismus, Nationalismus von FR und GB waren nicht mehr und der Ansatz einer postnationalistische Weltregierung (USA) waren noch nicht in der Lage, die gigantische Probleme zu lösen.
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Barbarossa
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Hallo.
Beim Durchlesen fiel mir einiges auf.
Wäre es nötig gewesen, Deutschland ,,vernichtend genug'' zu schlagen?
Haben die Sieger nicht vielmehr versucht, Deutschland auf jede erdenkliche Weise zu demütigen? (Lediglich die USA haben versucht, besänftigend einzuwirken) Besonders an der Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld an Deutschland erhitzten sich in Deutschland die Gemüter, und zwar als vermutlich einziger Konsenz in der deutschen Gesellschaft.

Ich kann auch nicht erkennen, dass die USA zwischen den Weltkriegen die stärkste Weltmacht waren. Dazu war die Politik der Amerikaner zu isolationistisch geprägt. Das änderte sich erst mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg.
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sebtreb

Barbarossa hat geschrieben:Hallo.
Beim Durchlesen fiel mir einiges auf.
Wäre es nötig gewesen, Deutschland ,,vernichtend genug'' zu schlagen?
Haben die Sieger nicht vielmehr versucht, Deutschland auf jede erdenkliche Weise zu demütigen? (Lediglich die USA haben versucht, besänftigend einzuwirken) Besonders an der Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld an Deutschland erhitzten sich in Deutschland die Gemüter, und zwar als vermutlich einziger Konsenz in der deutschen Gesellschaft.

Ich kann auch nicht erkennen, dass die USA zwischen den Weltkriegen die stärkste Weltmacht waren. Dazu war die Politik der Amerikaner zu isolationistisch geprägt. Das änderte sich erst mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg.
Danke für deine Antwort.
Angesichts der Verträge die im 19. und 20. Jahrhundert sonst ausgehandelt wurden, stellte der VV keine extremen Bedingungen dar sondern war angemessen bzw. hielt sich im Rahmen. Frankreich musste 1815 höhere Reparationen zahlen, Deutschland wurde 1945 geteilt und im Frieden von Brest Litowsk 1918 diktierte Deutschland Russland selbst, sehr harte territoriale Bestimmungen. Dass insbesondere Frankreich eine symbolische Demütigung durch Art. 231 wie auch die Unterzeichnung des VV im Schloss von Versailles unter Anwesenheit von einigen Kriegsverletzten quasi zum Programm erhob, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Von einem besonnenen, vorausschauenden Handeln der Alliierten kann jedenfalls nicht gesprochen werden.
Aber es ist tatsächlich fraglich, ob es gereicht hätte, Deutschland "vernichtend genug" zu schlagen. Der Nationalsozialismus wäre wohl trotzdem erstarkt, egal wie der Friedensschluss mit D zustande gekommen wäre. Die nationalen Hoffnungen waren schon zu Kriegszeiten und während der Waffenstillstandsverhandlungen deutlich und die Entwicklungen in der Weimarer Republik sind nicht als unmittelbare Folgen des VV zu sehen. Somit danke für deinen Hinweis. 

Zu USA: Vielleicht ist folgende Formulierung besser: Mit dem Anspruch, stärkste Weltmacht zu sein, wollte Wilson in Paris zugleich als Sieger und Vermittler auftreten...

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Barbarossa
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Ich denke, das geht in Ordnung.
Andererseits hab ich die Friedensbedingungen von 1815 und 1919 noch nicht so genau verglichen. Aber eines fällt doch auf: Frankreich verlor 1815 keine Ländereien an die Siegermächte und durfte sogar alle Kolonien behalten. Da ging man mit Deutschland 1919 doch sehr viel härter ins Gericht.
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